Urteilskopf
140 V 290
39. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Aargau und B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_701/2013 vom 12. Juni 2014
Regeste
Art. 6, 7 und 8 ATSG
;
Art. 4 IVG
;
Art. 8 ZGB
; Migräne.
Offengelassen, ob eine Migräne zu den objektivierbaren Krankheitsbildern zu zählen ist (E. 3.3.1).
Bei objektivierbaren wie auch bei unklaren Beschwerdebildern setzt eine Anspruchsberechtigung gleichermassen eine nachvollziehbare ärztliche Beurteilung der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus. Abklärungs- und Beweisschwierigkeiten können die Berücksichtigung von - allenfalls durch fremdanamnestische Angaben zu erhebende - Lebensbereichen wie Freizeitverhalten oder familiäres Engagement erfordern.
Bleiben die Auswirkungen eines objektivierbaren oder eines nicht (bildgebend) fassbaren Leidens auf die Arbeitsfähigkeit trotz sorgfältiger und umfassender Abklärungen vage und unbestimmt und können die Einschränkungen nicht anders als mit den subjektiven Angaben der versicherten Person begründet werden, ist der Beweis für die Anspruchsgrundlage nicht geleistet und nicht zu erbringen. Die entsprechende Beweislosigkeit wirkt sich zu Lasten der versicherten Person aus (E. 4.2).
A.a
A., geboren 1967, war ab 2. April 2001 zunächst temporär, seit 1. Juli 2001 festangestellt als Halbleiteroperatorin bei der B. Switzerland, tätig. Wegen krankheitsbedingter Absenzen kündigte die Arbeitgeberfirma den Arbeitsvertrag auf den 30. Juni 2004. Am 3. Mai 2005 meldete sich A. unter Hinweis auf chronische Nacken- und Schulterschmerzen, schwere Migräne und einen mittelgradig depressiven Zustand bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufsberatung, Umschulung auf eine neue Tätigkeit, Arbeitsvermittlung) an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend: IV-Stelle) führte erwerbliche Abklärungen durch und holte medizinische Berichte ein, so des behandelnden Dr. med. D., Allgemeine Medizin FMH, vom 6. Juli 2005 (dem weitere Unterlagen
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beigefügt waren), des Dr. med. E., FMH Physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 7. September 2005, sowie der F. AG (eingegangen bei der IV-Stelle am 23. März 2006), und wies das Leistungsbegehren nach Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 17. Mai 2006 mit Verfügung vom 18. Mai 2006 ab.
Nachdem A. hiegegen Einsprache hatte erheben lassen, holte die IV-Stelle einen weiteren Bericht der F. AG vom 11. Dezember 2006 ein. Auf Anraten des RAD-Arztes Dr. med. G. vom 15. Januar 2007 veranlasste sie ein Gutachten beim Institut H., welches am 15. November 2007 erstattet wurde. Ab 1. März 2007 (bis 28. Februar 2008) nahm A. an einem Beschäftigungsprogramm in der Stiftung I. teil. Am 8. Januar 2008 forderte die IV-Stelle A. auf, sich in Nachachtung ihrer Schadenminderungspflicht einer fortgesetzten intensiven fachärztlich-psychiatrischen Behandlung inklusive einer angemessenen und kontrollierten Medikation in ausreichender Dosis zu unterziehen, womit sich A. am 28. Januar 2008 einverstanden erklärte. Am 4. Februar 2008 hiess die IV-Stelle die Einsprache gut und stellte in Aussicht, nach Inkrafttreten des Einspracheentscheides die Zusprechung einer Viertelsrente ab 1. Mai 2004 zu verfügen. Gegen den Einspracheentscheid liess A. am 10. März 2008 Beschwerde erheben.
Am 8. Mai 2009 liess A. eine gesundheitliche Verschlechterung geltend machen und die Zusprechung einer ganzen Rente ab Mai 2009 beantragen.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hob in teilweiser Gutheissung der Beschwerde vom 10. März 2008 den Einspracheentscheid vom 4. Februar 2008 auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 8. September 2009).
A.b
Am 9. November und 2. Dezember 2009 liess A. zahlreiche medizinische Dokumente, darunter einen Auszug ihrer von Dr. med. E. aufgezeichneten Krankengeschichte (betreffend den Zeitraum 14. November 2005 bis 8. Dezember 2008), Listen ihrer Arztkonsultationen zwischen 2005 und 2009 sowie der zwischen Januar 2007 und Januar 2008 und zwischen Februar 2008 bis November 2009 bezogenen Medikamente ins Recht legen. Am 17. November 2010 teilte Dr. med. D. der IV-Stelle mit, er verfasse keinen neuen Arztbericht. Ein neuerlicher Bericht der F. AG erfolgte am 20. Mai 2011. Auf Anraten des RAD vom 12. Juli 2011 holte die IV-Stelle weitere ärztliche und berufliche Informationen ein und veranlasste, entsprechend einer Stellungnahme des RAD vom 21. Dezember 2011, eine
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polydisziplinäre Begutachtung in der medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS; Gutachten vom 30. April 2012). Hiezu nahm der RAD am 21. Mai 2012 erneut Stellung. Mit Vorbescheid vom 5. September 2012 teilte die IV-Stelle A. mit, sie beabsichtige, das Leistungsbegehren abzuweisen. Nachdem A. hiegegen Einwände hatte erheben lassen und der Rechtsdienst der IV-Stelle hiezu am 25. Oktober 2012 Stellung genommen hatte, verfügte die IV-Stelle am 29. Oktober 2012 entsprechend dem Vorbescheid.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A. wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 14. August 2013 ab.
C.
A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Zusprechung einer Dreiviertelsrente rückwirkend ab 1. Mai 2005 beantragen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene B. Pensionskasse stellt keinen Antrag. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Am 11. November 2013 lässt A. einen medizinischen Artikel ins Recht legen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch der Beschwerdeführerin.
2.1
Die Vorinstanz erwog, Kopfschmerzen und im Besonderen Migränen liessen sich nicht objektivieren. Die entsprechende Diagnose beruhe auf dem (subjektiven) Beschwerdevortrag der Versicherten, woran auch die Stellungnahme des Dr. med. J., Spezialarzt FMH für Neurologie, vom 20. November 2012 (wonach eine Migräne unter experimentellen Bedingungen objektiviert werden könne) nichts zu ändern vermöge. Werde, wie im Fall der Beschwerdeführerin, eine funktionelle Komponente vermutet, sei eine gutachterliche Objektivierung aber zwingend erforderlich. Insgesamt sei es gerechtfertigt, die Rechtsprechung zur somatoformen Schmerzstörung und vergleichbaren Leiden anzuwenden. Die für eine ausnahmsweise Nichtüberwindbarkeit solcher Leiden erforderlichen
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Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weshalb von einer vollen Arbeits- und Erwerbsfähigkeit auszugehen sei.
2.2
Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen, das kantonale Gericht habe zu Unrecht die Migräneproblematik anhand der Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen beurteilt. Eine Migräne habe nach anerkannten medizinischen Erkenntnissen eine organische Ursache und sei kein pathogenetisch-ätiologisch unklares Krankheitsbild. Die Vorinstanz habe sich mit den entsprechenden medizinischen Fakten sowie mit den Ausführungen des Dr. med. J. nicht auseinandergesetzt und auch nicht begründet, weshalb hierauf nicht abgestellt werden könne. Die medizinischen Akten zeigten, dass sie an häufigen und heftigen Migräne-Attacken leide und die Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft habe. Auch negative Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit seien dokumentiert. Gestützt auf das beweiskräftige MEDAS-Gutachten vom 30. April 2012 bestehe sowohl in der angestammten wie in einer adaptierten Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit von 60 %. Aus dem Einkommensvergleich resultiere ein Invaliditätsgrad von 60 % und damit Anspruch auf eine Dreiviertelsrente ab 1. Mai 2005. Selbst wenn die sogenannten Foerster-Kriterien angewendet würden, führte dies zu keinem anderen Ergebnis.
3.1
Die Versicherte klagt seit vielen Jahren über eine schwere Kopfschmerzproblematik. Sie liess sich deswegen bei zahlreichen Ärzten behandeln, wiederholt auch notfallmässig, und bezog eine eindrückliche Menge an Medikamenten. Das kantonale Gericht war in seinem ersten die Beschwerdeführerin betreffenden Entscheid vom 8. September 2009 zum Schluss gelangt, die im Herbst 2007 erfolgte (neurologische) Begutachtung beim Institut H. habe keine nachvollziehbaren Ergebnisse geliefert, weil sich der Gutachter ausschliesslich auf anamnestische Angaben der Versicherten gestützt habe; zudem überzeugten die hausärztlichen Angaben zum Beginn des Leidens nicht. Die in der Folge eingeholten zusätzlichen Auskünfte erlaubten nach Einschätzung des RAD (noch immer) keine verlässliche Beurteilung, weshalb die IV-Stelle eine erneute Begutachtung (vom 30. April 2012) in Auftrag gab.
Dr. med. K., Chefarzt Neurologie im Spital L., welcher die Versicherte am 24. März 2012 untersucht und das neurologische MEDAS-Teilgutachten vom 2. April 2012 verfasst hatte, hielt fest,
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die Beschwerdeführerin habe drei verschiedene, seit 1995 in der Art unverändert gebliebene Kopfschmerzen beschrieben. Zwei davon liessen sich klassifizieren, nämlich als chronische, tägliche Spannungskopfschmerzen (welche die Versicherte gemäss eigenen Angaben nicht limitierten) sowie als Migräne ohne Aura (die an etwa sechs Tagen pro Monat auftrete). Die geschilderten intensiven punktförmigen Schmerzen in Gesicht und Nacken, an denen die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben während 12 Tagen pro Monat leide, seien nicht "unilateral" einem klassischen Kopfschmerztyp zuzuordnen. Zudem bestehe ein Medikamentenabusus mit pro Monat durchschnittlich 40 Analgetikatabletten und 16 Tabletten oder subkutanen Injektionen von Triptanen. Die Kopfschmerzen würden dadurch mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit unterhalten und/oder verstärkt. Die Chance, mit einer Änderung der akuten oder prophylaktischen Therapie eine signifikante Abnahme der Frequenz und Intensität der Kopfschmerzen zu erreichen, sei praktisch Null. Hingegen wäre ein Analgetika-/Triptane-Entzug unter Steroidtherapie zu versuchen, welcher gemäss der einschlägigen Literatur bei der Mehrheit der Patienten mit Medikamentenabusus eine signifikante Abnahme der Frequenz und Intensität der Kopfschmerzen bewirke. Nach derzeitigen medizinischen Kenntnissen gebe es keine klinischen oder labormässigen Möglichkeiten zur Quantifizierung und Objektivierung der Kopfschmerzen in Bezug auf Intensität und Frequenz. Die Beurteilung beruhe daher nur auf den subjektiven Angaben der Versicherten, wonach sie durchschnittlich an 18 Tagen pro Monat an Kopfschmerzen leide. Aus neurologischer Sicht betrage die Arbeitsunfähigkeit somit in der angestammten wie auch in einer angepassten Tätigkeit 60 %.
3.2
Mit Blick auf die von zahlreichen Fachärzten zweifelsfrei erhobene Diagnose einer Migräne ist von einem entsprechenden Befund auszugehen. Allerdings fällt auf, dass die in den häufigen Notfallbehandlungen erfolgten medikamentösen Interventionen jeweils innert kurzer Zeit einen markanten Rückgang der Beschwerden bis hin zur Beschwerdelosigkeit der Versicherten bewirkten und vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht ohne weiteres einleuchtet, weshalb nach Einschätzung des Gutachters K. eine Änderung der akuten oder prophylaktischen Therapie zum Vornherein keine (deutliche) Abnahme von Intensität und Frequenz der Kopfschmerzen erwarten liesse. Wie es sich damit verhält, ist indes aus nachfolgend dargelegten Gründen nicht entscheidwesentlich.
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3.3.1
Der Nachweis der Invalidität im Rechtssinn setzt eine gesundheitlich bedingte, erhebliche und evidente, dauerhafte sowie objektivierbare Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus (
BGE 139 V 547
E. 9.4 S. 568). Ob eine Migräne zu den Krankheitsbildern zählt, die mit etablierten Methoden objektiviert werden können, scheint in der medizinischen Fachwelt nicht eindeutig beantwortet zu werden. Während Dr. med. K. diese Frage verneinte, vertreten Dr. med. J. und die Autoren der von der Versicherten ins Recht gelegten (Internet-)Publikationen den gegenteiligen Standpunkt. Wie es sich damit verhält, braucht indes hier nicht abschliessend geklärt zu werden.
Grundsätzlich können sowohl objektivierbare wie auch medizinisch nicht oder nicht klar fassbare Beschwerdebilder die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen und somit einen Rentenanspruch begründen. Entweder müssen die subjektiven Beschwerdeangaben durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig feststellbare Befunde hinreichend erklärbar sein oder es ist bei unklaren Beschwerdebildern in Anwendung der sogenannten Foerster-Kriterien zu prüfen, ob das Leiden grundsätzlich invalidisierend sein kann (vgl.
BGE 130 V 352
E. 2.2.3 S. 353 ff.). Sowohl bei Leiden, deren Ursache bekannt oder (bildgebend) zu objektivieren ist, als auch bei Beschwerden mit unklarer Ätiologie und Kausalität vermögen die subjektiven Angaben der versicherten Person eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit jedenfalls nicht ohne Weiteres rechtsgenüglich nachzuweisen, sondern es hat stets eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung der geltend gemachten Funktionseinschränkungen zu erfolgen. Andernfalls wäre eine rechtsgleiche Beurteilung der Rentenansprüche nicht mehr gewährleistet (ULRICH MEYER, Somatoforme Schmerzstörung - ein Blick zurück auf eine Dekade der Entwicklung, Sozialversicherungsrechtstagung 2010, S. 9 ff.; auch: Ausgewählte Schriften, Thomas Gächter [Hrsg.], 2013, S. 275). Darüber hinaus hätten es die Versicherten - deren Anmeldung bei der Invalidenversicherung ja gerade bezweckt, eine Versicherungsleistung zu erhalten (vgl. ULRICH MEYER, Die psychiatrische Begutachtung als Angelpunkt der juristischen Beurteilung: Entwicklungen und Perspektiven, Referat anlässlich der 1. Internationalen Basler Tagung für Versicherungsrecht und Versicherungspsychiatrie, 20./21. Januar 2012, Ausgewählte Schriften, a.a.O., S. 312) - weitgehend in der Hand, über ihre Anspruchsberechtigung zu entscheiden, was nicht angeht.
BGE 140 V 290 S. 297
3.3.2
Unabhängig davon, ob es sich um eine nachweisliche organische Pathologie oder um ein unklares Beschwerdebild handelt, setzt eine Anspruchsberechtigung daher stets eine nachvollziehbare ärztliche Beurteilung der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus. Dabei können - insbesondere unklaren Beschwerdebildern inhärente - Abklärungs- und Beweisschwierigkeiten die Berücksichtigung weiterer Lebens- und Aktivitätsbereiche wie etwa Freizeitverhalten oder familiäres Engagement erfordern, um das Ausmass der Einschränkungen zu plausibilisieren (vgl.
BGE 139 V 547
E. 9.1.3 S. 566), wobei auch fremdanamnestische Angaben zu berücksichtigen sind. Ohne Einbezug solcher Indizien, wie sie im Rahmen der festen Praxis zu den organisch nicht nachweisbaren unklaren Beschwerdebildern (
BGE 130 V 352
) bei der Prüfung eines sozialen Rückzuges regelmässig zu berücksichtigen sind, ist eine ärztliche Arbeitsfähigkeitsbeurteilung nicht beweiskräftig. Bei medizinisch unklaren Beschwerdebildern nimmt die Plausibilitätsprüfung naturgemäss einen besonderen Stellenwert ein, was in der medizinischen Literatur speziell für Kopfschmerzen ausdrücklich hervorgehoben wird (vgl. STEFAN EVERS UND ANDERE, Die Begutachtung von idiopathischen und symptomatischen Kopfschmerzen, Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Nervenheilkunde 4/2010 S. 230).
4.1
Nach der allgemeinen Beweisregel (
Art. 8 ZGB
) obliegt es bei erstmaliger Rentenprüfung der versicherten Person, die invalidisierenden Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, verfügt sie über keinen Leistungsanspruch. Mit anderen Worten wird bei Beweislosigkeit vermutet, dass sich der geklagte Gesundheitsschaden nicht invalidisierend auswirkt (
BGE 139 V 547
E. 8.1 S. 563). Wie dargelegt (E. 3.3.2 hievor) kommt den medizinischen Experten eine entscheidende Rolle zu. Diese haben im Einzelnen zu begründen und mittels ihrer Feststellungen und Einschätzungen zu Leidensdruck, psychischen Ressourcen oder funktionellen Defiziten darzulegen, in welchem Ausmass die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, oder aber festzuhalten, dass die Beantwortung dieser Frage - trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten fachgerechter Exploration - nicht oder nicht sicher genug möglich ist (vgl. ULRICH MEYER, Die psychiatrische Begutachtung als Angelpunkt der juristischen Beurteilung: Entwicklung und Perspektiven, in: Berufliche Vorsorge, Stellwerk der Sozialen Sicherheit,
BGE 140 V 290 S. 298
Gächter/Mosimann [Hrsg.], 2013, S. 136). Bleiben die Auswirkungen eines objektivierbaren wie auch eines nicht (bildgebend) fassbaren Leidens auf die Arbeitsfähigkeit trotz in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes sorgfältig durchgeführter Abklärungen vage und unbestimmt, ist der Beweis für die Anspruchsgrundlage nicht geleistet und nicht zu erbringen (vgl. ULRICH MEYER, Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht, Ausgewählte Schriften, a.a.O., S. 259).
4.2
So verhält es sich hier: In seiner neurologischen Begutachtung stützte sich Dr. med. K., wie bereits die Gutachter des Instituts H. in ihrer Expertise vom 15. November 2007, ausschliesslich auf die von der Versicherten selbst angegebene Häufigkeit der Kopfschmerzen (von durchschnittlich 18 Tagen pro Monat). Zur Begründung führte Dr. med. K. - wie dargelegt (vorangehende E. 3.1) - an, der Stand der medizinischen Wissenschaft kenne derzeit keine klinischen oder labormässigen Objektivierungsmöglichkeiten. Damit bleibt es dabei, dass auch nach der zweiten Begutachtung vom Frühjahr 2012 die Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen der Versicherten nicht plausibilisiert werden konnten und insoweit seit dem ersten die Versicherte betreffenden Entscheid der Vorinstanz vom 8. September 2009 keinerlei rechtserhebliche neue Erkenntnisse zu verzeichnen waren. Trotz aussergewöhnlich langwieriger Abklärungen (seit der Anmeldung der Versicherten sind rund neun Jahre verstrichen) war es den zahlreichen mit der Versicherten befasst gewesenen Ärzten offensichtlich nicht möglich, die Auswirkungen der Kopfschmerzproblematik anamnestisch plausibel zu erfassen und insbesondere deren Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit überzeugend darzulegen. Namentlich vermochte Dr. med. K. trotz klarer Vorgaben im vorinstanzlichen Entscheid vom 8. September 2009 die Arbeitsunfähigkeit nicht anders zu begründen als allein mit den subjektiven Angaben des Versicherten. Dies reicht für einen rechtsgenüglichen Nachweis der erwerblichen Auswirkungen eines Gesundheitsschadens auch deshalb nicht aus, weil die Ärzte, und speziell Dr. med. K., eine funktionelle Komponente vermuteten und Dr. med. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, im MEDAS-Teilgutachten vom 23. März 2012 darüber hinaus auf Anzeichen für eine Symptomausweitung, eine Selbstlimitierung sowie eine "final ausgerichtete" Entschädigungshaltung hinwies. Vor diesem Hintergrund wäre die erforderliche Plausibilität nur herzustellen gewesen, wenn die Gutachter schmerzbedingte
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Funktionsbeeinträchtigungen hätten erfassen und den Beschwerdeschilderungen sowie den in der Anamnese erhobenen Aktivitäten des täglichen Lebens gegenüberstellen können. Weder die Angaben der Versicherten (welche auf ein recht aktives Leben schliessen lassen) noch die Befunde anlässlich der Exploration ermöglichten eine solche Plausibilisierung. Damit wird eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Versicherten keineswegs in Abrede gestellt. Indes konnten deren Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trotz umfangreicher und langwieriger Abklärungen nicht hinreichend erstellt werden. Die diesbezügliche Beweislosigkeit wirkt sich zu ihren Lasten aus (
Art. 8 ZGB
).
4.3
Im Ergebnis bleibt es somit bei der vorinstanzlichen Verneinung des Rentenanspruchs. Die Beschwerde ist abzuweisen.