BGE 82 II 321 vom 29. Mai 1956

Datum: 29. Mai 1956

BGE referenzen:  102 II 45, 112 IB 334

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

82 II 321


44. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Mai 1956 i.S. M. gegen Kanton Aargau.

Regeste

§ 2 aarg. Gesetz über die Verantwortlichkeit der öffentlichen Beamten und Angestellten und über die Haftung des Staates und der Gemeinden für ihre Beamten, vom 21. Dezember 1939.
Der Kanton Aargau haftet nicht für die Behandlung, die ein Privatpatient im Kantonsspital durch den Stellvertreter des Chefarztes der chirurgischen Abteilung erfahren hat.

Sachverhalt ab Seite 322

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A.- D. M., Ehefrau eines Zahnarztes in Villars bei Ollon, litt an einer chronischen Erkrankung des rechten Hüftgelenkes. Sie liess sich deswegen am 20. Juni 1952 durch Dr. B., Oberarzt an der chirurgischen Abteilung des Kantonsspitals in Aarau, mit dem ihr Ehemann seit der Studienzeit freundschaftliche Beziehungen unterhielt, beraten. Dr. B. untersuchte die Kranke und schlug Operation nach Methode Smith-Petersen vor. Als Zeitpunkt des Eingriffs wurde der Herbst 1952 in Aussicht genommen. Der Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Kantonsspitals, Dr. Othmar Häuptli, wohnte der Beratung vom 20. Juni 1952 nicht bei. Dr. B. erklärte jedoch der Untersuchten, die Rechnung hiefür werde im Namen des Dr. Häuptli ausgestellt werden. Das geschah denn auch am 7. Juli 1952. Am gleichen Tage schrieb Dr. M., Ehemann der Patientin, dem Dr. Häuptli was folgt:
"Je reçois votre facture du 7 ct. frs. 20.- pour la consultation que mon ami le Dr B. a donnée à ma femme dernièrement. Cette petite note sera réglée prochainement.
Il est envisagé pour l'automne prochain une intervention chirurgicale dans la région de la hanche avec inclusion d'une cupule de vitallium, et nous aimerions qu'elle soit effectuée dans votre accueillant hôpital d'Aarau par le Dr B.
Seriez-vous assez aimable pour me renseigner sur les frais d'intervention chirurgicale avec lesquels nous devrions compter (hospitalisation, imprévus et divers non compris), afin que nous puissions les envisager dès maintenant."
Am 26. Juli 1952 liess Dr. Häuptli durch seine Sekretärin, Schwester Elise Müller, antworten, dass sein Honorar etwa Fr. 400.-- betragen werde und die Tagestaxe sich für ausserkantonale Privatpatienten höchstens auf Fr. 22.- nebst 20% Teuerungszuschlag belaufe.
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Ende September oder Anfang Oktober 1952 erhielt Dr. M. einen Expressbrief, in dem Dr. B. ihm mitteilte, die Privatpatienten der chirurgischen Abteilung würden grundsätzlich von Dr. Häuptli operiert, doch sei dieser bis 5. Oktober 1952 in den Ferien, weshalb Dr. B. bis dahin die Operation vornehmen könnte, ohne mit seinem Vorgesetzten Fühlung nehmen zu müssen; Frau M. möge daher am 3. Oktober 1952 in das Spital eintreten.
Frau M. tat das. Sie wurde von der Aufnahmeschwester der chirurgischen Abteilung, Marie Schweigler, empfangen. Diese vermerkte sie auf dem für die Spitalverwaltung bestimmten Personalienblatt und auf dem Tagesrapport als Patientin der Privatabteilung, da Schwester Müller sie in diesem Sinne unterrichtet hatte. Ohne jenes Blatt fertig auszufüllen, wies Schwester Schweigler Frau M. auf die Privatabteilung, deren Personal die Privatpatienten selber aufzunehmen pflegte. Hier führte Schwester Marguerite Humbel Frau M. in das Zimmer, das für sie vorbereitet worden war, und legte ihr noch am gleichen Tage das erwähnte Blatt zur Eintragung ihrer Personalien vor.
Am 4. Oktober 1952 wurde Frau M. von Dr. B. nach der Methode Judet operiert. Ab 6. Oktober behandelte Dr. Häuptli sie weiter, und zwar betreute er sie so, wie er seine Privatpatienten zu betreuen pflegte (täglich zwei Besuche in Begleitung einer Schwester). Sie blieb bis 7. Dezember 1952 im Kantonsspital. Dieses stellte ihr für ihre Verpflegung und gewisse andere Leistungen (Verpflegung der Privatschwester, Unkosten der Operation, Laboratoriumsgebühren usw.) am 7. November, 5. und 11. Dezember 1952 Rechnung. Die Rechnungen bezeichneten sie durch die Abkürzungen "Chir. Priv." als Privatpatientin der chirurgischen Abteilung. Dr. M. bezahlte die Saldi - Fr. 400.-- hatte die Patientin bei ihrem Eintritt vorgeschossen - am 20. November und 15. Dezember 1952. Am 9. Januar 1953 forderte Dr. Häuptli von ihrem Ehemanne "für ärztliche Bemühung vom 3. Oktober bis
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17. Dezember 1952" Fr. 700.--. Dr. M. bezahlte die Rechnung am 4. April 1953.

B.- Mit Klage vom 14. Mai 1955 beantragt Frau M. dem Bundesgericht: 1. der Kanton Aargau sei zu verurteilen, ihr Fr. 149'216.-- nebst 5% Zins seit 29. September 1953 zu bezahlen; 2. der vom Beklagten in der Betreibung Nr. 12620 des Betreibungsamtes Aarau erhobene Rechtsvorschlag sei bis zu diesem Betrage als endgültig beseitigt zu erklären; 3. die Revision des Urteils sei für zwei Jahre vom Tage seiner Ausfällung an vorzubehalten.
Die Klägerin begründet die Forderung mit der Verantwortlichkeit des Kantons Aargau für fehlerhafte Operation und Behandlung durch Dr. B., der als Beamter in Ausübung seines Dienstes gehandelt habe.

C.- Der Kanton Aargau ist auf Ersuchen hin durch den Instruktionsrichter ermächtigt worden, die Antwort auf die Frage der Passivlegitimation zu beschränken. Er beantragt, die Klage sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, er hafte nicht, denn Dr. B. habe die Klägerin nicht in Ausübung seines Dienstes, sondern auf Grund eines privaten Auftrages operiert.

D.- Die Klägerin ist in der schriftlichen Replik und in ihren Ausführungen in der Hauptverhandlung auf ihrem Standpunkt geblieben. Sie beantragt, die Einwendung der fehlenden Passivlegitimation sei unter Kostenfolge als unbegründet zu erklären, eventuell, falls die Passivlegitimation verneint würde, seien die Kosten dennoch dem Beklagten aufzuerlegen.

E.- Der Beklagte hat in der Hauptverhandlung an seinen Anträgen festgehalten.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Es ist unbestritten, dass das Kantonsspital Aarau eine vom öffentlichen Recht des Kantons Aargau beherrschte unselbständige Anstalt ist (vgl. BGE 56 II 200 f.), dass
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der Oberarzt Dr. B. und der Chefarzt Dr. Häuptli der chirurgischen Abteilung schon zur Zeit der Operation und Behandlung der Klägerin Beamte waren (Dekret betreffend das Dienstverhältnis und die Besoldungen der Staatsbeamten, vom 8. Mai 1944, Anhang 18. Klasse; Verordnung über die Besoldungen der Beamten und Angestellten des Kantonsspitals Aarau, vom 16. März 1945 § 1) und dass der Kanton Aargau verpflichtet ist, für Schaden Ersatz zu leisten, der Dritten durch seine Beamten "in Ausübung ihres Dienstes widerrechtlich, sei es absichtlich, sei es fahrlässig, zugefügt wird" (Gesetz über die Verantwortlichkeit der öffentlichen Beamten und Angestellten und über die Haftung des Staates und der Gemeinden für ihre Beamten, vom 21. Dezember 1939 § 2).
"In Ausübung seines Dienstes" hat Dr. B. die Operation nur vorgenommen, wenn sie Gegenstand des öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses gewesen ist, in das die Klägerin durch ihre Aufnahme in das Spital getreten ist. Dass sie das war, versteht sich nicht von selbst. Zwar gehört das Kantonsspital Aarau zu jenen Krankenhäusern, die dem Patienten nicht nur Unterkunft und Verpflegung, sondern auch ärztliche Hilfe verschaffen. Das gilt aber nicht ausnahmslos.
a) Den Chefärzten ist gestattet, eine vom Regierungsrat bestimmte Anzahl Kranke, die sich in ihre Privatbehandlung begeben wollen, unter Anzeige an die zuständige Regierungsdirektion in besondere Zimmer aufnehmen zu lassen, soweit die erforderlichen Räume dafür vorhanden sind. Das wurde schon im revidierten Dekret vom 30. Dezember 1910 betreffend die Kostenvergütungen in der kantonalen Krankenanstalt Aarau so bestimmt (§ 14) und auch im gleich benannten Dekret vom 14. Februar 1921 (§ 20) sowie im Dekret vom 28. Juni 1934 betreffend die Kostenvergütungen im Kantonsspital Aarau (§ 20) ausdrücklich gesagt. Diese Normen bestimmten, die Aufnahme erfolge gegen Bezahlung der in anderen Paragraphen näher umschriebenen Taxen, die Entschädigung für die
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ärztliche Behandlung dagegen sei Privatsache und bleibe der freien Vereinbarung überlassen. Damit war klargestellt, dass der Kanton sich in diesen Fällen nicht verpflichtete, den Kranken ärztlich behandeln zu lassen, anderseits aber auch nicht an der Vergütung teilhatte, die der Kranke dem Arzt für die Behandlung schuldete, ja sich in das Verhältnis zwischen dem Privatpatienten und dem Chefarzt überhaupt nicht einmischte, insbesondere diesem nicht vorschrieb, wie hoch die Vergütung sein dürfe oder müsse. Die in Deutschland vertretene, aber keineswegs durchgedrungene Auffassung, dass der Chefarzt auch den Privatpatienten in Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behandle und der Patient dem Krankenhaus verspreche, ihn dafür angemessen zu honorieren (vgl. E. MOLITOR, Krankenhaus und Chefarzt, 2. Aufl., 55 ff., 76 ff.; a.M. z.B. H. C. NIPPERDEY, Chefarzt und Krankenhaus, in "Der Krankenhausarzt" 1949 Heft 4 S. 4 ff.), lag somit der erwähnten aargauischen Regelung nicht zugrunde. Noch weniger galt das vom Privatpatienten zu zahlende Honorar für ärztliche Behandlung hier als eine Gebühr, die der Patient zwar dem Kanton schulde, dieser aber durch den Chefarzt einziehen lasse und ihm als Teil seiner Besoldung zur Verfügung stelle, ähnlich wie ein nach dem Sportelsystem entlöhnter Betreibungsbeamter die eingezogenen Gebühren behalten kann. Die Dekrete vom 8. Mai 1944 und 7. Dezember 1953 über das Dienstverhältnis und die Besoldung der Staatsbeamten enthielten denn auch keine Bestimmung, die diese Auffassung der Klägerin zu rechtfertigen vermöchte.
Als die Klägerin in das Kantonsspital Aarau eintrat, waren nicht mehr die erwähnten Dekrete über die Kostenvergütungen in Kraft, sondern es galt das Dekret vom 24. März 1947 über die Verpflegungstaxen des Kantonsspitals Aarau, das keine gleich lautende Bestimmung enthielt. Allein auch dieses Dekret ging davon aus, dass die Chefärzte zu privater Behandlung gewisser Kranker berechtigt seien, bestimmte es doch in § 6 lit. c, Patienten
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der Privatabteilung der Chefärzte bezahlten die gleichen Taxen wie die Patienten der I. Klasse, und sie hätten darüber hinaus den sie behandelnden Chefarzt gesondert zu entschädigen. Auch das heute geltende Dekret vom 6. Juli 1955 über die Kostenvergütung im Kantonsspital Aarau steht auf diesem Boden. Es enthält eigene Bestimmungen über die Privatabteilung (§§ 15 ff.); eine davon sagt, ärztliche Behandlung, Operation und Geburten seien in der Tagestaxe nicht inbegriffen (§ 17 lit. a). Es ist denn auch durch die Einvernahme der Chefärzte Dr. Häuptli und Prof. Dr. Alder und des früheren sowie des gegenwärtigen Sekretärs der kantonalen Gesundheitsdirektion bestätigt worden, dass die Dekrete von 1947 und 1955 materiell an der seit 1910 bestehenden Regelung betreffend Privatpatienten der Chefärzte nichts ändern wollten und sie nur deshalb nicht mehr ausdrücklich wiederholten, weil sie infolge ununterbrochener Anwendung seit 1910 als selbstverständlich galt. Die Botschaft des Regierungsrates vom 19. Februar 1954 zum Entwurf des heute geltenden Dekretes spricht noch ausdrücklich von Privatpatienten und führt aus, dass der leitende Arzt den Patienten der Privatabteilung für ärztliche Behandlung, Operation und Geburten direkt Rechnung stelle. Das ist auch an öffentlichen Spitälern anderer Kantone so, ohne dass je die ärztliche Behandlung der Privatpatienten als Teil der vom Spital versprochenen Leistungen, also nicht als Gegenstand eines rein privatrechtlichen Vertrages zwischen Patient und Arzt, betrachtet worden wäre. Für den Kanton Aargau ergibt sich eine andere Regelung nicht aus § 11 bezw. § 9 der Dekrete vom 8. Mai 1944 bezw. 7. Dezember 1953 über das Dienstverhältnis und die Besoldung der Staatsbeamten. Diese Bestimmungen, welche die Beamten verpflichten, während der vorgeschriebenen Arbeitszeit ihre volle Arbeitskraft dem Amte zu widmen, waren und sind zugunsten der Chefärzte des Kantonsspitals unter anderem dadurch durchbrochen, dass ihnen die Dekrete betreffend die Kostenvergütungen die
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private Behandlung der in die Privatabteilung aufgenommenen Patienten erlaubten und noch heute gestatten. Diese Regelung erklärt sich daraus, dass die geringe Besoldung nicht erlauben würde, tüchtige Chefärzte zu gewinnen, wenn ihnen die private Behandlung von Spitalpatienten und die weitere private Betätigung (Beratung, Abgabe von Gutachten; vgl. § 16 revidiertes Reglement vom 3. Dezember 1900 für die kantonale Krankenanstalt Aarau; § 15 revidiertes Dekret vom 30. Dezember 1910 betreffend die Kostenvergütungen in der kantonalen Krankenanstalt Aarau; § 12 revidiertes Dekret vom 26. Juni 1918 über die Organisation der kantonalen Krankenanstalt in Aarau; § 21 f. der Dekrete betreffend die Kostenvergütungen im Kantonsspital Aarau vom 14. Februar 1921 und 28. Juni 1934) nicht gestattet würde.
b) Dass auch die Oberärzte befugt seien, im Kantonsspital Aarau Patienten auf eigene Rechnung zu behandeln, wird mit Recht nicht behauptet. Für sie gilt das Gebot, während der Arbeitszeit ihre volle Arbeitskraft dem Amte zu widmen. Sie können aber gleichwohl in die Lage kommen, Privatpatienten anders als "in Ausübung ihres Dienstes" in das Spital aufzunehmen und sie zu behandeln. Das trifft dann zu, wenn sie es in Vertretung und auf Rechnung ihres Chefarztes tun. Sie haben diesen nicht nur in seiner amtlichen Stellung zu vertreten, sondern pflegen auch seine Privatpatienten zu behandeln, wenn er abwesend ist, insbesondere in den Ferien weilt. Das haben Dr. Häuptli, Prof. Dr. Alder und Dr. B. sowie die beiden einvernommenen Sekretäre Dubach und Eichenberger der kantonalen Gesundheitsdirektion bestätigt. Aus den Aussagen der beiden letzteren ergibt sich auch, dass das der Gesundheitsdirektion bekannt gewesen ist und dass sie es von jeher geduldet hat.

2. Dr. B. und Dr. Häuptli haben die Klägerin als private Auftraggeberin des letztern betrachtet und ihr sowie ihrem für sie handelnden Ehemann gegenüber diese Auffassung auch kundgetan. Schon am 20. Juni 1952 erklärte Dr. B. der Klägerin, für die Beratung von diesem
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Tage werde ihr Dr. Häuptli Rechnung stellen. Das geschah denn auch am 7. Juli 1952, und zwar stellte Dr. Häuptli die Rechnung nicht im Namen des Spitals, sondern in seinem eigenen Namen aus. Auch die Auskunft vom 26. Juli 1952, die seine Sekretärin dem Ehemann der Klägerin erteilte, verrät den Willen, einen privaten Auftrag zustande zu bringen. Die Schreiberin verwendete Papier mit Briefkopf des Dr. Häuptli. Die Auskunft spricht von "Honorar für die Operation des Chefarztes Dr. Häuptli". Ein Honorar konnte nur von einem Privatpatienten geschuldet werden, da für andere Patienten sowohl in der allgemeinen Abteilung als auch in der ersten Klasse Operation und ärztliche Behandlung in der Verpflegungstaxe inbegriffen sind. Auch bezeichnete das Schreiben die bekanntgegebene Taxe als solche für "Privatpatienten". Der Expressbrief von Ende September oder Anfang Oktober 1952, durch den Dr. B. die Klägerin zum Eintritt in das Spital einlud, sprach, wie die Klägerin zugibt, wiederum von Privatpatienten, indem Dr. B. ausführte, er dürfe diese nur solange operieren, als Dr. Häuptli in den Ferien sei. Am Tage der Aufnahme fiel keine Äusserung, die auf den Willen hätte schliessen lassen, die Klägerin werde nicht als private Auftraggeberin des Dr. Häuptli operiert, sondern Dr. B. und in der Folge auch der Chefarzt würden in Erfüllung amtlicher Pflichten handeln. Gegenteils wurde die Klägerin von den Schwestern Schweigler und Humbel, die sie auf Grund einer Mitteilung der Sekretärin des Dr. Häuptli als Privatpatientin betrachteten, auf die Privatabteilung gewiesen. Dass das, wie es gelegentlich für Patienten der ersten Klasse vorkam, nur deshalb geschehen sei, weil anderswo kein Platz vorhanden gewesen sei, wird nicht behauptet. Die Klägerin wurde von Dr. Häuptli auch wie eine Privatpatientin, nicht wie eine Kranke der allgemeinen Abteilung oder der ersten Klasse, behandelt, indem er sie täglich zweimal und nur in Begleitung einer Schwester besuchte. Er stellte ihr für die Operation und die Behandlung Rechnung. Das hätte er nicht tun dürfen, wenn er die Klägerin als Patientin
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der ersten Klasse oder der allgemeinen Abteilung betrachtet hätte. Dass der Klägerin keine schriftliche Erklärung abverlangt wurde, wonach sie auf die Privatabteilung aufgenommen zu werden wünsche, vermag diese Willensäusserungen nicht zu entkräften. Wohl waren gedruckte Formulare vorhanden, auf denen andere Privatpatienten des Dr. Häuptli solche Erklärungen abzugeben hatten. Sie wurden aber nur in Zweifelsfällen verwendet, nicht auch dann, wenn das Personal private Behandlung schon als vereinbart erachtete (Aussage Schwester Humbel).
Indem die Klägerin auf die erwähnten Willensäusserungen hin, insbesondere trotz der deutlich auf Vereinbarung eines privaten Auftrages abzielenden Briefe vom 7. Juli und von Ende September oder Anfang Oktober 1952 an ihren Ehemann, sich ohne gegenteilige Willenskundgebung zur Operation und Behandlung stellte, gab sie schlüssig ihre Zustimmung zu einem privaten Auftrag. Dass sie Dr. Häuptli nicht kannte, wohl aber ausdrücklich von Dr. B. operiert zu werden wünschte, steht dieser Auslegung ihres Verhaltens nicht im Wege. Die Klägerin wusste, dass Dr. B. den Auftrag als Vertreter des Dr. Häuptli ausführen würde. In dieser Eigenschaft hatte er schon die Beratung vom 20. Juni vorgenommen, wie der Klägerin und ihrem Ehemanne bekannt war. Auch hatte Dr. M. die Anfrage vom 7. Juli 1952 an Dr. Häuptli, nicht an Dr. B. oder die Spitalverwaltung gerichtet. Ebensowenig hilft der Einwand, die Klägerin habe unter einem "Privatpatienten" einfach einen in einem Einzelzimmer untergebrachten Kranken verstanden. "Privat" (privé) steht im Deutschen wie im Französischen im Gegensatz zu "öffentlich" (public) und durfte daher von den Eheleuten M. nicht in guten Treuen dahin verstanden werden, dass die Klägerin lediglich in einem Einzelzimmer (chambre particulière, im Gegensatz zu chambre commune) untergebracht werde, nicht auch einen privaten Auftrag zur Operation und Behandlung erteile. Am 9. Januar 1953 erhielt die Klägerin für "ärztliche Bemühung" eine Rechnung, die im Gegensatz zu den Rechnungen für die
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übrigen Leistungen nicht auf Formularen der Spitalverwaltung, sondern auf einem solchen des Dr. Häuptli ausgestellt war. Das entging ihr nicht, behauptet sie doch, sie und ihr Gatte hätten sich ob der Rechnungstellung des Dr. Häuptli aufgehalten, weil dieser die Klägerin gar nicht behandelt habe. Trotz dieser angeblichen Unstimmigkeit bezahlten die Eheleute M. die Rechnung am 4. April 1953, da es ihnen angeblich unangenehm war, die Rechnungstellung zu beanstanden. Damit pflichteten sie der Auffassung des Dr. Häuptli, dass die Klägerin seine Privatpatientin sei, aber erneut bei.
Anderseits fehlt jegliche Äusserung der Spitalverwaltung oder ihres Personals, wonach man der Klägerin Operation und Behandlung zu Lasten des Spitals hätte versprechen wollen. Die Klägerin wurde von allen Angestellten als Privatpatientin des Dr. Häuptli angesehen, nicht nur von dessen Sekretärin Schwester Müller, sondern auch von der Aufnahmeschwester Marie Schweigler, die auf dem Personalienblatt und dem Tagesrapport vom 3. Oktober 1952 entsprechende Eintragungen machte und die Klägerin auf die Privatabteilung wies, ebenso von Schwester Humbel, die dort die Aufnahmeformalitäten beendete. Auch teilte die Oberschwester dem Dr. B. vor der Operation mit, die Klägerin sei auf die Privatabteilung gekommen. Auf den Spitalrechnungen wurde die Klägerin durch die Abkürzung "Chir. Priv." als Privatpatientin der Abteilung für Chirurgie bezeichnet.
Der private Auftrag der Klägerin an Dr. B. als Stellvertreter des Dr. Häuptli schliesst die Haftung des Kantons Aargau für die behaupteten Fehler in der Operation und Behandlung aus. Die Klage ist daher abzuweisen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob wirklich Fehler begangen worden sind und welche Folgen sie hatten.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen.

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