Urteilskopf
86 IV 217
56. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. November 1960 i.S. Michel gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
Regeste
Art. 310 Ziff. 1 StGB
.
Beihilfe zur Flucht eines Gefangenen, der als Patient in ein Spital eingewiesen worden ist.
Nach
Art. 310 Ziff. 1 StGB
wird bestraft, wer mit Gewalt, Drohung oder List einen Verhafteten, einen Gefangenen oder einen andern auf amtliche Anordnung in eine Anstalt Eingewiesenen befreit oder ihm zur Flucht behilflich ist. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, Sonderegger sei nur als Patient im Spital und nicht in einer Anstalt im Sinne des Art. 310 interniert gewesen, ist haltlos. Die Untersuchungshaft kann nicht bloss in einem Gefängnis, sondern auch in einem Spital oder in einer Heil- und Pflegeanstalt erstanden werden; der in eine solche Anstalt Eingewiesene gilt jedenfalls dann als Untersuchungsgefangener, wenn er dort, was den Entzug der persönlichen Freiheit betrifft, einer Ordnung unterworfen ist, die derjenigen im Untersuchungsgefängnis im wesentlichen gleichkommt (
BGE 85 IV 124
). Das trifft im Falle Sonderegger zu. Er unterstand im Spital annähernd den gleichen Lebensbedingungen wie vorher im Untersuchungsgefängnis, indem ihm nach seiner Überführung in ein gesichertes Zimmer des Bürgerspitals die Kleider abgenommen wurden und ihm untersagt war, das Zimmer zu verlassen und Besuche zu empfangen. Die Beschwerdeführerin hat daher einem Gefangenen im Sinne des Art. 310 zur Flucht geholfen. Dass das Pflegepersonal das Zimmer Sondereggers aus Nachlässigkeit nicht immer abgeschlossen hat, ändert nichts. Massgebend ist die Ordnung, die Sonderegger auferlegt wurde, nicht die Art, wie die Vorschriften vom Anstaltspersonal befolgt wurden.
Ob die Anwendung von Gewalt, Drohung oder List
BGE 86 IV 217 S. 218
nur bei der eigentlichen Befreiung eines Gefangenen oder auch bei der Beihilfe zur Flucht notwendig ist, kann dahingestellt bleiben. List liegt auf alle Fälle darin, dass die Beschwerdeführerin, als sie bei ihren heimlichen Besuchen betroffen wurde, dem Spitalpfleger vorgab, sie sei die Braut Sondereggers bzw. dessen Schwester und nur für kurze Zeit in der Schweiz auf Besuch.