Urteilskopf
125 V 480
79. Urteil vom 1. Juni 1999 i.S. Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit gegen U. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste
Art. 23 Abs. 4,
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
;
Art. 37 Abs. 3ter AVIV
: versicherter Verdienst.
- Ermittlung des versicherten Verdienstes bei vorgängigem Bezug von Differenzausgleich.
- Die Weisung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit vom April 1997 (ALV-Praxis 97/1, Blatt 5/2 und 5/3), wonach bei der Berechnung des versicherten Verdienstes für die zweite oder eine weitere Rahmenfrist für den Leistungsbezug im Falle erzielter Zwischenverdienste die auf den einzelnen Arbeitstag berechneten Kompensationszahlungen berücksichtigt werden, ist gesetzwidrig.
A.-
Der 1940 geborene U. bezog in einer ersten vom 18. Juli 1995 bis 17. Juli 1997 dauernden Rahmenfrist für den Leistungsbezug Arbeitslosenentschädigung auf der Grundlage eines versicherten Verdienstes von Fr. 6'143.--. Die Einkommen, welche er ab 1. Januar 1996 als Hauswart für die Firma S. AG sowie ab 1. Januar 1997 und 1. April 1997 für die Firma V. AG erzielte, wurden als Zwischenverdienst angerechnet. Anfang August 1997 meldete sich U. zum weiteren Bezug von Arbeitslosentaggeldern ab 18. Juli 1997 an. Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI errechnete für diese zweite Leistungsrahmenfrist gestützt auf die Weisung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA; ab 1. Januar 1998: Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit [BWA]) vom 11. April 1997 (ALV-Praxis 97/1, Blatt 5/2 und 5/3) einen versicherten Verdienst von Fr. 2'654.--. Am 22. August 1997 erliess die Kasse eine entsprechende Verfügung, in welcher sie u.a. ausführte, Bemessungszeitraum seien die letzten sechs Monate vor Eröffnung der neuen Rahmenfrist; die Tatsache, dass der Versicherte die Hauswartarbeiten an den drei Teilzeitstellen jeweils meistens am gleichen Tag erledige, reduziere die für die Verdienstberechnung massgebende Anzahl Tage mit Zwischenverdienst beträchtlich.
B.-
U. erhob hiegegen Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag auf Neuberechnung des versicherten Verdienstes unter Berücksichtigung der in den Abrechnungen für Januar bis Juni 1997 ausgewiesenen Kompensationszahlungen. Nach Einholung der Vernehmlassung der Arbeitslosenkasse und einer Stellungnahme des Bundesamtes hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde gut, hob die Verfügung vom 22. August 1997 auf und wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit sie den versicherten Verdienst neu gemäss der bisherigen Praxis, somit die Kompensationszahlungen der Kontrollperioden gänzlich in die Berechnung einbeziehend, berechne und
BGE 125 V 480 S. 482
darüber verfüge (Entscheid vom 16. März 1998).
C.-
Das BWA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben.
U. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Arbeitslosenkasse enthält sich einer Stellungnahme und eines Antrages.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Die Arbeitslosenentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet. Für eine Woche werden fünf Taggelder ausbezahlt (
Art. 21 AVIG
). Ein volles Taggeld beträgt 80 Prozent, in bestimmten vom Gesetz abschliessend aufgezählten Fällen 70 Prozent des versicherten Verdienstes (
Art. 22 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AVIG
).
Als versicherter Verdienst gilt laut
Art. 23 Abs. 1 AVIG
der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde; eingeschlossen sind die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen sind (Satz 1). Der Verdienst gilt nicht als versichert, wenn er eine Mindestgrenze nicht erreicht (Satz 3). Der Bundesrat bestimmt den Bemessungszeitraum und die Mindestgrenze (Satz 4).
Der Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst ist in
Art. 37 AVIV
geregelt. Nach dessen seit 1. Januar 1996 in Kraft stehenden Abs. 3ter (Satz 1), in der Fassung gemäss Verordnung vom 11. Dezember 1995, berechnet sich der versicherte Verdienst, wenn die Beitragszeit (
Art. 13 AVIG
) für einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausschliesslich in einer abgelaufenen Rahmenfrist für den Leistungsbezug zurückgelegt wurde, grundsätzlich aus den letzten sechs Beitragsmonaten dieser Rahmenfrist (
Art. 9 Abs. 3 AVIG
).
b) In Bezug auf die Berechnung des versicherten Verdienstes für eine zweite Leistungsrahmenfrist (
Art. 9 Abs. 4 AVIG
) bestimmt
Art. 23 Abs. 4 AVIG
(eingefügt mit dringlichem Bundesbeschluss vom 19. März 1993 über Massnahmen in der Arbeitslosenversicherung [AS 1993 1066], in der seit 1. Januar 1996 geltenden Fassung gemäss Bundesgesetz vom 23. Juni 1995 [AS 1996 278]) Folgendes:
BGE 125 V 480 S. 483
"Beruht die Verdienstberechnung auf einem Zwischenverdienst, den der Versicherte während der Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 3) erzielt hat, so werden die Kompensationszahlungen (Art. 24) für die Ermittlung des versicherten Verdienstes mitberücksichtigt, wie wenn darauf Beiträge zu entrichten wären."
Art. 24 AVIG
, auf welchen
Art. 23 Abs. 4 AVIG
integral verweist, lautet (soweit vorliegend von Bedeutung) wie folgt:
"1 Als Zwischenverdienst gilt jedes Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit, das der Arbeitslose innerhalb einer Kontrollperiode erzielt.
2 Der Versicherte hat innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls für Tage, an denen er einen Zwischenverdienst erzielt. Der anzuwendende Entschädigungssatz bestimmt sich nach Art. 22. (...).
3 Als Verdienstausfall gilt die Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst, mindestens aber dem berufs- und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit und dem versicherten Verdienst. (...)
(...)"
In der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung lautete Abs. 2 von Art. 24 wie folgt: "Der Versicherte hat Anspruch auf 80 Prozent des Verdienstausfalls, solange die Höchstzahl der Taggelder (Art. 27) nicht bezogen ist." (AS 1991 2126).
2.
a) Das damalige BIGA hat am 11. April 1997 Weisungen zur "Berechnung des versicherten Verdienstes unter Anrechnung von Kompensationszahlungen" erlassen (ALV-Praxis 97/1, Blatt 5/2 und 3). Danach werden bei der Verdienstberechnung für eine zweite Leistungsrahmenfrist neben dem Zwischenverdienst und allfälligen nicht entschädigungsberechtigten beitragspflichtigen Einkommen "die auf den einzelnen Arbeitstag berechneten Kompensationszahlungen" mitberücksichtigt. Ein Verdienst gilt jedoch nur dann als versichert, wenn das effektive Einkommen aus Zwischenverdienst während des Bemessungszeitraumes monatlich Fr. 500.--, bei Heimarbeit Fr. 300.-- erreicht.
b) Aus den vom Bundesamt angeführten Berechnungsbeispielen ergibt sich für eine bestimmte Kontrollperiode innerhalb des Bemessungszeitraums folgende Formel für die Ermittlung der Kompensationszahlungen als Bestandteil des versicherten Verdienstes für eine zweite Leistungsrahmenfrist nach
Art. 23 Abs. 4 AVIG
:
(vV/21,7 - Zv/At) x Es x At
Dabei bedeuten
vV = versicherter Verdienst in der ersten Leistungsrahmenfrist
Zv = Zwischenverdienst in der Kontrollperiode
At = Anzahl Arbeitstage in der Kontrollperiode
Es = Entschädigungssatz.
Basis der Berechnung bildet somit der Verdienstausfall pro effektiv geleisteten (kontrollierten) Arbeitstag. Beträgt beispielsweise der versicherte Verdienst in der ersten Leistungsrahmenfrist Fr. 5'000.-- und erzielt der Arbeitslose an acht Tagen in der Kontrollperiode einen Zwischenverdienst von Fr. 1'000.--, resultieren (bei einem Entschädigungssatz von 0,8 [80%]) für die betreffende Kontrollperiode bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes für die zweite Leistungsrahmenfrist anrechenbare Kompensationszahlungen in der Höhe von rund Fr. 675.--.
c) Gestützt auf die Weisung der Aufsichtsbehörde vom 11. April 1997 hat vorliegend die am Recht stehende Arbeitslosenkasse auf der Grundlage der von Januar bis Juni 1997 erzielten und als Zwischenverdienst angerechneten Einkommen einen versicherten Verdienst von Fr. 2'654.-- für die zweite am 18. Juli 1997 eröffnete Leistungsrahmenfrist ermittelt. Im Vergleich dazu betrug der versicherte Verdienst in der ersten Rahmenfrist (18. Juli 1995 bis 17. Juli 1997) Fr. 6'143.--.
3.
Das kantonale Gericht hat die - im angefochtenen Entscheid als Variante II bezeichnete - Verwaltungspraxis zur Berechnung der Kompensationszahlungen im Sinne von
Art. 23 Abs. 4 AVIG
als gesetzwidrig betrachtet und ihr daher die Anwendung versagt. Zur Begründung führt die Vorinstanz im Wesentlichen aus, die Wendung "Ersatz des Verdienstausfalls für Tage, an denen er [der Versicherte] einen Zwischenverdienst erzielt" (
Art. 24 Abs. 2 AVIG
) lasse zwar umgangssprachlich und vom rechtlichen Wortsinn her die bundesamtliche Interpretation, wie sie in der Weisung vom 11. April 1997 rechnerisch umgesetzt werde, durchaus zu. Eine mehr systemorientierte Betrachtungsweise, welche dem Umstand Rechnung trage, dass es sich nach
Art. 24 Abs. 1 und 3 AVIG
beim Zwischenverdienst und Verdienstausfall um kontrollperiodenbezogene Grössen handelt, verbiete indessen, den "Kompensationsausgleich" nach dem Kriterium der einzelnen effektiven Arbeitstage festzulegen. "Tagen" im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 AVIG
müsse daher die Bedeutung kontrollierte oder entschädigungsberechtigte Tage innerhalb der Kontrollperiode, in der ein
BGE 125 V 480 S. 485
Zwischenverdienst erzielt wird, zuerkannt werden.
Grundlage für die Ermittlung der Kompensationszahlungen als Bestandteil des versicherten Verdienstes für eine zweite Leistungsrahmenfrist gemäss
Art. 23 Abs. 4 AVIG
nach der von der Vorinstanz als richtig erachteten Berechnungsweise (Variante III) bildet der Verdienstausfall in der Kontrollperiode unter Berücksichtigung der kontrollierten Arbeitstage. Sie lässt sich für eine bestimmte Kontrollperiode innerhalb des Bemessungszeitraums mit den in Erw. 2b hievor verwendeten Abkürzungen formelmässig wie folgt darstellen:
(vV - Zv) x Es x kT/Kt, wobei 'kT' die Anzahl kontrollierter Tage und 'Kt' die Anzahl Kontrolltage in der betreffenden Kontrollperiode bezeichnet. Im angefochtenen Entscheid wird an Stelle der effektiven die durchschnittliche Anzahl Kontrolltage in einer Kontrollperiode von 21,7 (Art. 40a [vom 1. Januar bis 30. November 1997: 40b] AVIV) als Bezugsgrösse genommen. In dem in Erw. 2b hievor angeführten Beispiel (versicherter Verdienst = Fr. 5'000.--, Zwischenverdienst = Fr. 1'000.--, acht Arbeitstage, Entschädigungssatz 0,8) ergeben sich bei 22 Kontrolltagen und, was der Regel entspricht, ebenso vielen kontrollierten Tagen für die betreffende Kontrollperiode bei der Verdienstberechnung für die zweite Leistungsrahmenfrist anrechenbare Kompensationszahlungen von Fr. 3'200.--.
Für diese mit der während der Geltungsdauer des Dringlichkeitsrechts vom 1. April 1993 bis 31. Dezember 1995 praktizierten Methode zur Ermittlung der "ergänzenden Arbeitslosenentschädigung" als Bestandteil des versicherten Verdienstes für die zweite Leistungsrahmenfrist übereinstimmende, auf dem Wege der Auslegung gefundene Berechnungsweise spreche sodann, so die Vorinstanz weiter, dass sich eine entstehungsgeschichtliche Bedeutung des Normtextes im Sinne der gesetzwidrigen Verwaltungspraxis nicht erzeugen lasse. Andernfalls wäre auch schwer verständlich, weshalb die Verwaltung mit dem Erlass der Weisung bis April 1997, somit mehr als 15 Monate seit dem Inkrafttreten des revidierten
Art. 24 Abs. 2 AVIG
am 1. Januar 1996, zugewartet und bis zu diesem Zeitpunkt den "Kompensationsausgleich" wie unter altem Recht berechnet habe.
Schliesslich verdient nach Auffassung des kantonalen Gerichts die Auslegung von Satz 1 von
Art. 24 Abs. 2 AVIG
in dem Sinne, dass der Versicherte
BGE 125 V 480 S. 486
Anspruch hat auf Ersatz des Verdienstausfalls für die kontrollierten Tage einer Kontrollperiode, innerhalb derer ein Zwischenverdienst erzielt wird, auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit den Vorzug gegenüber der bundesamtlichen Interpretation, da sie im Unterschied dazu zu einer von der Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Kontrollperiode unabhängigen Berechnung führe. Bei einem versicherten Verdienst von Fr. 5'000.--, einem Zwischenverdienst von Fr. 1'000.-- und einem Entschädigungssatz von 0,8 beispielsweise ergebe sich, folgte man der Verwaltungspraxis, bei acht Arbeitstagen à vier Stunden (und 21,7 Kontrolltagen) ein "Kompensationsausgleich" von Fr. 674.62, bei vier Arbeitstagen à acht Stunden hingegen von Fr. 0.--; demgegenüber resultiere bei der Lösung gemäss Variante III in beiden Fällen derselbe Betrag von Fr. 3'244.34.
4.
a) Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (
BGE 124 II 199
Erw. 5a, 245, 268 Erw. 3a,
BGE 124 III 129
Erw. 1b/aa,
BGE 124 V 189
Erw. 3a, je mit Hinweisen; zur Bedeutung der Materialien für die Gesetzesauslegung vgl.
BGE 123 V 301
Erw. 6a mit Hinweisen).
b) Unter den Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass die bei der Verdienstberechnung für eine zweite oder weitere Leistungsrahmenfrist mitzuberücksichtigenden Kompensationszahlungen nach
Art. 23 Abs. 4 AVIG
gleich zu verstehen und zu berechnen sind wie die über den Bemessungszeitraum gemittelten "Kompensationsleistungen nach Artikel 24" (vgl.
Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG
und alt
Art. 16 Abs. 1bis AVIG
in der Fassung gemäss dringlichem Bundesbeschluss vom 19. März 1993). Die ausdrückliche Nennung von 'Art. 24' - in allen drei amtssprachlichen Fassungen - lässt keine andere Deutung zu. Auch aus der Entstehungsgeschichte von
Art. 23 Abs. 4 AVIG
, ergeben sich keine Hinweise darauf, dass "Kompensationszahlungen" im Sinne dieser
BGE 125 V 480 S. 487
Bestimmung anders zu berechnen wären als die bei einem Zwischenverdienst im Bemessungszeitraum durchschnittlich ausgerichteten (korrekt ermittelten) Leistungen nach
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
(von der Rechtsprechung als Differenzausgleich bezeichnet, vgl.
BGE 122 V 252
Erw. 3b,
BGE 121 V 51
). Schon die Fassung gemäss dringlichem Bundesbeschluss vom 19. März 1993 enthielt die Verweisung auf
Art. 24 AVIG
, und die Praxis setzte dementsprechend die bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes für die zweite oder nachfolgende Leistungsrahmenfrist anrechenbare "ergänzende Arbeitslosenentschädigung" dem über den Bemessungszeitraum gemittelten, nach Massgabe von alt
Art. 24 Abs. 2 AVIG
berechneten Differenzausgleich gleich (vgl.
BGE 121 V 57
f. Erw. 5). Dass bei der Überführung ins ordentliche Recht der Begriff der "ergänzenden Arbeitslosenentschädigung" durch "Kompensationszahlungen" ("indemnités compensatoires", "pagamenti compensativi") ersetzt wurde, ist, wie das Beschwerde führende Bundesamt richtig festhält, lediglich für die Form der in der ersten Leistungsrahmenfrist zur Ausrichtung gelangenden Leistungen (Differenzausgleich, Taggeld) von Bedeutung. Vom selben Begriffsverständnis geht auch die Rechtsprechung aus (vgl.
BGE 125 V 56
Erw. 5b).
c) aa)
Art. 24 Abs. 2 AVIG
ist im Rahmen der Teilrevision vom 23. Juni 1995, soweit vorliegend von Bedeutung, insofern entscheidend geändert worden, als nicht mehr vom Ersatz (von 80 Prozent) des Verdienstausfalls die Rede ist, sondern vom Ersatz des "Verdienstausfalls für Tage, an denen er [der Versicherte] einen Zwischenverdienst erzielt" ("perte de gain pour les jours, ..." und "perdita di guadagno per i giorni ..." in der französischen und italienischen Fassung). Diese neue Formulierung ist in dem Sinne zu verstehen, dass der gemäss Abs. 1 und 3 von
Art. 24 AVIG
bezogen auf die Kontrollperiode ermittelte Verdienstausfall entsprechend der Anzahl (kontrollierter) Tage, an denen der Versicherte arbeitet oder gearbeitet hat, im Verhältnis zur Anzahl Kontrolltage in der Kontrollperiode entschädigt wird. Nach dieser vom kantonalen Gericht als Variante I bezeichneten Lösung ergibt sich mit den in Erw. 2b und 3 hievor verwendeten Abkürzungen für die Berechnung des Differenzausgleichs (
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
) resp. der bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes für die zweite oder eine weitere Leistungsrahmenfrist zu berücksichtigenden Kompensationszahlungen (für eine bestimmte Kontrollperiode innerhalb des Bemessungszeitraums) nach
Art. 23
BGE 125 V 480 S. 488
Abs. 4 AVIG
folgende Formel:
(vV - Zv) x Es x At/Kt.
Bei einem versicherten Verdienst von Fr. 5'000.--, einem Zwischenverdienst von Fr. 1'000.--, 22 Kontrolltagen und einem Entschädigungssatz von 0,8 ergibt sich bei acht Arbeitstagen mit Zwischenverdienst für die betreffende (innerhalb des Bemessungszeitraums für die zweite Leistungsrahmenfrist gelegene) Kontrollperiode ein Differenzausgleich von aufgerundet Fr. 1'164.-- und ergeben sich damit bei der Berechnung des versicherten Verdienstes für die zweite Leistungsrahmenfrist mitzuberücksichtigende Kompensationszahlungen in derselben Höhe. Dieser Betrag liegt zwischen den nach der Berechnungsweise des Bundesamtes und der Vorinstanz erhaltenen Summen von Fr. 675.-- und Fr. 3'200.-- (vgl. Erw. 2b und 3 hievor).
bb) Gegen die Auslegung der Vorinstanz, wonach bei der Verdienstberechnung für die zweite oder eine weitere Leistungsrahmenfrist zu berücksichtigendes Entschädigungssubstrat der Verdienstausfall für die kontrollierten Tage einer Kontrollperiode ist, innerhalb derer ein Zwischenverdienst erzielt wird (Variante III), spricht, dass sie - die Erfüllung der Kontrollvorschriften vorausgesetzt - im Wesentlichen mit der früheren Regelung während der Geltungsdauer des Dringlichkeitsrechts übereinstimmt (vgl.
BGE 121 V 57
f. Erw. 5).
Art. 24 Abs. 2 AVIG
hat indessen, wie gezeigt, eine entscheidende Änderung erfahren, indem nunmehr nicht bloss vom "Verdienstausfall" die Rede ist, sondern eben vom "Verdienstausfall für Tage, an denen er [der Versicherte] einen Zwischenverdienst erzielt". Im Weitern bietet auch eine am Normzweck von
Art. 23 Abs. 4 AVIG
orientierte Betrachtungsweise keinen Anlass, die vorinstanzliche Auslegung des Begriffs der Kompensationszahlungen der näher beim Wortlaut liegenden Interpretation gemäss der vorinstanzlich geprüften, jedoch verworfenen Variante I vorzuziehen. Die Mitberücksichtigung des über den Bemessungszeitraum gemittelten Differenzausgleichs bei einem Zwischenverdienst nach
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes für die zweite Leistungsrahmenfrist soll Anreiz für die Arbeitslosen sein, eine Zwischenverdiensttätigkeit anzunehmen (Botschaft des Bundesrates vom 29. November 1993 zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BBl 1994 I 340ff., 359 sowie Amtl.Bull. 1994 S 312; vgl. auch BBl 1993 I 680 und 1996 IV 1364). Dieses Ziel würde
BGE 125 V 480 S. 489
dort nicht erreicht, wo mit wenig Arbeit und entsprechend geringem Lohn (im Bemessungszeitraum) vergleichsweise hohe, bei der Verdienstberechnung für die zweite Leistungsrahmenfrist zu berücksichtigende Kompensationszahlungen resultierten. Ein solcher negativer Anreiz zur Annahme einer zumutbaren Arbeit ist der vom kantonalen Gericht favorisierten Berechnungsweise (Variante III) inhärent, da hier schon ein an wenigen Tagen - im Extremfall an einem Tag - erzielter geringer Zwischenverdienst (von wenigstens Fr. 500.--;
Art. 40 AVIV
) zu unverhältnismässig hohen Kompensationszahlungen in der zweiten Rahmenfrist für den Leistungsbezug führt.
cc) Aus den Materialien zur Teilrevision vom 23. Juni 1995 ergibt sich sodann, dass der Bundesrat Art. 24 Abs. 2 (und 3) AVIG unverändert belassen wollte (vgl. BBl 1994 I 359 und 378 f.). Die Subkommission der nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) brachte einen Änderungsvorschlag ein, welcher in der Folge Gesetz wurde. Vor den vorberatenden Kommissionen von National- und Ständerat nannte der Amtsdirektor als hauptsächliches Ziel der Neuerung die Verhinderung von Missbräuchen. Es bestehe die Möglichkeit, dass ein Versicherter, welcher Anspruch auf ein Taggeld in der Höhe von 70 Prozent des versicherten Verdienstes habe, dank eines Zwischenverdienstes wiederum 80 Prozent erreiche. Deshalb werde eingefügt,
"dass sich der anzuwendende Entschädigungssatz nach Art. 22 des Gesetzes bestimmt und dass der Verdienstausfall auf die Tage bezogen wird. Wenn jemand nur an einem Tag einen Zwischenverdienst erzielt, bekommt er nicht für den ganzen Monat eine entsprechend höhere Entschädigung".
Um Missbräuchen vorzubeugen, soll zudem der Bundesrat die Kompetenz erhalten, Minimalvorschriften für die Anrechenbarkeit eines Zwischenverdienstes zu erlassen (Protokolle der Sitzungen der WAK-N vom 10./11./12. August und 5./6./7. September 1994 und der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates [SGK] vom 17. und 18. Oktober 1994). In den parlamentarischen Beratungen gab lediglich die Höhe des anzuwendenden Entschädigungssatzes noch zu Diskussionen Anlass (Amtl.Bull. 1994 N 1588 ff., 1995 S 107).
Diese Entstehungsgeschichte zeigt, dass der hier interessierende Wechsel von der kontrollperiodenbezogenen Ermittlung des Differenzausgleichs auf eine an die Tage in der Kontrollperiode, an denen der Versicherte einen Zwischenverdienst erzielt, gebundene Berechnung in den Räten nicht näher
BGE 125 V 480 S. 490
erörtert wurde. Insbesondere wurde die einzige in diesem Zusammenhang bedeutsame Äusserung des Amtsdirektors vor der WAK-N betreffend eine auf Tage bezogene Berechnung des Verdienstausfalls nicht weiter diskutiert. Sie hat auch im vorgeschlagenen Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Unter diesen Umständen kann der erwähnten Aussage des Vertreters der Verwaltung kein entscheidendes Gewicht im Rahmen der Auslegung des revidierten
Art. 24 Abs. 2 AVIG
(und
Art. 23 Abs. 4 AVIG
) beigemessen werden. Davon abgesehen widerspricht die vom Bundesamt befürwortete Interpretation einer auf dem Verdienstausfall pro effektiv geleistetem Arbeitstag in der Kontrollperiode beruhenden Berechnung der Kompensationsleistungen (Variante II; vgl. Erw. 2b hievor) dem Zweck von
Art. 23 Abs. 4 AVIG
, Anreiz für die Annahme einer mit weniger als 70 Prozent (vom 1. Januar bis 30. November 1997: 68 Prozent) des versicherten Verdienstes entlöhnten Zwischenverdienstarbeit (vgl.
Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG
) zu geben. Sie führt nämlich in vielen Fällen dazu, dass trotz eines an sich anrechenbaren Zwischenverdienstes überhaupt keine den versicherten Verdienst für die zweite Leistungsrahmenfrist erhöhende Kompensationszahlungen resultierten. Erzielt beispielsweise ein Versicherter an zehn Tagen oder weniger in der (im Bemessungszeitraum gelegenen) Kontrollperiode einen Zwischenverdienst von Fr. 2'800.-- und beträgt der versicherte Verdienst für die (laufende) erste Leistungsrahmenfrist weniger als Fr. 6'075.--, hat er mangels eines Verdienstausfalls pro effektiv geleisteten Arbeitstag (Erw. 2b hievor) für diese Zeit keinen Anspruch auf Differenzausgleich und wird ihm daher bei der Verdienstberechnung für die nachfolgende Bezugsrahmenfrist auch keine Entschädigung angerechnet, wie wenn darauf Beiträge zu entrichten wären (vgl. auch das in Erw. 3 am Ende erwähnte Beispiel).
Auf Grund der Entstehungsgeschichte ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Auswirkungen der (blossen) Änderung von
Art. 24 Abs. 2 AVIG
auf die Berechnung der Kompensationszahlungen nach
Art. 23 Abs. 4 AVIG
und damit die Höhe des Taggeldes für die zweite oder eine weitere Leistungsrahmenfrist nicht oder zumindest zu wenig bedacht hat. Dies spricht gegen die in der Weisung vom 11. April 1997 konkretisierte Auslegung jener Bestimmung, welche sich, verglichen mit der früheren Ordnung, für die Versicherten ungünstiger auswirkt.
dd) Die auf dem Verdienstausfall in der Kontrollperiode unter Berücksichtigung der effektiv geleisteten kontrollierten Arbeitstage in
BGE 125 V 480 S. 491
diesem Zeitraum beruhende Ermittlung der Kompensationszahlungen nach Art. 23 Abs. 4 in Verbindung mit
Art. 24 AVIG
führt, wie auch im angefochtenen Entscheid richtig festgehalten wird, zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, ob - bei gleicher (in Stunden gemessener) Arbeitszeit - die Zwischenverdiensttätigkeit auf wenige oder viele Tage verteilt ist. So beträgt in dem in Erw. 4c/aa hievor angeführten Beispiel (versicherter Verdienst = Fr. 5'000.--, Zwischenverdienst = Fr. 1'000.--, 22 Kontrolltage, Entschädigungssatz = 0,8) der Differenzausgleich bei acht geleisteten Arbeitstagen (à 4 Stunden) aufgerundet Fr. 1'164.--, bei vier Arbeitstagen (à 8 Stunden) hingegen lediglich Fr. 582.--. Eine nach der Arbeitszeitverteilung innerhalb der Kontrollperiode differenzierende Berechnungsweise erscheint zwar sachlich insofern nicht gerechtfertigt, als ein Arbeitsloser grundsätzlich jede Arbeitsgelegenheit wahrzunehmen hat (vgl.
Art. 16 Abs. 1 AVIG
und
BGE 124 V 62
). Er darf somit nicht Beschäftigungsmöglichkeiten ausser Acht lassen oder Stellenangebote ausschlagen, nur weil die betreffende Tätigkeit an wenigen Tagen auszuüben ist und daher in Bezug auf die Anrechenbarkeit der Kompensationszahlungen (über den Bemessungszeitraum gemittelter Differenzausgleich) bei der Verdienstberechnung für die zweite Leistungsrahmenfrist ungünstig ist. Ob darin eine Verletzung des bei der Auslegung zu beachtenden (
BGE 119 V 130
Erw. 5b mit Hinweisen) Rechtsgleichheitsgebots nach
Art. 4 Abs. 1 BV
(
BGE 124 I 299
Erw. 3b,
BGE 124 V 15
Erw. 2a) zu erblicken ist, wie das kantonale Gericht annimmt, erscheint jedoch fraglich. Zum einen abstrahieren rein rechnerische Beispiele zu stark von den tatsächlichen Gegebenheiten im konkreten Einzelfall. So ist einem Versicherten, je nach seiner persönlichen oder familiären Situation, unter Umständen mehr gedient, wenn er an wenigen Tagen viel arbeiten kann oder wenn sich die gleiche Arbeit auf mehrere Tage verteilt. Sodann macht es auch einen Unterschied, ob - bei im Übrigen gleichen Verhältnissen - die Zwischenverdienstarbeit auf mehrere oder bloss einzelne Tage verteilt ist, da der Spielraum für eine weitere Beschäftigung je nachdem kleiner oder grösser ist. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass bei der Ermittlung der Beitragszeit für einen zweiten oder weiteren Leistungsbezug nach
Art. 13 Abs. 1 AVIG
die gesamte Dauer der (beitragspflichtigen) Zwischenverdienstarbeit zu berücksichtigen ist und nicht bloss die einzelnen Tage zählen, an welchen der Versicherte effektiv zum Einsatz gelangte (
BGE 122 V 249
). Schliesslich sind Versicherte, welche den Zwischenverdienst an
BGE 125 V 480 S. 492
wenigen Tagen in der Kontrollperiode erzielen, in Bezug auf den Entschädigungsanspruch in der ersten Leistungsrahmenfrist nicht schlechter gestellt, als wenn sie dieselbe, gleich entlöhnte Arbeit an mehr Tagen geleistet hätten. Die Frage nach der Vereinbarkeit der massgeblich durch die Anzahl Tage, an denen der Versicherte einen Zwischenverdienst erzielt (hat), mitbestimmten Höhe der bei der Verdienstberechnung für die zweite Leistungsrahmenfrist mitzuberücksichtigenden Kompensationszahlungen (Art. 23 Abs. 4 in Verbindung mit
Art. 24 AVIG
) mit der verfassungsmässigen Rechtsgleichheit, kann indessen offen bleiben. Zeitigt die Interpretation anhand der normunmittelbaren Kriterien, wie hier, ein schlüssiges Ergebnis, bleibt im Rahmen von Art. 113 Abs. 3/114bis Abs. 3 BV für eine am Gleichbehandlungsgebot orientierte Betrachtungsweise kein Raum (
BGE 122 V 93
Erw. 5a/aa,
BGE 119 V 130
Erw. 5b,
BGE 111 V 364
Erw. 3b,
BGE 108 V 240
Erw. 4b).
d) Nach dem Gesagten ist die bundesamtliche Weisung vom 11. April 1997 (ALV-Praxis 97/1, Blatt 5/2 und 5/3) gesetzwidrig, was zur Aufhebung der Verfügung vom 22. August 1997 führt. Ebenfalls dem Gesetz widerspricht die vorinstanzliche Auslegung des Begriffs der Kompensationszahlungen im Sinne von
Art. 23 Abs. 4 AVIG
und deren Berechnung, weshalb auch der angefochtene Entscheid aufzuheben ist.