Urteilskopf
149 IV 161
15. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Beschwerde in Strafsachen)
6B_156/2023 vom 3. April 2023
Regeste
Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 i.V.m.
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
; Ausnahme vom lebenslänglichen Tätigkeitsverbot.
Darstellung, unter welchen kumulativen Voraussetzungen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots gemäss
Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB
abgesehen werden kann, und in welchen Konstellationen eine Ausnahme von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist (E. 2.5.1-2.5.6). Sind die beiden Voraussetzungen von
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
erfüllt, hat das Gericht von einem Tätigkeitsverbot abzusehen, sofern kein Fall von
Art. 67 Abs. 4
bis
lit. a und b StGB
vorliegt (E. 2.5.7).
Voraussetzungen für ein Absehen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots im konkreten Fall verneint (E. 2.6).
A.
A. wird in der Anklageschrift vom 21. August 2020 vorgeworfen, er habe sich im Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis 12. März 2020 Bilddateien mit verbotenem pornografischem Inhalt (zwei nicht tatsächliche und 136 tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen sowie 13 sexuelle Handlungen mit Tieren) für den Eigenkonsum über elektronische Mittel beschafft und in der Folge besessen. Ferner habe er aus Bosheit oder Mutwillen eine Fernmeldeanlage zur Beunruhigung oder Belästigung missbraucht, indem er ein damals 13-jähriges Mädchen trotz dessen Aufforderung ab dem 23. November 2019, es zukünftig in Ruhe zu lassen, bis zum 27. November 2019 mehrfach kontaktiert habe.
B.
Das Kreisgericht St. Gallen sprach A. am 11. November 2020 vom Vorwurf des Missbrauchs einer Fernmeldeanlage frei und erklärte ihn der mehrfachen Pornografie schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.- und sprach ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot aus, für dessen Dauer es Bewährungshilfe anordnete.
C.
Das Kantonsgericht St. Gallen sprach A. am 25. November 2022 vom Vorwurf des Missbrauchs einer Fernmeldeanlage frei. Es verurteilte ihn wegen mehrfacher Pornografie zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30.-. Ferner verbot es ihm lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, und ordnete für die Dauer des Tätigkeitsverbots Bewährungshilfe an. Ferner beauftragte es die Staatsanwaltschaft, das Präsidium des Schwimmclubs des Beschwerdeführers nach Rechtskraft des kantonsgerichtlichen Entscheids über das lebenslängliche Tätigkeitsverbot zu orientieren.
D.
A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der kantonsgerichtliche Entscheid sei teilweise aufzuheben und er sei wegen mehrfacher Pornografie zu einer bedingten Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu Fr. 30.- zu verurteilen. Auf das Ausfällen eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots sei gestützt auf
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
zu verzichten. Die Hälfte sämtlicher Verfahrenskosten seien dem Kanton
BGE 149 IV 161 S. 163
St. Gallen aufzuerlegen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. A. ersucht darum, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
E.
Der Instruktionsrichter hat der Beschwerde am 27. März 2023 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Aus den Erwägungen:
2.3
Wird jemand nach
Art. 197 Abs. 5 StGB
wegen Pornografie, die sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatte, zu einer Strafe verurteilt, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst (Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2). Gemäss
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
kann das Gericht in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach Abs. 3 oder 4 absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn der Täter (lit. a) verurteilt worden ist wegen Menschenhandels (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195), oder (lit. b) gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien pädophil ist. Nach
Art. 67c Abs. 6
bis
StGB
können Verbote nach
Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB
nicht aufgehoben werden.
2.4
Die vorliegend relevanten
Art. 67 Abs. 3 und
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
wurden im Rahmen der Umsetzung von
Art. 123c BV
mit dem Bundesgesetz vom 16. März 2018 (AS 2018 3803) in das Strafgesetzbuch eingefügt und sind seit dem 1. Januar 2019 in Kraft. Da der Beschwerdeführer die mehrfache Pornografie im Zeitraum von Juni 2019 bis 12. März 2020 begangen hat, sind die neuen Gesetzesbestimmungen ohne Weiteres vorliegend anwendbar. Unbestritten ist zudem, dass der Beschwerdeführer wegen einer Katalogtat gemäss Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB verurteilt wurde und damit grundsätzlich zwingend ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot auszusprechen ist. Umstritten und zu prüfen ist jedoch, ob es sich vorliegend um einen Fall handelt, in dem gestützt auf
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
BGE 149 IV 161 S. 164
ausnahmsweise von einem Tätigkeitsverbot abgesehen werden kann. Das Bundesgericht hat sich bisher nicht zu den Voraussetzungen von
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
geäussert.
2.5.1
Ein Absehen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots nach
Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB
ist nach dem Wortlaut von
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
unte
r zwei kumulativen Voraussetzungen (vgl. Botschaft vom
3. Juni 2016 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes [Umsetzung von
Art. 123c BV
], BBl 2016 6146 Ziff. 1.3.7 ; TRECHSEL/BERTOSSA , in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, N. 15c zu
Art. 67 StGB
; WOLFGANG WOHLERS ,
in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, Wohlers/
Godenzi/Schlegel [Hrsg.], 4. Aufl. 2020, N. 17 zu
Art. 67 StGB
) zulässig: Einerseits muss es sich um einen "besonders leichten Fall" handeln, andererseits darf das Verbot nicht notwendig sein, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Aus dem Wort "ausnahmsweise" ergibt sich, dass die Bestimmung restriktiv anzuwenden ist und nur bei gewissen Anlasstaten zur Anwendung gelangt (vgl. KATIA VILLARD , in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2. Aufl. 2021, N. 42 zu
Art. 67 StGB
). Das zwingende lebenslängliche Tätigkeitsverbot soll
die Regel sein (Diego Langenegger, in: StGB, Annotierter Komment
ar, Damian K. Graf [Hrsg.], 2020, N. 24 zu
Art. 67 StGB
). Dies geht denn auch klar aus der bundesrätlichen Botschaft sowie den parlamentarischen Beratungen hervor und ergibt sich ebenfalls aus
Art. 123c BV
, dessen Umsetzung die mit dem Bundesgesetz vom 16. März 2018 eingeführten Änderungen des Strafgesetzbuchs dienen (vgl. BBl 2016 6123 Ziff. 1.2.1, 6134 Ziff. 1.3.1; AB 2017 S 638 f.; AB 2017 N 1922 ff.; Christian Denys, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, 2021, N. 1 ff. zu
Art. 123c BV
).
2.5.2
Art. 123c BV
mit der Marginalie "Massnahme nach Sexualdelikten an Kindern oder an zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Personen" wurde mit der Annahme der Volksinitiative
"Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen" am 18. Mai
2014 in die Bundesverfassung eingefügt. Der Gesetzgeber wollte mit
dem neuen Tätigkeitsverbot einerseits den in der Verfassungsbestimmung enthaltenen Automatismus betreffend Anordnung eines zwin
genden lebenslänglichen Verbots weitestgehend umsetzen, andererseits jedoch auch mit der Ausnahmebestimmung den bestehenden
Verfassungsbestimmungen, insbesondere dem Verhältnismässigkeitsprinzip,
BGE 149 IV 161 S. 165
und dem Völkerrecht, namentlich der EMRK, Rechnung
tragen (vgl. BBl 2016 6116, 6134 Ziff. 1.3.1, 6155 Ziff. 1.4; DENYS , a.a.O., N. 8 zu
Art. 123c BV
). Die
Ausnahmebestimmung soll vermeiden, dass es zu stossenden Verletzungen des Verhältnismässigkeitsprinzips kommt, weil das Gericht in besonders leichten Fällen, bei denen vom Täter keine Wiederholungsgefahr für einschlägige
Sexualstraftaten ausgeht und die keinerlei Bezug zu Pädophilie aufweisen, zwingend ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot anordnen müsste (BBl 2016 6163 Ziff. 2.1). Mit der Ausnahmebestimmung
soll insbesondere auch der Intention der Initianten der "Pädophilen-Initiative" Rechnung getragen werden, wonach sogenannte Jugendlieben nicht von einem zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbot
erfasst werden sollen und die Volksinitiative auf pädophile Straftäter
zielt. Die Rechtsgleichheit gebietet jedoch - so die Botschaft -, dass eine solche Ausnahmebestimmung nicht nur auf diese Fälle beschränkt wird, sondern auch bei anderen ähnlich besonders leichten Fällen, die keinerlei Bezug zur Pädophilie aufweisen, zur Anwendung gelangen kann, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (BBl 2016 6161 Ziff. 2.1).
2.5.3
Art. 67 Abs. 4
bis
lit. a und b StGB
enthalten sodann die Ausnahmen von den Ausnahmen (vgl. TRECHSEL/BERTOSSA , a.a.O., N. 15d zu
Art. 67 StGB
). Bei Anlasstaten, die von ihrer Art oder ihrer abstrakten Strafdrohung am schwersten wiegen, vermutet das Gesetz unwi
derlegbar, dass es keine besonders leichten Fälle gibt (
Art. 67 Abs. 4
bis
lit. a StGB
). Wird der Täter wegen einem dieser Delikte zu einer Stra
fe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme angeordnet, so muss
das Gericht ungeachtet der konkreten Umstände des Einzelfalls zwingend ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot anordnen. Glei
ches gilt, wenn der Täter pädophil gemäss den international anerkannten
Klassifikationskriterien ist. In
Art. 67 Abs. 4
bis
lit. b StGB
wird
die unwiderlegbare Vermutung aufgestellt, dass bei pädophilen Straftätern die Anordnung eines Tätigkeitsverbots immer notwendig ist (BBl 2016 6163 Ziff. 2.1; siehe auch VILLARD, a.a.O., N. 43 ff. zu
Art. 67 StGB
).
2.5.4
Beim Begriff des "besonders leichten Falls" handelt es sich um
einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. zum "leichten Fall" gemäss Art. 116 Abs. 2 AuG [nun AIG; SR 142.20]: Urteile 6B_60/2018 vom 21. Dezember 2018 E. 2.2.3; 6B_484/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 4.2). Für die Qualifikation als besonders leichter Fall ist auf die Gesamtheit der objektiven und subjektiven Tatumstände
BGE 149 IV 161 S. 166
abzustellen. Von der Ausnahmebestimmung erfasst werden nur eigentliche Bagatellfälle, wobei ein strenger Massstab anzulegen ist. Gemäss
Botschaft können als besonders leichte Fälle von Sexualstraftaten in
objektiver Hinsicht beispielsweise sexuelle Belästigungen oder Exhi
bitionismus (wenn es im konkreten Fall beispielsweise eine bedingte
Strafe von wenigen Tagessätzen gibt) in Betracht kommen; dies aufgrund ihrer geringen abstrakten Strafandrohung. Aber auch ein an
deres Sexualdelikt, das einer höheren Strafdrohung unterliege, könne - so die Botschaft weiter - im konkreten Fall als besonders leichte
Sexualstraftat gewertet werden (z.B. sexuelle Handlungen mit einem
Kind, wenn es im konkreten Fall beispielsweise eine bedingte Strafe von wenigen Tagessätzen gibt). Dies insbesondere dann, wenn das
Gericht unter Gesamtwürdigung der Tat- und Täterkomponenten (z.B. die Schwere der Verletzung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer, das Vorleben und die Verhältnisse des Täters) das Verschulden des Täters als beson
ders gering einstufe und deshalb eine milde Strafe ausspreche (BBl 2016 6161 Ziff. 2.1; auch in der Lehre werden weitgehend die Aus
führungen in der Botschaft zusammengefasst wiedergegeben: Vil
lard, a.a.O., N. 42 zu
Art. 67 StGB
; WOHLERS , a.a.O., N. 17 zu
Art. 67
StGB
; Stefan Heimgartner
, in: StGB, JStG, Andreas Donatsch [Hrsg.], 21. Aufl. 2022, N. 14 zu
Art. 67 StGB
; TRECHSEL/BERTOSSA , a.a.O., N. 15c zu
Art. 67 StGB
; NADINE HAGENSTEIN , in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019, N. 87 zu
Art. 67 StGB
).
2.5.5
Als nicht notwendig erscheint ein Tätigkeitsverbot nach der Botschaft dann, wenn dem Täter eine gute Prognose gestellt werden
kann, weil Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr fehlen. Die
Frage, ob ein Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Sexualstraftaten abzuhalten, muss vom Gericht
- wie bei der Frage des bedingten Strafvollzugs (vgl.
Art. 42 Abs. 1 StGB
) - aufgrund einer Gesamtwürdigung beantwortet werden. Es
sind alle nach dem Stand der Prognoseforschung massgeblichen Umstände zu berücksichtigen. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind
neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie alle
weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten auf Bewährung zulassen. Für eine Einschät
zung des Rückfallrisikos ist ein möglichst vollständiges Bild der
Täterpersönlichkeit unabdingbar; falls nötig, auch mittels eines psychiatrischen Gutachtens (BBl 2016 6161 Ziff. 2.1; siehe - teilweise
mit Hinweis auf die Botschaft - auch: TRECHSEL/BERTOSSA, a.a.O.,
BGE 149 IV 161 S. 167
N. 15c zu
Art. 67 StGB
; WOHLERS , a.a.O., N. 17 zu
Art. 67 StGB
;
LANGENEGGER , a.a.O., N. 24 zu
Art. 67 StGB
; HAGENSTEIN , a.a.O., N. 87
zu
Art. 67 StGB
).
2.5.6
Die Botschaft nennt schliesslich einige Konstellationen, in denen das Gericht gestützt auf
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
ausnahmsweise von einem Tätigkeitsverbot nach
Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB
absehen könnte (BBl 2016 6162 f. Ziff. 2.1): Eine 20-jährige Person hat im Rahmen einer Liebesbeziehung mit einer 15-jährigen Person einvernehmlich sexuelle Kontakte (z.B. Zungenküsse), eine Kioskver
käuferin verkauft einem Minderjährigen ein "Sexheftli", in einer "Whats
App-Gruppe" von mehreren 15- bis 18-jährigen Personen wird ein Kurzvideo mit pornografischem Inhalt, das von anderen, unter 16 Jahre alten Schulkollegen selbst gedreht wurde, geteilt und auf dem
Mobiltelefon belassen oder eine Frau lässt zu, dass ihr Ehemann sie
vor der minderjährigen [recte: wohl unter 16-jährigen] Babysitterin demonstrativ "begrapscht", bzw. wehrt sich nicht dagegen. Aus diesen möglichen Anwendungsfällen geht hervor, dass häufig Jugend
liche bzw. junge Erwachsene im Grenzalter betroffen sind und/oder
es sich um offensichtliche Bagatellfälle handelt, die keinerlei Bezug zu Pädophilie aufweisen.
Das Gericht hat sich im Einzelfall bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen von
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
erfüllt sind und von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots ausnahmsweise abgesehen werden kann, an diesen Beispielfällen zu orientieren.
2.5.7
Sind die beiden kumulativen Voraussetzungen erfüllt, so liegt der ausnahmsweise Verzicht auf die Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots gemäss der bundesrätlichen Botschaft im
Ermessen des Gerichts (BBl 2016 6162 Ziff. 2.1; TRECHSEL/BERTOSSA , a.a.O., N. 15c zu
Art. 67 StGB
; WOHLERS , a.a.O., N. 17 zu
Art. 67 StGB
; LANGENEGGER , a.a.O., N. 24 zu
Art. 67 StGB
; VILLARD , a.a.O., N. 42 zu
Art. 67 StGB
). Allerdings muss das Gericht nach der bun
desgerichtlichen Rechtsprechung von seinem Ermessen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundsätze Gebrauch machen. So ent
schied das Bundesgericht beispielsweise, dass das Gericht nach dem
Verhältnismässigkeitsprinzip gemäss
Art. 5 Abs. 2 BV
von einer Landesverweisung absehen müsse, wenn die Voraussetzungen von
Art. 66a Abs. 2 StGB
(Härtefallklausel) erfüllt seien (
BGE 144 IV 332
[/STYLE_CHAR_BOLD] E. 3.3; Urteile 6B_552/2021 vom 9. November 2022 E. 2.3.3; 6B_822/ 2021 vom 4. Juli 2022 E. 2.1.1; je mit Hinweisen). In Nachachtung
BGE 149 IV 161 S. 168
dieser Rechtsprechung hat das Gericht von einem Tätigkeitsverbot abzusehen, wenn die beiden kumulativen Voraussetzungen von
Art. 67
Abs. 4
bis
StGB
erfüllt sind (und kein Fall von
Art. 67 Abs. 4
bis
lit. a und b StGB
vorliegt).
2.6.1
Mit der Vorinstanz handelt es sich vorliegend nicht um einen besonders leichten Fall i.S.v.
Art.
67 Abs. 4
bis
StGB
. Der Beschwerdeführer hat eine grosse Anzahl von hartpornografischen Erzeugnissen (insgesamt über 150 Bilder) heruntergeladen, wovon 136 Bilder
tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen enthalten, die
teilweise massivste Übergriffe auf Kinder zeigen (unter anderem
Oral-, Vaginal- oder Analverkehr mit erwachsenen Männern). Der Beschwerdeführer hat diese Bilder zudem nicht versehentlich, sondern mit Wissen und Willen, mithin direktvorsätzlich beschafft, kon
sumiert und besessen. Bagatellcharakter, wie es zur Annahme eines
besonders leichten Falls notwendig wäre, weist der vorliegende Fall nicht auf. Er ist nicht mit den in der Botschaft oder den parlamentarischen Beratungen diskutierten möglichen Ausnahmefällen ver
gleichbar. Dies ergibt sich denn auch daraus, dass die Vorinstanz das Tatverschulden des Beschwerdeführers als "eher leicht" bewertet,
was nicht mit einem "besonders geringen Verschulden" gleichzuset
zen ist. Daran vermögen die weitgehend appellatorischen Vorbringen des Beschwerdeführers, mit denen er nicht auf die vorinstanzlichen Erwägungen eingeht, nichts zu ändern. Selbst wenn ihm in seiner Beurteilung, wonach sein Verschulden im Rahmen der Gesamtwürdigung als gering einzustufen sei, gefolgt werden könnte, läge entgegen seiner Einschätzung kein besonders leichter Fall i.S.v
.
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
vor, da hierfür nach dem Ausgeführten ein
besonders geringes Verschulden vorausgesetzt wird (vgl. E. 2.5.4 und BBl 2016 6161 Ziff. 2.1). Damit fehlt es bereits an der Vorausset
zung des besonders leichten Falls, weshalb grundsätzlich offenbleiben kann, ob das Tätigkeitsverbot nicht notwendig ist, um den Be
schwerdeführer von der Begehung weiterer Sexualstraftaten abzuhalten.
2.6.2
Allerdings zeigt der Beschwerdeführer auch in diesem Punkt nicht auf, dass die vorinstanzliche Einschätzung, es bestehe eine gewisse Gefahr, dass er weitere Delikte begehen könnte, Recht verletzt, zumal er mit keinem Wort auf die vorinstanzliche Begründung eingeht. Zwar wäre - unter dem Vorbehalt, dass es sich beim eingereichten Befragungsprotokoll nicht um ein unzulässiges Novum handelt (vgl. nicht publ. E. 1.4.2) - mit dem Beschwerdeführer zu
BGE 149 IV 161 S. 169
berücksichtigen, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist, das Strafverfahren eine gewisse Schockwirkung gehabt haben dürfte, er Websites mit verbotener Pornografie der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) angeblich gemeldet habe und nach eigenen Angaben künftig auf den Kontakt zu jüngeren Frauen ausserhalb des Schwimmclubs verzichten will. Allerdings zieht die Vorinstanz ebenso zutreffend in Betracht, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, hebephil zu sein und sich in eine damals 13-Jährige verliebt zu haben, die er trotz ihrer entsprechenden Bitte nicht in Ruhe gelassen habe. Kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer gemäss der Vorinstanz nur teilweise Einsicht in das Unrecht seiner Taten zeigte, die Schuld dafür teilweise von sich wies und die Tat trotz seines initialen Geständnisses an der Berufungsverhandlung bestritt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beschwerdeführer im Schwimmclub unter anderem Kinder in jener Altersgruppe trainiert, die ihn nach seinen Angaben, wonach er hebephil sei, sexuell interessieren, und er seine biologischen Triebe gemäss der vorinstanzlichen Einschätzung in gewisser Weise als normal erachtet. Nach Würdigung aller relevanten Umstände ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zum Schluss gelangt, dass beim Beschwerdeführer Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr vorhanden seien.
2.6.3
Zusammenfassend erweist sich die vorinstanzliche Einschätzung, dass die Voraussetzungen von
Art. 67 Abs. 4
bis
StGB
nicht erfüllt sind und gestützt auf Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB ein le
benslängliches Tätigkeitsverbot auszusprechen ist, als rechtskonform.
Zweifellos bedeutet das lebenslängliche Tätigkeitsverbot für den Beschwerdeführer zwar eine gewisse Härte. Diese geht aber nicht über
das Mass hinaus, das der Verfassungs- und Gesetzgeber mit der Einführung des grundsätzlich zwingenden lebenslänglichen Tätigkeits
verbots in Kauf nahm oder sogar wollte. Gegen die Anordnung der Bewährungshilfe und den Auftrag an die Beschwerdegegnerin, das Präsidium des Schwimmclubs nach Rechtskraft des vorinstanzlichen
Urteils über das lebenslängliche Tätigkeitsverbot zu orientieren, wen
det sich der Beschwerdeführer nicht, weshalb darauf nicht einzugehen ist.