BGE 138 III 382 vom 26. April 2012

Dossiernummer: 5A_59/2012

Datum: 26. April 2012

Artikelreferenzen:  Art. 319 ZPO, Art. 271 SchKG, Art. 272 SchKG, Art. 278 SchKG , Art. 328 ZPO, Art. 278 Abs. 3 SchKG, Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG, Art. 319 ff. ZPO, Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO

BGE referenzen:  133 III 589, 139 III 491, 141 III 376 , 133 III 589

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

138 III 382


56. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_59/2012 vom 26. April 2012

Regeste

Art. 278 Abs. 3 SchKG ; Art. 328 ZPO ; Arresteinsprache und Revision.
Der Beschwerdeentscheid, mit dem die Gutheissung der Arresteinsprache bestätigt wird, kann nicht wegen nachträglich entdeckter Tatsachen und Beweismittel in Revision gezogen werden (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 383

BGE 138 III 382 S. 383

A.

A.a X. verlangte am 8. Dezember 2010 gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG die Arrestierung von Vermögenswerten der S. Holding Establishment, mit Sitz in Liechtenstein, bei der Bank T. AG, mit Sitz in Zürich, bis zur Deckung der Arrestforderung von (umgerechnet) Fr. 5'502'101.22 nebst Zinsen. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2010 hiess die Arrestrichterin am Bezirksgericht Zürich das Begehren teilweise gut und erliess einen Arrestbefehl. Als Forderungsurkunde wurde das Urteil des Court of Chancery of the State of Delaware/USA vom 12. August 2010 aufgeführt. Als Arrestgegenstände wurden sämtliche Konten und Vermögenswerte der Arrestschuldnerin bei der betreffenden Bank, inbegriffen das Konto IBAN CH y bezeichnet.

A.b Am 10. Dezember 2010 vollzog das Betreibungsamt Zürich 1 den Arrestbefehl. Gegen den Arrestbefehl erhob Z. Einsprache und beanspruchte das Eigentum am erwähnten Bankkonto. Mit Verfügung vom 15. März 2011 hiess der Einzelrichter am Bezirksgericht die Arresteinsprache gut und hob den Arrestbefehl bezüglich des Bankkontos auf. Im Übrigen blieb der Arrestbefehl bestehen.

A.c Gegen den Entscheid über die Arresteinsprache erhob X. Beschwerde. Mit Urteil vom 11. August 2011 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab und bestätigte den Arresteinspracheentscheid vom 15. März 2011. (...)

B. Am 14. September 2011 gelangte X. an das Obergericht. Er verlangte die Revision des obergerichtlichen Urteils vom 11. August 2011 und die Durchführung eines neuen Verfahrens. In der Sache sei der Arresteinspracheentscheid aufzuheben und der Arrestbefehl zu bestätigen. Mit Urteil vom 19. Dezember 2011 wies das Obergericht das Revisionsbegehren ab.

C. Am 20. Januar 2012 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 19. Dezember 2011 aufzuheben und das Revisionsgesuch vom 14. September 2011 sowie die betreffenden Anträge in der Sache gutzuheissen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Auszug)
BGE 138 III 382 S. 384

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Urteil des Obergerichts, mit welchem die Revision ( Art. 328 ff. ZPO [SR 272]) des Beschwerdeentscheides über die Arresteinsprache ( Art. 278 Abs. 3 SchKG i.V.m. Art. 319 ff. ZPO ) abgelehnt wurde. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe den Tatsachen und Beweismitteln, mit welchen die Revision begründet werde, zu Unrecht (durch Verletzung des Gehörsanspruchs und willkürliche Beweiswürdigung) die Erheblichkeit abgesprochen.

3.1 Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer die Revision des obergerichtlichen Urteils vom 11. August 2011 gestützt auf Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO verlangt hat. Nach dieser Bestimmung kann eine Partei beim Gericht, welches als letzte Instanz in der Sache entschieden hat, die Revision des rechtskräftigen Entscheids verlangen, wenn sie nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte; ausgeschlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind.

3.2 Die Revision nach Art. 328 ff. ZPO erlaubt, einen rechtskräftigen Entscheid ("décision entrée en force", "decisione passata in giudicato") aus bestimmten Gründen zu korrigieren, und stellt kein eigentliches Rechtsmittel dar (vgl. Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7221, 7379, Ziff. 5.23.3; MARAZZI, Erranze alla scoperta del nuovo Codice di procedura civile svizzero, ZSR 128/2009 II S. 423). Das Obergericht hat das Urteil vom 11. August 2011, d.h. den Beschwerdeentscheid über die Arresteinsprache, als revisionsfähigen Entscheid betrachtet, mit der einzigen Begründung, dass dagegen (bzw. mit der Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht) kein ordentliches Rechtsmittel mehr offenstehe. Diese Sicht greift - wie sich aus dem Folgenden ergibt - zu kurz.

3.2.1 Zweck der Revision nach Art. 328 ff. ZPO ist es, Gerichtsentscheide, die in materielle Rechtskraft erwachsen sind und deswegen nicht durch andere Rechtsbehelfe (wie Rechtsmittel, Abänderung oder Ergänzung des Entscheides, neue Klage) korrigiert werden können, bei Vorliegen bestimmter Revisionsgründe einer erneuten Prüfung durch das erkennende Gericht zuzuführen (u.a. SCHWANDER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 328 ZPO ). Der Revision
BGE 138 III 382 S. 385
nach Art. 328 ff. ZPO unterliegen nur Gerichtsentscheide, sofern der angefochtene Entscheid Verbindlichkeit im Sinne der materiellen Rechtskraft aufweist (SCHWEIZER, in: Code de procédure civile commenté, Bohnet u.a. [Hrsg.], 2011, N. 10 zu Art. 328 ZPO ; HERZOG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 27 ff. zu Art. 328 ZPO ). An einem der Revision zugänglichen Entscheid fehlt es, wenn dieser zwar formell rechtskräftig, aber nicht materiell rechtskräftig und jederzeit auf Begehren überprüft und korrigiert werden kann, was z.B. bei vorsorglichen Massnahmen grundsätzlich zutrifft (u.a. SCHWANDER, a.a.O., N. 14 zu Art. 328 ZPO ; MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 471).

3.2.2 Der Arrestentscheid erwächst nicht in materielle Rechtskraft, sondern stellt eine vorsorgliche Massnahme für die Zeit des Prosequierungsverfahrens dar ( BGE 133 III 589 E. 1 S. 591; vgl. STOFFEL/CHABLOZ, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 54 zu Art. 272 SchKG ; GASSER, Das Abwehrdispositiv der Arrestbetroffenen nach revidiertem SchKG, ZBJV 1994 S. 607). Es ist anerkannt, dass nach Abweisung oder Aufhebung eines Arrestes ein Arrestbegehren neu eingereicht werden kann (vgl. bereits BGE 60 I 255 E. 2 S. 256), so mit einer veränderten, um neue Tatsachen und Beweismittel ergänzten Begründung. Einem Arrestbegehren soll nur dann der Einwand der res iudicata entgegenstehen, wenn es auf dem völlig gleichen Sachverhalt beruht wie ein früheres Arrestbegehren, das zur Abweisung oder Aufhebung des Arrestes geführt hat (JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl. 1997/99, N. 19 zu Art. 271, N. 3 zu Art. 278 SchKG ; ARTHO VON GUNTEN, Die Arresteinsprache, 2001, S. 20, 118; vgl. MEIER, Grundlagen des vorsorglichen Rechtsschutzes, 1983, S. 164 Rz. 308: Wiederholung "jederzeit und voraussetzungslos" zulässig).

3.2.3 Der Beschwerdeführer hat die Revision verlangt, weil er bestimmte neue Tatsachen bzw. Beweismittel aus entschuldbaren Gründen nicht mehr vor der Entscheidfällung am 11. August 2011 (nach Art. 278 Abs. 3 zweiter Satz SchKG) in das Beschwerdeverfahren gegen die Arresteinsprache habe einbringen können. Damit übergeht er, dass alle - aus irgendwelchen Gründen - bis anhin nicht vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel nach Abweisung der Beschwerde gegen die Arresteinsprache bzw. Aufhebung des Arrestbefehls in einem neuen Arrestbegehren vorgebracht werden können. Das gilt für die Tatsachen und Beweismittel, die bereits im
BGE 138 III 382 S. 386
Zeitpunkt der Entscheidfällung existierten oder erst in der Folge entstanden sind. Um die Aufhebung des Arrestbefehls allenfalls zu korrigieren, bedarf es des "Notrechtsmittels" der Revision nicht. Wenn das Obergericht auf das Revisionsbegehren des Beschwerdeführers dennoch eingetreten ist, hat es übergangen, dass das Urteil vom 11. August 2011 einen Entscheid darstellt, welcher der Revision nicht zugänglich ist. Fehlt es an einem revisionsfähigen Entscheid im Sinne von Art. 328 ZPO , ist über die Erheblichkeit der nachträglich entdeckten Tatsachen und Beweismittel (Abs. 1 lit. a) nicht zu befinden.

3.3 Nach dem Dargelegten stellt im Ergebnis keine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten dar, wenn dem Revisionsbegehren des Beschwerdeführers vor dem Obergericht kein Erfolg beschieden war. Es erübrigt sich, die Vorbringen des Beschwerdeführers weiter zu erörtern.

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden