Urteilskopf
124 III 293
53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Mai 1998 i.S. X. gegen diverse Kläger (Berufung)
Regeste
Art. 35 Abs. 2 GBV
,
Art. 731 Abs. 1 ZGB
und
Art. 971 Abs. 1 ZGB
; Gültigkeit eines Grundbucheintrages.
Bei der Eintragung einer Dienstbarkeit auf dem Grundbuchblatt des belasteten Grundstückes muss nebst dem Inhalt des Rechtes auch das berechtigte Grundstück bezeichnet werden (
Art. 35 Abs. 2 GBV
); eine lückenhafte Eintragung, die das berechtigte Grundstück nicht bezeichnet, kommt im Ergebnis einer Nichteintragung gleich (E. 2a und b).
Da für die Entstehung einer Dienstbarkeit die Grundbucheintragung konstitutiv ist (Art. 731 Abs. 1 und 971 Abs. 1 ZGB), kann ohne gültige Eintragung keine Dienstbarkeit entstehen. Dabei ist belanglos, ob der Erwerber gutgläubig davon ausging, das Grundstück unbelastet zu erwerben (E. 2c).
A.-
Im Jahr 1970 wurde aus der Parzelle Nr. 4418, die im Miteigentum von B., C. und D. stand, zwei Grundstücke gebildet, wobei die nördlich gelegene Parzelle die Nr. 4418 behielt und die südlich gelegene die Nr. 5403 erhielt. In der Folge traten die Miteigentümer B., C. und D. von der neuen Parzelle Nr. 4418 jeweils soviel an K., L. und M. ab, dass jeder von ihnen Miteigentümer zu
BGE 124 III 293 S. 294
je 1/6 wurde; anschliessend wurde Stockwerkeigentum begründet. Die Parzelle Nr. 5403 verblieb dagegen im Miteigentum von B., C. und D. Im öffentlich beurkundeten «Kaufvertrag mit Grenzänderung» vom 25. Juli 1970 schlossen die Parteien ferner eine Vereinbarung mit der Formulierung «zL No 5403 besteht Höherbauverbot höher als ein Einfamilienhaus». Gestützt darauf wurde im Grundbuch auf dem Grundbuchblatt des Grundstückes Nr. 5403 eine Eintragung mit dem Wortlaut «L. Höherbauverbot zL Nr 5403 S/Beleg 4645-1970» vorgenommen.
B.-
Am 29. April 1991 wurde die Parzelle Nr. 5403 - nach verschiedenen vorherigen Handänderungen - von X. gekauft. Im Verlauf des Jahres 1992 plante X. die Erstellung eines mehrstöckigen Hauses auf der Parzelle Nr. 5403. Im Rahmen dieser Planung stellte er beim Grundbuchamt am 21. Januar 1992 das Gesuch, das Höherbauverbot zu Lasten der Parzelle Nr. 5403 gestützt auf
Art. 976 ZGB
zu löschen, da dieses «weder zu Gunsten einer Parzelle (Grunddienstbarkeit) noch zu Gunsten einer Person (irreguläres Personalservitut)» im Grundbuch eingetragen sei, deshalb keinen Sinn habe und auch keine Rechtswirkungen zeitigen könne. Diesem Gesuch hat das Grundbuchamt am 23. Januar 1992 entsprochen.
C.-
In der Folge erhoben die Stockwerkeigentümer der Parzelle Nr. 4418 Baueinsprache gegen das Bauvorhaben von X., worauf die Einsprecher von der Gemeindeverwaltung auf den Zivilweg verwiesen wurden. Mit Grundbuchberichtigungsklage vom 1. Juni 1993 verlangten die Stockwerkeigentümer, es sei festzustellen, dass zu Lasten der Parzelle Nr. 5403 und zu Gunsten der Parzelle Nr. 4418 ein Höherbauverbot bestehe, nicht höher als ein Einfamilienhaus zu bauen; das Grundbuchamt sei anzuweisen, dieses Höherbauverbot im Grundbuch einzutragen. Mit Urteil vom 13. Januar 1998 hiess das Kantonsgericht des Kantons Wallis die Grundbuchberichtigungsklage gut. Es gelangte aufgrund einer Auslegung des Rechtsgeschäftes, das der Eintragung zugrunde lag, sowie der Einvernahme mehrerer Zeugen zum Schluss, dass das Höherbauverbot zu Gunsten der Parzelle Nr. 4418 errichtet worden sei, stellte das Bestehen eines Höherbauverbotes zu Lasten des Grundstückes Nr. 5403 und zugunsten der Parzelle Nr. 4418 fest und wies das Grundbuchamt an, diese Dienstbarkeit auf Ersuchen und auf Kosten der Kläger einzutragen.
D.-
Mit Berufung vom 20. Februar 1998 beantragt X. dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes des Kantons Wallis vom 13. Januar 1998 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass zu Lasten der Parzelle Nr. 5403 kein Höherbauverbot bestehe. Das
BGE 124 III 293 S. 295
Bundesgericht heisst die Berufung gut, soweit es darauf eintritt, und weist die Grundbuchberichtigungsklage der Stockwerkeigentümer ab.
Aus den Erwägungen:
2.
Anlässlich des Erwerbes des Grundstückes Nr. 5403 durch den Beklagten enthielt das betreffende Grundbuchblatt den Eintrag «L. Höherbauverbot zL Nr 5403 s/Beleg 4645-1970». In Bezug auf das zu Lasten der Parzelle 5403 eingetragene Höherbauverbot war dem Grundbuch somit weder ein berechtigtes Grundstück noch eine berechtigte Person zu entnehmen. Das Grundbuchamt hatte die erwähnte Eintragung auf Antrag des Beklagten gelöscht, weil das Höherbauverbot weder zu Gunsten eines anderen Grundstücks noch zu Gunsten einer Person im Grundbuch eingetragen war. Die Kläger sind demgegenüber der Ansicht, dass die Löschung nicht gerechtfertigt war, weil sich aufgrund des Grundgeschäftes ergebe, dass die Parzelle Nr. 4418 das berechtigte Grundstück sei; zudem sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass das auf seinem Grundstück eingetragene Höherbauverbot zu Gunsten der Parzelle Nr. 4418 errichtet worden sei.
a) Gemäss
Art. 971 Abs. 1 ZGB
besteht ein Recht als dingliches Recht nur, wenn es aus dem Grundbuch ersichtlich ist, soweit für dessen Begründung die Eintragung in das Grundbuch vorgesehen ist (sog. Prinzip der negativen Grundbuchwirkung, vgl.
BGE 123 III 346
E. 2c S. 352 f.). Für die Entstehung einer Dienstbarkeit ist die Grundbucheintragung konstitutiv (
Art. 731 Abs. 1 ZGB
). Dabei muss die Eintragung im Grundbuch die essentiellen Bestandteile des dinglichen Rechts umfassen. Nicht anders als beim Vertrag über die Errichtung einer Grunddienstbarkeit ist nicht nur erforderlich, dass die Eintragung die Dienstbarkeit benennt; vielmehr müssen auch das berechtigte und das belastete Grundstück bestimmt oder zumindest bestimmbar sein (
BGE 122 III 150
E. 3b S. 157 mit Hinweisen).
Art. 35 Abs. 2 der Verordnung betreffen das Grundbuch (GBV; SR 211.432.1)
- in der hier massgebenden, bis Ende 1994 geltenden Fassung - bestimmt denn auch, dass die Eintragung in das Hauptbuch u.a. «die Nummer des belasteten oder berechtigten Grundstücks (...) enthalten» soll. Übereinstimmend damit wird in der neuen Fassung von
Art. 35 Abs. 2 GBV
- in Kraft seit dem 1. Januar 1995 - festgehalten, dass die Eintragung «auf dem Hauptbuchblatt des belasteten Grundstückes die Bezeichnung des berechtigten Grundstückes
BGE 124 III 293 S. 296
oder der berechtigten Person» enthalten muss (lit. d). Eine lückenhafte Eintragung, welche diese für die Entstehung einer Dienstbarkeit erforderlichen Mindestelemente nicht enthält, kommt einer Nichteintragung gleich.
b) Im vorliegenden Fall enthält das Grundbuchblatt der Parzelle Nr. 4418 keinerlei Hinweis, zugunsten welchen Grundstückes das Höherbauverbot eingetragen wurde. Damit fehlt es an einem wesentlichen Element. Auch die Verweisung im Grundbucheintrag auf den Beleg hilft nicht weiter. Zwar kann zur Bestimmung des Inhalts einer Dienstbarkeit auf den Beleg oder die Art der Ausübung zurückgegriffen werden; doch kann der Inhalt des Rechtes nur «im Rahmen des Eintrages» nachgewiesen werden (Art. 738 Abs. 2 und 971 Abs. 2 ZGB); es kann daher nicht auf den Beleg zurückgegriffen werden, um den Inhalt einer Dienstbarkeit nachzuschieben, für welchen die Eintragung im Grundbuch keinerlei Hinweise gibt. Aus diesen Gründen kann das Grundgeschäft entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zur Ermittlung des Inhaltes der Eintragung herangezogen werden. Im Übrigen nennt auch der «Kaufvertrag mit Grenzänderung» vom 25. Juli 1970 kein berechtigtes Grundstück.
c) Hat man es wie vorliegend mit einer lückenhaften Eintragung zu tun, die im Ergebnis einer Nichteintragung gleichzustellen ist, ist unerheblich, ob der Beklagte in gutem Glauben davon ausging, das Grundstück Nr. 5403 unbelastet zu erwerben, oder ob ihm beim Erwerb bekannt war, dass sich die damaligen Parteien beim Abschluss des Dienstbarkeitsvertrages im Jahr 1970 einig waren, dass ein Höherbauverbot zu Lasten der Parzelle Nr. 5403 und zugunsten des Grundstückes Nr. 4418 bestehen soll. Allein schon aufgrund der negativen Grundbuchwirkung ist der Dritterwerber bei einer nicht erfolgten Eintragung in seinem unbelasteten Eigentumserwerb geschützt; da keine Eintragung vorliegt, ist auch kein dingliches Recht entstanden. Daher geht der Hinweis auf den angeblich fehlenden guten Glauben des Beklagten fehl.