BGE 129 III 468 vom 6. Juni 2003

Datum: 6. Juni 2003

Artikelreferenzen:  Art. 117 OR, Art. 198 SchKG, Art. 220 SchKG , Art. 219 SchKG, Art. 56 Abs. 1 lit. b BVG, Art. 56 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 BVG, Art. 219 Abs. 4 SchKG

BGE referenzen:  97 III 83, 130 V 277, 131 III 189, 132 II 144, 135 III 171 , 97 III 83

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

129 III 468


74. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Konkursmasse der K. AG gegen BVG-Personalvorsorgestiftung der X. Holding AG (Berufung)
5C.264/2002 vom 6. Juni 2003

Regeste

Konkursprivileg für die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern (Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG).
Das Konkursprivileg besteht unabhängig von ihrer rechtlichen Grundlage für alle Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern.

Sachverhalt ab Seite 468

BGE 129 III 468 S. 468

A.- Die K. AG wurde 1989 gegründet, namentlich mit dem Zweck, den Tochterfirmen der X. Holding AG Management-Dienstleistungen zu erbringen. Sie gehörte zur so genannten "X. Gruppe", die aus mehreren unter dem Dach der X. Holding AG vereinigten, vorab im Bauwesen tätigen Firmen bestand. Am 22. März 2000 wurde über die K. AG der Konkurs eröffnet.
Die BVG-Personalvorsorgestiftung der X. Holding AG mit Sitz in N. gab beim Konkursamt des Kantons Thurgau Forderungen über Fr. 256'442.55 (Forderungsgrund: BVG-Prämien-Kontokorrent) und Fr. 538'989.40 (Forderungsgrund: Darlehen vom 14. Mai 1998)
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ein und verlangte, die beiden Forderungen in der ersten Klasse zu kollozieren.
Das Konkursamt kollozierte Fr. 256'442.55 in der ersten Klasse. Die Forderung über Fr. 538'989.40 verwies es in die dritte Klasse mit der Begründung, das Privileg für "die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" (Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG) erfasse nur Forderungen mit einem unmittelbaren Bezug zum Vorsorgeverhältnis, hingegen nicht die angemeldete Forderung aus Darlehen (Kollokationsplan und Kollokationsverfügung vom 17. Januar 2001). Gemäss konkursamtlicher Schätzung werden die Forderungen in der ersten Klasse voll und diejenigen in der dritten Klasse zu 16% gedeckt werden können.

B.- Klageweise begehrte die BVG-Personalvorsorgestiftung der X. Holding AG, ihre in der dritten Klasse kollozierte Forderung im Umfang von Fr. 538'989.40 in der ersten Klasse zu kollozieren. Das Bezirksgericht N. wies die Klage ab (Urteil vom 1. November 2001). Das Obergericht des Kantons Thurgau erklärte die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin für begründet, hiess die Klage gut und kollozierte die Forderung der Klägerin antragsgemäss in der ersten Klasse (Urteil vom 2. Juli 2002).

C.- Die beklagte Konkursmasse der K. AG beantragt dem Bundesgericht, die Kollokationsklage abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es auf sie eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Strittig ist unter den Parteien das Konkursprivileg für "die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" (Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG) und dabei einzig die Frage, welche Forderungen privilegiert sind.

1.1 Die Klägerin hält gestützt auf den Gesetzeswortlaut dafür, als Personalvorsorgeeinrichtung der konkursiten AG sei sie mit ihrer Darlehensforderung in der ersten Klasse zuzulassen. Die Beklagte entgegnet, das geltend gemachte Konkursprivileg sei zu weit gefasst und müsse einschränkend dahin verstanden werden, dass nur sozialversicherungsrechtliche Forderungen, vorab Beitragsforderungen der Personalvorsorgeeinrichtungen, privilegiert seien. Die angemeldete Forderung der Klägerin beruhe nun aber auf einem privatrechtlichen Darlehen. Ob dem Darlehen wirtschaftlich betrachtet Beitragsforderungen zugrunde gelegen hätten, spiele rechtlich
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keine Rolle. Denn die konkursite AG und die Klägerin hätten das Darlehen kontokorrentmässig geführt und dabei regelmässig den Saldo gezogen und anerkannt. Durch die Saldoziehung und Saldoanerkennung sei die alte Beitragsschuld der konkursiten AG von Gesetzes wegen untergegangen und eine neue Forderung der Klägerin mit eigenem Rechtsgrund (Darlehen) entstanden (unter Verweis auf Art. 117 OR ).

1.2 Art. 219 SchKG legt die Reihenfolge fest, in der die Gläubiger aus dem Erlös der Konkursmasse befriedigt werden sollen (Marginalie: "Rangordnung der Gläubiger"). Nach Bezahlung der pfandgesicherten Forderungen (Abs. 1-3 i.V.m. Art. 198 SchKG ) werden die nicht pfandgesicherten Forderungen sowie der ungedeckte Betrag der pfandgesicherten Forderungen gedeckt, und zwar nach Klassen, so dass die Forderungen einer nachfolgenden Klasse erst dann und nur soweit bezahlt werden, als die Forderungen der vorhergehenden Klasse voll gedeckt sind (Abs. 4 und Art. 220 SchKG ). Seit der SchKG-Revision von 1994/1997 bestehen drei Klassen, deren zweite mit einer Gesetzesänderung von 2000/2001 ergänzt worden ist. Die dritte und letzte Klasse vereinigt alle Forderungen, die nicht einer der beiden vorangehenden Klassen zugewiesen sind. In der zweiten Klasse finden sich Forderungen von Personen, deren Vermögen kraft elterlicher Gewalt dem Schuldner anvertraut war (lit. a), sowie ein Katalog von Beitrags- und Prämienforderungen sozialer Kassen und von Sozialversicherungen (lit. b-d). Die erste Klasse umfasst nebst Forderungen der Arbeitnehmer (lit. a) und familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsansprüchen (lit. c) die Ansprüche der Versicherten nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (SR 832.20) sowie aus der nicht obligatorischen beruflichen Vorsorge und die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern (lit. b). Zusätzlich zu diesen Konkursprivilegien bestehen vereinzelte Sonderklassen, die hier nicht interessieren (z.B. im Falle einer Bankeninsolvenz).

1.3 Die Meinungen zum Umfang des Erstklassprivilegs für "die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" sind geteilt. Überwiegend nimmt die Lehre an, das Privileg umfasse sämtliche Forderungen unbesehen ihres Rechtsgrundes, also Beitragsforderungen gleichwie Forderungen aus Darlehen an den Arbeitgeber (z.B. AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., Bern 1997, § 42 N. 76 S. 345). Die Auffassung wird damit begründet, dass
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der Wortlaut des Gesetzes klar sei und den Willen des Gesetzgebers richtig wiedergebe (OLIVIER RIGHETTI, Les créances privilégiées dans la faillite, Der Schweizer Treuhänder 72/1998 S. 1423 ff., 1425 und 1428 Anm. 27; KATHRIN TANNER, Das BVG-Privileg auf dem Prüfstand, IWIR 1999 S. 25 ff.). Ein Teil der Lehre beschränkt das Privileg auf Forderungen, die auf dem Sozialversicherungsrecht beruhen (PETER, Basler Kommentar, 1998, N. 46 zu Art. 219 SchKG ). Dieser Ansicht nach geht der Gesetzeswortlaut über den eigentlichen Zweck des Privilegs hinaus und muss deshalb eingeschränkt werden (FRANCO LORANDI, Konkursprivilegien und Sozialversicherungsrecht, AJP 2002 S. 263 ff.). Die Lehre vertritt diese beiden Standpunkte mit den kurz geschilderten Begründungen. Es ist nicht ersichtlich, was die Beklagte zusätzlich aus der Kommentierung von JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN (Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 4. Aufl., Zürich 1997/1999) ableiten will; die zitierte N. 27 zu Art. 219 SchKG verweist kommentarlos auf die Zusammenstellung der Ansprüche im Basler Kommentar. Richtig ist hingegen, dass das Privileg für Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen in der Lehre mehrheitlich als systemwidrig betrachtet wird (zuletzt: WALTER A. STOFFEL, Voies d'exécution, Bern 2002, § 10 N. 138 S. 297; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 2001, N. 83 zu Art. 219 SchKG , ohne eigene Kommentierung des Konkursprivilegs).

1.4 Das Bundesgericht hat sich mit dem Erstklassprivileg für "die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" bisher nicht befasst. Hingegen ist zum gleichrangigen Privileg für die Ansprüche der Versicherten "aus der nicht obligatorischen beruflichen Vorsorge" bereits ein Urteil ergangen, in dem das Bundesgericht - entgegen der Darstellung der Beklagten - mit den vorliegenden übereinstimmende Fragen beantwortet hat. Das Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) sieht einen Sicherheitsfonds vor, der unter anderem die Aufgabe hat, die gesetzlichen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen sicherzustellen ( Art. 56 Abs. 1 lit. b BVG ). Mit der BVG-Revision von 1996/1997 wurde die Sicherstellungspflicht auf Teile der über die gesetzlichen Leistungen hinausgehenden reglementarischen Leistungen, d.h. auf Teile des nicht obligatorischen Bereichs, ausgeweitet ( Art. 56 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 BVG ). Es hat sich daher die Frage gestellt, ob das Privileg für Ansprüche "aus der nicht obligatorischen beruflichen Vorsorge"
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dort einsetzt, wo der Schutz des BVG-Sicherheitsfonds endet, oder ob sich das Konkursprivileg und die Deckung des Sicherheitsfonds überschneiden. In seinem Urteil 2A.408/2000 vom 4. Mai 2001 (publ. in: SZS 2001 S. 357 ff.) hat das Bundesgericht auf den klaren Gesetzeswortlaut abgestellt, wonach Ansprüche "aus der nicht obligatorischen beruflichen Vorsorge" privilegiert seien und dabei nicht unterschieden werde, ob diese Ansprüche durch den Sicherheitsfonds gedeckt würden oder nicht; das Gesetz ziehe die Grenze vielmehr zwischen Ansprüchen aus gesetzlicher Vorsorge und jenen aus der weitergehenden, nicht obligatorischen Vorsorge (E. 3b). Das Bundesgericht hat sodann keine triftigen Gründe dafür erkennen können, abweichend vom klaren Wortlaut das Konkursprivileg dahin zu verstehen, dass es nur jenen Ansprüchen zukommen soll, für die eine Deckung des Sicherungsfonds fehlt (E. 3c).
(...)

2. Das Konkursprivileg gemäss Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG gilt für "die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" ("les créances des institutions de prévoyance à l'égard des employeurs affiliés"; "i crediti degli istituti di previdenza del personale nei confronti dei datori di lavoro affiliati"). Der Gesetzeswortlaut stimmt in allen drei Amtssprachen überein. Er ist insoweit klar, als das Gesetz weder vorschreibt, dass es sich um Forderungen aus dem Vorsorgeverhältnis handeln muss, noch Forderungen aus bestimmtem Entstehungsgrund von vornherein ausschliesst. Dass nur Forderungen "gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" privilegiert sind, qualifiziert nicht die Forderungen, sondern schränkt den Kreis der Schuldner ein, in deren Konkurs die Forderungen der Personalvorsorgeeinrichtungen in der ersten Klasse zu kollozieren sind. Das Gesetz grenzt die Forderungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern von jenen gegenüber irgendwelchen Arbeitgebern ab und privilegiert erstere schlechthin und ungeachtet ihrer rechtlichen Grundlage.

3. Das geltend gemachte Konkursprivileg ist mit der SchKG-Revision von 1994/1997 neu gefasst worden. Seiner Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung besondere Bedeutung zu.

3.1 Bereits der Art. 219 Abs. 4 SchKG von 1889/1892 privilegierte in der zweiten Klasse die "Forderungen der Arbeiterkassen gegenüber dem Arbeitgeber" (lit. b), und 1936/1937 kam im gleichen
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Rang das Konkursprivileg hinzu für "Forderungen von Fonds zur Gründung und Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen für Angestellte und Arbeiter gegenüber dem Arbeitgeber sowie für Genossenschafter, soweit diese Fonds mit dem Rechte der Persönlichkeit ausgestattet sind" (lit. e). In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesgericht festgehalten, dass das Privileg den Forderungen von Wohlfahrtsfonds ganz allgemein zukommt und weder einer Bedingung noch einem Vorbehalt unterliegt, was den Rechtsgrund oder die Herkunft der Forderung angeht. Die Privilegierung aller Forderungen von Wohlfahrtsfonds gegen den Arbeitgeber hat das Bundesgericht mit der besonderen Schutzbedürftigkeit des Vermögens gerechtfertigt, dessen Verwaltung dem Arbeitgeber anvertraut sei oder auf dessen Verwaltung er mindestens einen massgebenden Einfluss ausübe. Das Schutzbedürfnis sei besonders stark bei Geldmangel des Arbeitgebers, weil diesfalls nicht bloss die Forderungen gegen den Arbeitgeber gefährdet seien, sondern der Arbeitgeber versucht sein könnte, Mittel des Wohlfahrtsfonds für sein Unternehmen zu verwenden. Entscheidend sei die tatsächliche Verfügungsmacht des Arbeitgebers über das Vermögen des Wohlfahrtsfonds und nicht so sehr das Verfügungsrecht, das der Arbeitgeber als Organ des Wohlfahrtsfonds besitzen könne (zuletzt: BGE 97 III 83 E. 5 S. 85 f.).

3.2 Die Arbeiten zur SchKG-Revision von 1994/1997 begannen mit Vorstudien in den Jahren 1972 bis 1975 und der Einsetzung einer Expertenkommission am 3. Dezember 1976 (Botschaft, BBl 1991 III 1, S. 10 ff.). Die Expertenkommission überprüfte unter anderem das System der Privilegierung und die objektive Berechtigung der einzelnen Konkursprivilegien im Lichte der heutigen Gegebenheiten. Sie schlug vor, das bisherige Privileg für Forderungen der Arbeiterkassen (lit. b) im Privileg für Forderungen der Wohlfahrtsfonds (lit. e) aufgehen zu lassen, und dieses neu unter lit. c - mit einer redaktionellen Änderung (Wohlfahrtseinrichtungen für "Arbeitnehmer" statt für "Angestellte und Arbeiter") - in der zweiten Klasse beizubehalten (Vorentwurf für die Gesamtüberprüfung des SchKG vom Dezember 1981 S. 68; Bericht zum Vorentwurf vom Dezember 1981 S. 65 ff., 69).
Im Vernehmlassungsverfahren stiessen einzelne Punkte der Privilegienordnung - nicht die Straffung als solche - auf Kritik (Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens, Bern, April 1984, S. 559 ff.). Mit Blick darauf überprüfte eine Arbeitsgruppe, bestehend vorab aus den Mitgliedern der Expertenkommission, den Vorentwurf. Die Konkursprivilegien wurden dabei offenbar erneut diskutiert. Aus
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Entwürfen geht jedenfalls hervor, dass die Forderungen der Wohlfahrtsfonds nicht mehr privilegiert werden sollten. Die Arbeitsgruppe begründete die Streichung des Privilegs damit, dass dem leistungsberechtigten Arbeitnehmer kein Schaden entstehen könne, wenn eine Vorsorgeeinrichtung im Konkurs eines Arbeitgebers Verluste erleiden sollte. Denn der BVG-Sicherheitsfonds stelle die gesetzlichen Leistungen sicher, wenn die Vorsorgeeinrichtung zahlungsunfähig werde. Zahlungsunfähige Vorsorgeeinrichtungen dürften die Ausnahme bilden, da die gesetzlich vorgesehene Aufsicht und Kontrolle gut ausgebaut sei (Gesetzesentwurf vom 16. Dezember 1987 S. 96 ff.; Botschaftsentwurf vom 29. Februar 1988 S. 19f f. und 222).
In seiner Botschaft vom 8. Mai 1991 schlug der Bundesrat ein Konkursprivileg erster Klasse vor für "die Beitragsforderungen der Vorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern, soweit sie nicht durch den Sicherheitsfonds gemäss dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 (SR 831.40) über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge gedeckt sind" (S. 254 lit. b). Auf Grund der Regelung über den Sicherheitsfonds und wegen der gut ausgebauten Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen und die Auffangeinrichtung im BVG wollte der Bundesrat grundsätzlich auf die Privilegierung der Forderungen von Vorsorgeeinrichtungen verzichten. Im Interesse der Versicherten sollten freilich die Beitragsforderungen der Pensionskasse gegen die angeschlossenen Arbeitgeber im nicht obligatorischen Bereich, wo der Sicherheitsfonds BVG nicht greift, privilegiert bleiben, und zwar in der ersten Klasse, weil das Vorsorgeverhältnis eng mit dem Arbeitsverhältnis verbunden und der Vorsorgeschutz als Bestandteil des arbeitsvertraglichen Privilegs zu betrachten sei (Botschaft, a.a.O., S. 18, 129, 131 und 254).

3.3 In der Kommission des Nationalrats wurde das Konkursprivileg für Forderungen der Vorsorgeeinrichtungen erneut geprüft und vorgeschlagen, dass nicht nur die Beitragsforderungen im nicht obligatorischen Bereich, sondern sämtliche Forderungen der Vorsorgeeinrichtungen im Konkurs des Arbeitgebers privilegiert sein sollten, wie das im geltenden Recht der Fall sei. Der Antragsteller begründete die Änderung damit, dass nach der bundesrätlichen Vorlage Arbeitnehmer im Konkurs des Arbeitgebers bei ausstehenden Forderungen der Vorsorgeeinrichtung schlechter gestellt wären. Arbeitgeber in finanziellen Schwierigkeiten investierten oft bis zur Maximalgrenze Gelder der Vorsorgeeinrichtung im eigenen Betrieb.
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Solche Gelder seien nach der bundesrätlichen Vorlage nicht mehr privilegiert. Der Bundesrat meinte, zu diesem Antrag ohne weiteres Hand bieten zu können (Sitzung vom 22./23. April 1992, S. 22 f.). Die Forderungen der Vorsorgeeinrichtung sollten damit im Konkurs des Arbeitgebers "tel quel" privilegiert sein. Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG erhielt in der Kommission - mit unbedeutenden Abweichungen - seinen heutigen Wortlaut (Sitzung vom 16./17. November 1992, S. 57 f.).

3.4 Im Nationalrat gab das Konkursprivileg für die Forderungen der Personalvorsorgeeinrichtungen gemäss Antrag der Kommission zu keinen weiteren Diskussionen Anlass. Dabei wurde die Erweiterung gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erwähnt und als positiv gewertet, dass es in der Kommission gelungen sei, die Ansprüche der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge in lit. b der ersten Klasse einzufügen, weil es nicht angehen könne, über die Nichtprivilegierung der Forderungen der Personalvorsorgeeinrichtungen die Arbeitnehmer auch noch bezüglich ihrer Pensionskassenansprüche zu Schaden kommen zu lassen (Votum Rechsteiner, AB 1993 N 36 f.). Der Ständerat stimmte dem Beschluss des Nationalrats in diesem Punkt vorbehaltlos zu (AB 1993 S 651 ff.).

3.5 Die Entstehungsgeschichte verdeutlicht, dass der Gesetzgeber das vormalige Privileg zweiter Klasse für die Forderungen von Wohlfahrtsfonds im bisherigen Umfang neu als Privileg erster Klasse für die Forderungen der Personalvorsorgeeinrichtungen weitergelten lassen wollte und sich dabei ausdrücklich gegen eine Einschränkung des Konkursprivilegs auf Beitragsforderungen entschieden hat, wie dies noch im bundesrätlichen Entwurf vorgesehen war. Diese bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers für die eine von zwei diskutierten Regelungsmöglichkeiten schliesst eine einschränkende Auslegung des klaren Gesetzwortlautes von vornherein aus. Das Konkursprivileg erster Klasse geniessen deshalb alle Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern, unabhängig von ihrer rechtlichen Grundlage.

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