Urteilskopf
87 IV 153
36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Dezember 1961 i.S. Ludäscher gegen Lorenzi und Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste
Art. 7 und 346 StGB
.
Erfolg im Sinne dieser Bestimmungen ist beim Vergehen des
Art. 217 StGB
der Schaden, den der Unterhaltsberechtigte erleidet.
Aus den Erwägungen:
Nach dem angefochtenen Urteil wohnte der Beschwerdeführer zur Zeit der Tat in Deutschland. Er hat demnach die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht nicht in der Schweiz, sondern im Ausland unterlassen (
BGE 82 IV 68
E. 2), womit der Ausführungsort als Anknüpfungspunkt im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 StGB
entfällt. Es bleibt deshalb bloss noch zu prüfen, ob der Erfolg des ihm zur Last gelegten Verhaltens in der Schweiz eingetreten ist. Die Frage ist zu bejahen.
Das aussereheliche Kind des Beschwerdeführers hatte seinen Wohnsitz in der kritischen Zeit unbestrittenermassen in Emmenbrücke, wo gemäss
Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR
die ihm geschuldeten Unterhaltsbeiträge zu erbringen waren. Der Erfolg der Nichtleistung dieser Beiträge durch den Beschwerdeführer trat demnach an diesem Orte ein, indem das unterhaltsberechtigte Kind wegen der strafbaren
BGE 87 IV 153 S. 154
Unterlassung dort zu Schaden kam (
BGE 82 IV 68
). Daran ändert entgegen der an dieser Rechtsprechung geübten Kritik (s. SCHULTZ, Die räumliche Geltung des StGB, ZStR 1957, S. 313) nichts, dass das Vergehen des
Art. 217 StGB
ein schlichtes Tätigkeits- und nicht ein Erfolgsdelikt ist. Das bedeutet bloss, dass zur Vollendung der Straftat ein von der Unterlassung des Täters getrennter äusserer Erfolg nicht erforderlich ist, nicht auch, dass die Nichtvornahme der gebotenen Handlung durch den Täter eine nach
Art. 7 und 346 StGB
als Erfolg erhebliche Wirkung überhaupt nicht zu zeitigen vermöge. Wenn der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, die sich an das Unterlassen anschliessende Wirkung zum "tatbestandsmässigen besonderen Erfolg" zu erheben, so geschah das deshalb, weil sie hier im Unterschied zu den Erfolgsdelikten in jedem Falle und zwangsläufig aus der Unterlassung folgt und deswegen keine Notwendigkeit bestand, sie als gesondertes Merkmal in den Tatbestand aufzunehmen. Unter Strafe gestellt ist die Vernachlässigung von Unterstützungspflichten nichtsdestoweniger um der Schädigung willen, die der Berechtigte erleidet. Dann ist diese Schädigung aber auch Erfolg im Sinne des Art. 7 (und damit des Art. 346) StGB. Die Anwendbarkeit des schweizerischen Rechtes kann nach der Ubiquitätstheorie, welche
Art. 7 StGB
verwirklichen will, nicht davon abhängen, ob der Erfolg als besonderes Tatbestandsmerkmal aufgeführt oder ob er als notwendige Wirkung der Handlung in den Tatbestand eingeschlossen ist. Entscheidend ist, dass die Handlung seinetwegen unter Strafe steht. Es wäre nicht zu verstehen, wenn der Anspruch des in der Schweiz wohnenden Verletzten wegen der genannten, an sich zutreffenden Unterscheidung zwischen Tätigkeits- und Erfolgsdelikten nicht nach schweizerischem Rechte strafrechtlich geschützt sein sollte.
Steht demnach fest, dass der Erfolg der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Unterlassung in der Schweiz eingetreten ist, so haben die Luzerner Strafbehörden zu
BGE 87 IV 153 S. 155
Recht schweizerisches Recht angewandt und ihre Zuständigkeit zur Verfolgung Ludäschers bejaht.