Urteilskopf
124 III 57
12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. November 1997 i.S. A. gegen B. SA (Berufung)
Regeste
Mietvertrag; indexierte und gestaffelte Mietzinse (
Art. 269b OR
und
Art. 269c OR
).
Die Kumulation einer Index- und einer Staffelungsklausel im selben Mietvertrag ist nicht zulässig (E. 3).
Am 21. Dezember 1990 vermietete A. der B. SA Gewerberäumlichkeiten in den Liegenschaften X. und Y. in Fehraltorf. Das Mietverhältnis begann am 16. Februar 1991 und war unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sieben Monaten erstmals per 31. März 1996 kündbar. Ziffer 6a räumte der Mieterin nach Ablauf der festen Vertragsdauer eine Option auf Verlängerung des Mietvertrages um weitere fünf Jahre ein, die bis zum 31. März 1995 schriftlich ausgeübt werden musste, andernfalls sich der Vermieter vorbehielt, anderweitig über die Mietobjekte zu verfügen. Gemäss Ziffer 6 des Vertrages betrug der kostendeckende jährliche Mietzins insgesamt Fr. 589'740.--, wurde jedoch "im Sinne eines einmaligen Entgegenkommens des Vermieters gegenüber der Mieterin" bis zum 31. März 1996, also für die gesamte feste Vertragsdauer, auf Fr. 383'220.-- reduziert. Der Mietzins konnte ausserdem gemäss Ziffer 22 den Veränderungen des Landesindexes der Konsumentenpreise
BGE 124 III 57 S. 58
angepasst werden. Für den Fall, dass die Mieterin die Option auf Verlängerung des Vertrages um weitere fünf Jahre ausüben sollte, galt gemäss Ziffer 6a ausdrücklich nicht mehr der reduzierte, sondern der als kostendeckend bezeichnete Mietzins von Fr. 589'740.--, angepasst an die seit 30. Juni 1990 eingetretene Veränderung des Landesindexes der Konsumentenpreise.
Am 1. Januar 1995 belief sich der Mietzins nach verschiedenen, mit einem Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise begründeten Anpassungen auf jährlich Fr. 442'494.--. Die B. SA machte von ihrem Recht auf Verlängerung des Mietvertrages um fünf Jahre keinen Gebrauch, doch setzten die Parteien das Mietverhältnis unbefristet fort. Mit Schreiben und amtlichen Formularen vom 28. Juli und 11. Dezember 1995 teilte A. seiner Mieterin unter Bezugnahme auf die Ziffern 6a und 22 des Mietvertrages mit, dass der Mietzins ab 1. April 1996 neu Fr. 693'152.-- zuzüglich Nebenkosten betrage. Die B. SA focht die Mietzinserhöhung bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirkes Pfäffikon an.
Nachdem vor der Schlichtungsstelle eine Einigung zwischen den Parteien nicht erzielt werden konnte, beantragte A. am 25. April 1996 dem Bezirksgericht Pfäffikon, es sei der mit Schreiben und amtlichen Formularen vom 28. Juli und 11. Dezember 1995 per 1. April 1996 angezeigte Mietzins von Fr. 693'152.-- als vertragsgemäss, nicht anfechtbar und allenfalls als nicht missbräuchlich zu erklären. Das Bezirksgericht wies die Klage am 12. Juli 1996 ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 9. April 1997 ebenfalls abgewiesen.
Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
Aus den Erwägungen:
3.
a) Grundsätzlich kann ein einmal vereinbarter Mietzins während der festen Vertragsdauer von keiner Partei einseitig geändert werden. Eine Anpassung ist jeweils erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin zulässig (
Art. 269d und 270a OR
). Das Gesetz sieht mit der Indexierung (
Art. 269b OR
) und der Staffelung (
Art. 269c OR
) aber ausdrücklich zwei Anpassungsklauseln vor, die es erlauben, bereits bei Vertragsschluss bestimmte Änderungen des Mietzinses während einer festen Vertragsdauer im voraus zu vereinbaren. Voraussetzung ist, dass der Mietvertrag beim indexierten Mietzins für mindestens fünf, bei der Staffelmiete für mindestens
BGE 124 III 57 S. 59
drei Jahre fest abgeschlossen wird. In diesem Zeitraum sind die Parteien an die vertraglich vorgesehene Anpassungsmöglichkeit gebunden: Unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses kann der Mieter bei indexierten Mietzinsen nur geltend machen, die Erhöhung sei durch keine entsprechende Änderung des Indexes gerechtfertigt (
Art. 270c OR
); bei gestaffelten Mietzinsen ist ihm eine Anfechtung der einzelnen Erhöhung überhaupt versagt (
Art. 270d OR
). Auf der andern Seite kann der Vermieter während der festen Vertragsdauer neben der Indexierung bzw. Staffelung grundsätzlich keine weiteren Erhöhungsgründe anrufen (
BGE 123 III 76
E. 4c S. 80;
BGE 121 III 397
E. 2b/bb S. 402; BBl 1985 I S. 1480). Es ist deshalb ausgeschlossen, in einem Vertrag mit indexiertem Mietzins zusätzlich zum Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise weitere Erhöhungsfaktoren vorzusehen, es sei denn, die Erhöhung sei durch entsprechende Mehrleistungen des Vermieters gerechtfertigt und der Mietvertrag sehe diese Möglichkeit ausdrücklich vor (Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 1994, E. 2d/bb, in: SJ 1994, S. 487; BBl a.a.O., S. 1486; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, Rz. 2.1.2 und 2.2.5, S. 336 und 338 f.; DAVID LACHAT/DANIEL STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl., Zürich 1992, S. 259; ELMAR GRATZ, Mietzinsgestaltung, Zürich 1995, S. 112; SVIT-Kommentar Mietrecht, Zürich 1991, N. 25 ff. zu
Art. 269b OR
). Daraus folgt, dass jedenfalls eine Kumulation von Index- und Staffelungsklausel unzulässig ist (WEBER/ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., Basel 1996, N. 4 zu
Art. 269c OR
; LACHAT, a.a.O., S. 339; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 259; SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 14 zu
Art. 269c OR
; a.M. RICHARD BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, Lausanne 1984, S. 106 [noch zum alten Recht]; WERNER PORTNER, Wegleitung zum neuen Mietrecht, 2. Aufl., Bern 1992, S. 137).
b) Das Obergericht hat die Vertragsbestimmungen, wonach der Mietzins während fünf Jahren Fr. 383'220.--, später Fr. 589'740.-- betragen soll, zu Recht als Staffelungsvereinbarung qualifiziert. Daran ändert weder der Umstand, dass im vorliegenden Fall nur eine einmalige Mietzinsanpassung vorgesehen war (vgl.
BGE 121 III 397
E. 2b/aa S. 400 mit Hinweisen), noch die Ausgestaltung als zeitlich befristete Reduktion eines höheren, angeblich kostendeckenden Mietzinses etwas (LACHAT, a.a.O., Rz. 3.2.2, S. 342 f.). Zusätzlich zu dieser Staffelungsklausel sieht der Mietvertrag in Ziffer 22 vor, dass der Mietzins bei einer Veränderung des Landesindexes der
BGE 124 III 57 S. 60
Konsumentenpreise angepasst werden kann. Der Kläger hat denn auch unter Berufung auf diese Vertragsbestimmung den Mietzins mehrmals auf zuletzt Fr. 442'494.-- pro Jahr erhöht. Ist der Mietvertrag aber bereits mit einer Indexklausel versehen und gestützt darauf der Mietzins angepasst worden, bleibt für eine zusätzliche Staffelungsvereinbarung - wie überhaupt für weitere Erhöhungsfaktoren - nach dem Gesagten grundsätzlich kein Raum (E. 3a hiervor). Die Vorinstanz hat deshalb die auf die Staffelungsklausel gestützte Mietzinserhöhung des Klägers angesichts der Kumulation mit der Indexierung bundesrechtskonform für unzulässig erklärt.
Ungültig ist die letzte Mietzinserhöhung des Klägers ferner auch, soweit sie sich auf einen Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise stützt. Denn wird ein ursprünglich auf fünf Jahre abgeschlossener Mietvertrag nach Ablauf der festen Vertragsdauer stillschweigend oder ausdrücklich als unbefristetes Mietverhältnis fortgesetzt, fällt die Indexierung dahin, es sei denn, der Vermieter sei auch in der folgenden Periode fünf Jahre gebunden (
BGE 123 III 76
E. 4a S. 77 f. mit Hinweisen;
BGE 109 II 55
E. 2b S. 58 e contrario).
c) Der Kläger wirft der Vorinstanz in diesem Zusammenhang eine Verletzung von
Art. 20 Abs. 2 OR
vor. Er macht geltend, die Parteien hätten in Kenntnis der Unzulässigkeit einer Kumulation der beiden Anpassungsklauseln auf die Indexierung verzichtet und stattdessen an der Staffelung festgehalten.
Gemäss
Art. 20 Abs. 2 OR
sind, sofern ein Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages betrifft, nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. Es ist danach zu fragen, welche Vereinbarung die Parteien unter den konkreten Umständen in Kenntnis des Mangels getroffen hätten (
BGE 120 II 35
E. 4a S. 41;
BGE 114 II 159
E. 2c S. 164;
BGE 107 II 216
E. 3a S. 218, 419 E. 3b S. 424 f.; KRAMER, Berner Kommentar, Bern 1991, N. 348 ff. zu
Art. 20 OR
; HUGUENIN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., Basel 1996, N. 63 f. zu Art. 19/20 OR). Massgeblich ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (KRAMER, a.a.O., N. 367 zu Art. 19/20 OR). Für die Annahme eines hypothetischen Parteiwillens, wie er vom Kläger behauptet wird, fehlt im vorliegenden Fall allerdings jeder Anhaltspunkt, standen ihm doch für den Fall, dass die Beklagte die Option auf Verlängerung des Mietverhältnisses um weitere fünf Jahre nicht ausüben würde, von Anfang an mehrere Vorgehensweisen offen: Er konnte auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Beklagten verzichten und die betreffenden Räumlichkeiten anderweitig zu
BGE 124 III 57 S. 61
neuen Konditionen vermieten oder aber auf das Ende der festen Vertragsdauer den Mietzins im Rahmen der Bestimmungen von
Art. 269 ff. OR
erhöhen. Insbesondere aber hatte er die Möglichkeit, bei einer Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Beklagten den künftigen Mietzins auf der Grundlage der absoluten Methode festzulegen und sich in diesem Rahmen namentlich auf die Erzielung einer kostendeckenden Bruttorendite gemäss
Art. 269a lit. c OR
zu berufen. Weil bei einem Mietvertrag mit Indexklausel der Mieter nicht in guten Treuen davon ausgehen kann, der am Ende der festen Vertragsdauer zuletzt geltende Mietzins sichere dem Vermieter in jedem Fall einen angemessenen Ertrag aus der Mietsache, hat der Vermieter die Wahl, bei der Berechnung des künftigen Mietzinses nach der relativen oder der absoluten Methode vorzugehen (
BGE 123 III 76
E. 4c S. 81 f.). Die Befürchtung des Klägers, sein "einmaliges und befristetes Entgegenkommen" werde zu einem unbefristeten, ist somit unbegründet. Angesichts dieser Rechtslage wäre aber eine hypothetische Vertragsgestaltung, wie sie der Kläger behauptet, mit seinen eigenen Interessen geradezu in Widerspruch gestanden: Ein Verzicht auf die Indexierung des Mietzinses beim Abschluss des Mietvertrages zugunsten einer Staffelungsklausel hätte ihm keine Vorteile eingeräumt, die er nicht ohnehin hatte.