Urteilskopf
130 III 661
86. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. Z. gegen W. und Mitb. sowie Obergericht des Kantons Zug (Beschwerde)
7B.148/2004 vom 6. Oktober 2004
Regeste
Art. 96 Abs. 1 und 281 Abs. 1 SchKG; Frist für den provisorischen Pfändungsanschluss.
Ist der Schuldner bei der Pfändung nicht anwesend, beginnt die Teilnahmefrist für die provisorische Anschlusspfändung erst zu laufen, wenn ihm die Pfändungsurkunde zugestellt worden ist (E. 1).
A.
Am 7. November 2003 erwirkte Z. beim Arrestrichter am Kantonsgerichtspräsidium Zug einen Arrestbefehl gegen Y. (Schuldner) für die Forderungssumme von Fr. 3'292'005.50 nebst Zins. Arrestiert wurde eine Forderung des Schuldners gegen die X. AG in Liquidation.
Daraufhin leitete Z. zur Arrestprosequierung die Betreibung gegen Y. ein. In dieser Betreibung pfändete das Betreibungsamt Baar gemäss Pfändungsurkunde vom 2. Februar 2004 die oben erwähnte, arrestierte Forderung. Y., der bei der Pfändung nicht anwesend war und sich in einer Justizvollzugsanstalt in Deutschland befindet, wurde die Pfändungsurkunde am 11. März 2004 übergeben. Gleichentags wurde dem Schuldner auch die Pfändungsankündigung ausgehändigt, welche bereits am 27. Januar 2004 ausgestellt worden war.
Am 12., 20. und 24. Februar 2004 erwirkten W. und Mitbeteiligte beim Arrestrichter am Kantonsgerichtspräsidium Zug ebenfalls Arrestbefehle gegen Y. für eine Forderungssumme von insgesamt Fr. 250'132.15 nebst Zins. Arrestiert wurden "sämtliche Vermögensgegenstände" von Y. bei der X. AG in Liquidation.
B.
Am 23. Februar 2004 erhoben W. und Mitbeteiligte Beschwerde bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Sie beantragten die Aufhebung der Pfändungsankündigung sowie der
BGE 130 III 661 S. 662
Pfändung vom 2. Februar 2004. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, da die Pfändungsankündigung dem Schuldner verspätet zugestellt worden sei, erweise sich die Pfändung als ungültig und müsse wiederholt werden.
In ihrem Urteil vom 1. Juli 2004 erwog die Aufsichtsbehörde, eine Pfändung, die nicht oder nicht rechtzeitig angekündigt worden sei, sei anfechtbar und nicht nichtig. Erhebe der Schuldner dagegen keine Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - werde der Mangel geheilt. Ohnehin gehe es W. und Mitbeteiligte in Wahrheit nicht darum, dass die Pfändung dem Schuldner nicht ordnungsgemäss angekündigt worden sei. Vielmehr würden sie die Aufhebung der Pfändung deswegen beantragen, um an einer erneut vorzunehmenden Pfändung gestützt auf
Art. 281 Abs. 1 SchKG
provisorisch teilnehmen zu können. Die Aufhebung der Pfändung werde somit zur Durchsetzung verfahrensfremder Ziele verlangt, was keinen Rechtsschutz verdiene. Trotz dieser Ausführungen hiess die Aufsichtsbehörde die Beschwerde im Ergebnis teilweise gut und korrigierte die Pfändungsurkunde. Zur Begründung führte sie aus, die Pfändung sei beim abwesenden und nicht vertretenen Schuldner erst vollzogen, wenn diesem die Pfändungsurkunde zugestellt worden sei. Die Zustellung sei erst am 11. März 2004 erfolgt, so dass die provisorische Teilnahme von W. und Mitbeteiligte an der Pfändung von Rechts wegen stattfinde.
C.
Gegen dieses Urteil gelangt Z. mit Beschwerde vom 14. Juli 2004 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids.
Die Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Akteneinreichung auf Gegenbemerkungen (
Art. 80 Abs. 1 OG
) verzichtet und beantragt unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Aus den Erwägungen:
1.
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Pfändung in der durch den Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibung vollzogen worden ist, bevor die Beschwerdegegner die gleichen Vermögenswerte mit Arrest belegt haben oder erst danach. Erfolgt die Pfändung
nach
der Arrestlegung, nimmt der Arrestgläubiger gemäss
Art. 281 Abs. 1 SchKG
provisorisch an dieser teil. Findet die Pfändung indes
vor
der Arrestlegung statt, ist
Art. 281 Abs. 1
BGE 130 III 661 S. 663
SchKG
nicht anwendbar und der Arrestgläubiger kann nur dann an der Pfändung teilnehmen, wenn er innert der Frist von
Art. 110 SchKG
das Fortsetzungsbegehren stellt (
BGE 101 III 78
E. 2 S. 81;
BGE 110 III 27
E. 1a S. 29;
BGE 116 III 111
E. 4a S. 117).
1.1
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht angenommen, der Vollzug der Pfändung sei erst am Tag erfolgt, an welchem der Schuldner die Pfändungsurkunde zugestellt erhalten habe. Im Rahmen der SchKG-Revision sei vor
Art. 96 SchKG
der Randtitel "B. Wirkungen der Pfändung" eingefügt worden, so dass der Artikel nicht mehr zu den Bestimmungen über den Pfändungsvollzug gehöre. Die in dieser Norm enthaltene Erklärung sei nicht mehr als konstitutives Element der Pfändung zu betrachten. Der Pfändungsvollzug sei daher bereits am 2. Februar 2004 erfolgt und die Beschwerdegegner seien zum provisorischen Anschluss an die Pfändung nicht befugt.
1.2
In Zusammenhang mit der Anschlusspfändung nach
Art. 110 SchKG
hat das Bundesgericht festgehalten, die Anschlussfrist beginne erst dann zu laufen, wenn die Pfändung tatsächlich vollzogen worden sei, der Pfändungsakt als Ganzes also abgeschlossen sei (
BGE 101 III 86
E. 2 S. 92;
BGE 106 III 111
E. 2 S. 113). Dieser Grundsatz ist auch anwendbar, um über die zeitliche Reihenfolge von Arrest und Pfändung nach
Art. 281 Abs. 1 SchKG
zu entscheiden (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, 1993, § 62 N. 3).
Die in
Art. 96 Abs. 1 SchKG
vorgesehene Erklärung des Betreibungsbeamten an den Schuldner, dass dieser bei Straffolge nicht über die gepfändeten Vermögensstücke verfügen darf, ist wesentliches Element der Pfändung. Solange der Betreibungsschuldner nicht ausdrücklich auf die gesetzliche Unterlassungspflicht hingewiesen worden ist, entfaltet die Pfändung keine Wirkung und ist auch nicht rechtsgültig vollzogen (
BGE 110 III 57
E. 2 S. 59;
BGE 112 III 14
E. 3 S. 15;
BGE 115 III 41
E. 1 S. 43). Ist der Schuldner bei der Pfändung weder anwesend noch vertreten, ist die Pfändung nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre erst dann vollzogen, wenn ihm die Pfändungsurkunde zugestellt worden ist (
BGE 112 III 14
E. 5a S. 16; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 2003, § 22 N. 53 u. 78; ANDRÉ E. LEBRECHT, Basler Kommentar, N. 13 zu
Art. 89 SchKG
; BÉNÉDICT FOËX, Basler Kommentar, N. 16 zu
Art. 96 SchKG
; INGRID JENT-SØRENSEN, Basler
BGE 130 III 661 S. 664
Kommentar, N. 17 zu
Art. 112 SchKG
; JAEGER/WALDER/KULL/ Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 11 zu
Art. 89 SchKG
).
Die SchKG-Revision vom 16. Dezember 1994 (in Kraft seit 1. Januar 1997) hat an diesen Grundsätzen nichts geändert. Aus den Materialien (BBl 1991 III 84; AB 1993 N S. 30; AB 1993 S S. 648) ergeben sich keine Hinweise, dass der Gesetzgeber durch das Einfügen der neuen Randtitel vor
Art. 96 SchKG
sowie vor
Art. 89 SchKG
die Pfändungserklärung nicht (mehr) als wesentliches Element des Pfändungsvollzuges verstanden wissen wollte. Auch BÉNÉDICT FOËX (a.a.O., N. 16 ff. zu
Art. 96 SchKG
), welcher sich mit dieser Problematik auseinander setzt, gelangt zur Schlussfolgerung, dass die Erklärung nach
Art. 96 Abs. 1 SchKG
wie bis anhin ein konstitutives Element sei. Das Bundesgericht hat im Übrigen seine Rechtsprechung bereits im Jahr 2001 in einem nicht publizierten Urteil ausdrücklich bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 7B.186/2001 vom 8. Oktober 2001, E. 3c).
1.3
Nicht gefolgt werden kann weiter der Ansicht des Beschwerdeführers, da vorliegend dem Schuldner durch die (erste) Arrestlegung vom 7. November 2003 die Verfügungsmacht über die arrestierte Forderung bereits entzogen worden sei, sei nicht einzusehen, warum in der anschliessenden Pfändung derselben Forderung nochmals zwingend die Erklärung nach
Art. 96 Abs. 1 SchKG
ausgesprochen werden müsse.
Eine Arrestlegung hat hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung des Schuldners zwar die gleichen Wirkungen wie eine Pfändung (Art. 96 i.V.m.
Art. 275 SchKG
;
BGE 113 III 34
E. 1a S. 36), trotzdem ist der Arrest keine Pfändung. Der Arrest ist im Gegensatz zur Pfändung keine Vollstreckungshandlung, sondern nur eine vorsorgliche Massnahme, welche den Schuldner daran hindern soll, über sein Vermögen zu verfügen und es einer künftigen Vollstreckung seines Gläubigers zu entziehen (
BGE 115 III 28
E. 4b S. 35;
BGE 116 III 111
E. 3 S. 115 f.;
BGE 120 III 159
E. 3a S. 160). Erfolgt in der Prosequierungsbetreibung die Pfändung, fällt der Arrest dahin und wird durch den Pfändungsbeschlag ersetzt. Daraus ergibt sich, dass durch die Pfändung nicht einfach der durch den Arrest erfolgte Beschlag fortgeführt wird, sondern eine neue Beschlagnahme erfolgt, deren Wirkungen dem Schuldner in Anwendung von
Art. 96 Abs. 1 SchKG
(neu) mitgeteilt werden müssen.
BGE 130 III 661 S. 665
1.4
Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Pfändung in der vom Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibung erst in dem Zeitpunkt rechtsgültig vollzogen worden ist, in welchem der Schuldner die Pfändungsurkunde zugestellt erhalten hat, also am 11. März 2004. Sie ist damit nach der Arrestlegung durch die Beschwerdegegner erfolgt, so dass diese an der Pfändung nach
Art. 281 Abs. 1 SchKG
provisorisch teilnehmen.