Urteilskopf
144 IV 321
39. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_714/2018 vom 14. August 2018
Regeste
Art. 65 Abs. 2 StGB
;
Art. 410 ff. StPO
; nachträgliche Verwahrung, neues Gutachten.
Art. 65 Abs. 2 StGB
verweist für die Zuständigkeit und das Verfahren bei der nachträglichen Anordnung einer Verwahrung nach dem Inkrafttreten der StPO am 1. Januar 2011 auf die
Art. 410 ff. StPO
. Das Revisionsverfahren ist nach den Regeln der StPO durchzuführen (E. 1.3 und 1.5; Klarstellung der Rechtsprechung).
Der Entscheid des Berufungsgerichts über das Vorliegen von Revisionsgründen unter gleichzeitiger Rückweisung der Sache an die von ihm bezeichnete Behörde zur neuen Behandlung und Beurteilung gemäss
Art. 413 Abs. 2 lit. a StPO
ist ein Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 BGG
(E. 2.3).
Die nachträgliche Verwahrung in Durchbrechung der Rechtskraft des Strafurteils kann gestützt auf ein neues Gutachten nur sehr restriktiv angeordnet werden. Die Revision kommt ausschliesslich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln in Betracht, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bestanden haben, ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte (E. 3.1).
Bildete die Anordnung der Verwahrung bereits Gegenstand des ursprünglichen Strafverfahrens, kann ein neues Gutachten, welches lediglich von den Einschätzungen und Schlussfolgerungen des früheren Gutachtens abweicht, in aller Regel keinen Revisionsgrund begründen (E. 3.2).
A.a
Am 19. März 2007 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich X. wegen mehrfachen versuchten Mordes und weiterer Straftaten zu 12 Jahren Freiheitsstrafe (unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft und des vorzeitigen Strafvollzugs) sowie zu Fr. 500.- Busse. Dem Schuldspruch lag im Wesentlichen zugrunde, dass X. am 3. September 2005 mit seinem Sturmgewehr
BGE 144 IV 321 S. 323
zahlreiche Schüsse aus seinem Zimmer durch die Fenster der gegenüberliegenden Liegenschaft abgegeben hatte. Er verletzte eine Person durch Projektilsplitter lebensgefährlich und eine weitere Person nicht lebensgefährlich.
Das Obergericht hatte eine Verwahrung gemäss aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten von Dr. med. A. vom 21. Juni 2006 geprüft und war dabei zum Schluss gekommen, X. wohne eine gewisse Gefährlichkeit inne. Es könne aber nicht gesagt werden, dass es sich bei ihm um einen hochgefährlichen Täter handle, der keiner Behandlung zugänglich sei. Auch wenn letztlich ein deutlich erhöhtes Rückfallrisiko anzunehmen sei, rechtfertige sich seine Verwahrung als Ersttäter nicht.
A.b
Das Bundesgericht wies die von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde in Strafsachen ab, mit welcher diese eventualiter die Verwahrung (oder eine ambulante Massnahme) beantragt hatte (Urteil 6B_347/2007 vom 29. November 2007, publ. in:
BGE 134 IV 121
).
Es erwog, der revidierte Allgemeine Teil des StGB sei am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmung sehe die rückwirkende Anwendung des neuen Massnahmenrechts für verurteilte wie für noch nicht beurteilte Täter vor. Die nachträgliche Anordnung der Verwahrung nach
Art. 65 Abs. 2 StGB
sei aber gemäss Ziff. 2 Abs. 1 lit. a der Schlussbestimmung nur zulässig, wenn die Verwahrung auch gemäss aArt. 42 oder 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB möglich gewesen wäre (
BGE 134 IV 121
E. 3.1 S. 124). Das Rückwirkungsverbot erlange für die Verwahrung Gültigkeit (
BGE 134 IV 121
E. 3.3.3 S. 129). Das (anzuwendende) neue Recht erweise sich aber weder hinsichtlich der Anordnung noch der Entlassung als strenger als das alte Recht. Damit stehe Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen nicht im Widerspruch zu
Art. 7 Abs. 1 EMRK
und
Art. 15 Abs. 1 UNO-Pakt II
. Der Verzicht auf die Verwahrung sei indes auch gemäss
Art. 64 StGB
nicht zu beanstanden (
BGE 134 IV 121
E. 3.4.4 S. 131).
B.
Am 13. Dezember 2017 ersuchte die Staatsanwaltschaft IV beim Obergericht um nachträgliche Anordnung der Verwahrung nach
Art. 65 Abs. 2 StGB
und beantragte die Anordnung von Sicherheitshaft (
Art. 388 lit. b StPO
) bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Entscheids (Ende des Strafvollzugs am 17. Dezember 2017).
BGE 144 IV 321 S. 324
Das Obergericht wies den Antrag auf Sicherheitshaft mit Präsidialverfügung am 15. Dezember 2017 ab.
Das Bundesgericht hob auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft die Präsidialverfügung auf und wies die Sache zur Anordnung von Sicherheitshaft zurück (Urteil 1B_548/2017 vom 29. Januar 2018 E. 3.1). Mit Präsidialverfügung vom 30. Januar 2018 wurde X. in Sicherheitshaft versetzt. Er wurde am 1. Februar 2018 inhaftiert.
Am 6. Juni 2018 hiess das Obergericht des Kantons Zürich das Gesuch um nachträgliche Anordnung der Verwahrung vom 13. Dezember 2017 gut, hob das Strafurteil vom 19. März 2007 auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur neuen Behandlung und Beurteilung an das Bezirksgericht Hinwil.
C.
X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Eingabe als Beschwerde in Strafsachen entgegenzunehmen (Ziff. 1), den vorinstanzlichen Beschluss aufzuheben, das Gesuch um nachträgliche Verwahrung (Revision) abzuweisen, eventualiter die Sache zur Vervollständigung der Sachverhaltsabklärung und weiteren Beweiserhebung zurückzuweisen und die Vorinstanz anzuweisen, die Sache gestützt auf das Revisionsrecht nach
Art. 410 ff. StPO
zu behandeln, ihn per sofort aus der Sicherheitshaft zu entlassen, ihm pro Hafttag seit dem 1. Februar 2018 bis zum Entscheiddatum eine Genugtuung von Fr. 300.- (zzgl. Zins) zuzusprechen sowie eventualiter ihm die unentgeltliche Rechtspflege (und Verbeiständung) zu bewilligen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 6. Juni 2018 hebt es auf und die Sache weist es zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Aus den Erwägungen:
1.1
Der Beschwerdeführer beantragt, das eingereichte Rechtsmittel als Beschwerde in Strafsachen entgegenzunehmen, eventualiter als altrechtliche eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und subeventualiter als subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde (Ziff. 1; oben Bst. C). Aus anwaltlicher Vorsicht werde eine altrechtliche kantonale Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag auf Sistierung bis zum bundesgerichtlichen Entscheid. Nach dem Zustellungsschreiben des Obergerichts an das Bundesgericht vom 18. Juli
BGE 144 IV 321 S. 325
2018 ist bei der I. Strafkammer des Obergerichts eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hängig. Das Vorgehen ist durch die vorinstanzlichen Erwägungen bedingt.
1.2
Die Vorinstanz nimmt an,
Art. 65 Abs. 2 StGB
sei anwendbar. Sie bezieht sich dazu auf
BGE 134 IV 121
(oben Bst. A.b). Gemäss
Art. 453 Abs. 1 StPO
sei übergangsrechtlich für die Anwendbarkeit des alten oder neuen Prozessrechts das erstinstanzliche Entscheiddatum ausschlaggebend (
BGE 137 IV 219
E. 1.1 S. 221). Daher müsse die aStPO/ZH und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG/ZH) zur Anwendung gelangen.
Die Vorinstanz prüft die Sachfrage im Bewilligungsverfahren gestützt auf das als neues Beweismittel eingereichte psychiatrische Gutachten von Dr. med. B. vom 4. Mai 2015. Die darin belegten neuen Tatsachen seien geeignet, eine Verwahrung zu begründen. Sie habe die Sach- und Beweislage nicht abschliessend zu klären.
Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, da die Revisionsgründe gemäss
Art. 65 Abs. 2 StGB
gegeben seien, sei das Revisionsgesuch gutzuheissen. Für die Revision zu Ungunsten des Betroffenen sehe § 448 aStPO/ZH eine Rückweisung an die Staatsanwaltschaft vor. Davon sei abzusehen und
Art. 413 Abs. 2 StPO
anzuwenden (Urteil 6B_41/2012 vom 28. Juni 2012 E. 1.1). Die Aktenlage erlaube keinen sofortigen Entscheid. Es werde noch eingehender abzuklären sein, ob und inwieweit die Voraussetzungen für eine Verwahrung erfüllt seien. Das Sachurteil sei von der I. Strafkammer des Obergerichts mit geschworenengerichtlicher Kompetenz und als erste Instanz gefällt worden. Diese Behörde sei mit Inkrafttreten der StPO abgeschafft worden. Daher sei die Sache gemäss
Art. 31 ff. StPO
an das örtlich zuständige Bezirksgericht zurückzuweisen.
1.3
Art. 65 Abs. 2 StGB
normiert einen bundesrechtlichen Revisionsgrund und verweist für die Zuständigkeit und das Verfahren auf die Regeln, die für die Wiederaufnahme gelten, und damit im Zeitpunkt der Inkraftsetzung auf das damalige kantonale Verfahrensrecht.
Die StPO trat am 1. Januar 2011 in Kraft und war mithin bei Erlass von
Art. 65 Abs. 2 StGB
nicht in Kraft.
Art. 65 Abs. 2 StGB
wurde auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt (AS 2006 3544) und ist inzwischen nicht an die StPO angepasst worden; es werden weder die Revision im Sinne von
Art. 410 ff. StPO
noch die
Art. 363-365 StPO
in
Art. 65 Abs. 2 StGB
genannt (Urteil 1B_548/2017 vom
BGE 144 IV 321 S. 326
29. Januar 2018 E. 1.1).
Art. 65 Abs. 2 StGB
verweist nicht auf
Art. 385 StGB
, der die Kantone verpflichtet, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten. Die StPO gestattet die Revision in melius vel peius (
Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO
; Urteil 6B_41/2012 vom 28. Juni 2012 E. 1.1).
Die
Botschaft
vom 29. Juni 2005 zur Änderung des Strafgesetzbuches [...] (BBl 2005 4689) bezeichnet die nachträgliche Verwahrungnach dem Wortlaut von
Art. 65 Abs. 2 StGB
als "Revision zu Ungunsten des Verurteilten" und betrachtet sie unter zwei Voraussetzungen als zulässig: Es sei erstens eine gesetzliche Grundlage notwendig, welche die nachträgliche Anordnung einer härteren Sanktion ausdrücklich vorsehe; und zweitens bedürfe es neuer Tatsachen und Beweismittel, die belegen, dass die Voraussetzungen für die härtere Sanktion schon im Zeitpunkt des ersten Urteils bestanden haben, ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte (Botschaft, a.a.O., S. 4714 zu Ziff. 2.2.3.1).
Art. 65 Abs. 2 StGB
bildet nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers die notwendige Grundlage für die nachträgliche Verwahrung.
Verfahrensrechtlich verweist Art. 65 Abs. 2 letzter Satz StGB auf die Regeln, die für die Wiederaufnahme gelten und damit für die Zeit bis zum 31. Dezember 2010 auf die Revisionsbestimmungen in den kantonalen Prozessordnungen und für die Zeit nach Inkrafttreten der StPO in zeitgemässer Auslegung nach der ratio legis und dem heutigen Stand der Gesetzgebung hinsichtlich Zuständigkeit und Verfahren auf die Regeln von
Art. 410 ff. StPO
(Urteil 6B_896/2014 vom 16. Dezember 2015 E. 4.6, in: Pra 2016 Nr. 34 S. 302 sowie Urteil 6B_597/2012 vom 28. Mai 2013 E. 2.3.3; zu letzterem Urteil der Revisionsentscheid 6F_8/2018 vom 22. Mai 2018 zum Urteil der Dritten Kammer des EGMR
Kadusic contre Suisse
vom 9. Januar 2018, Nr. 43977/13).
1.4
Die Vorinstanz stützt sich übergangsrechtlich auf
Art. 453 Abs. 1 StPO
(oben E. 1.2). Nach dieser Bestimmung werden die Rechtsmittel bei Entscheiden, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden waren, nach dem bisherigen Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt. Die Revision ist ein Rechtsmittel im Sinne dieser Bestimmung, was Probleme stellt, wenn eine Behörde nach Jahren nicht mehr existiert (Urteil 6B_41/2012 vom 28. Juni 2012 E. 1.1).
BGE 144 IV 321 S. 327
Das zu beurteilende Revisionsverfahren wurde am 13. Dezember 2017 eingeleitet (oben Bst. B). Es handelt sich mithin nicht um ein Rechtsmittelverfahren im Sinne von
Art. 453 StPO
. Gemäss
Art. 451 StPO
werden selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts nach Inkrafttreten dieses Gesetzes von der Strafbehörde gefällt, die nach diesem Gesetz für das erstinstanzliche Urteil zuständig gewesen wäre. Die Bestimmung regelt die Zuständigkeit für das Hauptverfahren im Sinne von
Art. 414 Abs. 2 StPO
, während für das Bewilligungsverfahren das Berufungsgericht zuständig ist (
Art. 411 Abs. 1 und
Art. 412 Abs. 1 StPO
).
Im Urteil 1B_548/2017 vom 29. Januar 2018 E. 3.1 wies die I. öffentlich-rechtliche Abteilung im Rahmen dieses Revisionsverfahrens (oben Bst. B) darauf hin, das Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Massnahmenentscheiden (insb. Art. 64 i.V.m.
Art. 65 StGB
) richte sich nach der StPO.
1.5
Zusammenfassend ergibt sich:
Art. 65 Abs. 2 StGB
ist auch auf Täter anwendbar, die vor dem Inkrafttreten der Revision am 1. Januar 2007 eine Straftat begangen haben oder verurteilt wurden (STEFAN HEIMGARTNER, in: StGB, JStG, Kommentar, 20. Aufl. 2018, N. 2 zu
Art. 65 StGB
). Die nachträgliche Verwahrung war bereits nach dem früheren Recht zulässig (
BGE 123 IV 100
E. 3b S. 105 und E. 3c S. 106).
Art. 65 Abs. 2 StGB
bildet die bundesrechtliche Grundlage für die Anordnung der nachträglichen Verwahrung.
Art. 65 Abs. 2 StGB
verweist für die gerichtliche Zuständigkeit und das Verfahren nach dem Inkrafttreten der StPO am 1. Januar 2011 auf die
Art. 410 ff. StPO
. Das Revisionsverfahren ist nach den Regeln der StPO durchzuführen.
1.6
Die Vorinstanz führt das Bewilligungsverfahren unter ergänzender Heranziehung der StPO und im Übrigen gestützt auf das frühere kantonale Recht durch (oben E. 1.2), welches sich ebenfalls in zwei Phasen gliedert (Urteil 6B_947/2017 vom 14. Februar 2018 E. 1.1 und 1.3; zu
Art. 65 Abs. 2 StGB
Urteil 6B_1186/2017 vom 22. Dezember 2017 E. 1.1). Die Vorinstanz bejaht einen Revisionsgrund, sieht aber die Aktenlage nicht als liquid und weist die Sache an das Bezirksgericht (
Art. 414 Abs. 2 StPO
). Eine Rückweisung an die Staatsanwaltschaft im Sinne von
Art. 414 Abs. 1 StPO
kam nicht in Betracht.
Dass die Vorinstanz das Verfahren im Rahmen des kantonalen Rechts durchführte, führt nicht bereits zur Gutheissung der Beschwerde, da
BGE 144 IV 321 S. 328
das kantonale Revisionsverfahren weitgehend dem Verfahren der StPO entspricht (Urteil 6B_947/2017 vom 14. Februar 2018 E. 1.1). Gemäss
Art. 412 Abs. 1 StPO
nimmt das Berufungsgericht in einem schriftlichen Verfahren (lediglich) eine vorläufige Prüfung des Revisionsgesuchs vor. Erachtet es die Revisionsgründe als gegeben, so weist es die Sache zur neuen Behandlung und Beurteilung zurück oder entscheidet selber, sofern es die Aktenlage erlaubt (
Art. 413 Abs. 2 lit. a und b StPO
). Unter dieser Voraussetzung ist die Sache weder zur Vervollständigung der Sachverhaltsabklärung und weiteren Beweiserhebung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Urteil 6B_596/2017 vom 5. Oktober 2017 E. 2) noch die Vorinstanz anzuweisen, die Sache gestützt auf das Revisionsrecht nach
Art. 410 ff. StPO
(neu) zu behandeln. Auf diesen Antrag (oben Bst. C) ist nicht einzutreten.
Diese bundesrechtlich konstituierte Rechtslage führt zu der weiteren Konsequenz, dass die altrechtliche kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an das (abgeschaffte) Kassationsgericht und damit heute an eine Abteilung des Obergerichts nicht mehr gegeben ist. Auf die Sistierungsfrage (oben E. 1.1) ist nicht einzutreten.
2.1
Das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht wird seit dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) am 1. Januar 2007 ausschliesslich durch das BGG geregelt. Im Bereich des Strafrechts ist die Beschwerde in Strafsachen gemäss
Art. 78 ff. BGG
das zulässige Rechtsmittel. Insoweit sind die altrechtliche eidgenössische Nichtigkeisbeschwerde wie die frühere staatsrechtliche Beschwerde (oben E. 1.1) von vornherein nicht mehr gegeben.
2.2
Die Beschwerde in Strafsachen ist gegen verfahrensabschliessende Endentscheide letzter kantonaler Instanzen (Art. 80 Abs. 1 i.V.m.
Art. 90 BGG
) und damit auch im Rahmen einer nachträglichen Verwahrung zulässig (vgl. Urteil 6B_404/2011 vom 2. März 2012 betreffend eine Revision im Sinne von
Art. 65 Abs. 2 StGB
, die im Kanton Zürich noch nach kantonalem Recht einschliesslich der kantonalen Rechtsmittel durchgeführt worden war; auf die diesbezügliche Beschwerde in Strafsachen gegen den Endentscheid des Obergerichts [und den Zwischenentscheid des Kassationsgerichts] trat das Bundesgericht ohne weiteres ein).
2.3
Der vorinstanzliche Beschluss schliesst das Verfahren nicht ab, sondern weist die Sache im Gegenteil an die Erstinstanz (Bezirksgericht)
BGE 144 IV 321 S. 329
zur Prüfung einer nachträglichen Verwahrung gemäss
Art. 414 Abs. 2 StPO
i.V.m.
Art. 65 Abs. 2 StGB
. Es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid.
Ein Zwischenentscheid ist gemäss
Art. 93 Abs. 1 BGG
mit Beschwerde in Strafsachen nur anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Der nicht wiedergutzumachende Nachteil gemäss
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
muss rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er sich auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt (
BGE 137 III 380
E. 1.2.1 S. 382;
BGE 141 IV 284
E. 2.2 S. 287). Dagegen reichen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht aus (
BGE 137 III 380
E. 1.2.1 S. 382;
BGE 133 IV 139
E. 4 S. 141). Letztinstanzliche kantonale Rückweisungsentscheide bewirken in der Regel keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
(
BGE 133 IV 139
E. 4 S. 141). Eine Ausnahme von dieser Regel sieht die Rechtsprechung vor, wenn eine Behörde durch einen Rückweisungsentscheid gezwungen würde, einer von ihr als falsch erachteten Weisung Folge zu leisten (Urteil 6B_845/2015 vom 1. Februar 2016 E. 1.2.2, nicht publ. in:
BGE 142 IV 70
). In casu wird das Bezirksgericht nicht angewiesen, die Verwahrung gemäss
Art. 65 Abs. 2 StGB
anzuordnen; die Vorinstanz weist die Sache (nur) "zur neuen Behandlung und Beurteilung zurück" (
Art. 413 Abs. 2 lit. a StPO
). Strafprozessuale Zwischenentscheide sind nur ausnahmsweise und restriktiv anfechtbar (
BGE 133 IV 288
E. 3.2 S. 292). Dies gilt ebenso im Rahmen von
Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
(vgl. Urteil 6B_594/2018 vom 14. Juni 2018 E. 2).
Sind die Voraussetzungen von
Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG
nicht gegeben, tritt das Bundesgericht auf Zwischenentscheide wie den vorliegenden revisionsrechtlichen Bewilligungsentscheid in konstanter Rechtsprechung nicht ein (Urteile 6B_52/2011 vom 9. März 2011 und 6B_1186/2017 vom 22. Dezember 2017).
3.
Das zu beurteilende Verfahren wirft augenscheinlich die Frage auf, ob der vorinstanzliche Bewilligungsbeschluss nicht in offensichtlicher Verkennung der bundesrechtlichen Revisionsvoraussetzungen im Sinne von
Art. 65 Abs. 2 StGB
ergangen ist.
3.1
Die Revision im Sinne von
Art. 65 Abs. 2 StGB
ist an vier Voraussetzungen geknüpft (dazu Urteil 6B_404/2011 vom 2. März 2012 E. 2.2 [dieser Bewilligungsentscheid und der entsprechende Sachentscheid Urteil 6B_896/2014 vom 16. Dezember 2015 sind vor dem EGMR angefochten und rechtshängig]; HEIMGARTNER, a.a.O., N. 8 zu
Art. 65 StGB
). Nach der Rechtsprechung kann die nachträgliche Verwahrung in Durchbrechung der Rechtskraft des Strafurteils gemäss
Art. 65 Abs. 2 StGB
gestützt auf ein neues Gutachten nur sehr restriktiv angeordnet werden (Urteil 6B_1192/2016 vom 9. November 2017 E. 4 mit Hinweisen, nicht publ. in:
BGE 143 IV 445
). Die Revision kommt ausschliesslich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln in Betracht, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bestanden haben, ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte. Es geht um Fakten, die für das Gericht objektiv unmöglich erkennbar waren (Urteil 6B_404/2011 vom 2. März 2012 E. 2.2.2 mit Hinweis auf
BGE 137 IV 59
E. 5.1.2 S. 66 f. sowie MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 40 zu
Art. 410 StPO
, und FELIX BOMMER, Nachträgliche Verwahrung als Revision zulasten des Verurteilten, Zur Revisibilität von Prognoseentscheidungen, in: Festschrift für Franz Riklin, 2007, S. 66). Die Revision im Sinne von
Art. 65 Abs. 2 StGB
kann bundesrechtlich normiert somit nur unter restriktiveren Bedingungen erfolgen, als dies bei der ordentlichen Revision nach den
Art. 410 ff. StPO
der Fall wäre (HEER, a.a.O.).
Wie BOMMER (a.a.O., S. 65) nachweist, setzt die Revision eine "Unerkennbarkeit" voraus. Dies ist nach dem Wortlaut des Gesetzes ("
ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte
") eindeutig, denn
Art. 65 Abs. 2 StGB
setzt damit voraus, dass dem Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen der Verwahrung nicht bekannt sein konnte. Wie der Autor ausführt, scheiden damit bereits sämtliche Fälle aus, in denen solche bekannt waren, vom Gericht aber nicht entsprechend gewürdigt worden sind, so bei der Ablehnung einer beantragten Verwahrung. Damit entfällt die Neuheit der Tatsache oder des Beweismittels. Nur wo verwahrungsbegründende Tatsachen kein Thema des ersten Verfahrens gebildet hatten, bleibt die Anwendung von
Art. 65 Abs. 2 StGB
denkbar, sofern diese Unterlassung nicht in die Verantwortung des Gerichts fällt (BOMMER, a.a.O., S. 66). In analoger Weise können im Rahmen von
Art. 65 Abs. 1 StGB
Tatsachen oder Beweismittel, die dem urteilenden Gericht bereits zur Beurteilung vorlagen und deshalb Gegenstand der richterlichen
BGE 144 IV 321 S. 331
Überlegungen waren, aufgrund der Sperrwirkung von "ne bis in idem" nicht erneut eingebracht werden (
BGE 142 IV 307
E. 2.3 S. 310). Da die Bedingungen der nachträglichen Verwahrung schon im Zeitpunkt des Strafurteils erfüllt sein müssen, lässt sich dieses nicht mit der Revision nachträglich der Entwicklung des Insassen während des Vollzugs anpassen (
BGE 137 IV 59
E. 5.1.3 S. 68: "Le juge de la révision ne doit pas adapter un jugement entré en force à un autre état de fait [...]"). Die Frage schliesslich, ob aufgrund der damaligen verwahrungsrelevanten Tatsachen eine Verwahrung anzuordnen gewesen wäre, betrifft die Rechtsanwendung und bildet keine Revisionstatsache.
3.2
In casu waren die verwahrungsbegründenden Tatsachen Thema des Strafverfahrens. Die Gerichte hatten die beantragte Verwahrung beurteilt und abgelehnt (oben Bst. A.a und A.b). Sämtliche Verwahrungsvoraussetzungen bildeten Gegenstand des Strafverfahrens. Ein neues Gutachten, welches nur eine andere Meinung vertritt, indem es bei der Evaluation der Psychopathie auf eine vom Gerichtsgutachten abweichende Diagnose oder Prognose schliesst ("conclut à une appréciation différente"), begründet keinen Revisionsgrund (Urteil 6B_1192/2016 vom 9. November 2017 E. 4). Die Revisionsvoraussetzungen sind nicht realisiert.
3.3
Der vorinstanzliche Bewilligungs- und Rückweisungsbeschluss verletzt die bundesrechtlichen Voraussetzungen von
Art. 65 Abs. 2 StGB
. Gemäss
Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
ist die Beschwerde gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide zulässig, wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. Das ist hier der Fall. Der angefochtene Zwischenentscheid ist aufzuheben.