56. Auszug aus dem Urteil i.S. M. gegen Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
C 222/03 vom 29. Juni 2004
3.1.1
Das kantonale Gericht erkannte zutreffend, dass der Beschwerdeführer weder das RAV noch die Arbeitslosenkasse innert Wochenfrist seit Beginn über seine 50 %ige Arbeitsunfähigkeit ab 14. Mai 2002 informiert hatte, und er diese Versicherungsorgane erstmals mit der Abgabe des von ihm ausgefüllten und am 10. Juli 2002 unterzeichneten Formulars "Angaben der versicherten Person für den Monat Juni 2002" über seine dreiwöchige vollständige Arbeitsunfähigkeit vom 16. Juni bis 5. Juli 2002 in Kenntnis setzte. Zur Begründung führte die Vorinstanz an, der Einstellungsgrund von
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG
umfasse jede Verletzung der Pflicht des Versicherten zu wahrheitsgemässer und vollständiger Auskunft sowie zur Meldung aller leistungsrelevanten Tatsachen (vgl.
BGE 123 V 151
Erw. 1b). Durch die Nichtmeldung der Teilarbeitsunfähigkeit im Mai 2002 und die erst mit Einreichung des genannten Formulars vom 10. Juli 2002 erfolgte Meldung der Arbeitsunfähigkeit ab 16. Juni 2002 habe der Versicherte nicht nur die Anspruchsvoraussetzung im Sinne von
Art. 42 Abs. 2 AVIV
verwirkt, sondern auch die ihm obliegende allgemeine Meldepflicht im Sinne von
Art. 96 Abs. 2 AVIG
verletzt. Die zweimalige Verletzung der Meldepflicht (sowohl nach
Art. 42 Abs. 1 AVIV
als auch im Sinne von
Art. 96 Abs. 2 AVIG
) rechtfertige hier auch unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl.
BGE 125 V 197
Erw. 4c) die verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf Grund von
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG
.
3.1.2
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hielt in
BGE 125 V 193
fest, dass es im Falle einer bloss
einmaligen
Meldepflichtverletzung nicht mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar ist, einen Versicherten mit der in
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG
vorgesehenen Sanktion zu belegen, wenn er überdies aus demselben Grund bereits nach Massgabe von
Art. 42 Abs. 2 AVIV
seines Anspruchs auf Arbeitslosentaggelder verlustig gegangen ist. Wegen nicht entschuldbar verspätet erfolgter Meldung der
BGE 130 V 385 S. 387
Arbeitsunfähigkeit verwirkte der Beschwerdeführer bereits gestützt auf
Art. 42 Abs. 2 AVIV
seinen Taggeldanspruch für die Dauer vom 17. Juni bis 5. Juli 2002 (vgl.
BGE 117 V 244
), weshalb ihm die Arbeitslosenkasse für diese Zeit zu Recht keine Arbeitslosenentschädigung ausrichtete. Dennoch steht im Falle einer
wiederholten
, ohne entschuldbaren Grund (vgl. dazu GERHARDS, Kommentar zum Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung, Band I, Bern 1987, N 66 zu Art. 28) nicht rechtzeitig erfolgten Meldung im Sinne von
Art. 42 Abs. 1 AVIV
und gleichzeitiger Verletzung der Meldepflicht gemäss
Art. 96 Abs. 2 AVIG
einer zur Verwirkung des Taggeldanspruchs nach
Art. 42 Abs. 2 AVIV
gegebenenfalls hinzutretenden angemessenen Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen Verletzung der Meldepflicht gestützt auf
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG
nichts im Wege.
Art. 42 Abs. 1 AVIV
, welcher auf der gesetzlichen Grundlage von
Art. 28 Abs. 1 und 3 AVIG
basiert, und
Art. 96 Abs. 2 AVIG
verfolgen verschiedene Ziele.
Art. 42 Abs. 1 AVIV
bezweckt die Verhinderung von Missbräuchen (HANS-ULRICH STAUFFER, Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 71) und die Gewährleistung der Kontrolle (
BGE 117 V 247
Erw. 3c). Der vorübergehende Eintritt vollständiger oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit bei Anspruch auf das volle Taggeld nach Massgabe von
Art. 28 Abs. 1 AVIG
soll - trotz während dieser Zeit wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft nicht erfüllbarer Kontrollvorschriften (vgl. z.B. das monatliche Beratungs- und Kontrollgespräch gemäss
Art. 22 Abs. 2 AVIV
) - nicht dazu dienen, sich der Kontrollpflicht entziehen zu können. Die rechtzeitige Meldung nach
Art. 42 Abs. 1 AVIV
ist formelle Anspruchsvoraussetzung (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 363 mit Hinweis). Demgegenüber handelt es sich bei der Auskunfts- und Meldepflicht nach
Art. 96 Abs. 1 und 2 AVIG
um Mitwirkungspflichten im Sinne von Obliegenheiten (GERHARDS, a.a.O., Bd. II, N 1 zu Art. 96-97). Der Einstellungsgrund im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG
kann durch Verletzung der Meldepflicht im Sinne von
Art. 96 Abs. 2 AVIG
unabhängig davon erfüllt sein, ob die falschen oder unvollständigen Angaben für die Ausrichtung der Versicherungsleistungen oder deren Bemessung kausal sind (
BGE 123 V 151
Erw. 1b mit Hinweis). Nach dem Gesagten ist
BGE 125 V 193
in dem Sinne zu präzisieren, dass das Verhältnismässigkeitsprinzip einer zusätzlich zur Rechtsfolge der Anspruchsverwirkung im Sinne von
Art. 42 Abs. 2 AVIV
zu verfügenden angemessenen Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen Verletzung der Meldepflicht im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG
dann nicht entgegen steht, wenn sich der Versicherte ohne entschuldbaren Grund durch wiederholte, nicht rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit einerseits der Kontrollpflicht im Sinne von
Art. 42 Abs. 1 AVIV
entzieht und andererseits auch die Arbeitsvermittlungs- und Beratungsbemühungen der Arbeitslosenversicherungsorgane durch mehrfache Verletzung der allgemeinen Meldepflicht im Sinne von
Art. 96 Abs. 2 AVIG
erschwert.