Urteilskopf
125 III 123
24. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Februar 1999 i.S. Aktiengesellschaft S., B. und C. gegen Bank X. (Staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Doppelaufruf; Schicksal davon erfasster Mietverträge (
Art. 261 OR
und
Art. 142 SchKG
).
Der Doppelaufruf ist sowohl bei vorgemerkten als auch bei nicht eingetragenen, langfristigen Mietverträgen zulässig (E. 1a-d).
Solche Mietverträge fallen mit dem Doppelaufruf nicht dahin, sondern gehen auf den Erwerber über. Dieser kann unbesehen dringenden Eigenbedarfs auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen (E. 1e).
Die Aktiengesellschaft S., B. und C. (Beschwerdeführer) mieteten am 28. Februar 1993 von der H. Liegenschaften AG mit separaten Verträgen verschiedene Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten in der Liegenschaft P., Escholzmatt. Die Mietverträge wurden auf eine Dauer von 20 Jahren abgeschlossen und im Grundbuch vorgemerkt. Am 10. September 1996 wurde über die Vermieterin der Konkurs eröffnet, und die Liegenschaft wurde am 14. Mai 1998 versteigert. Die Bank X. (Beschwerdegegnerin) hatte als Grundpfandgläubigerin den Doppelaufruf verlangt. Das Grundstück wurde ihr darauf ohne die vorgemerkten Mietverträge zugeschlagen.
Mit Schreiben vom 28. Mai 1998 forderte das Konkursamt Entlebuch die Beschwerdeführer auf, die Liegenschaft bis Dienstag, 30. Juni 1998 zu räumen. Am 17. Juni 1998 teilte überdies die Beschwerdegegnerin dem damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer mit, dass mit keiner der bisherigen Mietparteien ein neues Miet- oder Pachtverhältnis eingegangen und der angezeigte Räumungstermin bestätigt werde. Die Mieter verblieben indessen in den Wohn- und Geschäftsräumen.
Mit Eingabe vom 14. Juli 1998 verlangte die Beschwerdegegnerin beim Amtsgerichtspräsidium Entlebuch im Befehlsverfahren gemäss
§ 226 ZPO
/LU die Ausweisung der Beschwerdeführer. Das Gesuch wurde am 21. August 1998 gutgeheissen. Gleich entschied das Obergericht des Kantons Luzern am 5. November 1998. Zur Begründung führte es an, die vorgemerkten Mietverträge seien, da der Zuschlag auf den zweiten Aufruf erfolgt sei, nicht auf die Beschwerdegegnerin übergegangen. Diese habe vielmehr die Mietsache unbelastet erworben. Sie habe keine Kündigung vornehmen müssen und könne die Mieter ausweisen lassen. Immerhin verstehe sich von selbst, dass die Ausweisung in der Regel nicht unmittelbar nach dem Zuschlag vollzogen werden könne. Um eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, sei der Rückgriff auf das Mietrecht aber nicht zwingend, vielmehr könnten die berechtigten Interessen der Mieter auch im Ausweisungsverfahren gebührend berücksichtigt werden.
Das Bundesgericht heisst die von den Beschwerdeführern eingereichte staatsrechliche Beschwerde gut und hebt den obergerichtlichen Entscheid auf,
aus folgenden Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführer rügen in verschiedener Hinsicht eine Verletzung von
Art. 4 BV
. Insbesondere führen sie an, das Obergericht sei in Willkür verfallen, indem es das im Befehlsverfahren gestellte Gesuch gutgeheissen habe, obwohl der geltend gemachte Anspruch in keiner Weise liquid sei. Sodann liege eine Missachtung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) und eine willkürliche (Nicht-) Anwendung bundesrechtlicher Bestimmungen vor, weil die Ausweisung ohne Kündigung durch die Beschwerdegegnerin zugelassen worden sei. Überdies habe das Obergericht den Beschwerdeführern das Recht verweigert, indem es ihnen die Möglichkeit genommen habe, ihre Sache im mietrechtlichen Verfahren der Schlichtungsbehörde und anschliessend dem Gericht bzw. dem Ausweisungsrichter mit umfassender Kognition zu unterbreiten. Schliesslich sei der angefochtene Entscheid im Ergebnis schlechterdings unhaltbar, da er zu einer Schlechterstellung der Mietpartei mit grundbuchlicher Vormerkung gegenüber einer Mietpartei ohne solche führe.
a) Nach
§ 226 ZPO
kann bei nicht streitigen oder sofort feststellbaren tatsächlichen Verhältnissen das Befehlsverfahren eingeleitet werden; der Entscheid ergeht im summarischen Verfahren. Im vorliegenden Fall ist tatsächlich unbestritten, dass die Beschwerdeführer im Februar 1993 je Mietverträge mit einer Dauer von 20 Jahren über Wohn- und Geschäftsräume abgeschlossen und im Grundbuch vorgemerkt hatten, dass die Vermieterin im Jahre 1996 in Konkurs fiel und dass die Beschwerdegegnerin die Liegenschaft im Konkurs der Vermieterin nach Doppelaufruf erworben hat, wobei ihr die Mietverträge nach den Steigerungsbedingungen nicht überbunden wurden. Das Obergericht hat aufgrund dieser Sachlage mit der ersten Instanz die von der Beschwerdegegnerin verlangte Ausweisung geschützt in der Annahme, ein Mietvertrag zwischen dieser als Erwerberin der Mietsache und den Beschwerdeführern bestehe nicht. Sie hat sich dabei insbesondere auf
BGE 124 III 37
berufen. In diesem Entscheid hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts die Ansicht vertreten, der Doppelaufruf gemäss
Art. 142 SchKG
sei auch auf nachträglich eingegangene
BGE 125 III 123 S. 126
Pachtverhältnisse anwendbar, die von Gesetzes wegen bei der Zwangsverwertung auf den Erwerber übergehen. Ausserdem wurde - obiter dictu - bemerkt, dass dies ebenfalls für die von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehenden Mietverträge über Wohn- oder Geschäftsräume gelte.
b) Nach
Art. 261 Abs. 1 OR
geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über, wenn der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrages veräussert oder wenn sie ihm in einem Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren entzogen wird. Der neue Eigentümer kann jedoch bei Wohn- oder Geschäftsräumen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht (
Art. 261 Abs. 2 lit. a OR
). Die Bestimmung geht in dieser Form auf die parlamentarische Beratung zurück. Der Bundesrat hatte zwar im Entwurf ebenfalls vorgeschlagen, dass das Mietverhältnis mit dem Wechsel des Eigentümers - auch in der Zwangsverwertung der Mietsache - auf den Erwerber übergehen sollte. Der bundesrätliche Entwurf hatte jedoch noch vorgesehen, dass der neue Eigentümer das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen könne, wenn der Vertrag keine frühere Kündigung gestatten sollte; dies entsprach insofern dem früheren Recht, als dieses zwar vom Grundsatz «Kauf bricht Miete» ausgegangen war, mangels Kündigung durch den Erwerber auf den nächsten gesetzlichen Termin aber die Übernahme des Mietvertrages fingiert hatte (Botschaft, BBl 1985 I S. 1441 und 1506). Die nationalrätliche Kommission schlug zunächst mehrheitlich vor, Mietverträge über Wohn- oder Geschäftsräume so, wie sie mit dem ursprünglichen Eigentümer abgeschlossen worden waren, auf den Erwerber übergehen zu lassen. Im Laufe der Beratung wurde dann als vermittelnde Lösung die Möglichkeit der Kündigung durch den Erwerber bei dringendem Eigenbedarf angenommen. In der Diskussion im Parlament wurde jedoch allein der Verkauf der Liegenschaft durch den Vermieter angesprochen (vgl. AB 1989 N 503-510 und 548 f.; AB 1989 S 423-425 und 683). Die besondere Problematik der Zwangsvollstreckung wurde nicht erwähnt.
c) Nach
Art. 142 SchKG
kann der vorgehende Grundpfandgläubiger den Aufruf sowohl mit als auch ohne die nachrangige Last verlangen, wenn das Grundstück ohne seine Zustimmung mit einer Dienstbarkeit, einer Grundlast oder einem vorgemerkten persönlichen
BGE 125 III 123 S. 127
Recht belastet worden ist (Abs. 1), und er kann die Löschung verlangen, wenn das Angebot mit der Last zur Befriedigung seiner Forderung nicht ausreicht (Abs. 3). Dass der gesetzlich vorgeschriebene Übergang nicht vorgemerkter Mietverhältnisse auf diese Weise mit doppeltem Aufruf verhindert werden könnte, ist nicht vorgesehen, obwohl
Art. 142 SchKG
erst 1994 revidiert worden ist. In der Lehre ist umstritten, ob diese Bestimmung auch auf (nicht vorgemerkte) Mietverhältnisse ausgedehnt werden könne, die nachträglich ohne Zustimmung vorgehender Grundpfandgläubiger abgeschlossen worden sind, jedoch von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen. Ein Teil der Autoren hält dafür, dass der Gesetzgeber bei der Mietrechtsrevision die Rangordnung zwischen dinglichen und persönlichen Rechten aus sozialpolitischen Gründen durchbrochen hat und daher ein Rückgriff insbesondere auf das sachenrechtliche System des
Art. 812 ZGB
ausgeschlossen sei (Daniel Staehelin, Zehn Fallen für Grundpfandgläubiger in der Zwangsvollstreckung, AJP 1998 S. 369; Brönnimann, Zwangsvollstreckungsrechtliche Risiken bei Grundpfandrechten, in: Berner Bankrechtstag 1996, S. 157; Jent-Sörensen, Das neue Mietrecht und seine zwangsvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen, SJZ 1991 S. 410 ff.; vgl. auch Gilliéron, Bailleur et locataire d'une chose immobilière dans l'exécution forcée, 7e séminaire sur le droit du bail, Neuenburg 1992, S. 10). Ein anderer Teil der Doktrin vertritt die Ansicht, das Parlament habe mit der Revision des Mietrechts 1989 nicht gewollt, dass ein späterer Mietvertrag den Wert früherer Grundpfandrechte beeinträchtigen könne (Denis Piotet, Le bail en conflit avec des droits réels restreints sur la chose louée ou affermée, SJ 1997 S. 689; Monnier, Bevorzugte Mieter, Insolvenz- und Wirtschaftsrecht 1998 S. 23 f.; Hess-Odoni, Der Doppelaufruf nach
Art. 142 SchKG
und das neue Miet- und Pachtrecht, SJZ 87/1991 S. 145; Jacques Meyer, La fin du bail lors de la double mise à prix, Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 1996 S. 10).
Die unterschiedlichen Auffassungen spiegeln sich auch in der kantonalen Rechtsprechung wieder. Das Thurgauer Obergericht hat am 17. September 1993 entschieden, dass ein Doppelaufruf auf den von Gesetzes wegen übergehenden Mietvertrag keine Wirkung auszu-üben vermöge (Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht 1995 S. 94; in diesem Sinne auch Entscheid der Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse des Kantons Luzern vom 2. November 1991, mp 1991 S. 150). Das Kantonsgericht Freiburg hat demgegenüber in einem Urteil vom 28. November 1994 eine
BGE 125 III 123 S. 128
Gesetzeslücke angenommen und den Doppelaufruf auch für gesetzlich auf den Erwerber übergehende Mietverträge als zulässig erklärt (Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 1995 S. 23, zustimmend Tercier/Pichonnaz, am selben Ort, S. 29).
d) Wie erwähnt wurde in
BGE 124 III 37
entschieden, dass der Doppelaufruf im Sinne von
Art. 142 SchKG
für (nicht vorgemerkte) Pachtverträge zulässig ist, welche gemäss
Art. 14 LPG
von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen (zustimmend Lorandi, AJP 1998 S. 843 ff.; derselbe, Mietverträge im Konkurs des Vermieters, mp 1998 S. 123 ff.). Diese Auffassung ist für Mietverträge, welche gemäss
Art. 261 OR
von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen, zu übernehmen. Denn auch wenn
Art. 142 SchKG
bei der Revision im Jahre 1994 in dieser Hinsicht nicht angepasst worden ist, ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des
Art. 261 OR
(oben E. 1b) nichts für eine bewusste Bevorzugung von Mietern mit langfristigen Mietverträgen gegenüber prioritären Grundpfandgläubigern in der Zwangsvollstreckung, so dass von einem zu weiten Wortlaut der massgebenden Bestimmungen ausgegangen werden muss und eine Regelungslücke angenommen werden kann. Das Gericht hat somit im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 ZGB
eine Regel aufzustellen, welche der Einheit der Rechtsordnung und den beteiligten Interessen Rechnung trägt. Da erst der Doppelaufruf im Sinne von
Art. 142 SchKG
erweist, ob überhaupt vorgängige Grundpfandrechte durch den später abgeschlossenen Mietvertrag in ihrem Wert beeinträchtigt werden (PIOTET, a.a.O., S. 690), ist der doppelte Aufruf in sinngemässer Anwendung der betreibungsrechtlichen Bestimmung ebenfalls für nicht eingetragene, langfristige Mietverträge zuzulassen. Dies hat freilich entgegen der Ansicht im angefochtenen Urteil nicht zur Folge, dass der Mietvertrag unbesehen der ausdrücklichen Anordnung in
Art. 261 Abs. 1 OR
überhaupt nicht auf den Erwerber übergehen würde.
Art. 142 Abs. 3 SchKG
regelt den Fall der gesetzlich auf den Erwerber übergehenden Mietverträge wie erwähnt nicht; diese Bestimmung schreibt nur vor, dass der Grundpfandgläubiger die Löschung einer im Grundbuch eingetragenen Last verlangen kann, wenn das Angebot für das Grundstück mit der Last zu seiner Befriedigung nicht ausreicht und er ohne sie bessere Deckung erhält; nicht eingetragene Rechte können aber nicht gelöscht werden. Die sinngemässe Anwendung von
Art. 142 SchKG
auf Mietverträge, die auch in der Zwangsverwertung von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen (
Art. 261 Abs. 1 OR
), rechtfertigt sich nur insoweit, als die Analogie reicht.
e) In der Lehre, welche den doppelten Aufruf für gesetzlich auf den Erwerber übergehende Mietverhältnisse befürwortet, wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Vertrag überhaupt nicht auf den neuen Eigentümer übergehe und dieser unmittelbar die Ausweisung verlangen könne (LORANDI, mp 1998 S. 124; PIOTET, a.a.O., S. 691; MEYER, a.a.O., S. 13; HESS-ODONI, a.a.O., S. 150 f.). Dass mit dieser Lösung freilich die Interessen des Mieters nicht hinreichend gewahrt werden, wird auch hier teilweise erkannt. Wenn aus diesem Grund etwa vorgeschlagen wird, die Verwaltung der Mietliegenschaft durch das Konkursamt sei zu verlängern und es sei überdies dem betroffenen Mieter eine Beschwerdemöglichkeit zu öffnen, um den Rechtsweg zu gewährleisten (PIOTET, a.a.O., S. 691; MEYER, a.a.O., S. 13 f.), so erscheint doch fraglich, ob mit einer derartigen Lösung die befürchtete Aushöhlung des Wertes früherer Grundpfandrechte vollumfänglich verhindert werden könnte. Sollen nämlich die Interessen der betroffenen Mieter in irgendeiner Weise mitberücksichtigt werden, so ist unvermeidlich, dass die damit in Konflikt stehenden Interessen der vorgehenden Grundpfandgläubiger in entsprechendem Umfang beeinträchtigt werden. Es ist aber unbestreitbar, dass gemäss
Art. 261 Abs. 1 OR
die Interessen der Mieter in der Zwangsvollstreckung dadurch gewahrt werden sollen, dass der Mietvertrag grundsätzlich - wenn auch modifiziert mit zusätzlicher Kündigungsmöglichkeit - auf den Erwerber übergeht; dies war bei der Mietrechtsrevision von 1989 völlig unbestritten; umstritten war im Parlament nur, in welchem Umfang die Rechtsstellung des Mieters noch verbessert werden sollte. Es ist unter diesen Umständen schlechterdings nicht vertretbar, bei der analogen Anwendung von
Art. 142 SchKG
die ausdrückliche Bestimmung des
Art. 261 Abs. 1 OR
vollständig zu missachten und den Mietvertrag in keiner Weise auf den Erwerber übergehen zu lassen. Ein Teil der Lehre weist denn auch zutreffend darauf hin, dass der Doppelaufruf im Sinne von
Art. 142 SchKG
nicht den Übergang des Mietvertrags gemäss
Art. 261 Abs. 1 OR
schlechthin zu hindern vermag, sondern dass er allein - aber immerhin - dem Erwerber ohne Nachweis dringlichen Eigenbedarfs die ordentliche gesetzliche Kündigungsmöglichkeit auf den nächsten Termin eröffnet (TERCIER/PICHONNAZ*, a.a.O., S. 33; Monnier, a.a.O., S. 24; vgl. auch Brönnimann, a.a.O., S. 157). Wird
Art. 142 SchKG
in dieser Weise analog auf den gesetzlichen Übergang späterer langfristiger Mietverträge angewendet, so wird zwar den Interessen vorgehender Grundpfandgläubiger nicht der unbedingte Vorrang eingeräumt, es wird aber anderseits
BGE 125 III 123 S. 130
die gesetzgeberische Absicht, den Mietvertrag auch im Falle der Zwangsverwertung der Mietsache auf den Erwerber übergehen zu lassen, welche in
Art. 261 OR
Ausdruck findet, Rechnung getragen.
Art. 142 SchKG
ist in dem Sinne analog auf Mietverträge anzuwenden, die gemäss
Art. 261 OR
von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen, als dem Erwerber ermöglicht wird, nach dem Doppelaufruf die Mietsache unbesehen dringenden Eigenbedarfs auf den nächsten gesetzlichen Termin zu kündigen.
f) Im vorliegenden Fall waren die von den Beschwerdeführern mit der Konkursitin langfristig abgeschlossenen Mietverträge im Grundbuch vorgemerkt worden. Die Vormerkung, welche gemäss
Art. 261b Abs. 2 OR
die Kündigungsmöglichkeit vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer für den Erwerber überhaupt ausgeschlossen hätte, konnte gemäss
Art. 142 SchKG
nach Doppelaufruf gelöscht werden. Der doppelte Aufruf in sinngemässer Anwendung von
Art. 142 SchKG
vermochte dagegen den gesetzlichen Übergang des Mietvertrages auf die Beschwerdegegnerin nach
Art. 261 OR
nicht vollständig auszuschliessen. Mit dem Doppelaufruf, der sich nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Urteil nach den Steigerungsbedingungen auch auf das Mietverhältnis überhaupt und damit auf dessen gesetzlichen Übergang bezog, konnte nur die vertragliche Dauer des Mietvertrages beseitigt werden; die Beschwerdegegnerin erhielt dadurch die Möglichkeit, die gemäss
Art. 261 Abs. 1 OR
in der Zwangsverwertung auf sie übergegangenen Mietverträge auf den nächsten gesetzlich zulässigen Termin zu kündigen. Dass sie dies getan hätte, wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Insbesondere wird die Bedeutung der Bestätigung der Beschwerdegegnerin vom 17. Juni 1998, dass sie die umstrittenen Mietverträge mit den Beschwerdeführern nicht übernehmen wolle, weder von ihr selbst noch vom Obergericht als Kündigung qualifiziert. Die Ansicht im angefochtenen Urteil, die Mietverträge der Beschwerdeführer seien nach dem doppelten Aufruf in sinngemässer Anwendung von
Art. 142 SchKG
überhaupt nicht auf die Beschwerdegegnerin übergegangen und die Beschwerdegegnerin könne nach dem Erwerb der Mietsache in der Zwangsverwertung daher die Mietausweisung nach
§ 226 ZPO
verlangen, ohne dass es einer Kündigung bedürfe, ist schlechterdings nicht vertretbar und hält vor
Art. 4 BV
sowie Art. 2 ÜbBest. BV nicht stand.