BGE 130 III 478 vom 5. Mai 2004

Datum: 5. Mai 2004

Artikelreferenzen:  Art. 2 MSchG, Art. 8 ZGB, Art. 9 ZGB , Art. 8 und 9 ZGB, Art. 2 lit. a MSchG, Art. 9 Abs. 1 ZGB

BGE referenzen:  128 III 271, 130 III 328, 131 III 121, 131 III 572, 135 III 416 , 128 III 271, 130 III 328

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

130 III 478


60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Lernstudio Zürich AG gegen Jungen (Berufung)
4C.197/2003 vom 5. Mai 2004

Regeste

Art. 8 und 9 ZGB , Art. 2 lit. a MSchG ; Beweislast bezüglich der Verkehrsdurchsetzung einer Marke, welche im Markenregister mit dem Vermerk "durchgesetzte Marke" eingetragen ist.
Ein gemeinfreies Zeichen wird im Markenregister bereits auf Grund der Glaubhaftmachung seiner Verkehrsdurchsetzung als "durchgesetzte Marke" eingetragen. Ein solcher Eintrag begründet daher keine Vermutung im Sinne von Art. 9 ZGB für die Verkehrsdurchsetzung. Diese ist im Zivilprozess nach Art. 8 ZGB vom Inhaber der Marke zu beweisen, der daraus Rechte ableitet (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 479

BGE 130 III 478 S. 479

A. Die Lernstudio Zürich AG (nachstehend: Klägerin) wurde 1970 gegründet. Sie hält Zweigniederlassungen in Winterthur, Chur und Basel und ist Inhaberin der Schweizer Wortmarke LERNSTUDIO, die 1994 für Dienstleistungen der Klasse 41 und 42 mit dem Vermerk "durchgesetzte Marke" eingetragen wurde. 1996 liess die Klägerin den Domainnamen www.lernstudio.ch registrieren. Anton Jungen (nachstehend: Beklagter) führt seit 1999 eine Einzelfirma welche im Handelsregister mit der Firma "Kick Lernstudio für Mathematik Schule für Ergänzungsunterricht Anton Jungen" eingetragen ist. In der Werbung verwendet der Beklagte unter anderem die Bezeichnung "Kick Lernstudio" und "Lernstudio Kick". Seit September 2000 führt der Beklagte den Domainnamen www.kicklernstudio.ch.

B. Mit Klage vom 19. September 2001 beantragte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons Zürich, dem Beklagten sei jeweils unter Androhung der Strafe im Unterlassungsfall zu verbieten, die Bezeichnung Lernstudio im Geschäftsverkehr, namentlich als Bestandteil einer Firmenbezeichnung, zu verwenden, und er sei zu verurteilen, die Bezeichnung Lernstudio innerhalb von 30 Tagen im Handelsregister löschen zu lassen. In der Replik verlangte die Klägerin zudem, der Beklagte sei unter Strafandrohung zur Löschung des Domainnamens www.kicklernstudio.ch zu verurteilen. Das Handelsgericht liess die Ergänzung des Rechtsbegehrens zu und wies die Klage mit Urteil vom 19. Mai 2003 ab.

C. Gegen das Urteil des Handelsgerichts hat die Klägerin sowohl eine eidgenössische Berufung als auch eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Letztere hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 11. Dezember 2003 abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Mit der Berufung beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen; eventuell sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Das Handelsgericht führte aus, die Marke der Klägerin sei zwar mit dem Vermerk "durchgesetzte Marke" eingetragen worden. Da jedoch das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) im Eintragungsverfahren die Glaubhaftmachung der
BGE 130 III 478 S. 480
Verkehrsdurchsetzung genügen lasse, obliege es der Klägerin, im Zivilverfahren den vollen Beweis für die vom Beklagten bestrittene Verkehrsdurchsetzung zu führen.

3.2 Die Klägerin rügt, diese Annahme verletze bundesrechtliche Beweislastregeln. Das Handelsgericht habe ausser Acht gelassen, dass die Marke LERNSTUDIO vom IGE auf Grund nachgewiesener Verkehrsdurchsetzung in das öffentliche Markenregister eingetragen worden sei, weshalb gemäss Art. 9 ZGB die Richtigkeit dieser Eintragung vermutet werde und sie lediglich durch den Beweis der Unrichtigkeit umgestossen werden könne. Demnach habe der Beklagte die fehlende Verkehrsdurchsetzung beweisen müssen. Diese Beweislastverteilung entspreche auch Art. 8 ZGB , weil der Beklagte eine rechtsvernichtende Tatsache, bzw. den Untergang eines Rechts behaupte.

3.3 Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Nach dieser Grundregel hat die Partei, welche Ansprüche geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen ( BGE 128 III 271 E. 2a/aa). Die Verkehrsdurchsetzung eines zum Gemeingut gehörenden Zeichens ist für den Markenschutz rechtsbegründend, da dieser sonst nicht entstehen kann (Art. 2 lit. a Markenschutzgesetz [MSchG; SR 232.11]). Somit hat gemäss Art. 8 ZGB der Inhaber einer Marke mit einem zum Gemeingut gehörenden Zeichen dessen Verkehrsdurchsetzung zu beweisen, soweit keine abweichende gesetzliche Beweislastvorschrift vorgeht. Zu diesen Vorschriften gehört Art. 9 Abs. 1 ZGB , der vorsieht, dass öffentliche Register und öffentliche Urkunden für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis erbringen, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhalts nachgewiesen ist. Die Tragweite der Vermutung der Richtigkeit von Eintragungen in öffentlichen Registern hängt davon ab, welche Tatsachen sie bezeugen. Dabei ist zu beachten, dass das IGE bei der Anmeldung von Marken mit gemeinfreien Zeichen als administrative Beweiserleichterung die Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung genügen lässt (vgl. BGE 130 III 328 E. 3.2 mit Hinweisen). Der Vermerk "durchgesetzte Marke" bezeugt daher bloss, dass das IGE die Verkehrsdurchsetzung des Freizeichens bei der Anmeldung als Marke als glaubhaft erachtet hat. Im Zivilprozess genügt jedoch die Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung nicht, weshalb diese vom Markeninhaber zu beweisen ist, wenn der Verletzungsbeklagte die
BGE 130 III 478 S. 481
Einrede der Schutzunfähigkeit einer aus gemeinfreien Zeichen bestehenden Marke erhebt (LUCAS DAVID, Basler Kommentar zum Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl., N. 42 zu Art. 2 MSchG ; CHRISTOPH WILLI, MSchG-Kommentar, N. 188 zu Art. 2 MSchG ).

3.4 Nach dem Gesagten hat das Handelsgericht die Beweislast richtig verteilt, wenn es annahm, die Klägerin habe die vom Beklagten bestrittene Verkehrsdurchsetzung des gemeinfreien Zeichens LERNSTUDIO als Marke zu beweisen.

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