BGE 125 V 253 vom 15. Oktober 1999

Datum: 15. Oktober 1999

Artikelreferenzen:  Art. 50 AHVV, Art. 1 AHVG, Art. 29 AHVG, Art. 29 AHVG, Art. 29 AHVG, Art. 1 IVG, Art. 6 IVG , Art. 32 Abs. 1 IVV, Art. 36 Abs. 1 IVG, Art. 3 Abs. 3, Art. 29 Abs. 1, Art. 29ter Abs. 2 AHVG, Art. 6 Abs. 2 IVG, Art. 36 Abs. 1 und 2 IVG, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 IVG, Art. 36 Abs. 2 IVG, Art. 29ter Abs. 2 AHVG, Art. 1 oder 2 AHVG, Art. 29sexies und 29septies AHVG, Art. 3 Abs. 3 lit. a und Art. 29ter Abs. 2 lit. b AHVG, Art. 1 Abs. 1 lit. a AHVG

BGE referenzen:  124 V 159, 126 V 5 , 121 V 247, 124 V 159, 111 V 106, 110 V 280

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

125 V 253


39. Urteil vom 15. Oktober 1999 i.S. B. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich

Regeste

Art. 6 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 und 2 IVG ; Art. 3 Abs. 3, Art. 29 Abs. 1, Art. 29ter Abs. 2 AHVG ; Art. 50 AHVV in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 IVV : Mindestbeitragsdauer.
Im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten der 10.
AHV-Revision ist nach neuem Recht bei der Ermittlung der einjährigen Mindestbeitragsdauer für den ordentlichen Rentenanspruch gemäss AHVG und IVG eine persönliche Beitragsentrichtung nicht mehr erforderlich.

Sachverhalt ab Seite 253

BGE 125 V 253 S. 253

A.- Die brasilianische Staatsangehörige B., geboren 1962, reiste im November 1995 in die Schweiz ein, wo sie sich am 27. Dezember 1995 verheiratete. Wegen der Folgen einer seit 1995 bekannten HIV-Infektion meldete sie sich im März 1998 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Mit Verfügung vom 19. Oktober 1998 stellte die IV-Stelle des Kantons Zürich fest, der Versicherungsfall sei mit Ablauf der einjährigen Wartezeit am 1. Oktober 1997 eingetreten; der Anspruch auf eine Invalidenrente müsse
BGE 125 V 253 S. 254
indessen mangels Erfüllung der einjährigen Mindestbeitragsdauer im genannten Zeitpunkt verneint werden.

B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. März 1999 ab.

C.- B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer Invalidenrente ab 1. Oktober 1997. Überdies verlangt sie eine Parteientschädigung zu Lasten der IV-Stelle.
Während diese ausdrücklich auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung in dem Sinne, dass die Streitsache zur erneuten Prüfung der versicherungsmässigen Voraussetzungen an die Verwaltung zurückzuweisen sei.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Der vorliegende Rechtsstreit dreht sich um die Frage, ob am 1. Oktober 1997 ein Invalidenrentenanspruch entstanden ist. Es gelangen deshalb die im Rahmen der 10. AHV-Revision am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen neuen Bestimmungen zur Anwendung (lit. c Abs. 1 Satz 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AHVG vom 7. Oktober 1994 in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG).
a) Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 IVG sind ausländische Staatsangehörige, vorbehältlich eines hier nicht gegebenen Ausnahmetatbestandes oder abweichender zwischenstaatlicher Vereinbarungen, nur anspruchsberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben und sofern sie bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben.
Die im Zuge der 10. AHV-Revision erfolgte Neufassung von Art. 6 Abs. 2 IVG bedeutet insofern eine erhebliche Milderung gegenüber dem alten Recht, als dieses, nebst dem zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz, eine Beitragsleistung während mindestens zehn vollen Jahren oder eine ununterbrochene Karenzzeit eines 15-jährigen schweizerischen Wohnsitzes verlangte. Was allein die Mindestbeitragsdauer für den Anspruch auf eine ordentliche Invalidenrente anbelangt, führte die dargelegte Neuregelung in jedem Fall zu einer Gleichstellung der Ausländer mit den Schweizer Bürgern,
BGE 125 V 253 S. 255
indem nämlich Art. 36 Abs. 1 IVG seit jeher voraussetzt, dass die rentenberechtigten Versicherten bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet haben (vgl. BGE 121 V 247 f. Erw. 1b).
b) Gemäss Art. 36 Abs. 2 IVG sind für die Berechnung der ordentlichen Invalidenrenten - vorbehältlich Abs. 3 - die Bestimmungen des AHVG sinngemäss anwendbar (vgl. hiezu BGE 124 V 159 ); der Bundesrat kann ergänzende Vorschriften erlassen. Laut Art. 32 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 50 AHVV und Art. 29ter Abs. 2 AHVG liegt ein volles Beitragsjahr vor, wenn eine Person insgesamt länger als elf Monate im Sinne von Art. 1 oder 2 AHVG versichert war und während dieser Zeit entweder den Mindestbeitrag bezahlt hat (Variante 1) oder aber Beitragszeiten aufweist, in welchen der Ehegatte gemäss Art. 3 Abs. 3 AHVG mindestens den doppelten Mindestbeitrag entrichtet hat (Variante 2), oder für welche Erziehungs- oder Betreuungsgutschriften angerechnet werden können (Variante 3).
Im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten der 10. AHV-Revision (altArt. 29 Abs. 1 AHVG bzw. Art. 36 Abs. 1 IVG , je unter dem Blickwinkel von altArt. 3 Abs. 2 lit. b und altArt. 29bis Abs. 2 AHVG; BGE 111 V 106 Erw. 1b, BGE 110 V 280 Erw. 1a, je mit Hinweisen) ist somit nach neuem Recht bei der Ermittlung der einjährigen Mindestbeitragsdauer für den ordentlichen Rentenanspruch gemäss AHVG und IVG eine persönliche Beitragsentrichtung nicht mehr erforderlich. Abgesehen von der Möglichkeit der Anrechnung von Erziehungs- oder Betreuungsgutschriften im Sinne der Art. 29sexies und 29septies AHVG kann eine nie erwerbstätig gewesene Person das gesetzliche Erfordernis des Mindestbeitragsjahres nach Art. 36 Abs. 1 IVG (und Art. 6 Abs. 2 IVG ; Erw. 1a hievor in fine) auch dadurch erfüllen, dass sie insgesamt länger als elf Monate (obligatorisch oder freiwillig) versichert und während dieser Zeit mit einem erwerbstätigen Ehegatten verheiratet war, der Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages bezahlt hat ( Art. 32 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 50 AHVV sowie Art. 3 Abs. 3 lit. a und Art. 29ter Abs. 2 lit. b AHVG ).

2. Die seit November 1995 (Einreise in die Schweiz) gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a AHVG (in Verbindung mit Art. 1 IVG ) obligatorisch versicherte Beschwerdeführerin hat unbestrittenermassen vor Eintritt der Invalidität am 1. Oktober 1997 persönlich keine Beiträge bezahlt, weil sie nach der am 27. Dezember 1995 erfolgten Heirat bis zur Aufnahme einer Teilzeitarbeit anfangs
BGE 125 V 253 S. 256
Mai 1998 ausschliesslich den ehelichen Haushalt führte. Mit Blick auf das hievor Gesagte stellt sich hingegen die Frage, inwieweit ihr Ehemann während des in Frage stehenden Zeitraums (Dezember 1995 bis September 1997) als Erwerbstätiger mindestens den doppelten Mindestbeitrag entrichtet hat. Da sich darauf den vorliegenden Akten keine abschliessende Antwort entnehmen lässt, ist die Streitsache - in Übereinstimmung mit der vom BSV vertretenen Auffassung - an die Verwaltung zurückzuweisen, welche die erforderlichen Abklärungen vorzunehmen und alsdann über die versicherungsmässigen Voraussetzungen und den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine ordentliche Invalidenrente neu zu verfügen haben wird.

3. (Parteientschädigung)

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden