Urteilskopf
81 III 30
10. Entscheid vom 17. Februar 1955 i.S. Konkursamt Wil.
Regeste
Das Vorgehen des Sachwalters oder der Konkursverwaltung beim Vollzug eines Nachlassvertrags kann nicht Gegenstand einer Beschwerde im Sinne von
Art. 17 SchKG
sein.
Am 22. März 1954 wurde über Theo Müller in Wil der Konkurs eröffnet. Am 9. Dezember 1954 bestätigte das Bezirksgericht Wil einen von Müller vorgeschlagenen Nachlassvertrag und beauftragte das Konkursamt Wil, das als Konkursverwaltung geamtet hatte, mit der Auszahlung der Nachlassdividende. Am 23. Dezember 1954 wurde der Konkurs widerrufen.
Am 3. Januar 1955 führte Müller bei der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs gegen das Konkursamt Beschwerde, weil es ihm die "Abrechnung im Nachlassverfahren" noch nicht habe zukommen lassen. Mit Entscheid vom 26. Januar 1955 hat die Aufsichtsbehörde die Beschwerde gutgeheissen und das Konkursamt angewiesen, die Abrechnung in der Nachlasssache Theo Müller unverzüglich zu erstellen und das Verfahren abzuschliessen. Sie nahm dabei an, falls das Konkursamt
BGE 81 III 30 S. 31
von der Nachlassbehörde mit dem Vollzug des Nachlassvertrags beauftragt werde, unterstehe es hinsichtlich dieser Tätigkeit der Überwachung durch die Aufsichtsbehörde, obwohl diese Tätigkeit nicht zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehöre.
Miit seinem Rekurs an das Bundesgericht beantragt das Konkursamt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventuell sei sie als unbegründet abzuweisen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Beschwerde bezieht sich, wie die Vorinstanz annimmt, nicht auf die Tätigkeit des Konkursamtes als Konkursverwaltung, zu der auch die Begutachtung des vom Gemeinschuldner vorgeschlagenen Nachlassvertrags (
Art. 317 Abs. 1 SchKG
), die Besorgung der bei einem Nachlassvertrag ausser Konkurs dem Sachwalter obliegenden Verrichtungen (
Art. 317 Abs. 2 SchKG
) und die Erstellung einer Rechnung über den Geldverkehr und die Gebühren des Konkursverfahrens (Art. 24 KV) gehören, sondern auf den Vollzug des Nachlassvertrags, mit dem das Konkursamt von der Nachlassbehörde betraut wurde.
Der Vollzug des Nachlassvertrags liegt nach dem Gesetz beim Nachlassvertrag ausser Konkurs nicht dem Sachwalter, beim Nachlassvertrag im Konkurs nicht der an dessen Stelle handelnden Konkursverwaltung ob. Vielmehr ist er in beiden Fällen grundsätzlich Sache des Schuldners. Die Funktionen des Sachwalters und der Konkursverwaltung gehen mit der Bestätigung des Nachlassvertrags bzw. mit dem darauf folgenden Widerruf des Konkurses zu Ende. Wenn die Personen, die als Sachwalter oder Konkursverwaltung amteten, sich gleichwohl mit dem Vollzug des Nachlassvertrags befassen, so tun sie dies nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern auf Grund eines privatrechtlichen Auftrags. Da sich die Beschwerde im Sinne von
Art. 17 SchKG
grundsätzlich nur gegen Massregeln bzw. die Verzögerung oder Verweigerung von
BGE 81 III 30 S. 32
Massregeln richten kann, die ein Organ des Betreibungs- oder Konkursverfahrens oder der Sachwalter im Nachlassverfahren im Rahmen seiner amtlichen Befugnisse vornimmt oder vorzunehmen hat (
BGE 61 III 38
), kann also das Vorgehen des Konkursamtes beim Vollzug des Nachlassvertrags nicht Gegenstand einer Beschwerde sein (Entscheid des Bundesrates vom 23. Februar 1894 in Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs 3 S. 78 Nr. 29;
BGE 28 I 414
,
BGE 31 I 183
f. = Sep.ausg. 5 S. 264, 8 S. 42; JAEGER, N. 5 zu
Art. 295 SchKG
, S. 430, und N. 7 zu
Art. 317 SchKG
; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 75 Anm. 6).
Der Umstand, dass es die Nachlassbehörde war, die den Vollzug des streitigen Nachlassvertrags dem Konkursamt übertrug, vermag hieran entgegen der Auffassung, welche die zürcherische Aufsichtsbehörde in einem ähnlichen Falle (Bl.Z.R. 39 Nr. 77) vertreten hat, nichts zu ändern. Die Nachlassbehörde, der ein Nachlassvertrag zur Genehmigung vorgelegt wird, hat nur zu entscheiden, ob dieser zu bestätigen oder zu verwerfen sei. Sie kann ihn von sich aus weder ändern noch ergänzen (vgl. JAEGER N. 4 zu Art. 306, S. 452). Das Bezirksgericht Wil war also nur dann befugt, das Konkursamt mit dem Vollzug des streitigen Nachlassvertrags zu betrauen, wenn dieser eine entsprechende Bestimmung enthielt, d.h. wenn der Schuldner und die zustimmenden Gläubiger wünschten, dass jene Aufgabe dem Konkursamt übertragen werde. Das Bezirksgericht hat also in diesem Fall damit, dass es das Konkursamt einlud, den Nachlassvertrag zu vollziehen, in Wirklichkeit nur einen privaten Auftrag weitergeleitet. Sollte es aber das Konkursamt von sich aus im Sinne einer behördlichen Weisung mit dieser Aufgabe betraut haben, so wäre dadurch der Kreis der amtlichen Befugnisse des Konkursamtes ebenfalls nicht ausgedehnt worden, weil es mit einer solchen Weisung seine Zuständigkeit als Nachlassbehörde überschritten hätte und weil es überhaupt ausgeschlossen ist, die amtlichen Befugnisse und Pflichten des Konkursamtes durch eine richterliche oder administrative
BGE 81 III 30 S. 33
Anordnung über den gesetzlichen Rahmen hinaus zu erweitern.
Die Möglichkeit, das Vorgehen des Sachwalters oder der Konkursverwaltung beim Vollzug eines Nachlassvertrags durch Beschwerde anzufechten, lässt sich auch nicht etwa daraus ableiten, dass Art. 66 Abs. 2 des bundesrätlichen Gebührentarifs zum SchKG vom 13. April 1948 bestimmt, wenn der Sachwalter die Nachlassdividende auszahle, sei Art. 41 Abs. 1 dieses Tarifs anwendbar. Durch eine Bestimmung der von ihm auf Grund von
Art. 16 SchKG
erlassenen Verordnung konnte der Bundesrat die aus dem Gesetz sich ergebenden Grenzen der Zuständigkeit des Sachwalters und der Konkursverwaltung nicht verschieben (vgl.
BGE 81 III 37
Mitte).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Ent scheid wird aufgehoben und auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.