BGE 125 V 284 vom 14. Juni 1999

Datum: 14. Juni 1999

Artikelreferenzen:  Art. 46 Abs. 1 KVV, Art. 38 KVG, Art. 35 Abs. 2 lit. e und Art. 38 KVG, Art. 103 Abs. 1 KVG, Art. 25 Abs. 1 KVG, Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG, Art. 35 Abs. 2 KVG, Art. 35 Abs. 2 lit. c-g KVG, Art. 47 ff. KVV, Art. 46 Abs. 2 KVV, Art. 33 lit. b KVV, Art. 2 Abs. 2 KLV, Art. 3 KLV, Art. 46 KVV, Art. 25 KVG, Art. 32 KVG

BGE referenzen:  104 V 14, 107 V 46, 125 V 441, 131 V 178, 133 V 218, 142 V 316 , 107 V 46, 104 V 14, 124 II 245, 124 V 15

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

125 V 284


45. Urteil vom 14. Juni 1999 i.S. B. gegen Visana Krankenversicherung und Verwaltungsgericht des Kantons Bern

Regeste

Art. 46 Abs. 1 KVV in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 und 2 lit. a, Art. 35 Abs. 2 lit. e und Art. 38 KVG : Nichtanerkennung freiberuflicher nichtärztlicher Psychotherapeuten als Leistungserbringer.
Art. 46 Abs. 1 KVV ist bezüglich der Nichtaufnahme der nichtärztlichen Psychotherapeuten als medizinische Hilfspersonen gesetzeskonform.

Sachverhalt ab Seite 285

BGE 125 V 284 S. 285

A.- Der 1964 geborene B. ist seit 1993 bei der Visana Krankenversicherung (nachfolgend: Kasse) in der Grundversicherung (Versicherungsabteilung A) für Krankenpflege versichert. Er unterzog sich vom 15. Mai 1995 bis zum 16. September 1996 einer neuropsychologischen Beratung und Begleitung bei Frau Dr. phil. S., Psychologin FSP, wofür diese am 3. Februar 1997 1'056 Franken in Rechnung stellte. Die Kasse teilte dem Versicherten am 11. Juni 1997 mit, dass sie die Kosten nicht übernehme, da diese durch die Krankenpflegeversicherung nicht gedeckt seien; eine Heilungskosten-Zusatzversicherung bestehe nicht.
Mit Verfügung vom 30. Juli 1997 hielt die Kasse daran fest, dass die nichtärztliche Psychotherapie weder nach bisherigem noch nach neuem Recht zu den Pflichtleistungen einer Krankenkasse gehöre. Die Psychotherapeuten seien nicht in der abschliessenden Liste jener Hilfspersonen aufgeführt, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen zu Lasten der Krankenversicherung erbringen könnten. Mit Einspracheentscheid vom 25. September 1997 bestätigte sie ihre Verfügung.

B.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine dagegen erhobene Beschwerde im Wesentlichen unter Hinweis auf die Ausführungen der Kasse ab (Entscheid vom 4. Februar 1998).

C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B. erneut die Kostenübernahme für die Psychotherapie als Pflichtleistung beantragen. Zur Begründung wird zusammengefasst vorgebracht, die abschliessende Liste der medizinischen Hilfspersonen in der bundesrätlichen Verordnung sei gesetzwidrig. (...).
Die Kasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.- Am 14. Juni 1999 hat das Eidg. Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Strittig ist, ob die psychotherapeutischen Behandlungen des Beschwerdeführers nach dem bis zum 31. Dezember 1995 gültig gewesenen
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Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911 (KUVG) Pflichtleistungen der Grundversicherung und nach dem seit 1. Januar 1996 in Kraft stehenden Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG) Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenversicherung sind.
Die zur Kostenübernahme geltend gemachten Behandlungen erfolgten teils 1995, teils 1996. Übergangsrechtlich gilt, dass Versicherungsleistungen für Behandlungen bis zum 31. Dezember 1995 nach dem bisherigen Recht (KUVG) und für solche ab 1. Januar 1996 nach dem neuen Recht (KVG) gewährt werden ( Art. 103 Abs. 1 KVG ).

2. Zunächst ist daher zu prüfen, ob die Kasse Versicherungsleistungen für die drei Behandlungen im Jahre 1995 zu Recht abgelehnt hat.
a) Nach Art. 12 Abs. 1 und 2 Ziff. 1 lit. a und b KUVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung haben die anerkannten Krankenkassen in der Krankenpflegeversicherung als Pflichtleistung neben der vom Arzt selber erbrachten psychotherapeutischen Behandlung auch die Kosten für die so genannte "delegierte Psychotherapie" zu übernehmen ( BGE 107 V 46 ). Eine solche liegt vor, wenn die psychotherapeutische Behandlung durch einen von einem Arzt angestellten (nichtärztlichen) Psychologen oder Psychotherapeuten in den Praxisräumen dieses Arztes und unter dessen Aufsicht und Verantwortlichkeit als "ärztliche Behandlung" im Sinne des KUVG erfolgt und sofern die betreffende therapeutische Vorkehr nach den Geboten der ärztlichen Wissenschaft und Berufsethik sowie nach den Umständen des konkreten Falles an eine solche (unselbstständige) Hilfsperson delegierbar ist. Das Eidg. Versicherungsgericht hat in BGE 104 V 14 ferner entschieden, dass die psychotherapeutische Behandlung durch einen selbstständigerwerbenden (nichtärztlichen) Psychologen oder Psychotherapeuten keine Pflichtleistung der anerkannten Krankenkassen ist. Das gilt auch dann, wenn der Versicherte durch einen Arzt an diesen Therapeuten überwiesen wurde.
b) Nach den Akten handelt es sich bei Dr. phil. S. um eine selbstständigerwerbende Therapeutin. Die Kasse hat daher nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz, auf die verwiesen wird, für die im Jahre 1995 erfolgten Behandlungen selbst dann nicht aufzukommen, wenn der Beschwerdeführer durch seinen Arzt der Therapeutin überwiesen wurde.

3. Die Leistungspflicht der Kasse für psychotherapeutische Behandlungen ab 1. Januar 1996 beurteilt sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über
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die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG; in Kraft seit 1. Januar 1996).
a) Nach Art. 25 Abs. 1 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Dazu gehören gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG
"die Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchgeführt werden von:
1. Ärzten oder Ärztinnen,
2. Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
3. Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen."
Als Leistungserbringer sieht Art. 35 Abs. 2 KVG vor:
"a. Ärzte und Ärztinnen;
b. Apotheker und Apothekerinnen;
c. Chiropraktoren und Chiropraktorinnen;
d. Hebammen;
e. Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen;
f. Laboratorien;
g. Abgabestellen für Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen;
h. Spitäler;
i. Einrichtungen, die der teilstationären Krankenpflege dienen;
k. Pflegeheime;
l. Heilbäder."
Der Bundesrat hat die Zulassung der Leistungserbringer nach Art. 35 Abs. 2 lit. c-g KVG zu regeln ( Art. 38 KVG ).
b) Die Verordnung über das Krankenversicherungsgesetz vom 27. Juni 1995 (KVV) konkretisiert in Art. 46 Abs. 1 KVV Art. 35 Abs. 2 lit. e KVG wie folgt:
"Als Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen, werden Personen zugelassen, die einen der folgenden Berufe selbstständig und auf eigene Rechnung ausüben:
a. Physiotherapeut oder Physiotherapeutin;
b. Ergotherapeut oder Ergotherapeutin;
c. Krankenschwester oder Krankenpfleger;
d. Logopäde oder Logopädin
e. Ernährungsberater oder Ernährungsberaterin."
Um als Leistungserbringer zu Lasten der sozialen Krankenversicherung anerkannt zu sein, müssen die genannten Personen überdies die jeweiligen
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berufsbezogenen Zulassungsvoraussetzungen ( Art. 47 ff. KVV ) erfüllen und im Weiteren im Besitze einer kantonalen Zulassungsbewilligung sein ( Art. 46 Abs. 2 KVV ).
c) Art. 33 lit. b KVV beauftragt das Eidg. Departement des Innern (EDI), "die nicht von Ärzten und Ärztinnen oder Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen nach Artikel 25 Absatz 2 des Gesetzes" zu bezeichnen. Gemäss Art. 2 Abs. 1 der gestützt auf diese Delegationsnorm erlassenen Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995 (Krankenpflege-Leistungsverordnung [KLV]) hat die Versicherung "die Kosten für Leistungen der ärztlichen Psychotherapie nach Methoden, welche mit Erfolg an anerkannten psychiatrischen Institutionen angewendet werden" zu übernehmen. Nicht zu den Pflichtleistungen gehören hingegen "Kosten für Psychotherapie, die zum Zweck der Selbsterfahrung, der Selbstverwirklichung oder der Persönlichkeitsreifung oder zu anderen nicht auf die Behandlung einer Krankheit gerichteten Zwecken durchgeführt wird" ( Art. 2 Abs. 2 KLV ). In Art. 3 KLV werden schliesslich besondere Leistungsvoraussetzungen bezüglich des zeitlichen Umfangs festgelegt. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der bis zum 31. Dezember 1995 gültig gewesenen VO 8 des EDI vom 20. Dezember 1985 über die Krankenversicherung betreffend die von den anerkannten Krankenkassen zu übernehmenden psychotherapeutischen Behandlungen.

4. a) Nach dem klaren Wortlaut von Art. 46 KVV gehören freiberufliche (selbstständig und auf eigene Rechnung tätige) Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen nicht zu jenen medizinischen Hilfspersonen, die berechtigt sind, Leistungen zu Lasten der sozialen Krankenversicherung zu erbringen. Der Beschwerdeführer rügt diese Regelung als gesetzwidrig: Die neuropsychologische Behandlung von Unfallopfern mit Hirnverletzungen oder von Schlaganfallpatienten sei für die Heilung sowie die berufliche und soziale Wiedereingliederung absolut notwendig. Die Rehabilitation erfordere zwingend die Mitarbeit eines Neuropsychologen. In der Schweiz gebe es keine Ärzte, welche solche Behandlungen an Stelle von spezialisiert ausgebildeten Neuropsychologen durchführen könnten. Es sei nicht der Wille des Gesetzgebers, dass derartige absolut notwendige Behandlungen von der Krankenkasse nicht übernommen werden sollten.
b) Die Frage ist somit, ob Art. 46 Abs. 1 KVV hinsichtlich der Nichtaufnahme der Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen als medizinische
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Hilfspersonen gesetzmässig ist. (Überprüfung von Verordnungen des Bundesrates durch das Eidg. Versicherungsgericht; vgl. BGE 124 II 245 Erw. 3, 583 Erw. 2a, BGE 124 V 15 Erw. 2a, 194 Erw. 5a, je mit Hinweisen.)
c) Der Bundesrat wies in der Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung (BBl 1992 I 93; nachfolgend zitiert nach dem Separatdruck) bei Art. 19 E (Umschreibung des Leistungsbereichs [= Art. 25 KVG ]) darauf hin, dass Abs. 2 lit. a summarisch angebe, wer Leistungserbringer sei (Ärzte, Chiropraktoren, "medizinisches Hilfspersonal" im weiteren Sinn) und wo die Leistungen erbracht würden. Während der Leistungskatalog ausgeweitet werde, bleibe die jeweilige Rolle des Arztes, Chiropraktors und der medizinischen Hilfspersonen unverändert (a.a.O., S. 59 f.). Die vorgeschlagenen Leistungen und Leistungserbringer deckten eine zeitgemässe und umfassende medizinische Grundversorgung für die gesamte Bevölkerung durch die obligatorische Krankenversicherung ab. Wie heute erfolgten diese Leistungen in erster Linie unter Obhut und Führung des Arztes, der sozusagen in einer "Scharnierfunktion" den Leistungsbedarf und die Bedarfsdeckung in zweckmässiger und optimaler Form in Zusammenarbeit mit den anderen Leistungserbringern zusammenführen solle.
"Für die anderen, im Gesetz bewusst nicht abschliessend aufgezählten medizinisch-therapeutischen Berufe und Berufe der spitalexternen sowie der Hauspflege gilt demgegenüber, wie heute, dass sie nur auf ärztliche Anordnung hin für die soziale Krankenversicherung tätig werden sollen. Angestrebt wird damit eine möglichst gute Koordination von Diagnose und Therapie, was der Qualitätssicherung und der Wirtschaftlichkeit der Leistungen, und damit letztlich dem Interesse der Versicherten und der Patienten dienen soll.
Aus diesen Überlegungen heraus sind wir auch den hier und dort in den Vernehmlassungen geäusserten Wünschen nicht gefolgt, die darauf abzielten, die Psychotherapeuten, die Physiotherapeuten, die diplomierten Krankenschwestern und Krankenpfleger, das Spitexpersonal, die anerkannten Heilpraktiker, die Logopäden, die Diätberaterinnen, die Diabetesberaterinnen, die Psychomotoriktherapeuten usw. als dem Arzt gleichgestellte Leistungserbringer in die Vorlage aufzunehmen. Wir sind überdies der Auffassung, dass es wenig sinnvoll wäre, die 'paramedizinischen' Leistungserbringer im Gesetz abschliessend aufzuzählen. Damit wäre letztlich niemandem gedient. Zu stark ist in diesen Leistungsbereichen die Entwicklung im Fluss. Ihr kann sich die Verordnung schneller und besser anpassen. Die hiefür grundlegende Formulierung im Gesetz steckt denn auch ganz bewusst einen ausreichenden Rahmen ab. Indem sie von 'Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen', sowie von 'Organisationen, die solche Personen beschäftigen' spricht, lässt
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sie für die in der heutigen Ordnung vorherrschende selbständige Tätigkeit auf eigene Rechnung (V VI vom 11. März 1966 über die Krankenversicherung; SR 832.156.1) ebenso Raum wie für die Tätigkeit als Angestellte(r) z.B. eines Spitex-Dienstes, einer Diabetesberatungsstelle, einer Enterostomieberatungsstelle eines Ambulatoriums, einer Gemeinde, einer Vereinigung für Hauskrankenpflege usw. Damit soll dem heute in diesen Bereichen bestehenden Potential an Strukturen, Kräften und Erfahrungen sowie einer möglichen Weiterentwicklung Rechnung getragen und sein Einsatz im Rahmen der sozialen Krankenversicherung in koordinierter Form und in vernünftigem Ausmass sichergestellt werden." (a.a.O., S. 71 f.)
d) In der parlamentarischen Beratung wurde verschiedentlich auf die Bedeutung der Psychotherapie und die unbefriedigende bisherige Form der delegierten Psychotherapie hingewiesen. Anträge im Ständerat, welche die bundesrätliche Vorlage ergänzen und die Psychotherapeuten entweder als selbstständige Leistungserbringer (Amtl.Bull. S 1992 1294 f. Votum Plattner, a.M. a.a.O. 1296 ff. Voten Morniroli und Berichterstatter Huber) oder wenigstens als "andere Leistungserbringer" beispielhaft nennen wollten (Amtl.Bull. S 1993 1058 Votum Bühler), fanden keine Zustimmung. Es wurde besonderes Gewicht darauf gelegt, dass die "Pforte des Hausarztes eine zusätzliche Kontrollinstanz" sei (Amtl.Bull. S 1992 1298 Votum Schoch). Der Nationalrat griff diese Anträge nicht mehr auf. Er beschloss jedoch, den Bundesrat zu verpflichten, insbesondere die Zulassung der von Ärzten angestellten Psycho- und Physiotherapeuten (neuer Abs. 2 zu Art. 32 KVG -E [= Art. 38 KVG ]) und die Zulassung von selbstständig tätigen Psychotherapeuten (neuer Abs. 3) zu regeln (Amtl.Bull. N 1993 1728 Votum Berichterstatterin Segmüller, 1853 ff. Voten Dormann, Schmid, Bertoluzzi, Grendelmeier, Segmüller und Philipona; a.M. 1853 Voten Meier Samuel und Fischer-Seengen). Bundesrätin Dreifuss empfahl Zustimmung zum bundesrätlichen Antrag, denn eine ausdrückliche Verpflichtung zur Umschreibung der Zulassungsvoraussetzungen sei im jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig. Der Bundesrat werde die Entwicklung der Berufsumschreibung der Psychotherapeuten weiterverfolgen, um zu wissen, in welchem Zeitpunkt gewisse Ausbildungswege anerkannt werden könnten (a.a.O. 1855 f.). Im Rahmen des Differenzbereinigungsverfahrens hielt der Ständerat fest, dass zwischen dem Bundesrat und den Eidg. Räten Einigkeit bestehe, dass paramedizinische Berufe, also auch nichtärztliche Psychotherapeuten, nur auf ärztliche Anordnung hin zu Lasten der sozialen Krankenversicherung tätig werden sollten (Amtl.Bull. S 1993 1064 f.).
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Bundesrätin Dreifuss betonte, dass es an den Berufsverbänden liege, die Voraussetzungen für die Anerkennung des Titels eines Psychotherapeuten zu umschreiben (a.a.O. 1065). Der Nationalrat schloss sich diskussionslos dieser Sichtweise an (Amtl.Bull. N 1994 21).
e) Art. 38 KVG räumt dem Verordnungsgeber bewusst einen sehr weiten Ermessensspielraum ein. In der Tat kommt darin der klare Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dem Bundesrat die alleinige Kompetenz zur Regelung der Zulassungsbedingungen für die medizinischen Hilfspersonen zu geben. Bezüglich der Psychotherapie ergab das Gesetzgebungsverfahren, dass eine Behandlung nur dann als Pflichtleistung von der sozialen Krankenversicherung zu übernehmen ist, wenn eine ärztliche Diagnose und eine ärztlich ausgewiesene Therapiebedürftigkeit bestehen, was der bisherigen Regelung entspricht.
Aus den Materialien ergibt sich aber auch, dass ein Arzt selbstständig und auf eigene Rechnung tätige Psychotherapeuten mit der Durchführung psychotherapeutischer Massnahmen sollte beauftragen können und deren Leistungen in einem solchen Fall als Pflichtleistung gelten sollten. Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde indessen verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht, dass derzeit eine Anerkennung der Psychotherapeuten als Leistungserbringer noch nicht möglich sei, weil keine genügende Klarheit über den Ausbildungsweg bestehe. Es liege daher zunächst an den betreffenden Berufsverbänden, die notwendigen Schritte einzuleiten.
f) Nach dem Gesagten hielt sich der Bundesrat mit Art. 46 Abs. 1 KVV an die Delegationsnorm und den darin enthaltenen Willen des Gesetzgebers. Namentlich ist sein Vorgehen gedeckt, Psychotherapeuten erst dann anzuerkennen, wenn die betreffende Berufsgruppe Richtlinien über die vorzuschreibende Ausbildung, die zum Titelerwerb führt, vorlegt. Art. 46 Abs. 1 KVV erweist sich daher als gesetzmässig.

5. Da Dr. phil. S. freiberuflich als Psychologin tätig ist und diese Berufsgruppe nicht als selbstständige Leistungserbringerin zugelassen ist, hat die Beschwerdegegnerin für deren Leistungen, die nach dem 1. Januar 1996 erbracht worden sind, nicht aufzukommen. (...).

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