Urteilskopf
131 I 377
38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. und Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein gegen Kanton Basel-Landschaft (Staatsrechtliche Beschwerde)
2P.313/2003 vom 27. Mai 2005
Regeste
Art. 8 BV
;
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
;
Art. 9 Abs. 4 StHG
; Besteuerung des Eigenmietwerts; Rechtsgleichheit; Rügeprinzip; Bundesrechtswidrigkeit des basel-landschaftlichen Pauschalabzugs für Mietkosten.
Eine gesetzliche Regelung, welche die Rechtsgleichheit in der Eigen mietwertbesteuerung für gewahrt erklärt, wenn den beiden (deutlich unterschiedlich grossen) Gruppen von Wohneigentümern einerseits und Mietern andererseits insgesamt je die gleich grosse Summe unbesteuerten Einkommens gewährt wird, verstösst gegen
Art. 8 BV
(E. 3).
Das basel-landschaftliche System der Eigenmietwertbesteuerung (Pauschalabzug zugunsten der Mieter zwecks Ausgleichs des Steuervorteils, den die Eigentümer aus den viel zu tiefen Eigenmietwerten ziehen) ist bundesrechtswidrig; Rügeprinzip (E. 4).
Im Kanton Basel-Landschaft liegen die Eigenmietwerte für Wohnungen und Einfamilienhäuser seit jeher weit unter der Marktmiete für vergleichbare Objekte. Mit der Änderung vom 20. Juni 1991 des Gesetzes vom 7. Februar 1974 über die Staats- und Gemeindesteuern und den Finanzausgleich (StG/BL) wurde die an sich vorgeschriebene Bemessung nach dem Marktwert aufgegeben und neu eine "massvolle" Festsetzung der Eigenmietwerte gesetzlich verankert (vgl.
§ 23 Abs. 2
bis
StG
/BL). Gleichzeitig hat der Kanton Basel- Landschaft - um den Steuervorteil auszugleichen, welcher den Wohneigentümern durch die neue Regelung zukommt - einen Pauschalabzug geschaffen, welcher je für den Mieter (oder Pächter), dessen Ehegatten und für jedes in der häuslichen Gemeinschaft lebende Kind gewährt wird (vgl.
§ 33 lit. d StG
/BL). Dieser Mietkostenabzug betrug zunächst 1'000 Franken pro Person und wurde anschliessend - parallel zu einer Erhöhung der Eigenmietwerte - auf 400 Franken reduziert. In der Folge wurde eine Gesetzesinitiative angenommen, welche die Eigenmietwerte per 1995 auf das Niveau vor ihrer Erhöhung senkte und den Mietkostenabzug entsprechend wieder auf 1'000 Franken festsetzte.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung veranlasste im Herbst 2000 eine Erhebung, welche zeigte, dass die Eigenmietwerte von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen im Kanton Basel-Landschaft durchschnittlich bloss knapp 35 Prozent des Marktmietwerts betrugen. Um die Gleichbehandlung von Mietern und Wohneigentümern zu erreichen, schlug der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft zunächst bloss eine Erhöhung des Mietkostenabzugs auf 1'500 Franken pro Person vor. Aufgrund der negativen
BGE 131 I 377 S. 379
Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens beschloss er alsdann die Ausarbeitung einer neuen Vorlage, welche gleichzeitig ein Anheben der Eigenmietwerte um 12 Prozent und die Erhöhung des Mietkostenabzugs auf 1'250 Franken vorsah. Eine entsprechende Gesetzesänderung wurde am 24. November 2002 vom Stimmvolk verworfen. In der Folge kam eine Gesetzesinitiative zustande, nach der die Eigenmietwerte, unter Erhöhung des Mietkostenabzugs auf 1'500 Franken, generell um 8 Prozent anzuheben waren ("Wohnkosten-Gleichbehandlungs-Initiative"). Diese Regelung wurde in der Volksabstimmung vom 19. Oktober 2003 angenommen und auf den 1. Januar 2004 in Kraft gesetzt. Die geänderten Bestimmungen des Steuergesetzes lauten neu wie folgt:
"§ 27
ter
Mietwert selbstgenutzter Liegenschaften (Eigenmietwert)
1
Die massvolle Festsetzung des Eigenmietwertes erfolgt in Übereinstimmung mit dem in der Kantonsverfassung erteilten Auftrag, das selbst genutzte Wohneigentum steuerlich zu begünstigen (§ 133 Absatz 2 Buchstabe c Kantonsverfassung). Zwecks verfassungsmässiger Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern beziehungsweise Pächtern wird ein Sozialabzug gemäss § 33 Buchstabe d gewährt.
2
Das Gleichbehandlungsgebot gemäss Absatz 1 gilt als eingehalten, wenn das Einkommensvolumen, das - unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Eigenmietwertes von 60 % des Marktmietwertes - infolge der massvollen Festlegung des Eigenmietwertes nicht besteuert wird, dem Volumen aller Sozialabzüge gemäss § 33 Buchstabe d entspricht.
3
(...)
4
(...)
5
Der Regierungsrat überprüft mindestens alle vier Jahre - erstmals ab dem Steuerjahr 2006 - anhand einer repräsentativen Erhebung, ob auf Grund veränderter Marktverhältnisse das Gleichbehandlungsgebot gemäss Absatz 1 und 2 noch eingehalten ist. Ergibt die Erhebung, dass sich das nicht besteuerte Einkommensvolumen gemäss Absatz 2 erheblich erhöht hat, so
BGE 131 I 377 S. 380
werden, falls dannzumal die Inkraftsetzung der nächsten allgemeinen Katasterneuschätzung noch nicht erfolgt ist, die Eigenmietwerte gemäss Absatz 3 linear mit einem Zuschlag erhöht, welcher der Hälfte der eingetretenen Erhöhung des Einkommensvolumens entspricht. Gleichzeitig wird der Sozialabzug gemäss § 33 Buchstabe d um jenen Betrag erhöht, der sich aus der Division der Hälfte der eingetretenen Erhöhung des nicht besteuerten Einkommensvolumens durch die Totalanzahl der Abzugsberechtigten gemäss § 33 Buchstabe d ergibt. Das Nähere regelt der Regierungsrat.
6
Ergibt die Erhebung gemäss Absatz 5, dass die Eigenmietwerte weniger als die Hälfte von 60 % des marktüblichen Mietwertes betragen, so werden, falls dannzumal die Inkraftsetzung der nächsten allgemeinen Katasterneuschätzung noch nicht erfolgt ist, die Eigenmietwerte gemäss Absatz 3 linear mit einem Zuschlag erhöht. Dieser Zuschlag ist so zu bemessen, dass die Eigenmietwerte nach ihrer Erhöhung wieder die Hälfte von 60 % des marktüblichen Mietwertes betragen.
(...)
§ 33 Bestimmung des steuerbaren Einkommens
Vom Reineinkommen werden für die Steuerberechnung folgende Sozialabzüge in Abzug gebracht: (...)
d je 1'500 Franken Sozialabzug für den Mieter und Pächter einer dauernd selbst bewohnten Liegenschaft, den mitsteuerpflichtigen Ehegatten sowie für jedes Kind, das mit dem Steuerpflichtigen in häuslicher Gemeinschaft lebt und für das ein Kinderabzug beansprucht werden kann. Dieser Sozialabzug wird zwecks verfassungsmässiger Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern beziehungsweise Pächtern gemäss § 27
ter
gewährt. Das Volumen aller Sozialabzüge gemäss diesem Abschnitt entspricht dem Einkommensvolumen, das - unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Eigenmietwertes von 60 % des marktüblichen Mietwertes - in Folge der massvollen Festlegung des Eigenmietwertes nicht besteuert wird."
Am 5. Dezember 2003 haben X. und der "Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein" mit gemeinsamer Eingabe beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie rügen eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (
Art. 8 BV
) und beantragen die Aufhebung von § 27
ter
Abs. 2 sowie § 33 lit. d letzter Satz der am 19. Oktober 2003 angenommenen Änderung des kantonalen Steuergesetzes.
Soweit es darauf eintritt, heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut.
Aus den Erwägungen:
2.1
Das Rechtsgleichheitsgebot von
Art. 8 BV
verlangt, dass Steuerpflichtige in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen gleich zu besteuern sind. Daraus hat das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung die Pflicht des Gemeinwesens abgeleitet, bei Wohnungseigentümern den Eigenmietwert zu besteuern, bzw. das Verbot, die Eigenmietwertbesteuerung (vollständig und undifferenziert) abzuschaffen, ohne ausgleichende Massnahmen für die übrigen Steuerpflichtigen zu treffen (vgl.
BGE 124 I 145
E. 4a S. 154 mit Hinweisen). Der Eigentümer kann vom rohen Einkommen einen
BGE 131 I 377 S. 381
erheblichen Teil der Wohnkosten steuerlich zum Abzug bringen (Hypothekarzinsen, Aufwendungen für den Unterhalt, usw.). Dem Mieter ist ein vergleichbarer Abzug verwehrt, obschon er für seine Wohnung einen Mietzins bezahlt und damit entsprechende Auslagen hat bzw. mitfinanziert. Er würde deshalb bei ansonsten gleichen Einkünften und Abzügen mit einem höheren steuerbaren Einkommen veranlagt als der Wohnungseigentümer oder Eigenheimbesitzer. Die Aufrechnung des Eigenmietwerts soll diese Konsequenz, welche der rechtsgleichen Behandlung der Steuerpflichtigen widerspricht, korrigieren (
BGE 123 II 9
E. 3a S. 12).
2.2
Die Besteuerung des Eigenmietwerts leitet sich heute nicht mehr allein aus dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot ab, sondern wird den Kantonen nunmehr von Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) ausdrücklich vorgeschrieben. Allerdings werden der Bemessung des Eigenmietwerts dadurch grundsätzlich keine engeren Schranken gesetzt als sie sich ohnehin schon aus
Art. 8 BV
ergeben (
BGE 124 I 145
E. 3 S. 152 ff.). Der Eigenmietwert für die kantonalen Steuern darf deshalb - anders als bei der direkten Bundessteuer, für welche ausschliesslich der objektive Marktwert massgebend ist (der sich jedoch innerhalb einer gewissen Bandbreite bewegen darf; vgl.
BGE 123 II 9
E. 4b S. 14 f.) - tiefer angesetzt werden (
BGE 116 Ia 321
E. 3g S. 325). Er soll aber (in jedem einzelnen Fall) den als verfassungsrechtliche Untergrenze betrachteten Wert von 60 Prozent der Marktmiete nicht unterschreiten, ansonsten die Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern nicht mehr gewährleistet ist (vgl.
BGE 124 I 145
E. 4d und 5a S. 156 f.).
2.3
Die hier angefochtene Gesetzesänderung sieht vor, dass das Gesamtvolumen des Einkommens, welches im Kanton Basel-Landschaft infolge zu tiefer - d.h. unter der verfassungsrechtlichen Schranke von 60 Prozent der Marktmiete liegender - Eigenmietwerte unbesteuert bleibt, dem Gesamtvolumen der Pauschalabzüge entspricht, die den Mietern für ihre Wohnkosten gewährt werden. Der neue, auf 1'500 Franken pro Person angehobene Pauschalabzug führt bei gleichzeitiger Erhöhung der Eigenmietwerte um 8 Prozent unbestrittenermassen zu diesem Ergebnis. Nach dem Konzept der streitigen Regelung wird damit der erforderliche Ausgleich zwischen Wohneigentümern und Mietern ausreichend hergestellt.
BGE 131 I 377 S. 382
3.1
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (
Art. 8 BV
; vgl.
BGE 123 I 1
E. 6a S. 7): Es führe nicht zu einer Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern, wenn das Gesamteinkommen der Ersteren, welches wegen der zu tiefen Eigenmietwerte unbesteuert bleibe, dem Total aller Mietkostenabzüge entspreche, wie dies
§ 27
ter
Abs. 2 und
§ 33 lit. d StG
/BL vorsähen. Die Grösse der beiden Gruppen von Steuerzahlern sei sehr unterschiedlich, zumal es im Kanton rund 170'000 Mieter, aber nur 45'000 Haushalte von Wohneigentümern gebe. Die Steuerersparnis für den einzelnen Mieter sei darum geringer als für den einzelnen Wohnungseigentümer, wenn bei beiden Gruppen je ein Einkommen von insgesamt 250 Mio. Franken unbesteuert bleibe: Die Mieter lebten durchschnittlich in Haushalten mit 1,9 Personen, was für den Kanton Basel-Landschaft 89'474 "Mieterhaushalte" mit je einem steuerbefreiten Einkommen von 2'794 Franken ergebe (recte: 2'850 Franken, weil die Gesamtsumme der Mietkostenabzüge 255 Mio. Franken beträgt [170'000 x 1'500] bzw. weil 1,9 multipliziert mit 1'500 2'850 ergibt). Demgegenüber würden 250 Mio. Franken auf die "Eigentümerhaushalte" verteilt ein unbesteuertes Einkommen von durchschnittlich je 5'605 Franken ausmachen. Dieser Vergleich zeige, dass der Mietkostenabzug 2'950 Franken pro Person betragen müsse, damit "Mieter- und Eigentümerhaushalte" gleichmässig entlastet würden (2'950 x 1,9 = 5'605). Deshalb reiche die Erhöhung des Abzugs auf 1'500 Franken, wie sie durch die streitige Gesetzesänderung erfolgt sei, nicht aus, um die Rechtsgleichheit bei der kantonalen Eigenmietwertbesteuerung herzustellen.
3.2
Dieser Kritik der Beschwerdeführer hält der Regierungsrat entgegen, ein absoluter Vergleich zwischen den beiden Gruppen sei darum nicht möglich, weil der Eigenmietwert bei den Eigentümern eine fixe Grösse darstelle, welche unbekümmert um die Zahl der im Haushalt lebenden Personen zur Anwendung komme, während die Höhe des Mietkostenabzugs variabel sei und von der Anzahl Personen abhänge, die im betroffenen Haushalt leben. Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern betrage der Mietkostenabzug insgesamt 6'000 Franken, was etwas über der Höhe des unversteuerten Einkommens von 5'605 Franken liege, das sich für die gleiche Familie im Durchschnitt aus den zu tiefen Eigenmietwerten ergeben würde.
BGE 131 I 377 S. 383
3.3
Der Kanton bestreitet mithin nicht, dass er über wesentlich mehr Mieter verfügt, als über Personen, die in einem Eigenheim leben. Dies zu Recht, machen doch Letztere gemäss den Resultaten der Volkszählung 2000 lediglich 41.5 Prozent der Bevölkerung des Kantons Basel-Landschaft aus (vgl. www.bfs.admin.ch/ bfs/portal/de/index/regionen/regionalportraets/baselland/blank/kennzahlen.html), womit auf drei Mieter bloss rund zwei in Wohneigentum lebende Personen entfallen. Unter diesen Voraussetzungen verstösst es gegen das Gleichbehandlungsgebot, den beiden (unterschiedlich grossen) Gruppen je die gleich hohe Summe unbesteuerten Einkommens zuzugestehen; im Übrigen erscheint ein solcher Globalvergleich von Gruppen in finanzieller Hinsicht bereits an und für sich bedenklich. Die Verfassungswidrigkeit des streitigen Ausgleichsmechanismus ergibt sich auch deutlich aus einer Betrachtung der Auswirkungen, welche die Gesetzesänderung (Erhöhung des Mietkostenabzugs auf 1'500 Franken pro Person und der Eigenmietwerte auf 37.6 Prozent der Marktmiete) für den einzelnen Steuerpflichtigen zeitigt: Durch die unterschiedlichen Systeme, mit welchen Mieter und Eigentümer in Bezug auf ihre Wohnkosten steuerlich entlastet werden, kommt es in den beiden Kategorien zu einer völlig unterschiedlichen Behandlung von vergleichbaren Sachverhalten: Weil der Steuervorteil der Wohneigentümer von der Haushaltsgrösse unabhängig ist, sind diese insbesondere dann deutlich besser gestellt als die Mieter, wenn sie in Ein- oder Zweipersonen-Haushalten leben; ihr Vorteil ist generell umso grösser, je geringer die Anzahl der Personen pro Haushalt und je höher die Marktmiete ist. Demgegenüber sind bei Grossfamilien mit fünf und mehr Mitgliedern tendenziell die Mieter besser gestellt, weil sich der Pauschalabzug mit jedem zusätzlichen Familienangehörigen weiter erhöht.
3.4
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist, und die angefochtenen § 27
ter
Abs. 2 sowie § 33 lit. d letzter Satz StG/BL sind aufzuheben. Wie die folgenden Erwägungen zeigen, wird es damit aber nicht sein Bewenden haben können.
4.1
Zwar hat sich das Bundesgericht bereits zuvor mit dem basel-landschaftlichen Pauschalabzug für Mietkosten befasst, und diesen damals (noch) nicht für verfassungswidrig betrachtet. Entsprechend hat es zunächst mit Urteil 2P.261/1991 vom 16. Juli 1992
BGE 131 I 377 S. 384
(StR 47/1992 S. 599) entschieden (trotz Bedenken hinsichtlich des Umstands, dass der Abzug in Form einer Pauschale und damit losgelöst vom tatsächlichen Mietzins gewährt werde) und dies anschliessend mit Urteil 2P.203/1997 vom 2. März 1999 bestätigt (wobei es die Höhe des Pauschalabzugs mangels einer hinreichend begründeten Rüge nicht zu prüfen hatte).
4.2
Diese Urteile sind heute indessen namentlich wegen der Verbindlichkeit neuen Bundesrechts überholt: Das basel-landschaftliche System der Eigenmietwertbesteuerung hielt nur deshalb vor der Verfassung stand, weil der Vorteil, den die Eigentümer aus den tiefen - unter der verfassungsrechtlichen Untergrenze von 60 Prozent liegenden - Eigenmietwerten zogen, durch den Pauschalabzug zugunsten der Mieter (in etwa) aufgewogen wurde. Das Steuerharmonisierungsgesetz, an welches die kantonalen Steuergesetze spätestens auf das Steuerjahr 2001 hin anzupassen waren (vgl.
Art. 72 Abs. 1 StHG
), regelt die zulässigen Abzüge vom steuerbaren Roheinkommen nunmehr abschliessend. Ein Abzug für Mietkosten ist im einschlägigen
Art. 9 StHG
nicht vorgesehen; vorbehalten werden dort einzig die Sozialabzüge des kantonalen Rechts (vgl. Abs. 4). Trotz der Terminologie, welche der kantonale Gesetzgeber in
§ 27
ter
Abs. 2 sowie
§ 33 lit. d StG
/BL verwendet, handelt es sich hier offensichtlich nicht um einen Sozialabzug: Ein solcher dient der Berücksichtigung des sozialen Status des Steuerpflichtigen und des Einflusses, welcher dieser auf die individuelle (wirtschaftliche) Leistungsfähigkeit des Betroffenen hat (vgl. MARKUS REICH, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, 2. Aufl., Basel 2002, N. 63 zu
Art. 9 StHG
). Im Vordergrund stehen dabei die familiären Verhältnisse des Steuerpflichtigen und die mit diesen verbundenen zivilrechtlichen Lasten (vgl. ERICH BOSSHARD/HANS-RUDOLF Bosshard/Werner Lüdin, Sozialabzüge und Steuertarife im schweizerischen Steuerrecht, Zürich 2000, S. 95 f. und 103). Wie gesagt, soll der basel-landschaftliche Mietkostenabzug demgegenüber den Vorteil ausgleichen, welcher den Wohneigentümern aufgrund der unzureichenden Besteuerung ihres Eigenmietwerts zukommt. Der Pauschalabzug hat seinen Ursprung also nicht in einer unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Mietern und Eigentümern, sondern im Streben des Gesetzgebers, die Steuerlast für die Angehörigen der beiden Gruppen auszubalancieren (vgl. REICH,
BGE 131 I 377 S. 385
a.a.O., N. 73 zu
Art. 9 StHG
). Er knüpft nur am Umstand an, dass ein Mietzins bezahlt wird und damit weder am sozialen Status noch an der individuellen Leistungsfähigkeit der Betroffenen; er wird ungeachtet derer finanzieller und persönlicher Situation für jede Person gewährt, die in einer Mietwohnung lebt. Mithin stellt der basel-landschaftliche Mietkostenabzug keinen Sozialabzug, sondern einen allgemeinen Abzug im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 StHG
dar und ist von Bundesrechts wegen ausgeschlossen. Die Unterschreitung der verfassungsrechtlichen Untergrenze bei der Eigenmietwertbesteuerung kann demnach nicht mehr kompensiert werden, und der Kanton Basel-Landschaft ist nun nicht nur gehalten, den Pauschalabzug für Mietkosten aufzuheben, sondern im Ergebnis auch gezwungen, die Eigenmietwerte auf mindestens 60 Prozent der Marktmiete zu erhöhen. Das System der Eigenmietwertbesteuerung ist dabei so auszugestalten, dass die verfassungsrechtliche Limite von 60 Prozent in keinem Fall unterschritten wird.
4.3
Die geschilderte Rechtslage, aus der sich die Bundesrechtswidrigkeit der streitigen Gesetzesänderung ergibt, ist hier indessen unbeachtlich, auch wenn insoweit ein Verstoss gegen den Vorrang des Bundesrechts (
Art. 49 BV
) vorliegt: Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gilt das Rügeprinzip (vgl.
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
), gemäss welchem das Bundesgericht nicht frei untersucht, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungsmässige Rechte verletzt. Es prüft vielmehr nur rechtsgenügend vorgebrachte, klare Rügen (vgl. etwa
BGE 119 Ia 197
E. 1d S. 201 mit Hinweisen), weshalb es nicht von Amtes wegen einschreiten darf, wenn sich der angefochtene Hoheitsakt aus einem anderen Grund als jenem, den die Beschwerdeführer mit ihrer Rechtsschrift vortragen, als verfassungswidrig erweist. Das Rügeprinzip schliesst indessen nicht aus, dass das Bundesgericht die festgestellte Verfassungsverletzung im Rahmen der Urteilsbegründung zum Ausdruck bringt. So wird dem betroffenen Kanton die Möglichkeit gegeben, den rechtswidrigen Zustand zu beheben, bevor dieser erneut Gegenstand einer - dannzumal allenfalls einschlägig begründeten - Beschwerde bildet.
4.4
Es erstaunt nicht, dass die Beschwerdeführer in ihrer Eingabe beim Bundesgericht die Verletzung von
Art. 49 BV
nicht gerügt haben. Als Vertreter der Mieterschaft des Kantons Basel-Landschaft wollten sie diese weiterhin im Genuss der Steuervergünstigungen lassen, die sich aus dem (harmonisierungswidrigen)
BGE 131 I 377 S. 386
Pauschalabzug ergeben. Der Kanton ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sein System der Eigenmietwertbesteuerung der heutigen Rechtslage nicht (mehr) entspricht. Wie dargelegt, wird er einerseits die Mietkostenabzüge abschaffen und andererseits die Eigenmietwerte anheben müssen. Diesbezüglich ist insbesondere die Kantonsregierung auf ihre Befugnis und Verpflichtung aufmerksam zu machen, vorläufige Vorschriften zu erlassen, wenn der kantonale Gesetzgeber das Steuerrecht nicht bis zum 1. Januar 2001 mit dem Steuerharmonisierungsgesetz in Einklang gebracht hat (
Art. 72 Abs. 3 StHG
; vgl.
BGE 131 I 291
E. 2). Dabei bleibt es dem kantonalen Gesetzgeber überlassen, ob und wie er die resultierende Erhöhung der Steuerlast durch andere Massnahmen ausgleichen will.