Urteilskopf
86 II 301
47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1960 i.S. Bruggmann gegen Etablissements Resa.
Regeste
Verstoss gegen bundesrechtliche Beweisvorschriften (
Art. 8 ZGB
) durch Ablehnung des von der beweispflichtigen Partei angetragenen Ergänzungseides?
4.
a) Die Beklagte hat zum Beweis von Äusserungen, die nach ihrer Behauptung beim Vertragsabschluss über die Tragweite gewisser Erklärungen erfolgt sind, den Parteieid gemäss Art. 264 der ZPO des Kantons St. Gallen angetragen. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht für eine nicht voll bewiesene, aber doch wahrscheinlich gemachte Tatsache dem Beweisführer auf dessen Antrag den Eid überbinden. Das Kantonsgericht hat jedoch die Beklagte nicht zur Eidesleistung zugelassen, weil es gestützt auf die Würdigung der übrigen Indizien zur Auffassung gelangte, dass die nach
Art. 264 ZPO
erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrundlage fehle.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, diese Wahrscheinlichkeitsgrundlage sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz gegeben. Die Nichtabnahme des Eides verstosse daher gegen die bundesrechtlichen Beweisvorschriften, weshalb die Sache eventuell zur Abnahme des Eides an die Vorinstanz zurückzuweisen sei.
b) Nach ständiger Rechtsprechung schliesst
Art. 8 ZGB
BGE 86 II 301 S. 302
zwar den Anspruch der beweispflichtigen Partei in sich, zum Beweis für die von ihr behaupteten Tatsachen zugelassen zu werden (
BGE 68 II 139
). Mit welchen Mitteln Beweis zu führen sei und wie er gewürdigt werden müsse, bestimmt dagegen nicht das Bundesrecht, sondern das kantonale Prozessrecht. Das Bundesrecht verpflichtet den Richter nicht, ein von einer Partei angerufenes Beweismittel (Zeugen, Expertise, Parteiverhör, Eid) zuzulassen. Die Ablehnung eines angetragenen Beweismittels verstösst nur dann gegen das Bundesrecht (
Art. 8 ZGB
), wenn sie erfolgt ist, weil das kantonale Gericht eine behauptete und unter Beweis gestellte Tatsache irrtümlicherweise als nicht rechtserheblich betrachtet hat (
BGE 84 II 537
). Das trifft hier nicht zu. Die Vorinstanz hat die Abnahme des von der Beklagten angetragenen Parteieides nicht wegen Unerheblichkeit des Beweisthemas verweigert, sondern sie begründet ihren Entscheid damit, dass die im st. gallischen Prozessrecht geordneten Voraussetzungen der Zulässigkeit dieses Beweismittels nicht erfüllt seien. Sie hat somit die Beklagte nicht von der Beweisführung ausgeschlossen, sondern sich darauf beschränkt, ein bestimmtes Beweismittel in Anwendung des kantonalen Prozessrechtes nicht abzunehmen. Die Handhabung dieses Rechts durch die Vorinstanz ist der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen. Die Rüge der Verletzung des
Art. 8 ZGB
ist daher unbegründet.