Urteilskopf
130 V 343
50. Auszug aus dem Urteil i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
I 626/03 vom 30. April 2004
Regeste
Art. 1 Abs. 1 IVG
(in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung) in Verbindung mit Art. 6, 7, 8 Abs. 1,
Art. 16 und 17 ATSG
;
Art. 4 Abs. 1,
Art. 28 Abs. 2 und
Art. 41 IVG
(in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung): Begriffe der Arbeitsunfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit, der Invalidität, der Einkommensvergleichsmethode und der Revision (der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen) in der Invalidenversicherung nach Massgabe des ATSG.
Die im ATSG enthaltenen Formulierungen der Arbeitsunfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit, der Invalidität, der Einkommensvergleichsmethode und der Revision (der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen) entsprechen den bisherigen von der Rechtsprechung dazu entwickelten Begriffen in der Invalidenversicherung (Erw. 2-3.6).
Aus den Erwägungen:
2.1
Im angefochtenen Entscheid werden insbesondere die kraft
Art. 2 ATSG
in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 IVG
grundsätzlich zu berücksichtigenden ATSG-Normen zur Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), Erwerbsunfähigkeit (Art. 7), Invalidität (Art. 8), Bestimmung des Invaliditätsgrades (Art. 16) und Revision (Art. 17) zitiert. Abweichungen von diesen Begriffen sind - abgesehen von
Art. 28 Abs. 3 Satz 2 IVG
- im IVG nicht vorgesehen, sodass sie, sofern das Gesetz sie verwendet oder auf sie verweist, in der Invalidenversicherung zur Anwendung gelangen.
2.2
Eines der erklärten Ziele, die mit dem ATSG verwirklicht werden sollten, war die Harmonisierung bzw. die Vereinheitlichung des materiellen Sozialversicherungsrechts der verschiedenen Sozialversicherungszweige (vgl.
Art. 1 lit. a ATSG
). Dies sollte u.a. durch die Legaldefinition zentraler Begriffe, welche für mehr als einen Bereich im Sinne einer Begründung oder Abgrenzung der Leistungspflicht Bedeutung haben, erreicht werden (THOMAS LOCHER, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts - Entwicklung, Zielsetzung und Aufbau, in: SCHAFFHAUSER/KIESER [Hrsg.], Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], St. Gallen 2003, [nachfolgend: ATSG], S. 20 und 28; BERNARD ROLLI, La Partie Générale du droit des Assurances sociales, les points forts de la nouvelle LPGA, in: in dubio, Mitteilungsblatt des Bernischen Anwaltsverbandes, 2003 S. 17). Bei den in
Art. 3-13 ATSG
enthaltenen Legaldefinitionen handelt es sich in aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, hatte sich das Eidgenössische Versicherungsgericht doch, weil der Gesetzgeber seiner Aufgabe nur ungenügend nachgekommen war, seit Jahrzehnten um eine Koordination des Rechts der verschiedenen Sozialversicherungen bemüht (LOCHER, ATSG, S. 28 f.; THOMAS GÄCHTER, Zur Zukunft der harmonisierenden Auslegung im Sozialversicherungsrecht, in: SZS 2002 S. 542 f.; MEYER-BLASER, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, namentlich für den
BGE 130 V 343 S. 345
Einkommensvergleich in der Invaliditätsbemessung, in: SCHAFFHAUSER/ Schlauri [Hrsg.], Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, St. Gallen 2003, S. 32 f. sowie FN 17 mit weiteren Hinweisen).
3.
Zu den einzelnen Begriffen das Folgende:
3.1
Bis zum In-Kraft-Treten des ATSG fehlte es an einer Legaldefinition des Begriffes der
Arbeitsunfähigkeit
(vgl. MEYER-BLASER, a.a.O., S. 30). Rechtsprechungsgemäss galt eine Person als arbeitsunfähig, die infolge eines Gesundheitsschadens ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr, nur noch beschränkt oder nur unter der Gefahr, ihren Gesundheitszustand zu verschlimmern, ausüben konnte (so zuletzt in
BGE 129 V 53
Erw. 1.1 in fine mit Hinweisen). Der Grad der Arbeitsunfähigkeit wurde unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs festgesetzt, solange von der versicherten Person nach einer gewissen Übergangsfrist (
BGE 114 V 287
Erw. 3d) nicht verlangt werden konnte, ihre restliche Arbeitsfähigkeit in einem anderen Berufszweig zu verwerten (
BGE 114 V 283
Erw. 1d mit Hinweisen).
3.1.1
Diese Umschreibung der Arbeitsunfähigkeit ist in die Definition des ATSG eingeflossen, nach dessen Art. 6 die Arbeitsunfähigkeit die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise Unfähigkeit ist, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten (Satz 1); bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem andern Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt (Satz 2) (zur Entstehung vgl. namentlich UELI KIESER, ATSG-Kommentar, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, [nachfolgend: ATSG-Kommentar], N 1 zu Art. 6). Die nunmehr vorliegende positivrechtliche Begriffsumschreibung weicht mithin nicht wesentlich vom Begriff der Arbeitsunfähigkeit gemäss früherer Rechtspraxis ab; vielmehr zeichnet sich die Überführung in das geschriebene Recht durch einen hohen Grad an Rechtskontinuität aus. Die bis zum 31. Dezember 2002 ergangene diesbezügliche Rechtsprechung bleibt folglich weitestgehend anwendbar. Nur in systematischer Hinsicht ist insofern ein Unterschied festzustellen, als der Aspekt der zumutbaren Arbeitsleistung direkt in die gesetzliche Legaldefinition Eingang gefunden hat, wodurch sich materiellrechtlich indes keine Änderung ergibt (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 32 f.).
BGE 130 V 343 S. 346
3.1.2
In der Invalidenversicherung hat die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Taggeldleistungen (
Art. 22 Abs. 1 IVG
) sowie bei der Entstehung des Rentenanspruchs (
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG
) Bedeutung. In beiden Fällen gilt - je mit entsprechendem Verweis - die in
Art. 6 ATSG
enthaltene Definition (vgl. BBl 1999 4776 f.; KIESER, ATSG-Kommentar, N 16 zu Art. 6; MEYER-BLASER, a.a.O., S. 33 mit Hinweisen). Nach dem zuvor Gesagten ändert
Art. 6 ATSG
an der bisherigen Umschreibung nichts, weshalb die bis anhin geltende Rechtsprechung zu den einzelnen Begriffselementen auch unter dem neuen Recht Gültigkeit behält (vgl. MEYER-BLASER, a.a.O., S. 35 ff.).
3.2
Die
Erwerbsunfähigkeit
wurde nach der bisher geltenden Praxis als das Unvermögen der versicherten Person bezeichnet, auf dem gesamten für sie in Frage kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt die verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise wirtschaftlich zu verwerten (
BGE 121 V 331
Erw. 3b mit Hinweisen).
3.2.1
Art. 7 ATSG
definiert die Erwerbsunfähigkeit als den durch Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit verursachten und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibenden ganzen oder teilweisen Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Aus dem Wortlaut ist ohne weiteres erkennbar, dass sich der Gesetzgeber bei dieser Bestimmung von der bisherigen Regelung der Invalidenversicherung (
Art. 4 IVG
) hat leiten lassen, sodass begrifflich keine grundsätzliche Änderung eintritt (KIESER, ATSG und sozialversicherungsrechtliches Einzelgesetz, in: SCHAFFHAUSER/KIESER [Hrsg.], Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], St. Gallen 2003, [nachfolgend: Einzelgesetz], S. 52 f.; zur Entstehung vgl. KIESER, ATSG-Kommentar, N 1 zur Art. 7). Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem erläuternden Kommissionsbericht gemäss BBl 1991 II 249 zu
Art. 7 ATSG
: "Die Erwerbsunfähigkeit ist nach verschiedenen Sozialversicherungsgesetzen der bestimmende Faktor der Invalidität, wird aber als solche nicht näher umschrieben. Auch hier hat jedoch die Rechtsprechung den Begriff hinreichend geklärt. Massgebend ist - im Unterschied zur Arbeitsunfähigkeit - nicht die Arbeitsmöglichkeit im bisherigen Tätigkeitsbereich, sondern die nach Behandlung und Eingliederung verbleibende Erwerbsmöglichkeit in irgendeinem für den Betroffenen auf einem ausgeglichenen
BGE 130 V 343 S. 347
Arbeitsmarkt in Frage kommenden Beruf. Der volle oder bloss teilweise Verlust einer solchen Erwerbsmöglichkeit gilt als Erwerbsunfähigkeit" (vgl. auch BBl 1999 4547 f.). Die zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit entwickelte Rechtsprechung kann somit übernommen und weitergeführt werden (KIESER, Einzelgesetz, S. 53).
3.2.2
Was die Invalidenversicherung anbelangt, weist
Art. 29 Abs. 1 lit. a IVG
ausdrücklich auf die in
Art. 7 ATSG
enthaltene Umschreibung hin (vgl. dazu BBl 1999 4777), wobei der diesbezügliche Vermerk keine Fragen aufwirft (KIESER, ATSG-Kommentar, N 29 zu Art. 7). Gesetzgebung und Rechtsprechung sind demnach auch hier in die neue Umschreibung eingeflossen, weshalb die bisherige Praxis zu den einzelnen Begriffselementen unter dem neuen Recht ebenfalls gültig ist.
3.3
Der Begriff der
Invalidität
wurde bis anhin als die durch einen versicherten Gesundheitsschaden verursachte dauernde oder während längerer Zeit bestehende Beeinträchtigung der Erwerbsmöglichkeiten auf dem für die versicherte Person in Betracht fallenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt definiert (
BGE 119 V 470
Erw. 2b,
BGE 116 V 249
Erw. 1b mit Hinweisen).
3.3.1
Art. 8 Abs. 1 ATSG
umschreibt die Invalidität als voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (zur Entstehung vgl. KIESER, ATSG-Kommentar, N 1 zu Art. 8). Der Gesetzgeber hat sich dabei auf die Festlegung des zeitlichen Kriteriums beschränkt. Für die übrigen Begriffselemente stützt sich das Gesetz auf die in
Art. 7 ATSG
enthaltene Definition der Erwerbsunfähigkeit ab. Damit wurde eine Formulierung gewählt, die sich direkt an die bisherige Gesetzgebung anlehnt, wobei insbesondere die bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandene Fassung des
Art. 4 Abs. 1 IVG
die Invalidität analog umschrieben hat (KIESER, ATSG-Kommentar, N 5 in fine und 6 zu Art. 8; vgl. ebenfalls BBl 1999 4548 f.). Es wird in diesem Zusammenhang denn auch ausdrücklich betont, dass der Invaliditätsbegriff den bisherigen Legaldefinitionen namentlich in der Invalidenversicherung entspricht (BBl 1991 II 249; KIESER, Einzelgesetz, S. 53 FN 64). Auch diesbezüglich kann die bisherige Rechtsprechung folglich weitergeführt werden (KIESER, Einzelgesetz, S. 53). Im BBl 1991 II 249 heisst es zu
Art. 8 ATSG
wörtlich: "Der Begriff der Invalidität wird in allen Gesetzen, die Invaliditätsleistungen vorsehen, ausgehend von einer vollen oder teilweisen Erwerbsunfähigkeit ähnlich, wenn auch mehr oder weniger
BGE 130 V 343 S. 348
differenziert umschrieben. Die in der vorliegenden Bestimmung enthaltene Definition lehnt sich an die Artikel 4 und 5 IVG an und umschreibt den Begriff der Invalidität sowohl für Erwerbstätige (Abs. 1) wie auch für nichterwerbstätige Minderjährige (Abs. 2) und Erwachsene (Abs. 3)".
3.3.2
Darauf hinzuweisen bleibt, dass
Art. 8 Abs. 1 ATSG
die Invalidität unter Bezugnahme auf den Verlust der Erwerbsfähigkeit umschreibt, welche in
Art. 7 ATSG
dahingehend definiert wird, dass vorerst eine zumutbare Behandlung und Eingliederung durchzuführen ist. Damit wird ein bestimmter Invaliditätsbegriff festgelegt, ohne dass deutlich gemacht würde, dass nach dem Konzept des schweizerischen Sozialversicherungsrechts nicht von einem einheitlichen, sondern von einem leistungsspezifischen Invaliditätsbegriff ausgegangen wird. Soweit nämlich die bisherige Gesetzgebung sich auf die Invalidität bezieht, handelt es sich um einen funktional und relativ verwendeten Begriff (vgl. LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl., Bern 2003, [nachfolgend: Grundriss], S. 125 Rz 3), der unter Berücksichtigung des konkret zu beurteilenden Leistungsanspruchs auszulegen ist. Dies wird etwa bei der Umschreibung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer beruflichen oder medizinischen Eingliederung nach
Art. 8 ff. IVG
deutlich. Weil indes keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Gesetzgeber vom bisherigen, leistungsbezogenen Begriff der Invalidität abrücken wollte, ist auch nach In-Kraft-Treten des ATSG davon auszugehen, dass die bisherige Betrachtungsweise unverändert weitergeführt werden kann (zum Ganzen: KIESER, Einzelgesetz, S. 54; KIESER, ATSG-Kommentar, N 2 und 6 zu Art. 7; LOCHER, Grundriss, S. 125 f. Rz 3; vgl. auch BBl 1999 4773). Die bislang zum Invaliditätsbegriff entwickelte Rechtsprechung bezüglich erwerbstätiger Personen - die Invalidität nichterwerbstätiger Minderjähriger (vgl.
Art. 8 Abs. 2 ATSG
) oder Volljähriger, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder geistigen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (vgl.
Art. 8 Abs. 3 ATSG
), ist vorliegend nicht zu beurteilen - behält somit auch weiterhin Gültigkeit (KIESER, Einzelgesetz, S. 53).
3.4
Nach
Art. 16 ATSG
wird unter dem Titel "
Grad der Invalidität"
für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und
BGE 130 V 343 S. 349
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (zur Entstehung vgl. KIESER, ATSG-Kommentar, N 1 zu Art. 16).
3.4.1
Aus dem Wortlaut dieser neuen Bestimmung ist ohne weiteres erkennbar, dass direkte Bezüge zum bisherigen
Art. 28 Abs. 2 IVG
vorliegen (vgl. KIESER, Einzelgesetz, S. 53 [wobei wohl Art. 28 Abs. 2 und nicht 3 gemeint ist]). Dies erhellt namentlich aus BBl 1991 II 253, wo zum damaligen Art. 22 ("Grad der Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität") ausgeführt wird: "Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen bestehen in der Invaliden- und der Unfallversicherung bereits heute übereinstimmende Regeln (
Art. 28 Abs. 2 IVG
,
Art. 18 Abs. 2 UVG
). Diese Bemessungsnorm wird in den Allgemeinen Teil übernommen und damit für alle Systeme mit Invalidenleistungen verbindlich..." (vgl. zudem BBl 1999 4556 ff.). Insbesondere auch an den einzelnen Bemessungskriterien (Validen- und Invalideneinkommen, Berücksichtigung einer zumutbaren Tätigkeit sowie des ausgeglichenen Arbeitsmarktes etc.) ändert sich unter der Herrschaft des ATSG nichts (so anschaulich: KIESER, ATSG-Kommentar, N 11 ff. zu Art. 16).
3.4.2
Die Normierung von
Art. 16 ATSG
führt somit nicht zu einer Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung zur Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen, welche weiterhin nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vorzunehmen ist (
BGE 128 V 30
Erw. 1,
BGE 104 V 136
Erw. 2a und b).
3.5
Was die
Revision von Invalidenrenten
anbelangt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in bisheriger ständiger Praxis festgehalten, dass, sofern sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise ändert, die Rente gemäss
Art. 41 IVG
(in der bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen, nunmehr aufgehobenen Fassung [nachfolgend: alt
Art. 41 IVG
]) für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben ist. Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen (
BGE 125 V 369
Erw. 2 mit Hinweis,
BGE 112 V 372
Erw. 2b und 390 Erw. 1b). Rechtsprechungsgemäss ist die Invalidenrente nicht nur bei einer wesentlichen Veränderung des
BGE 130 V 343 S. 350
Gesundheitszustandes, sondern auch dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes erheblich verändert haben (
BGE 113 V 275
Erw. 1a mit Hinweis). Ein Revisionsgrund ist ferner unter Umständen auch dann gegeben, wenn eine andere Art der Bemessung der Invalidität zur Anwendung gelangt (
BGE 117 V 199
Erw. 3b mit Hinweisen) oder eine Wandlung des Aufgabenbereichs eingetreten ist (
BGE 117 V 199
Erw. 3b mit Hinweisen).
3.5.1
Art. 17 ATSG
normiert unter der Überschrift "Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen" in Abs. 1 Folgendes: "Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben." Abs. 2 hält sodann fest: "Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat" (zur Entstehung vgl. KIESER, ATSG-Kommentar, Rz 1 zu
Art. 17 ATSG
).
3.5.2
Werden Dauerleistungen ohne Befristung zugesprochen, muss die Möglichkeit bestehen, die Leistung den nach erfolgter Zusprechung erheblich veränderten tatsächlichen Verhältnissen anzupassen, sei es von Amtes wegen oder auf Gesuch hin. Diesem Zweck dient neu
Art. 17 Abs. 1 ATSG
(LOCHER, Grundriss, S. 253 Rz 1). Die Bestimmung bezieht sich auf eine nachträgliche Änderung des massgebenden Sachverhaltes (KIESER, ATSG-Kommentar, N 5 zu Art. 17), weshalb die Abgrenzung zur Revision und Wiedererwägung nach
Art. 53 ATSG
ohne weiteres möglich ist (KIESER, ATSG-Kommentar, N 3 zu Art. 17). Das Institut der Rentenrevision in
Art. 17 Abs. 1 ATSG
gilt für alle Sozialversicherungen, welche Invalidenrenten ausrichten (so auch die Invalidenversicherung), und wurde vom Gesetzgeber in Weiterführung der entsprechenden bisherigen Regelungen übernommen (vgl. insbesondere alt
Art. 41 IVG
) (KIESER, ATSG-Kommentar, N 7 und 28 zu Art. 17). Das Rentenrevisionsverfahren wird entweder von Amtes wegen oder auf Gesuch hin eingeleitet. Der Versicherungsträger ist somit berechtigt, jederzeit eine laufende Rente in Revision zu ziehen, um eine mögliche Änderung des Invaliditätsgrades abzuklären (
Art. 87 Abs. 2 IVV
; LOCHER, Grundriss, S. 253 Rz 2 und 3). Wie bereits nach der bisherigen Rechtsprechung hat die
BGE 130 V 343 S. 351
Änderung des Invaliditätsgrades auch weiterhin stets eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zum Gegenstand. Zu vergleichen ist dabei der Sachverhalt im Zeitpunkt, in welchem die Rente rechtskräftig gewährt bzw. materiell bestätigt worden ist, mit dem Sachverhalt im Zeitpunkt der Neubeurteilung (
BGE 109 V 265
Erw. 4a; LOCHER, Grundriss, S. 254 Rz 5; KIESER, ATSG-Kommentar, N 14 zu Art. 17). Ferner muss die Veränderung der Verhältnisse erheblich, d.h. hinsichtlich der Auswirkungen auf den Invaliditätsgrad rentenwirksam sein (LOCHER, Grundriss, S. 255 Rz 8; KIESER, ATSG-Kommentar, N 15 zu Art. 17).
3.5.3
Sind die Revisionsvoraussetzungen erfüllt, wird die Leistung gemäss
Art. 17 Abs. 1 ATSG
für die Zukunft entsprechend dem neu ermittelten Invaliditätsgrad erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben. In den Einzelgesetzen kann dieser Zeitpunkt noch genau festgelegt oder in Abweichung vom ATSG eine Revision ausgeschlossen werden (LOCHER, Grundriss, S. 256 Rz 10; KIESER, ATSG-Kommentar, N 19 zu Art. 17). Die Anpassung wird - wie bereits erwähnt - von Amtes wegen oder auf Gesuch hin vorgenommen (KIESER, ATSG-Kommentar, N 16 zu Art. 17). Im Anpassungsverfahren gelten die Verfahrensbestimmungen gemäss
Art. 27 ff. ATSG
(KIESER, ATSG-Kommentar, N 23 zu Art. 17). In der Invalidenversicherung ist der Zeitpunkt der Leistungsanpassung - wie bisher - genau umschrieben: In der Regel muss die Veränderung der Verhältnisse drei Monate angedauert haben (
Art. 88a IVV
; ZAK 1986 S. 345 ff.). Bei einem Revisionsbegehren kann die Heraufsetzung frühestens vom Monat dieses Gesuches an erfolgen (
Art. 88
bis
Abs. 1 lit. a IVV
), eine Herabsetzung oder Aufhebung frühestens auf den übernächsten Monat nach Zustellung der Verfügung (
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
). Ausnahmsweise ist eine rückwirkende Herabsetzung der Leistung zulässig, wenn die versicherte Person ihre Meldepflicht verletzt hat (
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. b IVV
). Die in dieser Verordnungsbestimmung erwähnte Meldepflicht gemäss
Art. 77 IVV
ist grundsätzlich durch die Meldepflicht nach
Art. 31 ATSG
ersetzt worden (vgl. dazu KIESER, ATSG-Kommentar, N 23 zu Art. 31), ohne dass allerdings die Verordnungsbestimmung aufgehoben worden wäre (LOCHER, Grundriss, S. 256 Rz 11 f.). Bei einem Gesuch um Rentenanpassung wird - weiterhin - vorausgesetzt, dass darin das Vorliegen einer entsprechenden Tatsachenänderung jedenfalls glaubhaft gemacht wird (vgl.
Art. 87 Abs. 3 IVV
; KIESER, ATSG-Kommentar, N 16 zu
BGE 130 V 343 S. 352
Art. 17; zur Bedeutung des Erfordernisses der Glaubhaftmachung:
BGE 130 V 66
ff. Erw. 5).
3.5.4
Das Institut der Revision von Invalidenrenten in
Art. 17 Abs. 1 ATSG
wurde vom Gesetzgeber in Weiterführung der entsprechenden bisherigen Regelungen übernommen. Da somit keine davon abweichende Ordnung beabsichtigt war, ist auch die dazu entwickelte Rechtsprechung grundsätzlich anwendbar (KIESER, ATSG-Kommentar, N 8 zu Art. 17).
3.6
Zusammenfassend haben die von der Rechtsprechung zu den Begriffen der Arbeitsunfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit, der Invalidität und der Revision sowie zur Bestimmung des Invaliditätsgrades herausgebildeten Grundsätze unter der Herrschaft des ATSG prinzipiell weiterhin Geltung und sind demnach im vorliegenden Fall massgeblich.