BGE 124 IV 184 vom 20. Mai 1998

Datum: 20. Mai 1998

Artikelreferenzen:  Art. 19 BetmG, Art. 19b BetmG , Art. 19a Ziff. 1 BetmG, Art. 19a Ziff. 2 BetmG, Art. 19a Ziff. 1 und 2 BetmG, Art. 277bis Abs. 1 BStP

BGE referenzen:  124 IV 44, 135 IV 130, 145 IV 320 , 124 IV 44, 106 IV 75

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

124 IV 184


32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai 1998 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 19b BetmG ; Vorbereitung des Eigenkonsums, geringfügige Menge.
Bei der Beurteilung der Geringfügigkeit der Menge steht der rechtsanwendenden Behörde ein grosser Ermessensspielraum zu. Keine Ermessensüberschreitung der kantonalen Behörde, welche eine Menge von 11 g Haschisch als nicht mehr geringfügig erachtet hat (E. 2a und 2b).
Art. 19a Ziff. 1 und 2 BetmG ; Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, leichter Fall.
Leichter Fall aufgrund der Umstände verneint bei Konsum von Haschisch (E. 3b).

Sachverhalt ab Seite 184

BGE 124 IV 184 S. 184
G. rauchte am 2. September 1996 in Aarau eine Haschischzigarette. Überdies war er im Besitz von 11 g Haschisch, das für den Eigenkonsum bestimmt war.
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Am 3. Dezember 1997 verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Aargau zweitinstanzlich wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19a Ziff. 1 BetmG zu Fr. 300.-- Busse.
G. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Erwägungen:

1. (Verfahren)

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht die Anwendung von Art. 19b BetmG abgelehnt. Bei 11 g Haschisch handle es sich um eine geringfügige Menge im Sinne dieser Bestimmung.
a) Wer nur den eigenen Konsum vorbereitet, ist nicht strafbar, wenn es sich um geringfügige Mengen handelt ( Art. 19b BetmG ).
Der unbestimmte Begriff der Geringfügigkeit gab während der parlamentarischen Beratungen Anlass zu ausführlichen Diskussionen. Der Gesetzgeber räumte hier den rechtsanwendenden Behörden bewusst einen grossen Ermessensspielraum ein. Als Richtschnur für die Bestimmung der «geringfügigen Menge» betrachtete man eine Wochenration des jeweiligen Konsumenten. Nach der Praxis der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt werden Mengen bis zu ca. 30 g Haschisch als geringfügig betrachtet. Wesentlich restriktiver ist die Praxis im Kanton Solothurn, wo jene Menge als geringfügig gilt, die üblicherweise für eine Konsumation ausreicht (PETER ALBRECHT, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Sonderband Betäubungsmittelstrafrecht, Bern 1995, Art. 19b N. 8).
b) Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, reichen 11 g Haschisch nach den Angaben des Beschwerdeführers aus zur Erstellung von ca. 44 Hanfzigaretten. Mit Blick darauf hat die Vorinstanz das ihr zustehende grosse Ermessen nicht überschritten, wenn sie eine geringfügige Menge verneint hat. Der angefochtene Entscheid verletzt insoweit deshalb Bundesrecht nicht.
Damit wird bei Haschisch nicht für die ganze Schweiz eine einheitliche 11-Gramm-Grenze festgelegt. Für eine unterschiedliche kantonale Rechtsanwendung aufgrund abweichender lokaler Anschauungen kann es gute Gründe geben. Angesichts des vom Gesetzgeber den rechtsanwendenden Behörden bewusst eingeräumten
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grossen Ermessensspielraums greift das Bundesgericht hier nur mit Zurückhaltung ein, zumal derzeit noch wenig Zahlenmaterial aus den Kantonen zur Frage der Geringfügigkeit vorhanden ist.
c) In dem unveröffentlichten Urteil vom 15. März 1994 in Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. gegen B. hat das Bundesgericht die Auffassung der damaligen Vorinstanz, die Aufzucht von 5 Hanfpflanzen falle unter Art. 19b BetmG und sei deshalb straflos, als zutreffend bezeichnet. Diese 5 Hanfpflanzen dienten jedoch in erster Linie der Zierde und sollten alsdann an Schafe verfüttert werden. Der damalige Täter beabsichtigte also nur, gelegentlich von den Blättern zu rauchen. Aus diesem Grund geht der Einwand des Beschwerdeführers, man könne aus 5 Hanfpflanzen ein halbes kg Marihuana ernten, weshalb auch der Besitz von 11 g Haschisch unter Art. 19b BetmG falle, an der Sache vorbei.

3. Der Beschwerdeführer macht überdies geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht einen leichten Fall im Sinne von Art. 19a Ziff. 2 BetmG verneint.
a) Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 BetmG begeht, wird mit Haft oder mit Busse bestraft ( Art. 19a Ziff. 1 BetmG ). In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden; es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden ( Art. 19a Ziff. 2 BetmG ).
Der «leichte Fall» ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung verfügt der Sachrichter über einen weiten Ermessensspielraum ( BGE 124 IV 44 E. 2a; BGE 106 IV 75 E. 2b). Bei der Beurteilung, ob ein Fall leicht ist, sind die gesamten objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Der Richter darf nicht nur auf ein einziges Element, z.B. auf die Art der Droge, auf die Vorstrafen des Täters, auf die Umstände, unter denen er gehandelt hat, oder auf die geringere oder grössere Drogenabhängigkeit, abstellen ( BGE 106 IV 75 E. 2c). Bei Konsum von Haschisch ist nicht stets ein leichter Fall gegeben. Die Annahme eines leichten Falles ist ausgeschlossen, wenn jemand regelmässig Haschisch konsumiert und nicht die Absicht hat, sein Verhalten zu ändern ( BGE 124 IV 44 E. 2).
b) Der Beschwerdeführer hat eine Haschischzigarette geraucht. Wäre dieser Sachverhalt alleine zu beurteilen, so wäre ein leichter Fall anzunehmen. Das Rauchen der Haschischzigarette steht jedoch im Zusammenhang mit dem Besitz von 11 g Haschisch, den die Vorinstanz, wie dargelegt, bestrafen durfte. Im übrigen ist der
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Beschwerdeführer nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ) einschlägig vorbestraft. Er konsumiert seit rund 30 Jahren Betäubungsmittel und ist regelmässiger Haschischkonsument.
In Anbetracht dieser Umstände hat die Vorinstanz ihr Ermessen nicht überschritten, wenn sie einen leichten Fall verneint hat. Der angefochtene Entscheid verletzt daher auch insoweit kein Bundesrecht.

4. (Strafzumessung)

5. (Kostenfolgen)

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