BGE 124 V 62 vom 19. Januar 1998

Datum: 19. Januar 1998

Artikelreferenzen:  Art. 16 AVIG , Art. 16 Abs. 2 AVIG, Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG, Art. 16 Abs. 2 lit. a bis i AVIG, Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG, Art. 30 Abs. 1 lit. a, Art. 16 Abs. 2 AVIG, Art. 16 Abs. 1 AVIG

BGE referenzen:  125 V 480 , 122 V 35

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

124 V 62


9. Auszug aus dem Urteil vom 19. Januar 1998 i.S. M. gegen Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI und Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt

Regeste

Art. 30 Abs. 1 lit. a, Art. 16 Abs. 2 AVIG (in der seit 1. Januar 1996 geltenden Fassung): Unzumutbare Arbeit.
Nach Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG ist eine Arbeit unzumutbar, wenn der Lohn nicht berufs- und ortsüblich ist und insbesondere den gesamt- und normalarbeitsvertraglichen Ansätzen nicht entspricht.
Die Unzumutbarkeitstatbestände von Art. 16 Abs. 2 lit. a bis i AVIG müssen kumulativ ausgeschlossen sein, damit eine Arbeit als zumutbar qualifiziert werden kann.

Erwägungen ab Seite 62

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Aus den Erwägungen:

3. a) Die kantonale Schiedskommission hat die Einstellung in der Anspruchsberechtigung im wesentlichen mit der Begründung bestätigt, der
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Beschwerdeführer sei verpflichtet gewesen, die zumutbare Offerte der E. AG anzunehmen. Den Einwand, sein Basis-Stundenlohn wäre unter dem Mindestlohn gemäss regionalem Gesamtarbeitsvertrag Bauhauptgewerbe für den Kanton Basel-Stadt (Fr. 19.60) gelegen, hat die Vorinstanz mit dem Hinweis, sollte der vereinbarte Lohn unter der Zumutbarkeitsgrenze von 70% liegen, so werde dieser als Zwischenverdienst angerechnet und die Differenz zum Taggeldanspruch als Kompensationsleistung ausgeglichen ( Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG , in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung), nicht näher abgeklärt und geprüft.
b) In Art. 16 Abs. 1 AVIG in der seit 1. Januar 1996 in Kraft stehenden und damit vorliegend anwendbaren Fassung (vgl. BGE 122 V 35 Erw. 1) hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass der Versicherte zur Schadensminderung grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich annehmen muss. Diese Regel gilt nicht absolut, da in Art. 16 Abs. 2 AVIG verschiedene Ausnahmen stipuliert werden (lit. a - i). Galt bisher eine Arbeit nur als zumutbar, wenn sie eine Reihe von Kriterien erfüllte, so wird nunmehr die Definition umgekehrt: Jede Arbeit ist grundsätzlich zumutbar; die Ausnahmen werden abschliessend geregelt (Botschaft des Bundesrates zur zweiten Teilrevision des AVIG vom 29. November 1993; BBl 1994 I 357). Aufgrund der gewählten Systematik ist bei der Auslegung von Art. 16 Abs. 2 AVIG davon auszugehen, dass eine Unzumutbarkeit dann vorliegt, wenn einer der in lit. a - i dieser Bestimmung angeführten Tatbestände gegeben ist. Diese Unzumutbarkeitstatbestände müssen also kumulativ ausgeschlossen werden können, damit eine zumutbare Arbeit angenommen werden kann. Ist umgekehrt einer der in Art. 16 Abs. 1 lit. a - i AVIG aufgezählten Tatbestände erfüllt, liegt keine zumutbare Arbeit vor, selbst wenn die anderen Ausnahmetatbestände ausscheiden.
Es kann somit unter dem Gesichtswinkel von Art. 16 Abs. 2 AVIG nicht davon gesprochen werden, dass ein Versicherter verpflichtet ist, jede Arbeit anzunehmen, wenn die lohnmässigen Voraussetzungen vor Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG standhalten. Selbst wenn kein Unzumutbarkeitstatbestand im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, muss ein Versicherter eine angebotene Arbeit nicht annehmen, wenn diese aus einem anderen der in lit. a - h von Art. 16 Abs. 2 AVIG angeführten Gründe unzumutbar ist.
c) Im vorliegenden Fall beruft sich der Beschwerdeführer auf die Unzumutbarkeitsbestimmung des Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG , wonach eine Arbeit, die den berufs- und ortsüblichen, insbesondere den gesamt- oder
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normalarbeitsvertraglichen Bedingungen nicht entspricht, unzumutbar und somit von der Annahmepflicht ausgenommen ist. Ob der vom Beschwerdeführer bemängelte Lohn für einen Bauarbeiter in der Region Basel-Stadt berufs- und ortsüblich ist und dem einschlägigen Gesamtarbeitsvertrag entspricht, lässt sich anhand der Akten nicht beurteilen. Weder Verwaltung noch Vorinstanz sind dieser für die Erledigung der Streitsache wesentlichen Frage nachgegangen. Insbesondere findet sich bei den Akten kein Arbeitsvertrag, der das Angebot einer neuen Stelle bestätigen würde. Ebenso fehlen irgendwelche konkreten Angaben über den dabei angebotenen Lohn. Der rechtserhebliche Sachverhalt ist somit ungenügend ermittelt. Die Sache ist deshalb an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, welche die nötigen Abklärungen treffen wird. Sollten diese ergeben, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen und ihm ein Lohn angeboten wurde, der nicht den gesamtarbeitsvertraglichen Bedingungen entsprach, wäre die Stelle unzumutbar und er von der Annahmepflicht befreit gewesen, womit eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung selbstredend entfiele.

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