BGE 150 IV 345 vom 5. Juni 2024

Dossiernummer: 6B_92/2022

Datum: 5. Juni 2024

Artikelreferenzen:  Art. 6 EMRK, Art. 29 BV, Art. 32 BV, Art. 30 StPO, Art. 101 StPO, Art. 107 StPO, Art. 146 StPO, Art. 147 StPO, Art. 312 StPO, Art. 343 StPO, Art. 389 StPO, Art. 105 BGG , Art. 147 Abs. 4 StPO, Art. 147 Abs. 1 StPO, Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK, Art. 101 Abs. 1 StPO, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG, Art. 147 Abs. 1 und 4 StPO, Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO, Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO, Art. 312 Abs. 2 StPO, Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 389 Abs. 3 StPO, Art. 343 Abs. 2 und Art. 389 Abs. 2 lit. a StPO

BGE referenzen:  125 I 127, 129 I 151, 131 I 476, 133 I 33, 139 IV 25, 140 IV 172, 141 IV 220, 143 IV 397, 143 IV 457, 148 I 295, 149 V 177, 149 II 381 , 141 IV 220, 133 I 33, 140 IV 172, 129 I 151, 148 I 295, 125 I 127, 149 II 381, 149 V 177

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

150 IV 345


30. Auszug aus dem Urteil der I. strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_92/2022 vom 5. Juni 2024

Regeste

Art. 147 Abs. 1 und 4 StPO ; Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ; Teilnahmerecht und Konfrontationsanspruch; Unverwertbarkeit von in Verletzung des Teilnahmerechts der beschuldigten Person abgehaltenen Einvernahmen zu deren Nachteil auch nach rechtskonformer Wiederholung der Einvernahme; Anpassung der Rechtsprechung.
Eine Einvernahme, an der das Teilnahmerecht der beschuldigten Person gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO nicht gewährleistet war und die daher gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht verwertet werden darf, bleibt auch nach einer Wiederholung der Einvernahme unter Wahrung des Teilnahmerechts bzw. unter hinreichender Konfrontation weiterhin unverwertbar im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO . Eine spätere Einräumung des Teilnahmerechts bzw. Gewährleistung der Konfrontation führt nicht zur Verwertbarkeit von nach Art. 147 Abs. 4 StPO unverwertbaren Einvernahmen (E. 1.6, insb. E. 1.6.7.1-1.6.7.4).

Sachverhalt ab Seite 346

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A. Das Bezirksgericht Dietikon sprach A. am 31. August 2020 vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln frei und entschädigte ihn für die zu Unrecht erlittene Haft mit einer Genugtuung von Fr. 200.-.

B. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland sprach das Obergericht des Kantons Zürich A. am 26. Oktober 2021 der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, unter Anrechnung der ausgestandenen Haft.
Das Obergericht hält für erstellt, dass sich A. und der Mitbeschuldigte B.B. (vgl. betreffend diesen das Urteil 6B_147/2022 heutigen Datums) zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Spätsommer 2016 mit den von ihnen gelenkten Fahrzeugen einen Beschleunigungswettbewerb geliefert hätten, der sich zusammengefasst wie folgt zugetragen habe:

Erwägungen

A. fuhr mit einem Porsche 911 Turbo und B.B. mit einem BMW 328i in Dietikon auf der Schöneggstrasse Richtung Schlieren. Kurz vor der Verzweigung mit der Schäflibachstrasse fuhren beide Lenker mit einer Geschwindigkeit von 8.4 km/h nebeneinander, wobei A. die Normalspur und B.B. die Gegenfahrbahn befuhr. Auf vorherige Absprache hin oder jedenfalls aufgrund eines konkludent gefassten gemeinsamen Entschlusses gaben beide Lenker im Bereich vor dem dortigen (ersten) Fussgängerstreifen gleichzeitig Gas. A. beschleunigte den Porsche auf der Normalspur mit durchschnittlich 6.4 m/s 2 und B.B. den BMW auf der Gegenfahrbahn mit mindestens 6.6 m/s 2 jeweils über eine Strecke von rund 75 Metern auf eine Endgeschwindigkeit von 63 km/h (Porsche) bzw. 64 km/h (BMW). A. setzte sich dabei nach rund 75 Metern von B.B. ab, der dann begann, auf die
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Normalspur einzuschwenken. Der weitere Mitbeschuldigte C.B. (vgl. betreffend diesen das Urteil 6B_137/2022 heutigen Datums) fuhr während dieser gesamten Fahrt mit einem BMW 530d hinter A. und B.B. her und filmte das Geschehen mit seinem Mobiltelefon.

C. A. gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt zusammengefasst, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, er sei vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen und es sei ihm für die zu Unrecht erlittene Haft eine Genugtuung von Fr. 200.- auszurichten.
Sein Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde am 9. Februar 2022 präsidialiter abgewiesen.
Das Obergericht verzichtete auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich nahm zur Beschwerde Stellung und beantragt deren Abweisung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Aus den Erwägungen:

1. (...)

1.6 Zur Kritik des Beschwerdeführers, die von der Vorinstanz herangezogenen Aussagen der zwei Mitbeschuldigten seien mangels Wahrung seines Teilnahmerechts ihrerseits unverwertbar und könnten daher nicht für die Begründung einer Einwilligung in das Erstellen der Videoaufnahme verwendet werden, ist alsdann Folgendes festzuhalten.

1.6.1 Vorab anzumerken ist, dass sich allein gestützt auf die Beweislage, wie sie sich laut dem angefochtenen Urteil ohne die Aussagen der Beteiligten präsentiert, keine Rückschlüsse in Bezug auf das Vorliegen einer Einwilligung in das Erstellen der Videoaufnahme ziehen lassen. Bei blosser Betrachtung der Videoaufnahme bleibt bereits offen, weshalb die Beteiligten in der ersichtlichen Weise zusammengetroffen sind und ihre Fahrzeuge entsprechend geführt haben, und kann folglich auch hinsichtlich der fraglichen Einwilligung nichts mit rechtsgenüglicher Sicherheit abgeleitet werden. Nicht nur für die von der Vorinstanz vertretene Annahme einer ausdrücklichen Absprache und Billigung, sondern insbesondere für die von ihr angeführte alternative Variante einer (bloss) konkludenten Einwilligung in das Erstellen der Videoaufnahme sind weitere
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Informationen zu den Rahmenumständen des in der Videoaufnahme ersichtlichen Geschehens unabdingbar, die sich lediglich den Aussagen der Beteiligten entnehmen lassen. Auch die Beschwerdegegnerin bekräftigt in diesem Sinne in ihrer Vernehmlassung - obwohl sie die sich aus dem Video ergebenden Tatsachen und das Senden des Videos an B.B. als klare Hinweise auf eine Einwilligung hervorhebt -, dass sich die Einwilligung, wie von der Vorinstanz begründet, aus den Aussagen der Beteiligten ergebe. Inwieweit aus den Aussagen nur des Beschwerdeführers auf eine entsprechende Einwilligung geschlossen werden könnte, ist des Weiteren nicht offensichtlich; die Vorinstanz schliesst auf eine Einwilligung explizit unter gesamthafter Würdigung der Aussagen aller drei Beteiligten. Der Miteinbezug der Aussagen der zwei Mitbeschuldigten erweist sich demgemäss als zwingend und ist nachfolgend auf seine Rechtmässigkeit zu überprüfen.

1.6.2 Der Beschwerdeführer stellt sich in prozessualer Hinsicht zusammengefasst auf den Standpunkt, die Aussagen der zwei Mitbeschuldigten, welche sie an den delegierten polizeilichen und an den staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen gemacht hätten und auf welche die Vorinstanz primär zur Begründung der Einwilligung abstelle, seien mangels Gewährung seiner Teilnahmerechte nicht zu seinen Lasten verwertbar. Diesen Aussagen komme in der Begründung der Vorinstanz belastender Charakter zu. Die Gewährung der Teilnahmerechte zu einem späteren Zeitpunkt mache die Aussagen entgegen der Vorinstanz nicht vollumfänglich verwertbar. Eine derartige Heilung der Verletzung des Teilnahmerechts, welche die Vorinstanz unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung annehme, mute äusserst eigenartig an. Der Beschwerdeführer erachtet mit Hinweis auf die Lehre nur das als verwertbar, was die einvernommene Person in der zweiten (wiederholten) Einvernahme aussage.

1.6.3

1.6.3.1 Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Dieses spezifische Teilnahme- und Mitwirkungsrecht fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ( Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO ). Es darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden ( Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO ; siehe auch Art. 101 Abs. 1 StPO ; BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; BGE 141 IV 220 E. 4.4; BGE 139 IV 25 E. 4.2 mit Hinweis). Nach Art. 147 Abs. 4 StPO
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dürfen Beweise, die in Verletzung der Bestimmungen von Art. 147 StPO erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwendet werden, die nicht anwesend war ( BGE 143 IV 397 E. 3.3.1, BGE 143 IV 457 E. 1.6.1; BGE 139 IV 25 E. 4.2 und 5.4.1; Urteile 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.2; 6B_172/2023 vom 24. Mai 2023 E. 2.3; je mit Hinweisen).
Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen ( Art. 312 Abs. 2 StPO ). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft während deren Untersuchung durchführt, anwesend zu sein und Fragen zu stellen ( BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.1; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.2; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.3; 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.5; je mit Hinweisen).

1.6.3.2 Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch der beschuldigten Person, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren. Er wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs ( Art. 29 Abs. 2 BV ) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet. Nach diesem menschen- bzw. verfassungsrechtlichen Anspruch ist eine belastende Zeugenaussage grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen ( BGE 140 IV 172 E. 1.3; BGE 133 I 33 E. 3.1; BGE 131 I 476 E. 2.2; je mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Einvernahme von Auskunftspersonen (Urteil 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, muss der Beschuldigte namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen und den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und infrage stellen zu können ( BGE 133 I 33 E. 3.1; BGE 131 I 476 E. 2.2; BGE 129 I 151 E. 3.1 und 4.2). Dies setzt in aller Regel voraus, dass sich der Einvernommene in Anwesenheit des Beschuldigten (nochmals) zur Sache äussert (Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.3; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2; 6B_886/2017 vom 26. März
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2018 E. 2.3.2; 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016 E. 1.7.3; 6B_839/ 2013 vom 28. Oktober 2014 E. 1.4.2; 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013 E. 2.3.3). Beschränkt sich die Wiederholung der Einvernahme im Wesentlichen auf eine formale Bestätigung der früheren Aussagen, wird es dem Beschuldigten verunmöglicht, seine Verteidigungsrechte wirksam wahrzunehmen (vgl. Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.3; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 6.1; 6B_542/2016 vom 5. Mai 2017 E. 2.4; 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016 E. 1.7.3; 6B_839/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 1.4.2; 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013 E. 2.3.3).
Wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Konfrontationseinvernahme durchgeführt, darf die Strafbehörde nicht auf die Ergebnisse der vorausgegangenen Einvernahmen zurückgreifen, soweit diese einem Beweisverwertungsverbot unterliegen ( BGE 143 IV 457 E. 1.6.2 f.; Urteile 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.2; 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.4; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.3). Werden Aussagen, welche die Befragten in Einvernahmen ohne Gewährung des Teilnahmerechts nach Art. 147 Abs. 1 StPO machten, in späteren Konfrontationseinvernahmen den Befragten wörtlich vorgehalten, so werden diese Aussagen im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO unzulässigerweise verwertet ( BGE 143 IV 457 E. 1.6.1; Urteile 6B_622/2023 vom 20. September 2023 E. 1.3.2; 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.5; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; je mit Hinweisen).
Von einer Konfrontation kann nur unter besonderen Umständen abgesehen werden. In solchen Fällen ist gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK erforderlich, dass der Beschuldigte zum streitigen Zeugnis hinreichend Stellung nehmen kann, die Aussagen sorgfältig geprüft werden und der Schuldspruch nicht alleine darauf abgestützt wird, d.h. der belastenden Aussage nicht ausschlaggebende Bedeutung zukommt bzw. sie nicht den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt. Ausserdem darf der Umstand, dass die beschuldigte Person ihre Rechte nicht (rechtzeitig) wahrnehmen konnte, nicht in der Verantwortung der Behörde liegen ( BGE 131 I 476 E. 2.2 und 2.3.4). Ausnahmsweise kann ein streitiges Zeugnis von ausschlaggebender Bedeutung ohne Konfrontation mit Belastungszeugen verwertbar sein (vgl. Urteil 6B_1137/2020 vom 17. April 2023 E. 1.4.2.1 ff.; zum Ganzen: BGE 148 I 295 E. 2 mit Hinweisen).
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1.6.3.3 Die beschuldigte Person kann auf die Teilnahme bzw. Konfrontation vorgängig oder auch im Nachhinein ausdrücklich oder stillschweigend verzichten (vgl. BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; BGE 125 I 127 E. 6c/bb; Urteil 6B_933/2023 vom 15. Februar 2024 E. 6.2.4; je mit Hinweisen).

1.6.4 Indem die Vorinstanz gestützt auf die Aussagen aller drei Beteiligten auf das Vorliegen einer Einwilligung in das Erstellen der Videoaufnahme schliesst, und weil diese Einwilligung die strafprozessuale Verwertbarkeit der die Beteiligten belastenden Videoaufnahme zur Folge hat, verwertet sie die Aussagen, und damit auch die Einlassungen der beiden Mitbeschuldigten C.B. und B.B., zum Nachteil des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz stellt dabei massgeblich auf die von den zwei Mitbeschuldigten an den delegierten polizeilichen und den staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen gemachten Aussagen ab, bei denen nach dem verbindlichen Sachverhalt (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ) der Beschwerdeführer und ebenso sein Verteidiger nicht anwesend waren und eine Teilnahme im Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO folglich nicht gewährleistet war. Gründe für eine Einschränkung des Teilnahmerechts oder ein Verzicht auf die Teilnahme seitens des Beschwerdeführers sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Trotz des in Missachtung von Art. 147 Abs. 1 StPO nicht gewährleisteten Teilnahmerechts des Beschwerdeführers erachtet die Vorinstanz die von den zwei Mitbeschuldigten an den delegierten polizeilichen und den staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen zu Protokoll gegebenen Aussagen als uneingeschränkt verwertbar.

1.6.5 Die Vorinstanz thematisiert in ihrer Begründung der Verwertbarkeit der Aussagen zum einen die Möglichkeit der Verfahrenstrennung.
Sie verweist dabei zunächst auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung und betont zutreffend, dass in separat geführten Verfahren kein Anspruch auf Teilnahme gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO besteht, der separat Beschuldigte in den abgetrennten Verfahren zudem nicht denselben Anspruch auf Akteneinsicht wie eine Partei gemäss Art. 101 Abs. 1 StPO hat und angesichts dieser schwerwiegenden prozessualen Folgen an die Voraussetzungen einer Verfahrenstrennung im Sinne von Art. 30 StPO ein strenger Massstab anzulegen ist (vgl. dazu BGE 141 IV 220 E. 4.5; Urteil 6B_1193/ 2020 vom 13. Oktober 2021 E. 1.3.1). Ebenfalls korrekt weist sie
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darauf hin, dass eine Abtrennung des Verfahrens unter dem Gesichtswinkel des Anspruchs auf ein faires Verfahren (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV , Art. 6 Ziff. 1 EMRK ) bei mutmasslichen Mittätern und Teilnehmern problematisch sein kann, wenn der Umfang und die Art der Beteiligung wechselseitig bestritten sind und damit die Gefahr besteht, dass der eine Mitbeschuldigte die Verantwortung dem anderen zuweisen will. Denn belasten sich Mittäter und Teilnehmer gegenseitig und ist unklar, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, besteht bei getrennten Verfahren die Gefahr sich widersprechender Entscheide (vgl. hierzu Urteil 6B_1149/2020 vom 17. April 2023 E. 2.1.2 mit Hinweisen). Hinsichtlich des konkreten Falls erwägt die Vorinstanz zusammengefasst, der Beschwerdeführer und die zwei Mitbeschuldigten würden sich nicht gegenseitig belasten, das jeweilige Fahrzeug geführt zu haben, und es sei weder Umfang noch Art der ihnen vorgeworfenen Beteiligung wechselseitig bestritten. Sowohl die Untersuchung als auch die Anklage würden sich denn hauptsächlich auf die sichergestellte Videoaufnahme stützen und bereits die Erstinstanz habe die Videoaufnahme als entscheidendes Beweismittel qualifiziert. Die Vorinstanz folgert schliesslich, vorliegend sei die Verfahrenstrennung nach Abschluss der Untersuchung zulässig gewesen, zumal keine Gefahr bestanden habe, dass sich die Beschuldigten die Verantwortung für die von ihnen begangenen Verkehrsregelverletzungen gegenseitig zuschöben.
Diese Ausführungen der Vorinstanz gehen in zweierlei Hinsicht an der Sache vorbei: So beschränkt sich die Vorinstanz einerseits darauf darzulegen, weshalb eine getrennte Verfahrensführung und damit einhergehend die fehlende Gewährung des Teilnahmerechts des Beschwerdeführers an den Einvernahmen der Mitbeschuldigten mit Blick auf die Würdigung des Tatvorwurfs als solchen unproblematisch sei, nämlich weil die Einvernahmen für die Beurteilung des Tatvorwurfs nicht wesentlich seien, da sich dieser auf die Videoaufnahme stütze. Unter dem Gesichtspunkt der vorab zu klärenden Frage, ob eine Einwilligung in das Erstellen der besagten Videoaufnahme vorliegt und die Aufnahme deshalb verwertbar ist, welche Frage sich nur unter Beizug der an den Einvernahmen gemachten Aussagen beurteilen lässt, würdigt die Vorinstanz die Problematik der nicht gewährten Teilnahmerechte hingegen nicht. Andererseits spricht die Vorinstanz von einer Verfahrenstrennung erst "nach Abschluss der Untersuchung". Ihren einleitenden Ausführungen zum Verfahrensgang lässt sich hiermit übereinstimmend entnehmen, dass
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das Untersuchungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und die zwei Mitbeschuldigten noch "gemeinsam geführt" worden ist. Demgemäss lag selbst laut der gemäss Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG verbindlichen Feststellung der Vorinstanz zum Zeitpunkt der Vornahme der delegierten polizeilichen sowie staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen der zwei Mitbeschuldigten gerade keine getrennte, sondern eine gemeinsame Verfahrensführung vor. Mangels getrennter Verfahrensführung im Untersuchungsverfahren kann eine solche aber auch nicht Grund für eine Einschränkung der Teilnahmerechte des Beschwerdeführers betreffend die im Untersuchungsverfahren abgehaltenen Einvernahmen bilden. Aus der von der Vorinstanz thematisierten Möglichkeit der Verfahrenstrennung ergibt sich folglich nichts, was die fehlende Teilnahme des Beschwerdeführers an den Einvernahmen der zwei Mitbeschuldigten als rechtmässig erscheinen lassen könnte.

1.6.6 Zum anderen argumentiert die Vorinstanz in ihrer Begründung der Verwertbarkeit der Aussagen unter Hinweis auf den Konfrontationsanspruch.
Sie gibt diesbezüglich ebenfalls zunächst die einschlägige Rechtsprechung wieder, wobei sie zusätzlich mit Verweis auf E. 2.5 des Urteils 6B_135/2018 vom 22. März 2019 festhält, bei Verletzung der Teilnahmerechte der beschuldigten Person im bisherigen Verfahren könne die Rechtsmittelinstanz gestützt auf die Bestimmung von Art. 389 Abs. 3 StPO , welche die Rechtsmittelinstanz zur Sicherstellung einer rechtskonformen Beweiserhebung verpflichte, die Verletzung der Beweisvorschriften durch die Einvernahme der Tatbeteiligten unter Wahrung des Teilnahme- und Konfrontationsanspruchs heilen. Betreffend den vorliegenden Fall erwägt sie, der Beschwerdeführer und die zwei Mitbeschuldigten hätten anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung Gelegenheit gehabt, den jeweils anderen Beteiligten Ergänzungsfragen zu stellen, da alle drei Verfahren zusammen verhandelt worden seien und allen Beteiligten umfassende Akteneinsicht gewährt worden sei. Dadurch sei das Recht der Beteiligten auf mindestens einmalige persönliche Konfrontation während des Verfahrens im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK gewahrt worden, sodass sämtliche Aussagen der zwei Mitbeschuldigten C.B. und B.B. uneingeschränkt verwertbar seien.

1.6.7 Wie im Folgenden zu zeigen ist, vermag dieser unter Bezugnahme auf den Konfrontationsanspruch getroffene Schluss der Vorinstanz ebenfalls nicht zu verfangen.
BGE 150 IV 345 S. 354

1.6.7.1 Wohl trifft zu, dass die Durchführung einer Einvernahme ohne Teilnahme der beschuldigten Person einer Wiederholung der Beweiserhebung nicht entgegensteht (vgl. statt vieler: Urteil 6B_224/ 2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.3) und das urteilende Sachgericht - nicht nur die Rechtsmittel-, sondern auch die Erstinstanz - für eine rechtskonforme Abnahme der Beweise besorgt zu sein und dementsprechend nicht ordnungsgemäss erhobene relevante Beweise grundsätzlich erneut abzunehmen hat (vgl. Art. 343 Abs. 2 und Art. 389 Abs. 2 lit. a StPO ). Das Sachgericht kann daher durch eine erneute, das Teilnahmerecht der beschuldigten Person wahrende Befragung einer bisher in Missachtung dieses Teilnahmerechts befragten Person verwertbare Aussagen schaffen (vgl. auch WIPRÄCHTIGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 18 zu Art. 343 StPO ). Dies hat jedoch nicht ohne Weiteres die vollumfängliche Verwertbarkeit der ersten, ohne Teilnahmerecht durchgeführten Einvernahme zur Folge.

1.6.7.2 Das Bundesgericht hat unter dem Gesichtspunkt des Konfrontationsanspruchs gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK die Verwertbarkeit sämtlicher Aussagen der belastend aussagenden Person jeweils stets bejaht, sofern eine hinreichende Konfrontation dieser Person mit der beschuldigten Person stattgefunden hat. Erfolgte eine entsprechende Konfrontation, d.h. wurde die befragte Person mindestens einmal im Verfahren nicht nur formell einer Konfrontationseinvernahme unterzogen, sondern äusserte sie sich anlässlich dieser Einvernahme auch inhaltlich nochmals zur Sache, damit die beschuldigte Person ihr Fragerecht tatsächlich ausüben konnte (vgl. dazu bereits E. 1.6.3.2 oben), steht nach der geltenden Rechtsprechung unter dem Aspekt des Konfrontationsanspruchs nichts entgegen, im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch auf die Ergebnisse der früheren Beweiserhebung ergänzend zurückzugreifen. Das Bundesgericht betonte in diesem Zusammenhang zugleich, dass die Frage, ob bei widersprüchlichen Aussagen oder späteren Erinnerungslücken eines Zeugen auf seine ersten, in Abwesenheit des Beschuldigten erfolgten Aussagen abgestellt werden könne, ausschliesslich die Würdigung der Beweise und nicht die Verwertbarkeit betreffe (vgl. Urteile 6B_1280/2022 vom 4. Mai 2023 E. 1.1.2; 6B_1253/2022 vom 26. April 2023 E. 3.1; 6B_1454/2022 vom 20. März 2023 E. 2.4.1; 6B_1078/2022 vom 25. Januar 2023 E. 2.1; 6B_986/2022 vom 24. November 2022 E. 1.1; 6B_1133/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 1.3.1 und 1.4.3; 6B_542/2016 vom 5. Mai
BGE 150 IV 345 S. 355
2017 E. 2.4; 6B_839/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 1.4.2; 6B_369/ 2013 vom 31. Oktober 2013 E. 2.3.3). Das in Art. 147 Abs. 1 StPO verankerte Teilnahmerecht prüfte das Bundesgericht sodann jeweils im Lichte des Konfrontationsanspruchs. Die diesbezügliche bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt dabei verschiedentlich den Eindruck zu, dass eine hinreichend erfolgte Konfrontation im Sinne des Mindeststandards von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK die Verwertbarkeit auch von früheren Aussagen zur Folge hat, die in Missachtung des Teilnahmerechts erhoben worden sind. Eine solche umfassende "Heilung" früherer Verfahrensmängel, von der die Vorinstanz auszugehen scheint, ergibt sich zwar nicht aus dem von ihr erwähnten Urteil 6B_135/2018 vom 22. März 2019, das sich zur Notwendigkeit der Wiederholung von Einvernahmen äussert. Indes bleibt namentlich im Urteil 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016 unklar, ob die dort bejahte hinreichende Konfrontation im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK auch die Verwertbarkeit früherer Einvernahmen nach sich zieht, die in Missachtung des Teilnahmerechts erfolgten (vgl. Urteil 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016 E. 1.7 ff.). In verschiedenen weiteren Urteilen findet sich ausserdem die Formulierung, Aussagen, die in einer ersten Befragung in Verletzung des Teilnahmerechts gemacht worden seien, blieben gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO unverwertbar, sofern sich die befragte Person in einer späteren Befragung gar nicht mehr bzw. nicht frei und unbeeinflusst zur Sache äussere, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die früheren, in Verletzung des Teilnahmerechts ergangenen Aussagen nach Vornahme einer hinreichenden Konfrontation verwertbar wären (vgl. etwa Urteile 6B_622/2023 vom 20. September 2023 E. 1.3.2; 6B_1079/2022 vom 8. Februar 2023 E. 3.3.2; 6B_1078/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 2.4.3; 6B_1040/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 3.2; 6B_101/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 1.3; 6B_136/2021 vom 6. September 2021 E. 2.4; 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2; 6B_1385/ 2019 vom 27. Februar 2020 E. 1.1; 6B_1133/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 1.3.2).

1.6.7.3 Auf diese Rechtsprechung ist zurückzukommen (so auch in den mit dem vorliegenden Verfahren zusammenhängenden Urteilen 6B_137/2022 und 6B_147/2022 heutigen Datums). Zwar können eine Verletzung des Teilnahmerechts und deren Folgen nicht losgelöst vom Konfrontationsanspruch nach Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK beurteilt werden; die beiden Garantien sind jedoch nicht deckungsgleich und zu unterscheiden: Art. 147 StPO sieht ein Recht auf
BGE 150 IV 345 S. 356
Teilnahme für sämtliche Verfahrensparteien bei allen staatsanwaltschaftlichen bzw. von der Staatsanwaltschaft an die Polizei delegierten sowie gerichtlichen Beweiserhebungen vor, verknüpft mit der Folge der Unverwertbarkeit des Beweises im Fall, dass das Teilnahmerecht unzulässigerweise eingeschränkt wurde. Der menschenrechtliche Standard von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK beinhaltet dagegen ein Recht allein der beschuldigten Person auf lediglich einmalige Konfrontation mit dem Belastungszeugen im gesamten Verfahren, wobei die Gewährleistung dieses Rechts Voraussetzung für die Verwertbarkeit sämtlicher belastender Aussagen dieses Zeugen bildet. Art. 147 StPO geht folglich in persönlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht über den Mindestanspruch der EMRK hinaus (vgl. ebenso ENGEL, Ausschluss der beschuldigten Person von Einvernahmen im Vorverfahren, 2023, Rz. 196 ff., 203 ff.; JOSITSCH/SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2023, Rz. 823; SCHÄR, Die Beschränkung von Teilnahmerechten und deren strafprozessuale Folgen, ZStrR 137/2019 S. 142 f.; SCHLEIMINGER/ SCHAFFNER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 4 zu Art. 147 StPO ; WOHLERS, Der Verzicht auf die Inanspruchnahme von Verteidigungsrechten, forumpoenale 4/2022 S. 310). Erhält die beschuldigte Person im Rahmen ihrer Teilnahme Gelegenheit, die Schilderungen der belastend aussagenden Person tatsächlich in Frage zu ziehen, geht der Konfrontationsanspruch demnach vollständig im Teilnahmerecht auf (so zu verstehen auch ENGEL, a.a.O.; SCHÄR, a.a.O., S. 158).
Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Tragweiten der zwei Garantien ist die erneute Durchführung einer Einvernahme der belastend aussagenden Person differenziert zu betrachten. Während die Wiederholung einer Einvernahme mit erstmaliger Einräumung des Konfrontationsrechts im Sinne des Mindeststandards der EMRK dazu dient, sämtliche vorhandenen, früheren Aussagen einer Verwertbarkeit zuzuführen, geht es bei der Wiederholung einer in Missachtung des Teilnahmerechts von Art. 147 Abs. 1 StPO abgehaltenen Einvernahme unter erstmaliger Wahrung des Teilnahmerechts darum, überhaupt erst verwertbare Aussagen zu schaffen. Auch wenn eine entsprechende Wiederholung ermöglicht, zugleich sowohl eine Konfrontation als auch das Teilnahmecht (erstmals) sicherzustellen, kann sie nicht zur Verwertbarkeit einer vorausgegangenen, in Verletzung des Teilnahmerechts durchgeführten Einvernahme führen. Die diesbezügliche gesetzliche Regelung von Art. 147
BGE 150 IV 345 S. 357
Abs. 4 StPO
, die ausdrücklich die Unverwertbarkeit der Einvernahme zulasten der nicht anwesenden Partei vorsieht, ist unmissverständlich. Die überwiegende Lehre spricht sich, soweit sie sich zur Frage konkret äussert, ebenfalls für eine Unverwertbarkeit der zu Unrecht ohne Wahrung des Teilnahmerechts abgehaltenen (ersten) Einvernahme aus (vgl. CHRISTEN, Anwesenheitsrecht im schweizerischen Strafprozessrecht mit einem Exkurs zur Vorladung, 2010, S. 170; GODENZI, Heimliche Einvernahmen, Die Aushöhlung der Parteiöffentlichkeit der Untersuchung durch den Grundsatz der getrennten Einvernahme, ZStrR 129/2011 S. 335 f., insb. Fn. 53; GUISAN, La violation du droit de participer [art. 147 CPP], AJP 2019 S. 347; SCHLEIMINGER/SCHAFFNER, a.a.O., N. 4 und 41 zu Art. 147 StPO ; WOHLERS, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], 3. Aufl. 2020, N. 9d zu Art. 147 StPO ; vgl. ebenso NOLL, Das Recht des Beschuldigten zur Teilnahme an Einvernahmen, 2013, S. 84-86, der weitergehend gar infolge "Verbrauchs" des Zeugen die Unverwertbarkeit rechtskonformer Wiederholungseinvernahmen proklamiert). Eine Grundlage, die Regelung von Art. 147 Abs. 4 StPO zu übergehen, ist nicht auszumachen und kann nach dem Ausgeführten insbesondere nicht aus dem Konfrontationsanspruch abgeleitet werden. Auch in den oben erwähnten, eine entsprechende Verwertbarkeit implizierenden bundesgerichtlichen Urteilen wird eine solche Grundlage denn weder ausdrücklich genannt noch hergeleitet. Dem jeweils angeführten BGE 143 IV 457 ist zu dieser Frage nichts zu entnehmen, und im Übrigen geht die Rechtsprechung auf ein Urteil aus dem Jahr 2018 zurück, das in der Subsumtion aufgrund der Formulierung den Schluss auf eine Verwertbarkeit der ersten, teilnahmslos erfolgten Aussagen zulässt, diese Rechtsfolge jedoch seinerseits nicht näher begründet (vgl. die in E. 1.6.7.2 oben in fine genannten Urteile, insb. 6B_1385/2019 vom 27. Februar 2020 E. 1.1 und 6B_1133/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 1.3.2 jeweils mit Hinweis u.a. auf das Urteil 6B_321/2017 vom 8. März 2018 E. 1.5.2). Genauso wenig als Erklärung zu dienen vermag davon abgesehen der in der betreffenden Rechtsprechung mitunter aufgeführte, den Eindruck einer Begründung für eine entsprechende Verwertbarkeit machende Hinweis, allfällige Ungereimtheiten und Widersprüche zwischen den früheren und späteren Aussagen stellten nicht eine Frage der Verwertbarkeit, sondern der Beweiswürdigung dar (so in Urteil 6B_1078/ 2020 vom 26. Oktober 2022 E. 2.4.3; vgl. auch Urteil 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2). Der fragliche Hinweis entstammt, wie
BGE 150 IV 345 S. 358
schon erwähnt, der Rechtsprechung zum Konfrontationsanspruch und nimmt in einem diesbezüglichen Fall Bezug auf einen vom dortigen Beschwerdeführer erhobenen Einwand, es könne auf die erste, unkonfrontierte Aussage (auch) deshalb nicht abgestellt werden, weil diese das massgebliche Beweismittel sei, d.h. selbst ein ausnahmsweise mögliches Heranziehen der Aussage ohne Konfrontation (vgl. dazu E. 1.6.3.2 oben) ausscheide. Das Bundesgericht befand in jenem Fall (unter dem Aspekt des Konfrontationsanspruchs), dass sämtliche Aussagen infolge hinreichender Konfrontation verwertbar seien und daher nicht zu prüfen sei, ob der ersten Einvernahme ausschlaggebende Bedeutung zukomme. In diesem Kontext - und somit von einer Verwertbarkeit sämtlicher Aussagen bereits ausgehend und diese nicht erst begründend - führte es an, ob bei Diskrepanzen in den Aussagen auf die ersten, in Abwesenheit der beschuldigten Person erfolgten Aussagen abgestellt werden könne, betreffe nicht die Verwertbarkeit, sondern ausschliesslich die Beweiswürdigung (vgl. Urteil 6B_325/2011 vom 22. August 2011 E. 2.3).
Würden Aussagen, die unzulässigerweise ohne Wahrung des Teilnahmerechts ergangen sind, als verwertbar erachtet, sobald nachträglich zumindest eine Konfrontation im Sinne des Mindestfragerechts von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK stattgefunden hat, bedeutete dies eine Gleichsetzung des Teilnahmerechts mit jenem der Minimalgarantie der EMRK und damit eine Entleerung der Norm von Art. 147 StPO um ihren weitergehenden Sinngehalt. Nicht nur erfolgte dies wider den klaren Gesetzestext und den gesetzgeberischen Willen, die Teilnahmerechte als Gegengewicht zur starken Stellung der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren und zum Prinzip der beschränkten Unmittelbarkeit im Hauptverfahren zu stärken (vgl. BGE 139 IV 25 E. 5.3), welcher Wille anlässlich der aktuellen Teilrevision der Strafprozessordnung 2019 (vgl. Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung [...], BBl 2019 6697 ff.) erneut bestätigt wurde, da sich in deren Rahmen Forderungen nach einer Rückführung der Teilnahmerechte auf den Minimalstandard der EMRK nicht durchzusetzen vermochten (vgl. dazu: RUCKSTUHL, Verteidigung und Verfahrensrechte, in: Die revidierte Strafprozessordnung, Geth [Hrsg.], 2023, S. 98 f. Rz. 3.61 ff.; WOHLERS, Das Teilnahmerecht der Parteien bei Beweiserhebungen im strafprozessualen Vorverfahren, in: Strafprozessrecht, 10 Jahre Schweizerische StPO, Jeker/Held/Jeanneret [Hrsg.], 2022, S. 361 ff. Rz. 17 ff., insb. S. 367 ff. Rz. 29 und 33). Auch liesse sich ein solches, auf ein
BGE 150 IV 345 S. 359
Minimalfragerecht reduziertes Verständnis von Art. 147 StPO mit der weiteren bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend das Teilnahmerecht nicht vereinbaren. So entzöge ein entsprechendes Verständnis namentlich der Argumentation den Boden, wonach an die Zulässigkeit der Verfahrenstrennung nach Art. 30 StPO besonders deshalb ein strenger Massstab anzulegen ist, weil in separaten Verfahren beschuldigte Personen bezüglich Beweiserhebungen in anderen Verfahren die in Art. 147 Abs. 1 StPO vorgesehenen Teilnahmerechte nicht geltend machen können, sondern (betreffend Einvernahmen) nur den Konfrontationsanspruch als Minimalanspruch (vgl. dazu E. 1.6.5 oben mit Hinweisen, vgl. auch Urteil 7B_9/2021 vom 11. September 2023 E. 10.4.2). Nicht zuletzt aber führte die Annahme eines mit dem Konfrontationsanspruch übereinstimmenden Gehalts des Teilnahmerechts zu einem unauflösbaren Widerspruch ebenso in der Anwendung der Bestimmung von Art. 147 StPO selbst, da einerseits frühere, in Missachtung des Teilnahmerechts ergangene Aussagen für die Vorbereitung der Wiederholungs- bzw. Konfrontationseinvernahme in Anwendung von Art. 147 Abs. 4 StPO absolut unverwertbar sind (vgl. E. 1.6.3.2 oben und explizit auch die erwähnten, einen gleichen Gehalt von Konfrontationsanspruch und Teilnahmerecht zulassenden bzw. vorsehenden Urteile, namentlich Urteile 6B_622/2023 vom 20. September 2023 E. 1.3.2; 6B_1079/ 2022 vom 8. Februar 2023 E. 3.3.2; 6B_1078/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 2.4.3), andererseits jedoch die gleichen früheren Aussagen nach Abhalten der Wiederholungs- bzw. Konfrontationseinvernahme entgegen dem vormals angewandten Art. 147 Abs. 4 StPO verwertbar sein sollen. Die Annahme eines auf die Minimalgarantie der EMRK reduzierten Teilnahmerechts widerspricht insofern letztlich auch BGE 143 IV 457 , der die absolute Unverwertbarkeit von in Verletzung des Teilnahmerechts abgehaltenen Einvernahmen zum Nachteil der in ihrem Teilnahmerecht verletzten Partei explizit festhält. Diese Rechtsfolge ist aus den dargelegten Gründen für den Fall der Wiederholung der Einvernahme zu bekräftigen.

1.6.7.4 Die Rechtsprechung ist nach dem Gesagten anzupassen. Die Voraussetzungen dafür liegen vor (vgl. BGE 149 II 381 E. 7.3.1; BGE 149 V 177 E. 4.5; je mit Hinweisen). Zusammenfassend gilt demnach, dass eine Einvernahme, an der das Teilnahmerecht der beschuldigten Person gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO unzulässigerweise nicht gewährleistet war und die daher gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht verwertet werden darf, auch nach einer Wiederholung der
BGE 150 IV 345 S. 360
Einvernahme unter Wahrung des Teilnahmerechts bzw. unter hinreichender Konfrontation weiterhin unverwertbar im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO bleibt. Eine spätere Einräumung des Teilnahmerechts bzw. Gewährleistung der Konfrontation führt nicht zur Verwertbarkeit von nach Art. 147 Abs. 4 StPO unverwertbaren Einvernahmen.

1.6.8 Die Vorinstanz verletzt bei dieser Rechtslage Bundesrecht, wenn sie die grundlos ohne Teilnahme des Beschwerdeführers oder seines Verteidigers und damit in Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO abgehaltenen delegierten polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen der zwei Mitbeschuldigten C.B. und B.B. bzw. die dort gemachten Aussagen als uneingeschränkt verwertbar erachtet mit der Begründung, das Recht auf mindestens einmalige persönliche Konfrontation der Beteiligten sei im Rahmen ihrer gerichtlichen Befragung vor der Erstinstanz gewahrt worden. Mangels Wahrung des Teilnahmerechts hätte die Vorinstanz die betreffenden Einvernahmen bzw. Aussagen in Anwendung von Art. 147 Abs. 4 StPO als nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers verwertbar taxieren müssen. Sie hätte sie demzufolge auch nicht zur Begründung ihres zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfallenden Schlusses auf eine Einwilligung in das Erstellen der Videoaufnahme verwenden dürfen. Die Rüge des Beschwerdeführers ist insofern begründet. Auf seine Kritik an der Würdigung der Aussagen braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.

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