Urteilskopf
124 II 581
56. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. September 1998 i.S. Y. Bank AG und Y. Gruppe AG gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste
Art. 6 Abs. 5 BankG
; Art. 25c Abs. 1 Ziff. 3.10.2 BankV;
Art. 663c OR
; Offenlegung der wesentlichen Kapitaleigner von Banken.
Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen der Eidgenössischen Bankenkommission (E. 1).
Art. 6 Abs. 5 BankG
bildet eine hinreichende gesetzliche Grundlage, um Banken gemäss Art. 25c Abs. 1 Ziff. 3.10.2. BankV zu verpflichten, im Anhang ihrer Jahresrechnung alle direkten und indirekten Kapitaleigner und stimmrechtsgebundenen Gruppen von Kapitaleignern, deren Beteiligung am Bilanzstichtag 5% sämtlicher Stimmrechte übersteigt, mit Namen und prozentualer Beteiligung zu nennen, soweit sie bekannt sind oder bekannt sein müssten (E. 2).
Die Eidgenössische Bankenkommission verpflichtete die Y. Bank AG, im Anhang ihrer Jahresrechnung alle direkten und indirekten Kapitaleigner, deren Beteiligung am Bilanzstichtag 5% sämtlicher Stimmrechte übersteigt, mit Namen und prozentualer Beteiligung zu nennen. Für das Jahr 1997 habe die Bank die entsprechenden Angaben ihren Kunden und dem Publikum mittels Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt sowie, soweit möglich, direkt mitzuteilen; Geschäftsberichte für das Jahr 1997, welche sich noch im Besitz der Bank befänden, müssten entsprechend ergänzt werden.
Die Y. Bank AG und die Y. Gruppe AG haben hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Verfügung aufzuheben. Sie wenden ein, der in der Bankenverordnung und den entsprechenden Richtlinien vorgesehenen Verpflichtung, die Kapitaleigner bekannt zu geben, fehle die erforderliche gesetzliche Grundlage.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
aus folgenden Erwägungen:
1.
In Anwendung des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG; SR 952.0) ergangene Verfügungen der Bankenkommission können beim Bundesgericht nach Massgabe des Bundesrechtspflegegesetzes angefochten werden (
Art. 24 BankG
; Art. 97 in Verbindung mit
Art. 98 lit. f OG
und
Art. 5 VwVG
). Die Y. Bank AG (Beschwerdeführerin 1) wurde verpflichtet, im Anhang ihrer Jahresrechnung jeweils jene direkten und indirekten Kapitaleigner zu nennen, deren Beteiligung am Bilanzstichtag 5% übersteigt. Sie ist hierdurch in eigenen schutzwürdigen Interessen betroffen und deshalb zur vorliegenden Beschwerde legitimiert (vgl.
Art. 103 lit. a OG
;
BGE 123 II 115
E. 2a S. 117;
BGE 121 II 176
E. 2 S. 177 f.). Die Y. Gruppe AG (Beschwerdeführerin 2) hält ihrerseits das Gesellschaftskapital der Y. Bank AG. Zwar ist sie nicht bereits deswegen beschwerdeberechtigt (vgl.
BGE 116 Ib 331
E. 1c S. 335 f.), doch wird sie durch die angefochtene Verfügung insofern unmittelbar selber berührt, als gestützt auf die umstrittene Anordnung künftig zumindest ein Teil ihrer Aktionärsstruktur publik gemacht würde. Sie ist deshalb ebenfalls befugt, die umstrittene Verfügung der Bankenkommission anzufechten.
2.
a) Das Bundesgericht kann auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin Verordnungen des Bundesrats vorfrageweise auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, untersucht es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung. Räumt die gesetzliche Delegation dem Bundesrat einen weiten Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsstufe ein, ist dieser für das Bundesgericht nach
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
jedoch verbindlich. Es darf in diesem Fall nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle jenes des Bundesrats setzen, sondern kann lediglich prüfen, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder sich aus anderen Gründen als gesetz- oder verfassungswidrig erweist (
BGE 122 II 411
E. 3b S. 416 f.;
BGE 121 II 465
E. 2a S. 467, je mit Hinweisen).
b) Nach
Art. 6 Abs. 4 BankG
haben die Banken ihre Jahresrechnungen zu veröffentlichen. Der Bundesrat legt unter anderem fest, wie diese zu gliedern und in welcher Form, in welchem Umfang sowie innert welcher Frist sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind (
Art. 6 Abs. 5 BankG
; französischer Wortlaut: "... détermine les éléments qui doivent figurer dans les comptes annuels"; italienischer Wortlaut: "... stabilisce quali elementi devono figurare nei conti annuali..."). Gestützt hierauf hat der Bundesrat in den Art. 23-28 der Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (BankV; SR 952.02; Fassung vom 12. Dezember 1994) die Anforderungen detailliert, denen die Jahresrechnung zu genügen hat. Art. 25c Abs. 1 Ziff. 3.10.2 BankV bestimmt dabei, dass die Kapitaleigner und stimmrechtsgebundenen Gruppen, deren Beteiligung am Bilanzstichtag 5% aller Stimmrechte übersteigt, im Anhang mit Namen und prozentualer Beteiligung aufzuführen sind, wobei Privatbankiers hiervon ausgenommen werden. Die Richtlinien der Bankenkommission vom 14. Dezember 1994 zu den Rechnungslegungsvorschriften der Art. 23 bis 27 BankV (veröffentlicht in Thévenoz/Zulauf [Hrsg.], Bank- und Finanzmarktrecht 1998, 31A-10) sehen in Rz. 175 ihrerseits vor, dass die Offenlegung nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sowohl für die direkten wie die indirekten Kapitaleigner gilt.
c) aa) Wieweit die dem Bundesrat in
Art. 6 Abs. 5 BankG
eingeräumte Kompetenzdelegation reicht, braucht vorliegend nicht generell beurteilt zu werden (vgl. die kritischen Ausführungen von Benno Lutz, in: Bodmer/Kleiner/Lutz, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, Rz. 2 u. 13 ff. zu Art. 6). Zumindest die in Art. 25c Abs. 1 Ziff. 3.10.2 BankV vorgesehene Offenlegungspflicht ist dadurch - entgegen den Einwänden der Beschwerdeführerinnen - gedeckt: Zwar spricht der deutsche Gesetzestext nur davon, dass der Bundesrat die Gliederung der Jahresrechnung festlegen könne; aus dem französischen bzw. italienischen Wortlaut ergibt sich indessen, dass damit nicht nur Bestimmungen über den formellen Aufbau der Jahresrechnung (Struktur), sondern auch Anordnungen über deren Inhalt gemeint sind. Der bankengesetzlich vorgeschriebene Geschäftsbericht, der sich aus der Jahresrechnung und dem Jahresbericht zusammensetzt (
Art. 6 Abs. 1 BankG
), ist - besondere Regeln vorbehalten - nach den Vorschriften des Obligationenrechts über die Aktiengesellschaften zu erstellen (vgl.
Art. 6 Abs. 2 BankG
). Gemäss
Art. 663c Abs. 1 OR
müssen Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, im Anhang zur Bilanz bedeutende Aktionäre und deren Beteiligungen nennen, sofern ihnen diese bekannt sind oder bekannt sein müssten. Als bedeutend gelten dabei Aktionäre und stimmrechtsverbundene Aktionärsgruppen, deren Beteiligung 5% aller Stimmrechte übersteigt (
Art. 663c Abs. 2 OR
). Diese Regelung soll die Beherrschungsverhältnisse bei börsenkotierten Gesellschaften im Interesse der Publikumsaktionäre und einer weiteren Öffentlichkeit allgemein zugänglich machen (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl., Zürich 1996, S. 502, Rz. 972). Würde die Offenlegungspflicht des Aktienrechts wörtlich auf die Banken übertragen, wären davon zwar nur börsenkotierte Gesellschaften betroffen. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Banken liegt jedoch auf der Hand, dass das Interesse an der Offenlegung der Beherrschungsverhältnisse an ihnen generell nicht geringer sein kann als bei Publikumsgesellschaften schlechthin. Mit der Pflicht zur Bekanntgabe der Zusammensetzung ihres Gesellschaftskapitals hat der Bundesrat damit im Rahmen von
Art. 6 Abs. 5 BankG
lediglich entschieden, ob bankenrechtlich die strengere Regelung für Publikumsgesellschaften oder die weniger strenge für nicht börsenkotierte Gesellschaften gelten soll. Die von ihm statuierte Lösung war dabei im Lichte der vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen und der beabsichtigten Markttransparenz sachlich vorgegeben. Wenn der Bundesrat zwischen zwei verschiedenen
BGE 124 II 581 S. 585
im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten diejenige wählte, die den Banken und ihrer Bedeutung allgemein angemessener erscheint, überschritt er damit den ihm in
Art. 6 Abs. 5 BankG
eingeräumten Delegationsrahmen nicht.
bb) Zu Recht weist die Eidgenössische Bankenkommission darauf hin, dass es im Bank- und Finanzmarktaufsichtsrecht regelmässig nicht nur auf den formellen Aktionär, sondern vielmehr zusätzlich gerade auch auf den wirtschaftlich Berechtigten ankommt. Wird dieser nicht mitberücksichtigt, wäre das gesetzgeberische Ziel oft gar nicht zu erreichen: Zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit setzt das Bankengesetz etwa voraus, dass die natürlichen oder juristischen Personen, welche "direkt oder indirekt" mit mindestens 10% des Kapitals oder der Stimmen an der Bank beteiligt sind, gewährleisten, dass sich ihr Einfluss nicht zum Schaden einer umsichtigen und soliden Geschäftstätigkeit auswirkt (Art. 3 Abs. 2 lit. cbis BankG). Der Erwerb oder die Veräusserung einer solchen Beteiligung ist meldepflichtig, sei diese direkt oder indirekt (
Art. 3 Abs. 5 BankG
). Es knüpft sich daran die Befugnis der Bankenkommission, das Stimmrecht betroffener Aktionäre allenfalls zu suspendieren (
Art. 23ter Abs. 1bis BankG
), was die gegenüber der vorliegend umstrittenen Offenlegungspflicht strengeren Anforderungen rechtfertigt. Für die für eine Publikation im Anhang zum Jahresbericht vorgesehene tiefere Beteiligungsschwelle von 5% muss es damit folgerichtig ebenfalls auch auf die wirtschaftliche Berechtigung ankommen. Nur so werden die Publikumsgläubiger bzw. Kunden in die Lage versetzt, sich mit Blick auf die wesentlichen Kapitaleigner ein Bild über die Sicherheit des Instituts zu machen, dem sie ihr Geld anvertrauen. Die Richtlinien der Eidgenössischen Bankenkommission, die bei der Erstellung und Gliederung der Jahresrechnungen und Zwischenabschlüsse zu befolgen sind (vgl.
Art. 28 BankV
), stellen damit nur klar, was sich von der Sache her bereits aus Sinn und Zweck des Gesetzes und der Verordnung selber ergibt (vgl.
Art. 24 Abs. 2 lit. k BankV
).
cc) Zu Unrecht berufen sich die Beschwerdeführerinnen schliesslich auf das Recht des Aktionärs auf Anonymität. Ein solches besteht im Anwendungsbereich von
Art. 663c OR
(FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, S. 456, Rzn. 5-10) und des Bankengesetzes gerade nicht. Der Gesetzgeber hat das Interesse an der Transparenz des Marktes grundsätzlich höher gewichtet als jenes des einzelnen Aktionärs (bzw. im Rahmen von
Art. 663h OR
der Gesellschaft selber) an Geheimhaltung,
BGE 124 II 581 S. 586
weshalb die entsprechenden Angaben zu den offenlegungspflichtigen Informationen des Aktienrechts gehören (BÖCKLI, a.a.O., Rz. 972c). Soweit die Bankengesetzgebung - wie dargelegt kompetenzkonform - strengere Anforderungen stellt (nicht nur börsenkotierte Gesellschaften), gehen diese der aktienrechtlichen Regelung vor (vgl. Art. 16 der Schluss- und Übergangsbestimmungen des OR vom 18. Dezember 1936; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., S. 952, Rz. 58).