Urteilskopf
82 II 136
19. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1956 i.S. Zbrojovka Brno, Nationalunternehmen, gegen Richter.
Regeste
Art. 97, 205 OR
.
a) Auch wenn der Käufer Ersatz des Minderwertes der Sache verlangt, hat er bei Verschulden des Verkäufers Anspruch auf Ersatz des durch die Mängel der Sache verursachten weiteren Schadens (Erw. 3 a).
b) Dieser kann darin bestehen, dass dem Käufer Gewinn entgeht, weil seine Kunden wegen der mangelhaften Lieferung ihm keine weiteren Erzeugnisse des Verkäufers mehr abnehmen (Erw. 3 b).
c) Sorgfaltspflichten des Verkäufers, der von einem Dritten hergestellte Maschinen absetzt (Erw. 3 c).
A.-
Die Zbrojovka Brno, Nationalunternehmen in Brünn (Tschechoslovakei), liess Fritz Richter in Schaan (Liechtenstein) durch die Maschinenfabrik Vltavsky in Rakovnik zwanzig hydraulische Pressen liefern. Die ersten davon wurden am 29. November 1946 versandt. Die Rechnungen der Zbrojovka Brno über die zwanzig Maschinen wurden am 24. Oktober 1946, 5. Dezember 1946 und 21. Januar 1947 ausgestellt und lauten auf zusammen Fr. 132'842.70. Da sie nicht bezahlt wurden, liess die Rechnungstellerin in Wil (St. Gallen) liegendes Vermögen Richters mit Arrest belegen, leitete Betreibung ein und erwirkte am 1. Juli 1950 beim Bezirksgerichtspräsidenten von Wil für einen Teilbetrag von Fr. 68'746.70 nebst 5% Zins seit 26. Januar 1947 provisorische Rechtsöffnung. Dieser Entscheid wurde am 17. August 1950 vom Rekursrichter bestätigt.
B.-
Richter klagte rechtzeitig auf Aberkennung der Forderung von Fr. 68'746.70 nebst Zins, Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten. Er machte geltend, die Kaufpreisforderung vermindere sich wegen Nichtlieferung von neun Zeitmessern auf Fr. 128'342.70. Diese Forderung verrechne er mit einer Schadenersatzforderung von Fr. 190'323.17, weil acht der erwähnten Pressen Mängel aufgewiesen hätten. Sein Schaden setze sich zusammen aus Fr. 32'993.--, die er einem seiner Käufer, der Xamax A.-G. in Zürich, als Schadenersatz habe leisten müssen, aus Fr. 19'337.57 eigenen Aufwendungen zur Instandstellung der fehlerhaften Maschinen und aus Fr. 137'992.60 entgangenem Gewinn.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie anerkannte indes, dass ihre Forderung sich infolge Nichtlieferung von Zeitmessern auf Fr. 128'342.70 vermindere.
Das Bezirksgericht Wil wies die Klage ab.
Auf Berufung des Klägers hiess das Kantonsgericht von St. Gallen sie dagegen mit Urteil vom 16. November 1955 dahin teilweise gut, dass es vom Forderungsbetrag, für den provisorische Rechtsöffnung erteilt worden war, einen Teilbetrag von Fr. 40'033.04 nebst 5% Zins seit 26. Januar 1947 und 5% Zins auf den restlichen Fr. 28'713.66 vom 26. Januar 1947 bis 26. Oktober 1948, ferner Fr. 8.- Betreibungskosten, Fr. 36.70 Rechtsöffnungskosten und Fr. 80.- Prozessentschädigung des Rechtsöffnungsverfahrens aberkannte. Das Kantonsgericht nahm an, die Beklagte habe vom Kläger nur Fr. 28'713.66 zu fordern, da die Kaufpreisforderung von Fr. 128'342.70 wegen Minderwerts von acht Pressen um Fr. 34'629.04 zu mindern sei und die Verkäuferin dem Kläger ausserdem Fr. 65'000.-- entgangenen Gewinn schulde, weil die Xamax A.-G. und die Prewag, Presswerk A.-G., dem Kläger weitere Pressen der Beklagten abgekauft hätten, wenn die gelieferten nicht mangelhaft gewesen wären.
C.-
Die Beklagte hat die Berufung erklärt mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
D.-
Der Kläger beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Im kantonalen Verfahren haben beide Parteien sich auf das schweizerische Recht berufen. Damit haben sie ihr Rechtsverhältnis gültig diesem Recht unterstellt (
BGE 79 II 297
ff.,
BGE 80 II 50
, 180). Auf die Berufung ist daher einzutreten.
2.
Die Beklagte ficht das Urteil des Kantonsgerichts nur insoweit an, als es einen Anspruch des Klägers auf entgangenen Gewinn von Fr. 65'000.-- bejaht. Sie beanstandet die Auffassung des Kantonsgerichts, wonach sie gemäss
Art. 101 OR
für die mangelhafte Herstellung der Maschinen auch dann einzustehen habe, wenn die Maschinenfabrik
BGE 82 II 136 S. 139
Vltavsky kein Verschulden treffe, da diese ihre Erfüllungsgehilfin gewesen sei. Die Beklagte macht geltend, diese Firma habe höchstens durch den Versand der Pressen als Erfüllungsgehilfin gehandelt, da nur die Lieferung, nicht auch die Herstellung der Maschinen Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages sei.
Diese Frage kann indessen offen bleiben, da alle Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht der Beklagten unabhängig davon erfüllt sind, ob sie für die mangelhafte Herstellung der Maschinen aus
Art. 101 OR
einzustehen hat.
3.
a) Die Beklagte bestreitet mit Recht nicht, dass der Schadenersatzanspruch des Käufers wegen Lieferung mangelhafter Ware neben dem Anspruch auf Ersatz des Minderwertes Platz hat, also nicht die Wandelung des Kaufes voraussetzt, obschon eine dem
Art. 208 Abs. 3 OR
entsprechende Bestimmung in Art. 205 fehlt. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt hier die allgemeine Norm des
Art. 97 Abs. 1 OR
, wonach der Schuldner, der eine Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllt, für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten hat, wenn er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle (
BGE 58 II 210
ff.,
BGE 63 II 405
).
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Schaden im Sinne dieser Bestimmung im Falle der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache darin bestehen, dass dem Käufer Gewinn entgeht, weil seine Kunden davon absehen, ihm weitere Erzeugnisse des Verkäufers abzunehmen. Voraussetzung ist nur, dass der Käufer weitere Geschäfte einerseits mit dem Verkäufer, anderseits - gewinnbringend - mit seinen eigenen Abnehmern sicher zustande gebracht hätte, wenn der Verkäufer nicht mangelhaft erfüllt hätte. In diesem Falle hängt das Entgehen des Gewinnes aus weiteren Geschäften ursächlich zusammen mit der mangelhaften Lieferung.
So verhält es sich auch hier. Das Kantonsgericht stellt anhand des Ergebnisses der Beweisführung verbindlich
BGE 82 II 136 S. 140
fest, dass die Xamax A.-G. beim Kläger für Fr. 146'800.-- weitere Pressen bestellt hätte, wenn sie nicht mangelhaft beliefert worden wäre, und dass dem Kläger wegen der minderwertigen Lieferung der Beklagten auch eine weitere Bestellung der Prewag, Presswerk A.-G. über eine 100 T-Presse entgangen ist. Das Bundesgericht ist auch an die im Beweisdekret des Kantonsgerichts vom 7. Oktober 1954 enthaltene, sich auf die Aussagen von Zeugen stützende Feststellung gebunden, wonach die zwischen den Parteien bestehenden Meinungsverschiedenheiten einzig Folge der mangelhaften Lieferungen waren und ohne sie die Beklagte den Kläger, der offenbar ihr Vertrauen genossen habe, weiter beliefert hätte. Ergänzt werden diese Feststellungen durch die Schreiben der Tschechoslowakischen Metallwaren- und Maschinenfabriken, Nationalunternehmen, an den Kläger vom 27. Oktober und 24. November 1947. Im ersten Brief wird das Erstaunen darüber ausgedrückt, dass der Kläger anlässlich eines Besuches im Werke Vltavsky alle seine Bestellungen über Pressen widerrufen habe, und im zweiten Brief ist von einem neuen Angebot von Vltavsky-Pressen RB 45 die Rede. Das Kantonsgericht hat daher mit Recht einen rechtserheblichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Lieferung minderwertiger Pressen durch die Beklagte und dem Ausfall von Gewinn, den der Kläger als Zwischenhändler durch Abschluss weiterer Geschäfte hätte erzielen können, bejaht.
c) Der vom Kantonsgericht geteilten Auffassung der Beklagten, sie habe die mangelhafte Erfüllung nicht verschuldet, ist nicht beizupflichten. Sie verkennt, dass nicht der Käufer das Verschulden des Verkäufers an der Mangelhaftigkeit der Leistung zu beweisen hat, sondern dass
Art. 97 Abs. 1 OR
dem Schuldner (Verkäufer) den Beweis dafür auferlegt, dass ihn keinerlei Verschulden treffe. Der Beklagten oblag es daher, Tatsachen nachzuweisen, aus denen sich ergäbe, dass sie die Mängel der Pressen nicht verschuldet habe.
Eine solche Tatsache lag nicht darin, dass der Kläger im Prozess vorbrachte, die Mängel hätten sich erst beim Betrieb der Maschinen gezeigt. Das konnte nur heissen, er habe sie nicht sofort wahrnehmen und rügen können. Indem das Kantonsgericht daraus ableitet, auch die Beklagte als Zwischenhändlerin habe sie nicht selbst erkennen können, zumal sie zur Prüfung der Maschinen vor der Ablieferung nicht gehalten gewesen sei, verkennt es die ihr obliegenden Pflichten. Wie die Erfahrung lehrt, werden Maschinen vom Hersteller auf dem Prüfstand auf Mängel hin untersucht. Wenn der Zwischenhändler es mit seinen Pflichten ernst nimmt, kann er sich dort davon überzeugen, ob die Maschine den Anforderungen entspricht. Auch die Beklagte hätte das tun können. Dass sie es getan und dabei trotz aller Umsicht die Mängel nicht wahrgenommen habe, wird nicht einmal behauptet. Die Beklagte bringt auch keine anderen Tatsachen vor, die ihr Verschulden widerlegten, z.B. dass die Pressen in der Maschinenfabrik Vltavsky auch ohne Begehren und in Abwesenheit des Zwischenhändlers regelmässig einer genauesten Kontrolle unterzogen und erst dann zur Lieferung freigegeben worden seien, wenn sie die Prüfung in jeder Hinsicht bestanden hätten, oder dass frühere Bezüger immer restlos zufrieden gewesen seien und die Pressen dieser Fabrik allgemein den Ruf bester Erzeugnisse genossen hätten, der die Prüfung der einzelnen Maschine durch die Beklagte überflüssig gemacht habe. Aus einem Brief des Klägers an die Maschinenfabrik Vltavsky vom 9. September 1946 ergibt sich im Gegenteil, dass der Kläger die Fabrik schon damals auf Mängel an früher gelieferten Pressen aufmerksam machte und um bessere Lieferung ersuchte. Wenn auch nicht feststeht, dass die Beklagte von dieser Beanstandung Kenntnis hatte, als am 29. November 1946 die ersten Pressen versandt wurden, deren Mangelhaftigkeit Anlass zum vorliegenden Verfahren gegeben hat, so ist diese Rüge in Verbindung mit den vom Kantonsgericht festgestellten Mängeln der Pressen doch
BGE 82 II 136 S. 142
deutliches Zeichen dafür, dass die Erzeugnisse der Maschinenfabrik Vltavsky nicht gut waren. Die Beklagte hat den Beweis, dass sie davon trotz aller zumutbaren Umsicht nicht Kenntnis haben konnte, nicht angetreten.
Sie ist dem Kläger daher zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
d) Gegen die Bemessung des dem Kläger entgangenen Nettogewinnes auf Fr. 65'000.-- wendet die Beklagte in der Berufung nichts ein. Sie macht auch keine Gründe geltend, die zur Herabsetzung der Ersatzpflicht Anlass geben könnten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 16. November 1955 bestätigt.