Urteilskopf
87 II 35
7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Februar 1961 i.S. Plastofin A.-G. gegen Bich und Konsorten.
Regeste
Verwechselbarkeit der Marken BIC und BIG-PEN für Kugelschreiber;
Art. 6 MSchG
(Erw. 2).
Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung einer verwechselbaren Marke (Erw. 3).
Der französische Industrielle M. Bich (Kläg. 1) ist Inhaber der 1951 im internationalen Markenregister eingetragenen Marke BIC für Kugelschreiber. Die Société BIC in Paris (Kläg. 2) ist Lizenznehmerin, die Società BIC in Lugano (Kläg. 3) schweizerische Unterlizenznehmerin für die genannte Marke, die seit 1952 für Kugelschreiber gebraucht wird.
Die Beklagte Plastofin A.-G. in Zürich liess 1954 im schweizerischen Markenregister die Marke BIG-PEN eintragen, die sie ebenfalls für Kugelschreiber verwendete.
Auf Begehren der drei Kläger verurteilte das Handelsgericht Zürich mit Entscheid vom 1. November 1960 die Beklagte wegen Markenrechtsverletzung und unlauteren Wettbewerbs.
Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab, im wesentlichen auf Grund der folgenden
Erwägungen:
2.
Die beiden in Frage stehenden Marken werden für die gleiche Ware - Kugelschreiber - verwendet. Die Marke der Beklagten ist daher gemäss
Art. 6 MSchG
nur zulässig, wenn sie sich von der früher eingetragenen klägerischen Marke durch wesentliche Merkmale unterscheidet.
a) Ob diesem Erfordernis genügt ist, beurteilt sich gemäss ständiger Rechtsprechung nach dem Gesamteindruck der zu vergleichenden Zeichen (
BGE 84 II 446
Erw. 3,
BGE 78 II 380
f. und dort erwähnte Entscheide). Die Verwechselbarkeit im Sinne des Gesetzes wird deshalb weder dadurch ausgeschlossen, dass alle Bestandteile der zu vergleichenden Marken verschieden sind, noch ist sie notwendigerweise gegeben, wenn einzelne von ihnen miteinander übereinstimmen. Es geht daher nicht an, die zu vergleichenden Marken in ihre einzelnen Bestandteile zu zergliedern und diese gesondert zu betrachten (
BGE 78 II 381
). Deshalb ist es verfehlt, wenn die Vorinstanz zunächst der klägerischen Marke BIC den Bestandteil BIG
BGE 87 II 35 S. 37
der beklagtischen Marke BIG-PEN gegenüberstellt, die Verwechselbarkeit von BIC und BIG bejaht und hernach untersucht, ob diese Verwechselbarkeit durch den Zusatz PEN der beklagtischen Marke beseitigt werde. Zu vergleichen sind vielmehr die beiden Marken als Ganzes, nach ihrem Gesamteindruck.
b) Massgebend ist der Gesamteindruck der beiden Marken auf den letzten Abnehmer (
BGE 84 II 445
Erw. 2 und dort erwähnte Entscheide), hier also der Eindruck auf das breite Publikum, das als Abnehmer der Kugelschreiber in Betracht kommt. Dieser Gesamteindruck hängt bei Wortmarken im wesentlichen vom Wortklang und Schriftbild ab (
BGE 78 II 381
). Sodann ist zu beachten, dass es sich bei den Kugelschreibern beider Parteien um billige Massenartikel des täglichen Gebrauches handelt. die vom Käufer ohne grosse Aufmerksamkeit erstanden werden und bei denen daher besonders strenge Anforderungen an die Unterscheidbarkeit der Marken zu stellen sind (
BGE 73 II 60
,
BGE 63 II 284
). Endlich ist in Betracht zu ziehen, dass der Käufer die beiden Marken häufig nicht nebeneinander sieht, sondern auf das vorab aus der Reklame gewonnene Erinnerungsbild abstellen muss, weshalb gemäss ständiger Rechtsprechung dem Gedächtniseindruck, den eine Marke zurücklässt, bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr besondere Bedeutung zukommt (
BGE 78 II 381
f.).
c) Nach diesen Grundsätzen ist eine ausreichende Unterscheidbarkeit der beiden Marken mit der Vorinstanz zu verneinen. Wohl besteht die klägerische Marke aus dem einzigen Worte BIC, die Marke BIG-PEN der Beklagten dagegen aus zwei Worten. Aber der Zusatz PEN ist nicht geeignet, das Erinnerungsbild in nachhaltiger Weise zu beeinflussen. Ein Käufer, der auch nur über die bescheidensten Anfangskenntnisse der englichen Sprache verfügt, - was heutzutage doch für einen grossen Teil der schweizerischen Bevölkerung zutrifft -, weiss, dass PEN Feder bedeutet; der Zusatz stellt für ihn somit eine Sachbezeichnung
BGE 87 II 35 S. 38
dar, der naturgemäss keine starke Kennzeichnungskraft innewohnt und die deshalb auf das Erinnerungsbild ohne grosse Wirkung bleibt. Aber auch für den Käufer, dem die Bedeutung des englischen Wortes PEN unbekannt ist und der es daher als Phantasiebezeichnung auffasst, ist deren Unterscheidungskraft gering, da der Zusatz PEN sich auch in zahlreichen anderen Bezeichnungen für Schreibgeräte findet, wie z.B. in "Fountain Pen", "Waterman Pen", "Papermate Pen" u.a.m.
Was von der Marke BIG-PEN in der Erinnerung haften bleibt, ist das Wort BIG, das in Wortklang und Schriftbild mit der klägerischen Marke BIC unbestreitbar sehr grosse Ähnlichkeit aufweist. Das hat zur Folge, dass beim Käufer, der die Marke BIG-PEN zu Gesicht bekommt, eine Ideenverbindung mit der Marke BIC, der er schon früher begegnet ist, wachgerufen wird. Selbst wenn er sich darüber Rechenschaft gibt, dass das Zeichen der Beklagten einen Zusatz aufweist, so könnte er doch zu der Annahme neigen, bei den damit versehenen Kugelschreibern handle es sich, gleich wie bei den Schreibgeräten BIC-poche, BICcristal, BIC-IMAC, BIC-Clic um eine besondere Sorte von Kugelschreibern, die ebenfalls von den Klägern stamme. Solche Unternehmensverwechselbarkeit genügt aber gemäss ständiger Rechtsprechung, um eine Marke unzulässig zu machen (
BGE 84 II 319
,
BGE 77 II 333
und dort erwähnte Entscheide).
Die Beklagte wendet weiter ein, wer auch nur einigermassen Englisch verstehe, wisse, dass BIG "gross" bedeute, also ein Eigenschaftswort sei und daher nicht den Hauptbestandteil der Marke bilden könne, zu dem das Substantiv PEN nur einen Zusatz bedeute; es bestehe daher keine Gefahr, dass der Käufer die Bezeichnung BIG-PEN als BIC-Feder auffasse. Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die Beklagte verkennt, dass der Käufer, der die Marke BIG-PEN zu Gesicht bekommt, infolge einer Erinnerungstäuschung auch annehmen könnte, die Marke der Kläger, die ihm früher begegnet war,
BGE 87 II 35 S. 39
sei nicht BIC, sondern BIG. Auch der Gefahr einer solchen Erinnerungstäuschung soll aber durch das Erfordernis der klaren Unterscheidbarkeit von Marken vorgebeugt werden.
Unbehelflich ist auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass sie ihre Marke in Anlehnung an den Ausdruck BIG-BEN, die allgemein bekannte Bezeichnung der grossen Glocke des Uhrturms des Parlamentsgebäudes von Westminister in London, gewählt habe. Selbst wenn dies zutreffen sollte und auch beim Publikum eine Gedankenverbindung dieses Inhalts hervorgerufen werden kann, so bleibt doch daneben auch die Gefahr bestehen, dass die Bezeichnung mit der Marke der Kläger in Verbindung gebracht wird.
Zu Unrecht glaubt schliesslich die Beklagte die Verwechselbarkeit damit bestreiten zu können, dass es sich bei den Erzeugnissen beider Parteien um billige Massenartikel handle, bei denen sich der Käufer über Qualität und Herkunft keine bestimmten Vorstellungen mache und es ihm gleichgültig sei, ob er einen Kugelschreiber der Kläger oder einen solchen der Beklagten oder sonst eines andern Herstellers erstehe. Dieser Umstand kann für die Bemessung des Schadenersatzanspruches wegen Markenverletzung oder unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts von Belang sein. Für die Beurteilung der grundsätzlichen Frage des Vorliegens einer Markenverletzung aber muss, gerade weil es sich um billige Massenartikel handelt, nach den eingangs dargelegten Grundsätzen an die Unterscheidbarkeit ein strenger Massstab angelegt werden.
3.
Die Marke BIG-PEN der Beklagten ist somit wegen ihrer Verwechselbarkeit mit der klägerischen Marke BIC nach
Art. 6 MSchG
unzulässig und daher zu löschen...
Mit der Verwendung der Bezeichnung BIG-PEN sei es als Marke, sei es in nicht markenmässiger Weise in Drucksachen, in der Reklame usw. begeht die Beklagte überdies unlauteren Wettbewerb im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
gegenüber den Klägern; denn die Bestimmungen
BGE 87 II 35 S. 40
des UWG sind nach der Rechtsprechung (
BGE 73 II 117
Erw. 4,
BGE 76 II 94
Erw. 7,
BGE 79 II 221
Erw. 1) kumulativ neben denjenigen des MSchG anwendbar. Die Vorinstanz hat daher mit Recht das Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Kläger auch geschützt, soweit es sich auf das UWG stützt.