BGE 86 IV 153 vom 17. Juni 1960

Datum: 17. Juni 1960

Artikelreferenzen:  Art. 117 StGB, Art. 237 StGB , Art. 237 Ziff. 2 StGB

BGE referenzen:  81 IV 255, 84 IV 63, 83 IV 38, 84 IV 64, 85 II 521, 85 II 521

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

86 IV 153


38. Urteil des Kassationshofes vom 17. Juni 1960 i.S. Beutler gegen Generalprokurator des Kantons Bern.

Regeste

Art. 117 StGB .
Adäquater Kausalzusammenhang.
Er setzt nicht voraus, dass der Eintritt des Erfolges für den Täter voraussehbar war; es genügt, dass das Verhalten des Täters unter den konkreten Umständen, wie sie vorlagen, objektiv, d.h. nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung, geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen.

Sachverhalt ab Seite 154

BGE 86 IV 153 S. 154

A.- Beutler führte am 11. März 1958 einen Lastwagen mit einer Geschwindigkeit von 40 km/Std. auf der ca. 5,6 m breiten, mit einer festgefahrenen, glatten Schneeschicht bedeckten Naturstrasse von Oberburg nach Krauchthal. Wenige Meter vor der unübersichtlichen Einmündung der Hettiswilstrasse gewahrte er einen Opel-Stationswagen, der im Begriffe stand, von rechts aus dieser Strasse in die Oberburg-Krauchthal-Strasse einzuschwenken. Obgleich Beutler nach kurzem Zögern den Lastwagen abbremste und nach links steuerte, konnte er den Zusammenstoss mit dem Stationswagen nicht mehr verhindern. Der Lastwagen rammte das einbiegende Fahrzeug und stiess es ein kurzes Stück weit vor sich her. Durch die Wucht des Zusammenpralles wurde der auf der kleinen Ladefläche des Stationswagens mitgeführte 250 kg schwere Motormäher, der lediglich durch Einschaltung des Rückwärtsganges und ein vom rechten Handgriff zur hintern Stosstange lose gespanntes Seil gesichert war, so stark nach vorne geworfen, dass der ca. 2 cm dicke Eisennocken des Messerantriebes den Führersitz durchbohrte und Kobel, dem Führer des Stationswagens, schwere Verletzungen im Rücken zufügte, die am folgenden Tag dessen Tod zur Folge hatten.

B.- Das Amtsgericht Burgdorf, das Beutler vorwarf, er sei mit übersetzter Geschwindigkeit gefahren und habe den Rechtsvortritt des Stationswagens missachtet, verurteilte ihn wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs nach Art. 237 Ziff. 2 StGB zu einer Busse von Fr. 300.--.
Das Obergericht des Kantons Bern erklärte Beutler am 17. November 1959 ausserdem der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB schuldig und bestimmte die Strafe auf zwanzig Tage Gefängnis, bedingt vollziehbar.

C.- Beutler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei von der Anschuldigung der fahrlässigen
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Tötung freizusprechen. Er macht geltend, es fehle der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zwischen seiner verkehrswidrigen Fahrweise und der eingetretenen Tötung. Es stehe fest, dass die Kollision für sich allein nur Sachschaden und geringfügige, jedenfalls nicht lebensgefährliche Verletzungen verursacht habe; die tödlichen Verletzungen seien auf die schlechte Verladeart und die ungenügende Sicherung des Motormähers zurückzuführen, beides Umstände, die er unmöglich habe voraussehen können und die deshalb ausserhalb des gewöhnlichen Geschehens lägen.

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Die übersetzte Geschwindigkeit, mit der der Lastwagen in die unübersichtliche Strasseneinmündung fuhr, war eine der natürrlichen Ursachen des Zusammenstosses mit dem Stationswagen und damit auch der Tötung des Führers dieses Fahrzeuges. Für diese hat der Beschwerdeführer jedoch nur einzustehen, wenn zwischen seinem Verhalten und dem Tod Kobels ein rechtlich erheblicher Zusammenhang besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes, die vom Beschwerdeführer nicht angefochten wird, ist diese Voraussetzung immer dann erfüllt, wenn das Verhalten des Täters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet war, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen ( BGE 81 IV 255 , BGE 84 IV 63 Erw. 3 und dort angeführte Entscheidungen).
Es kommt somit darauf an, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Fahrweise unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, unter denen sich der Zusammenstoss ereignet hat, nach allgemeiner Lebenserfahrung den Tod Kobels herbeiführen konnte. Das ist zu bejahen. Der schwere Lastwagen prallte mit einer Geschwindigkeit von nahezu 40 km/Std., die auf der glattgefahrenen Schneedecke trotz der im letzten Moment versuchten Bremsung nicht wesentlich verzögert werden konnte, frontal mit der linken vorderen Frontecke des einschwenkenden Stationswagens
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zusammen. Dass der Zusammenprall ein heftiger gewesen sein muss, ergibt sich auch aus der kräftigen Schleuderbewegung des Mähers, der Verschiebung des Stationswagens in der Fahrrichtung des Lastwagens und daraus, dass der Vorderteil des Lieferwagens stark eingedrückt worden ist. Ein so wuchtiger Zusammenstoss ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet, den Führer des Personenwagens tödlich zu verletzen; erfahrungsgemäss werden die Fahrzeugführer bei einer solchen Kollision nach vorne geworfen und erleiden beim Anprall an harte Bestandteile des Fahrzeuges Körperverletzungen, die häufig zum Tode führen. Der Umstand, dass im vorliegenden Falle die Kopfverletzungen, die Kobel beim Aufprall erlitten hat, nicht lebensgefährlich waren und sein Tod auf die durch den Motormäher verursachten inneren Verletzungen zurückzuführen ist, macht das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zur inadäquaten Ursache. Denn massgebend ist einzig, ob der Zusammenstoss nach der Erfahrung des Lebens für sich allein hätte genügen können, um einen Erfolg von der Art des eingetretenen, d.h. die Tötung eines Menschen, herbeizuführen. Da dies zutrifft, war das verkehrswidrige Verhalten des Beschwerdeführers, das notwendige Voraussetzung des eingetretenen Todes war, auch rechtserhebliche Ursache dieses Erfolges. Von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhanges durch das Einwirken des Motormähers kann infolgedessen nicht die Rede sein; eine Unterbrechung ist genau genommen überhaupt nicht möglich, da die Adäquanz des Kausalzusammenhanges entweder an sich schon fehlt oder aber trotz anderer Mitursachen vorhanden ist und dann nicht mehr unterbrochen werden kann.
Unerheblich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht voraussehen können, dass Kobel eine so gefährliche Ladung mit sich führe, und deshalb nicht mit dieser zusätzlichen Gefährdung rechnen müssen. Ob das Verhalten des Beschwerdeführers objektiv geeignet
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war, den Enderfolg herbeizuführen, hängt nicht davon ab, was der Beschwerdeführer persönlich voraussehen konnte. Die Frage, was der Täter voraussehen konnte oder musste, ist subjektiver Natur und beim Verschulden zu prüfen. Wenn in verschiedenen Entscheidungen (z.B. BGE 83 IV 38 , BGE 84 IV 64 ) ausgeführt wurde, der Ablauf der Ereignisse sei nicht derart unsinnig gewesen, dass damit schlechterdings nicht habe gerechnet oder dass er nicht habe vorausgesehen werden können, so wollte mit diesen Ausdrücken nichts anderes gesagt werden, als dass eine vom Verletzten oder von einem Dritten gesetzte Mitursache die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges nicht ausschliesse, wenn das Verhalten des Verletzten oder Dritten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung, also objektiv betrachtet, innerhalb des normalen Geschehens liege.

2. Das Ergebnis ist auch kein anderes, wenn man den Grad der Intensität der beiden konkurrierenden Ursachen miteinander vergleicht (vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. S. 94 ff.; BGE 85 II 521 ). Nicht zu bestreiten ist, dass der Transport des 250 kg schweren Motormähers für Kobel eine nicht unbedeutende Gefahr begründete, da nach der Feststellung der Vorinstanz schon eine Stopbremsung bei einer Geschwindigkeit von 25 km/Std. genügt hätte, um das Seil, mit dem der Mäher am Wagen angebunden war, zu zerreissen und damit die Maschine in Bewegung zu setzen. Anderseits war aber auch die Gefahr, die der Beschwerdeführer durch die übersetzte Geschwindigkeit und die Missachtung des Vortrittsrechtes erzeugte, keine geringe. Die Möglichkeit, dass bei einem Zusammenstoss in der unübersichtlichen Einmündung Menschen tödlich verletzt werden konnten, war umso grösser, als es sich beim Fahrzeug des Beschwerdeführers um einen schweren Lastwagen handelte und die schmale und glatte Strasse zum Ausweichen oder brüsken Bremsen zum vornherein ungeeignet war. Selbst angenommen, die Gefahr, die mit dem Transport des Mähers
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verbunden war, habe die Gefahr, die durch das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers hervorgerufen wurde, an Bedeutung übertroffen, so könnte gleichwohl nicht gesagt werden, diese habe jene so sehr in den Hintergrund gedrängt, dass das Mitführen des Mähers den Kausalverlauf völlig beherrscht habe und deshalb als einzige adäquate Ursache der Tötung erscheine.

Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

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