Urteilskopf
146 III 89
11. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. ROLEX SA gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_379/2019 vom 4. Dezember 2019
Regeste
Art. 13 Abs. 2
bis
und
Art. 55 MSchG
; Einfuhr gewerblich hergestellter Waren zu privaten Zwecken; Leistungsklage.
Auch bei einer Handlung, die unter
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
fällt, weil die Einfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken erfolgt, stehen dem Markeninhaber die zivilrechtlichen Leistungsklagen (
Art. 55 Abs. 1 MSchG
) zur Verfügung (E. 7-8.1.3).
A.
Die ROLEX SA (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine Uhrenmanufaktur mit Sitz in Genf. Sie ist Inhaberin diverser im schweizerischen Markenregister eingetragener Marken, die je auch für Uhren Schutz beanspruchen.
Im April 2018 hielt die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV), Zollinspektorat Zürich, unter dem Aktenzeichen x eine aus China kommende, an A. (Beklagter, Beschwerdegegner) adressierte Sendung mit elf mutmasslich gefälschten, mit dem Zeichen "ROLEX" versehene Uhren zurück. A. hatte zuvor elf Uhren im Internet über die Website Z. bei einem Anbieter in China bestellt.
Die EZV informierte die ROLEX SA mit Schreiben vom 5. April 2018 über die zurückbehaltene Ware. Die ROLEX SA beauftragte in der Folge den Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie mit einer Analyse. Dieser erkannte die zurückbehaltenen Uhren als Fälschungen verschiedener Uhrenmodelle der ROLEX SA.
B.
Am 3. Mai 2018 reichte die ROLEX SA beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen A. ein. Sie stellte unter anderem ein Unterlassungs- und ein Auskunftsbegehren. Diese wurden vom Handelsgericht abgewiesen, unter anderem mit dem Argument, die im Markenrecht vorgesehenen zivilrechtlichen Leistungsklagen könnten nicht gegen den zu privaten Zwecken handelnden Konsumenten erhoben werden.
Das Bundesgericht heisst die von der ROLEX SA erhobene Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut.
(
Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
4.1
Im 4. Abschnitt des 1. Kapitels des 1. Titels des MSchG (SR 232. 11) ist der Inhalt des Markenrechts geregelt. Demnach verleiht das Markenrecht dem Inhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen (
Art. 13 Abs. 1 MSchG
). Der Markeninhaber kann anderen verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das nach
Art. 3 Abs. 1 MSchG
vom Markenschutz
BGE 146 III 89 S. 91
ausgeschlossen ist (
Art. 13 Abs. 2 MSchG
). Er kann anderen insbesondere verbieten, unter dem Zeichen Waren ein-, aus- oder durchzuführen (
Art. 13 Abs. 2 lit. d MSchG
). Dieser markenrechtliche Ausschliesslichkeitsanspruch ist grundsätzlich auf den gewerbsmässigen Bereich beschränkt und hindert den bloss privaten Gebrauch eines Kennzeichens nicht (siehe Urteil 4C.376/2004 vom 21. Januar 2005 E. 3.5; sog. "gewerblicher Rechtsschutz"). Eine Ausnahme sieht
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
vor. Nach dieser Bestimmung stehen die Ansprüche gemäss
Art. 13 Abs. 2 lit. d MSchG
dem Markeninhaber auch dann zu, wenn die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken erfolgt.
4.2
Der 3. Titel des MSchG beschlägt den Rechtsschutz.
Dazu gehört der zivilrechtliche Schutz (1. Kapitel;
Art. 51a ff. MSchG
). Gemäss
Art. 55 Abs. 1 MSchG
kann, wer in seinem Recht an der Marke oder an einer Herkunftsangabe verletzt oder gefährdet wird, vom Richter unter anderem verlangen: eine drohende Verletzung zu verbieten (lit. a); den Beklagten zu verpflichten, Herkunft und Menge der in seinem Besitz befindlichen Gegenstände, die widerrechtlich mit der Marke oder der Herkunftsangabe versehen sind, anzugeben und Adressaten sowie Ausmass einer Weitergabe an gewerbliche Abnehmer zu nennen (lit. c).
Art. 55 Abs. 2 MSchG
behält die Klagen nach dem Obligationenrecht auf Schadenersatz, auf Genugtuung sowie auf Herausgabe eines Gewinns entsprechend den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag vor.
Art. 57 MSchG
hält weiter fest, dass der Richter die Einziehung von Gegenständen, die widerrechtlich mit einer Marke oder einer Herkunftsangabe versehen sind, oder der vorwiegend zu ihrer Herstellung dienenden Einrichtungen, Geräte und sonstigen Mittel anordnen kann.
Während das 2. Kapitel (des 3. Titels) Strafbestimmungen enthält, regelt das 3. Kapitel (des 3. Titels) schliesslich die Hilfeleistung der Zollverwaltung. Dazu gehört insbesondere ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung von Waren, die von der Zollverwaltung zurückbehalten wurden (
Art. 72c ff. MSchG
).
6.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
. Sie meint, auch bei einer Handlung, die unter
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
falle, weil die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken erfolge, stünden dem Markeninhaber die Klagen gemäss
Art. 55 Abs. 1 und Abs. 2 MSchG
zur Verfügung.
BGE 146 III 89 S. 92
7.1
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
wurde im Rahmen der im Jahr 2007 verabschiedeten Revision des Patentgesetzes als Massnahme zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie beschlossen. Zu den Hintergründen lässt sich der Botschaft des Bundesrats die Feststellung entnehmen, dass Piraterieprodukte nicht nur im Rahmen grosser Lieferungen den Weg ins Inland fänden, sondern vermehrt auch in geringen Mengen von Einzelpersonen eingeführt würden (sog. Kapillarimporte), etwa im Reisegepäck. Auch wenn es im Einzelfall jeweils um geringe Mengen gehe, fielen diese Kapillarimporte in ihrer Gesamtheit durchaus ins Gewicht. Ausserdem stimuliere die Nachfrage von Einzelpersonen nach Piraterieprodukten das Angebot zusätzlich, was eine Bekämpfung des Phänomens weiter erschwere (Botschaft vom 23. November 2005 zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsordnung [nachfolgend: Botschaft], BBl 2006 37 Ziff. 1.4.2). Aus diesem Grund solle das in
Art. 13 MSchG
verankerte Ausschliesslichkeitsrecht des Markeninhabers auf gewerblich hergestellte Waren ausgedehnt werden, die zu
privaten Zwecken
ein-, aus- oder durchgeführt würden (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 132 Ziff. 2.4.4.3).
Das Verbietungsrecht sei dabei - so die Überlegungen des Bundesrats - auf Vorgänge an der Grenze zu beschränken. Dadurch werde erreicht, dass Piraterieprodukte vom schweizerischen Markt ferngehalten beziehungsweise von den Zollbehörden gegebenenfalls eingezogen werden könnten. Private, die im Besitz widerrechtlich hergestellter Waren seien, müssten jedoch nicht befürchten, auch im Inland jederzeit vom Markeninhaber belangt werden zu können (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 132 Ziff. 2.4.4.3).
7.2
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung stiess noch während des gesetzgeberischen Verfahrens auf Kritik in der Lehre (vgl. CALAME/THOUVENIN, Revision des Patentgesetzes, Jusletter 13. März 2016 Rz. 56 f.; BENDICHT LÜTHI, Der markenrechtliche Wolf im Schafspelz der Patentrechtsrevision - Gedanken zur Ausdehnung der Ausschliesslichkeitsrechte auf den privaten Gebrauch, sic! 2/2007 S. 144 ff.), die sich auch nach Inkraftsetzung der Gesetzesänderung fortsetzte (etwa bei DAVID RÜETSCHI, Die Einfuhr markenverletzender Ware zum privaten Gebrauch [
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
] - Rechtsfolgen einer atypischen Verletzungshandlung, sic! 6/2010 S. 475 ff.; THOUVENIN/DORIGO, in: Markenschutzgesetz[MSchG], Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, N. 88 ff. zu
Art. 13 MSchG
).
BGE 146 III 89 S. 93
Diese Autoren beanstandeten, dass mit dem Verbot von Kapillarimporten erstmals rein private Tätigkeiten markenrechtlich erfasst würden. Dies sei im - auf gewerblichen Rechtsschutz zielenden - Markenrecht systemwidrig, zumal in Art. 9 Abs. 1 lit. a des (dannzumal in Revision begriffenen) Patentgesetzes (SR 232.14) die Zulässigkeit privater Handlungen gerade ausdrücklich normiert werde. Es sei zudem inkonsequent, allein auf den Grenzübertritt abzustellen, den privaten Gebrauch im Inland indes zuzulassen. Die Bestimmung führe weiter zum stossenden Resultat, dass ein Käufer, der bei Erwerb eines Produkts im Ausland nicht um die Markenrechtsverletzung wisse, beim Grenzübertritt die Vernichtung der Ware entschädigungslos hinnehmen müsse. Faktisch müsse ein Käufer von mit Marken versehenen Waren im Ausland daher sämtliche schweizerische Marken (und die Rechtsprechung zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr) kennen, um das Risiko einer Vernichtung auszuschliessen (vgl. CALAME/THOUVENIN, a.a.O., Rz. 57; LÜTHI, a.a.O., S. 146 f.).
Schliesslich wurde auf Beweisprobleme hingewiesen, welche die vorgeschlagene Regelung nach sich zöge, insbesondere mit Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der "gewerblich hergestellten" Ware. Die Markeninhaberin werde regelmässig keine Kenntnis davon haben können, wer die eingeführte (gefälschte) Ware hergestellt habe, zumal der Hersteller oft im Ausland ansässig sei. In der Praxis werde sich daher eine natürliche Vermutung bilden, wonach gekonnte Produktenachahmungen als gewerblich hergestellt vermutet würden. Es sei dann am Einführenden, dies zu widerlegen, was ihm kaum je gelingen werde (siehe hierzu insbesondere LÜTHI, a.a.O., S. 148 f.).
7.3
In den parlamentarischen Debatten wurde
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
nicht im Einzelnen thematisiert, in der Eintretensdebatte indes die Bedeutung wirksamer Massnahmen zur Bekämpfung der Piraterie hervorgehoben (Votum Kommissionssprecher Hess, AB 2007 S 435). Die Bestimmung ist in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung Gesetz geworden.
Eine
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
entsprechende Regel fand im Zuge der gleichen Revision in Art. 9 Abs. 1
bis
Aufnahme ins Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design (DesG; SR 232.12).
8.1
Das Verhältnis von
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
zu den im MSchG vorgesehenen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen und insbesondere zu
BGE 146 III 89 S. 94
Art. 55 MSchG
ist durch Auslegung zu ermitteln (siehe dazu
BGE 145 III 324
E. 6.6,
BGE 145 III 109
E. 5.1; je mit Hinweisen).
8.1.1
Wortlaut und Systematik sprechen für die von der Beschwerdeführerin postulierte Lösung:
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
hält
einschränkungslos
fest, dass die Ansprüche nach
Art. 13 Abs. 2 lit. d MSchG
dem Markeninhaber auch dann zustehen, wenn die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von (gewerblich hergestellten) Waren zu privaten Zwecken erfolgt. Damit wird das Verbietungsrecht gemäss
Art. 13 Abs. 2 MSchG
- mithin das Recht des Markeninhabers, anderen zu verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen - generell auf Kapillarimporte ausgedehnt. Es ist daher auch notwendig, solche Handlungen in
Art. 65a MSchG
ausdrücklich von der Strafbarkeit auszunehmen. Eine entsprechende Einschränkung findet sich in Bezug auf die zivilrechtlichen Rechtsbehelfe nicht, was den Umkehrschluss nahe legt, dass diese auch bei Handlungen im Sinne von
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
greifen.
Art. 55 MSchG
setzt weiter ganz allgemein eine Verletzung des Rechts an der Marke voraus und schützt folglich den in
Art. 13 MSchG
definierten Inhalt des Markenrechts, wozu - jedenfalls bei gesetzessystematischer Betrachtung - das Verbot von Kapillarimporten nach Abs. 2
bis
gehört (siehe bereits Botschaft vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 43 zu Art. 52 [heute: Art. 55] MSchG). Dies räumt denn auch die Vorinstanz ein.
8.1.2
Anders als die Vorinstanz argumentiert, stützen auch die Materialien und teleologische Überlegungen diesen Schluss:
Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass das schweizerische Immaterialgüterrecht bisher keine Handhabe gegen Handlungen vorsah, welche Privatpersonen zu nicht gewerblichen Zwecken vornahmen. Mit der - in den Dienst einer wirksamen Bekämpfung von Fälschung und Piraterie gestellten - Revision sollte das Ausschliesslichkeitsrecht des Markeninhabers
ausdrücklich
auf Waren
ausgedehnt
werden, die zu privaten Zwecken ein-, aus- oder durchgeführt werden (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 132 Ziff. 2.4.4.3).
Es ist nicht ohne Weiteres klar, was die Vorinstanz meint, wenn sie ausführt, mit
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
habe der Gesetzgeber "nur" auf den "Verbietungsanspruch", die Einziehungsmöglichkeit und die Hilfeleistung der Zollbehörden gezielt. Zunächst ist in der Botschaft nicht die Rede von einer abschliessenden Aufzählung der
BGE 146 III 89 S. 95
Handlungsmöglichkeiten gegen die private Einfuhr von Piraterieprodukten; die Ausführungen werden im Gegenteil durch die Begriffe "insbesondere" und "namentlich" relativiert. Sodann wird in der Botschaft mehrfach die Ausdehnung des
Verbietungsrechts
- le "droit d'interdiction" beziehungsweise il "diritto di divieto" in den anderen Amtssprachen - auch auf Kapillarimporte betont (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 132 Ziff. 2.4.4.3). Damit ist der Inhalt des Markenrechts, wie er in
Art. 13 Abs. 2 MSchG
umschrieben wird, gemeint. Dieses "Verbietungsrecht" als solches gibt dem Markeninhaber indes keine Instrumente zur Durchsetzung seiner Rechte in die Hand. Diese ergeben sich erst im Zusammenspiel mit den
Art. 51a ff. MSchG
. Wenn die Vorinstanz einem Markeninhaber einzig einen "Verbietungsanspruch" zuerkennen will, ohne daran Rechtsdurchsetzungsrechte zu knüpfen, wählt sie ein Konstrukt, das dem Markeninhaber nichts nützt. Es kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.
Wenn die Vorinstanz weiter ausführt, der Gesetzgeber habe "nicht die Bestrafung von Privatpersonen" bezweckt, sondern nur verhindern wollen, dass "Piraterieprodukte den Weg über die Grenze auf den schweizerischen Markt" fänden und es folglich "nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen" haben könne, die zu privaten Zwecken tätigen Konsumenten den zu gewerblichen Zwecken handelnden Personen gleichzustellen, marginalisiert sie die vom Gesetzgeber festgestellte Problematik der Kapillarimporte. Die Gesetzesrevision war auf Konstellationen wie die vorliegende zugeschnitten: Der Gesetzgeber erkannte, dass es im Einzelfall zwar jeweils um geringe, in der Summe indes bedeutsame Mengen gefälschter Waren geht. Gerade weil nicht gewährleistet werden kann, dass derart importierte Waren in privaten Händen bleiben und nicht doch schliesslich den Weg auf den schweizerischen Markt finden, wurde der Schutz an der Grenze ausgebaut (siehe Botschaft, a.a.O., BBl 2006 37 Ziff. 1.4.2; vgl. auch FRANÇOIS DESSEMONTET, La propriété intellectuelle et les contrats de licence, 2. Aufl. 2011, S. 383 f. Rz. 473). Der - von der Vorinstanz für ihre Lösung angeführte - Umstand, dass das Verbietungsrecht nicht mehr greift, wenn die sich bereits im Inland befindliche Ware privat gebraucht wird, ist damit der Grund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung. Dass davon nicht nur physisch (etwa im Reisegepäck) in die Schweiz verbrachte, sondern namentlich auch im Internet bestellte und postalisch versandte Waren erfasst sind, wird von der Lehre - soweit ersichtlich - einhellig bejaht (vgl. PHILIPPE GILLIÉRON, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 13 zu
Art. 13 MSchG
und dort in
BGE 146 III 89 S. 96
Fn. 14; EUGEN MARBACH, Markenrecht, in: SIWR Bd. III/1, 2. Aufl. 2009, S. 450 Rz. 1530). Die für den Importeur damit verbundenen Nachteile sind bei der Schaffung von
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
erkannt worden, wie nicht nur die Botschaft, sondern auch die vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erschienenen Publikationen (siehe E. 7.2) zeigen.
8.1.3
Es bleibt daher dabei: Der mit
Art. 55 MSchG
gewährte zivilrechtliche Rechtsschutz knüpft an die Verletzung eines Rechts an der Marke an, die darin besteht, dass ohne Zustimmung des Markeninhabers eine der in
Art. 13 Abs. 2 und Abs. 2
bis
MSchG
umschriebenen Handlungen vorgenommen wird. Dies entspricht auch der herrschenden Lehre (siehe LUCAS DAVID UND ANDERE, Der Rechtsschutz im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, SIWR Bd. I/2, 3. Aufl. 2011, S. 507 Rz. 1399 und dort in Fn. 2694; MARKUS R. FRICK, in: Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, Wappenschutzgesetz, 3. Aufl. 2017, N. 27 zu
Art. 55 MSchG
; JÜRG HERREN, Das Recht des Marken- und Designrechtsinhabers, die Einfuhr rechtsverletzender Gegenstände auch durch Privatpersonen zu verbieten - eine Entgegnung, sic! 1/2011 S. 27 f.; MICHAEL ISLER, in: Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, Wappenschutzgesetz, 3. Aufl. 2017, N. 46 zu
Art. 13 MSchG
; SIMON JENNI, Rechte und Massnahmen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Markenfälschungen, 2015, S. 49 ff.; ROGER STAUB, in: Markenschutzgesetz [MschG], Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, N. 8und 23 zu
Art. 55 MSchG
; TISSOT/KRAUS/SALVADÉ, Propriété intellectuelle, 2019, S. 364 Rz. 1135; anderer Ansicht: RÜETSCHI, a.a.O., S. 476 f.; RALPH SCHLOSSER, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 4 zu
Art. 55 MSchG
). Die Klagen nach
Art. 55 Abs. 1 MSchG
setzen dabei kein Verschulden voraus (vgl. FRICK, a.a.O., N. 5 zu
Art. 55 MSchG
; siehe auch DAVID UND ANDERE, a.a.O., S. 109 Rz. 258; SCHLOSSER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 55 MSchG
). Auch der zu privaten Zwecken tätige Importeur kann daher grundsätzlich ohne subjektiv vorwerfbares Verhalten ins Recht gefasst werden (soweit nicht eine Klage ein Verschulden voraussetzt, wie namentlich in den Fällen von
Art. 55 Abs. 2 MSchG
). Auch darauf wurde im Rahmen der Schaffung von
Art. 13 Abs. 2
bis
MSchG
aufmerksam gemacht (vgl. LÜTHI, a.a.O., S. 146 f.). Es hilft dem Beschwerdegegner daher in diesem Zusammenhang nicht, wenn er wiederholt behauptet, es sei ihm nicht nachgewiesen worden, "wissentlich und willentlich" gefälschte "ROLEX"-Uhren in die Schweiz eingeführt zu haben.