Urteilskopf
128 IV 97
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und Geschädigte (Nichtigkeitsbeschwerde)
6S.343/2001 vom 20. März 2002
Regeste
Sexuelle Nötigung, psychischer Druck (
Art. 189 Abs. 1 StGB
); Strafzumessung (
Art. 63 StGB
).
Voraussetzungen für die Annahme eines psychischen Drucks bei kindlichen Opfern (E. 2a und b; Bestätigung und Verdeutlichung der Rechtsprechung).
Eine sexuelle Nötigung unter Anwendung psychischen Drucks wiegt nicht prinzipiell leichter als eine mit Gewalt oder Drohungen begangene Tat (E. 3a).
Vorverurteilungen von Tatverdächtigen durch die Medien sind angemessen strafmindernd zu berücksichtigen. Offen gelassen, ob auch nicht vorverurteilenden Eingriffen durch die Medien bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist (E. 3b).
A.-
Das Bezirksgericht Laufenburg sprach X. am 21. Mai 1999 schuldig der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern gemäss
Art. 187 Ziff. 1 StGB
sowie der mehrfachen sexuellen Nötigung nach Art. 188 aStGB und verurteilte ihn zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus; das Gericht sprach ferner ein Verbot für die Ausübung des Lehrberufs mit Unmündigen während fünf Jahren aus. Von der Anklage der sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil von zwei Geschädigten wurde X. freigesprochen. Im Übrigen entschied das Bezirksgericht über die Zivilforderungen der Opfer.
Mit Urteil vom 16. November 2000 hiess das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung des Verurteilten und die Anschlussberufung einer Zivilklägerin je teilweise gut. Es sprach X. schuldig der mehrfachen sexuellen Handlungen (
Art. 187 Ziff. 1 StGB
) sowie der mehrfachen sexuellen Nötigung (
Art. 189 StGB
) und verurteilte ihn zu 3 1/4 Jahren Zuchthaus; das Verfahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern nach
Art. 187 StGB
zum Nachteil mehrerer Geschädigter stellte das Gericht zufolge Verjährung ganz oder teilweise ein.
B.-
X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, er habe C., E., F., D. und G. psychisch unter Druck gesetzt und damit eines der Nötigungsmittel von
Art. 189 StGB
angewendet. Die Verurteilung wegen mehrfacher sexueller Nötigung gemäss
Art. 189 StGB
zum Nachteil der vorgenannten Opfer verletze Bundesrecht.
a) Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Anwendung des revidierten
Art. 189 StGB
. Darauf ist nicht zurückzukommen.
b) aa) Eine sexuelle Nötigung gemäss
Art. 189 Abs. 1 StGB
begeht, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder
BGE 128 IV 97 S. 99
zum Widerstand unfähig macht. Die Aufzählung der Nötigungsmittel ist nicht abschliessend. Im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 188 aStGB) setzt eine sexuelle Nötigung nicht mehr die Widerstandsunfähigkeit des Opfers voraus. Immer ist aber eine erhebliche Einwirkung erforderlich (
BGE 122 IV 97
E. 2b).
Die sexuellen Nötigungstatbestände verbieten den Angriff auf die sexuelle Freiheit. Sie gelten als Gewaltdelikte und sind damit prinzipiell als Akte physischer Aggression zu verstehen. Dabei stellt aber die Tatbestandsvariante des Unter-psychischen-Druck-Setzens klar, dass sich die tatbestandsmässige Ausweglosigkeit der Situation auch ergeben kann, ohne dass der Täter eigentliche Gewalt anwendet; es kann vielmehr genügen, dass dem Opfer eine Widersetzung unter solchen Umständen aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist. Diese Umstände müssen eine Qualität erreichen, die sie in ihrer Gesamtheit als instrumentalisierte so genannte "strukturelle Gewalt" erscheinen lassen (eingehend
BGE 124 IV 154
E. 3b S. 158 f. mit zahlreichen Verweisen). Ob die tatsächlichen Verhältnisse die tatbeständlichen Anforderungen eines Nötigungsmittels erfüllen, lässt sich erst nach einer umfassenden Würdigung der relevanten konkreten Umstände entscheiden. Es ist mithin eine individualisierende Beurteilung notwendig, die sich auf hinlänglich typisierbare Merkmale stützen muss (
BGE 124 IV 154
E. 3b). Das Ausmass der Beeinflussung, das für den psychischen Druck erforderlich ist, bleibt aber letztlich unbestimmbar (REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl., Zürich 1997, S. 393), weshalb diese Bestimmung vorsichtig auszulegen ist (vgl. GUIDO JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Bd. 4, Bern 1997, Art. 189 N. 10 ff.; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 189 N. 6; kritisch auch PETER HANGARTNER, Selbstbestimmung im Sexualbereich -
Art. 188-193 StGB
, Diss. St. Gallen 1997, S. 144 f.; ferner GUIDO JENNY, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1998, in: ZBJV 135/1999 S. 639 ff.; PHILIPP MAIER, Das Tatbestandsmerkmal des Unter-psychischen-Druck-Setzens im Schweizerischen Strafgesetzbuch, in: ZStrR 117/1999 S. 402, 417 f.).
Je nach Umständen und den Beziehungen zum Täter kann ein Kind wegen seiner kognitiven Unterlegenheit und seiner Abhängigkeit in emotionaler und sozialer Hinsicht den Bedürfnissen des Täters mehr oder weniger ausgeliefert sein. Gerade bei der sexuellen Ausbeutung durch Täter im sozialen Nahraum wird körperliche Gewalt vielfach gar nicht erforderlich sein, weil die Täter gezielt die entwicklungsbedingte emotionale Abhängigkeit und Bedürftigkeit der
BGE 128 IV 97 S. 100
betroffenen Kinder auszunützen pflegen. Kognitive Unterlegenheit und emotionale wie soziale Abhängigkeit können bei Kindern einen ausserordentlichen psychischen Druck bzw. eine damit vergleichbare Unterlegenheit erzeugen, die es ihnen verunmöglicht, sich gegen sexuelle Übergriffe zu wehren. Dies wird namentlich beim Missbrauch durch Autoritätsträger des gleichen Haushalts in Betracht zu ziehen sein, weil hier Ängste um den Verlust der Zuneigung unmittelbar zur ernsten Bedrohung werden können. In solchen Situationen erscheint bereits die gegenüber einem Kind übermächtige Körperlichkeit des Erwachsenen, die alleinige physische Dominanz, geeignet, Elemente physischer Aggression zu manifestieren und das Gewaltkriterium im Sinne physischer oder zumindest struktureller Gewalt zu erfüllen. Eine Tatbestandsmässigkeit setzt aber jedenfalls voraus, dass unter den konkreten Umständen das Nachgeben des Kindes verständlich erscheint (eingehend
BGE 124 IV 154
E. 3b S. 159 f. mit Hinweisen).
Das Bundesgericht hat in einem frühen Entscheid zum neuen Sexualstrafrecht den psychischen Druck bei einem kindlichen, leicht debilen Opfer bejaht, das vom zehnten bis zum fünfzehnten Altersjahr von einem in Lebensgemeinschaft mit der Mutter des Opfers lebenden Täter sexuell missbraucht worden war. Es berücksichtigte auf der einen Seite die Persönlichkeit des Opfers, sein Alter, seine ablehnende Haltung und seine prekäre familiäre Stellung sowie auf der anderen Seite die Autoritätsposition, den Charakter und das Schweigegebot des Täters. Es erwies sich, dass das Kind in dieser Situation ohne Rückgriff auf Gewalt oder Drohung durch den Täter ausserstande gesetzt wurde, sich zu widersetzen (
BGE 122 IV 97
E. 2c). Im vergleichbaren Falle eines zehnjährigen Mädchens war entscheidend, dass der Täter seine generelle Überlegenheit als Erwachsener, seine vaterähnliche Autorität, die freundschaftlichen Gefühle sowie die Zuneigung des Kindes ausgenützt und es damit in einen lähmenden Gewissenskonflikt getrieben hatte, der es ihm verunmöglicht hatte, sich zu widersetzen (
BGE 124 IV 154
E. 3c).
Die ursprünglich vor dem Hintergrund des sexuellen Kindsmissbrauchs entwickelte Rechtsprechung zum psychischen Druck (
BGE 124 IV 154
;
BGE 122 IV 97
) gilt gemäss
BGE 126 IV 124
E. 3d S. 130 zwar grundsätzlich auch für erwachsene Opfer. Das Bundesgericht hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass Kindern im Allgemeinen eine geringere Gegenwehr zuzumuten ist als Erwachsenen (
BGE 122 IV 97
E. 2b S. 101). Damit werden Opfergesichtspunkte in die Beurteilung einbezogen und berücksichtigt, dass die sexuellen
BGE 128 IV 97 S. 101
Nötigungstatbestände nach der Konzeption des Gesetzes vorrangig auf Erwachsene ausgerichtet sind (
BGE 124 IV 154
E. 3b). Deshalb sind bei sexuellen Handlungen unter Ausnützung des Erwachsenen-Kind-Gefälles geringere Anforderungen an die Intensität bzw. Erheblichkeit der Nötigungsmittel zu stellen als bei sexuellen Handlungen zum Nachteil von Erwachsenen.
bb) Die Rechtsprechung ist in der Doktrin auf Kritik gestossen (JENNY, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1998, in: ZBJV 135/1999 S. 639 ff.). Vergewaltigung und sexuelle Nötigung seien Aggressions- oder Gewaltdelikte, weshalb es bei der Ausübung psychischen Drucks immer nur um Fälle gehen könne, in denen das Opfer sich infolge sonst zu befürchtender Gewalttätigkeiten nicht widersetze (weniger eng noch JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 4. Bd., Bern 1997,
Art. 189 StGB
N. 28: psychischer Druck u.a. auch bei befürchtetem Verlust der Zuneigung von Bezugspersonen). Darin liege insofern eine Erweiterung der herkömmlichen Nötigungsmittel, als die Annahme eines psychischen Drucks auf das Opfer nicht voraussetze, dass der Täter körperliche Gewalt auch tatsächlich anwende oder mit ihr drohe. Vielmehr genüge, wenn sich das Opfer in einer Situation der Ausweglosigkeit befinde, weil Widerstand oder Flucht angesichts seiner körperlichen Unterlegenheit aussichtslos oder gefährlich wäre. Die Ausnutzung der kognitiven Unterlegenheit des Kindes sowie seiner Abhängigkeit in emotionaler und sozialer Hinsicht reichten hingegen nicht aus, um - neben dem Tatbestand des
Art. 187 StGB
- eine zusätzliche Strafbarkeit nach
Art. 189, 190 StGB
zu begründen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts führe dazu, dass nahezu jede sexuelle Handlung von Erwachsenen mit Kindern, die im sozialen Nahraum stattfinde, zugleich eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung darstelle. Die Ausweitung beider Tatbestände auf den Missbrauch sozialer Macht- oder Autoritätsverhältnisse lasse sämtliche Tatbestandsgrenzen bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen und übergehe, dass die Ausnützung von Abhängigkeiten bereits in den
Art. 188, 192 und 193 StGB
geregelt sei. Richtiger sei es deshalb, auch beim kindlichen Opfer zu verlangen, dass es sich wegen sonst drohender (wenn auch nicht notwendigerweise angedrohter) körperlicher Gewalt gefügt habe; "sei es, weil es aus der konkreten Situation heraus befürchten musste, im Falle einer Weigerung einfach überwältigt zu werden, sei es, weil die Beziehung zum Täter als väterliche oder vaterähnliche Autoritätsperson durch ein Klima von Unnachgiebigkeit und Strenge, von
BGE 128 IV 97 S. 102
Einschüchterung oder sich bei anderer Gelegenheit äussernder und damit hinsichtlich der sexuellen Kontakte mindestens latenter physischer Gewalt geprägt war" (JENNY, ZBJV 135/1999 S. 641).
cc) Für eine Praxisänderung besteht kein Anlass. Entgegen der Befürchtung von JENNY führt die Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht dazu, dass jede sexuelle Handlung von Erwachsenen mit Kindern, die im sozialen Nahraum stattfindet, unter Verwischung der Tatbestandsgrenzen zwischen
Art. 187 und
Art. 189 StGB
zugleich eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung darstellen würde.
Art. 187 StGB
einerseits sowie die
Art. 189 und 190 StGB
andererseits unterscheiden sich namentlich darin, dass sie verschiedene Rechtsgüter schützen (vgl.
BGE 124 IV 154
E. 3a S. 157 f.).
Art. 189 StGB
kommt neben
Art. 187 StGB
nur in Betracht, wenn der psychische Druck auf das Opfer erheblich ist. Wie schon in
BGE 124 IV 154
E. 3c S. 161 angedeutet, genügen das Ausnützen allgemeiner Abhängigkeits- oder Freundschaftsverhältnisse oder gar eine gegenüber jedem Erwachsenen bestehende Unterlegenheit des Kindes für sich genommen regelmässig nicht, um einen relevanten psychischen Druck im Sinne von
Art. 189 Abs. 1 StGB
zu begründen (ebenso JENNY, Kommentar, Art. 189 N. 28). Damit sind die Tatbestände der
Art. 187 und 189 StGB
hinreichend scharf voneinander abgegrenzt. Ist das Kind bezüglich der sexuellen Handlungen altersbedingt nicht urteilsfähig, kommt im Übrigen neben
Art. 187 StGB
ohnehin
Art. 191 StGB
und nicht
Art. 189 StGB
in Betracht (vgl.
BGE 120 IV 194
E. 2b). Schliesslich wird es an der Rechtsprechung sein, im Einzelnen zu bestimmen, wann eine von den
Art. 188, 192 und 193 StGB
erfasste Abhängigkeit oder Notlage in einen psychischen Druck übergeht.
c) aa) Die Vorinstanz hat sich sehr eingehend mit den Tatmitteln auseinandergesetzt. Sie legt mit ausführlichen Beispielen und Belegen dar, dass der Beschwerdeführer für C., E., F. und G. eine Vaterrolle einnahm, indem er durch Zuneigung und sportliche bzw. erzieherische Disziplin gezielt ihr Vertrauen gewann und eine emotionale und soziale Abhängigkeit schuf, die es ihm ermöglichte, sie ohne Gewalt oder Drohung zu missbrauchen. Der Beschwerdeführer wurde von seinen teilweise noch sehr jungen Opfern regelrecht "vergöttert" und war für sie damals die in ihrem Leben bestimmende Person. Zum Teil konnten sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Der Beschwerdeführer verstand es auch, das Konkurrenzverhältnis unter seinen Trainingsschülerinnen und individuelle Schwächen zur Erreichung seiner Ziele zu nutzen. Das Abhängigkeitsverhältnis, welches die Vorinstanz zutreffend als kollektives Phänomen umschreibt, wurde
BGE 128 IV 97 S. 103
durch die Stellung und allgemeine Beliebtheit des Beschwerdeführers in der dörflichen Gemeinschaft zusätzlich verstärkt. In einem Fall (G.) erklärte der Beschwerdeführer die sexuellen Handlungen "tabu", indem er wiederholt "gäll, mer möched nüt Verbotnigs" zu ihr sagte. Für die Einzelheiten kann hier vollumfänglich auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, denen nichts beizufügen ist (
Art. 36a Abs. 3 OG
).
Mit der Vorinstanz ist anzunehmen, dass der Beschwerdegegner seine generelle Überlegenheit als Erwachsener, seine vaterähnliche Stellung und Autorität sowie die freundschaftlichen Gefühle und die Zuneigung der Mädchen ausnützte. Er ging somit weit über das Ausnützen allgemeiner Abhängigkeits- oder Freundschaftsverhältnisse hinaus. Die Opfer "vergötterten" den Beschwerdeführer geradezu, anerkannten vorbehaltlos seine Autorität und suchten bei ihm Anerkennung, Liebe und Schutz, gerieten aber aufgrund der mit der "Übervaterfunktion" und der sozialen Stellung des Beschwerdeführers einhergehenden Tabuisierung in eine ausweglose Situation. Wie die Vorinstanz feststellte, besass der Beschwerdeführer das volle Vertrauen der Familien seiner Opfer, was er sich auch zunutze machte. Damit wurden die Mädchen in einen lähmenden Gewissenskonflikt getrieben, der sie ausserstande setzte, Widerstand zu leisten. Es liegt eine mit
BGE 124 IV 154
und
BGE 122 IV 97
durchaus vergleichbare Situation vor. Ein psychischer Druck im Sinne von
Art. 189 Abs. 1 StGB
ist zu bejahen.
bb) Anders als die anderen Opfer stand D. nicht in einer langandauernden Beziehung zum Beschwerdeführer und war auch nicht langfristig auf ihn angewiesen und von ihm abhängig. Die Vorinstanz bejaht aber gleichwohl einen psychischen Druck des Beschwerdeführers auf D. bzw. ein damit vergleichbares Abhängigkeitsverhältnis. Es führt dazu aus, die im Tatzeitpunkt erst elf Jahre alte D. sei im Skilager durch Krankheit geschwächt und in ihren Abwehrkräften reduziert gewesen. Der Beschwerdeführer habe seine Autorität als Lagerleiter sowie die Intimität des Lagers ausgenutzt und sich ein aufgrund der Umstände geschwächtes und hilfloses Opfer ausgesucht, welches bettlägrig und krankheitsbedingt von ihren Altersgefährten isoliert war und unter der Trennung von den Eltern litt. Indem der Beschwerdeführer in dieser Situation die Funktion des Krankenpflegers übernahm, habe er das Vertrauen von D. gewonnen, welche von ihm allein abhängig und ihm völlig ausgeliefert gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dies ausgenutzt, um die Übergriffe ohne Gewalt oder Drohung zu begehen.
BGE 128 IV 97 S. 104
D. war unter den gegebenen Umständen auf die Betreuung durch den Beschwerdeführer und seine Aufmerksamkeit physisch und emotional angewiesen. Diese Schwäche machte sich der Beschwerdeführer zunutze. Das subjektive Empfinden D.s, dem Beschwerdeführer ausgeliefert zu sein, ist hinreichend erheblich, um einen psychischen Druck im Sinne von
Art. 189 Abs. 1 StGB
bzw. eine gleichwertige Unterlegenheit annehmen zu können. Das angefochtene Urteil verletzt auch in diesem Punkt kein Bundesrecht.
3.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Er bringt vor, die Vorinstanz hätte das Nötigungsmittel des psychischen Druckes strafmindernd berücksichtigen müssen, da dieses im Vergleich zur Anwendung physischer Gewalt oder von Drohung weniger schwer wiege; entsprechend geringer sei seine Schuld. Ebenfalls strafmindernd hätte die Vorinstanz die "massiven Vorverurteilungen und Persönlichkeitsverletzungen durch die Medien im Rahmen der Prozessberichterstattung" beachten müssen.
a) Die in
Art. 189 Abs. 1 StGB
genannten Nötigungsmittel werden vom Gesetz grundsätzlich gleich bewertet. Das Tatmittel des "Unter-psychischen-Druck-Setzens" wiegt nicht prinzipiell leichter als etwa physische Gewalt oder Drohungen (vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 6S.386/2001 vom 13. August 2001). Die Tatschwere einer sexuellen Nötigung im Sinne von
Art. 189 StGB
ist somit nicht aufgrund des jeweiligen Nötigungsmittels abzustufen, sondern ist allein nach den Umständen des konkreten Falles zu bestimmen. Die Vorinstanz hat die Schwere der Taten zutreffend gewürdigt. Eine Bundesrechtsverletzung liegt nicht vor.
b) Die Vorinstanz äussert sich zur Frage der Relevanz der Medienberichterstattung für die Strafzumessung dahingehend, dass es sich erübrige, im Einzelnen auf die behaupteten "Medienübergriffe" einzugehen, weil deswegen eine Strafminderung nirgends vorgesehen sei.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Vorverurteilung von Tatverdächtigen in der Medienberichterstattung je nach Schwere der Rechtsverletzung als Strafzumessungsgrund im Rahmen von
Art. 63 StGB
zu gewichten. Das Bundesstrafgericht hat in seinem Entscheid vom 29. November 1999 i.S. Bundesanwaltschaft gegen Oberst N. (9X.1/1998) angenommen, insbesondere die Medienkonferenz der damaligen Bundesanwältin vom 20. Februar 1996 und deren Verarbeitung hätten zu einer gravierenden Vorverurteilung von Oberst N. mit einer Quasi-Strafwirkung geführt, was strafmindernd zu werten sei (zitiertes Urteil, E. 25b).
BGE 128 IV 97 S. 105
Das Bundesstrafgericht hat dabei berücksichtigt, dass die erhebliche Vorverurteilung schwergewichtig durch die Strafverfolgungsorgane ausging und sich die von ihnen veröffentlichten Vorwürfe später weitgehend als unbegründet erwiesen.
bb) Zu prüfen ist somit, ob und gegebenenfalls wieweit die Medienberichterstattung über das Verfahren gegen den Beschwerdeführer in dessen Rechte eingriff. Der Beschwerdeführer nennt eine Anzahl von Vorkommnissen, aus denen er eine gravierende Vorverurteilung ableitet. Deren Beginn ortet er in der Berichterstattung durch den Privatsender Tele Züri vom 8. April 1997. Dieser Sendebeitrag habe ihn mit der Abkürzung "X." benannt und sein gesamtes damaliges Umfeld ausgeleuchtet. Damit sei eine "ganze Lawine von Reaktionen, Diskussionen und weiteren teilweise hetzerischen Berichterstattungen in den Medien in Gang" gesetzt worden. Ein nächster "massiver Übergriff" sei durch die Rundschau-Sendung des SF DRS vom 2. November 1997 erfolgt. Fernsehjournalisten hätten in Anwesenheit seiner beiden kleinen Kinder versucht, eine Stellungnahme von ihm zu erhalten. Sie hätten nicht davor zurückgeschreckt, in die private Tiefgarage der Überbauung, in welcher er damals gewohnt habe, einzudringen. Gegen die Sendung "Time out" des SF DRS vom 22. Januar 1999 habe der Beschwerdeführer erfolglos die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) angerufen. Diese habe mit Entscheid vom 27. August 1999 eine Verletzung der Programmbestimmungen zwar verneint, jedoch bemängelt, dass den erhöhten journalistischen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Berichterstattung über laufende Verfahren im Stile des "anwaltschaftlichen Journalismus" nicht überall gebührend Rechnung getragen worden sei und die Berichterstattung zuweilen einer Hetzjagd gegen den Beschwerdeführer geglichen habe. Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, es sei im Rahmen der Berichterstattung über das erstinstanzliche Verfahren am Bezirksgericht Laufenburg zu weiteren Medienübergriffen und Persönlichkeitsverletzungen gekommen. SF DRS habe am 19. Mai 1999 in der Tagesschau über den Prozess berichtet und dabei zwei Mal während mehreren Sekunden sein unabgedecktes Bild gezeigt. Am 21. Mai 1999 hätten Tele 24 und Tele Züri in der Nachrichtensendung seinen vollen Vor- und Nachnamen genannt und während mehreren Sekunden das Bild seines Gesichtes ausgestrahlt. Sein unabgedecktes Abbild sei am 22. Mai 1999 auch in der Tagespresse - Aargauer Zeitung und Berner Zeitung - erschienen.
BGE 128 IV 97 S. 106
Es kann hier offen bleiben, ob der Beschwerdeführer damit Noven vorbringt und er insoweit überhaupt zu hören ist. Der Beschwerdeführer macht in der Sache nur geltend, seine Persönlichkeitsrechte seien während des Verfahrens durch verschiedene Medienberichte verletzt worden. Er legt jedoch nicht dar, und es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass und inwiefern die Berichterstattungen die Grundsätze der Unschuldsvermutung verletzt und ihn vorverurteilt hätten (dazu KRISTIAN KÜHL, Unschuldsvermutung und Resozialisierungsinteresse als Grenzen der Kriminalberichterstattung, in: Grundfragen des staatlichen Strafens, Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag, München 2001, S. 401 ff. mit zahlreichen Verweisen). Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafminderung wegen Vorverurteilung durch die Medien nicht gegeben.
In Frage käme folglich nur eine Strafminderung wegen überdurchschnittlich hoher Belastung durch eine intensive Berichterstattung in den Medien (zur Berücksichtigung indirekter Auswirkungen von Strafverfahren bei der Strafzumessung vgl. etwa MATTHIAS HÄRRI, Folgeberücksichtigung bei der Strafzumessung, in: ZStrR 116/1998 S. 221; GERHARD SCHÄFER, Zur Individualisierung der Strafzumessung, in: Festschrift für Herbert Tröndle, Berlin/New York 1989, S. 402/403; FRANZ ZELLER, Zwischen Vorverurteilung und Justizkritik, Bern 1998, S. 394 mit Hinweis auf Roxin; vgl. ferner MARIO GMÜR, Das Medienopfersyndrom (MOS), Schweizerische Ärztezeitung 1999, S. 2604). Ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Mediatisierung von Strafverfahren ohne Vorverurteilung des Tatverdächtigen bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist, kann hier offen bleiben. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer annehmen wollte, die Medienberichterstattung habe ihn und seine Familie überdurchschnittlich stark belastet und deren Rechte erheblich verletzt, hätte sich dies nur wenig strafmindernd auswirken können. Die ausgesprochene Strafe von 3 1/4 Jahren Zuchthaus verletzt jedenfalls kein Bundesrecht.