Urteilskopf
88 I 144
24. Auszug aus dem Urteil vom 24. Oktober 1962 i.S. T. gegen Obergericht des Kantons Luzern.
Regeste
Art. 4 BV
, Armenrecht.
Der Entscheid darüber, ob eine Partei im Vaterschaftsprozess Anspruch auf Anordnung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung habe, ist dem Sachrichter vorbehalten und darf nicht vom Richter vorweggenommen werden, der über das Armenrecht zu befinden hat.
Aus den Erwägungen:
Ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen die Parteien im Vaterschaftsprozess einen bundesrechtlichen Anspruch auf Anordnung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung haben, hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts zunächst ausdrücklich offen gelassen (
BGE 82 II 266
/67,
BGE 87 II 74
Erw. 6). In ihrem Urteil vom 12. Dezember 1961 i.S. A. (
BGE 87 II 287
) hat sie gleichfalls von einer umfassenden Untersuchung dieser
BGE 88 I 144 S. 145
Frage abgesehen; sie hat lediglich entschieden, dass der Vaterschaftsbeklagte jedenfalls dann keinen bundesrechtlichen Anspruch auf Anordnung einer solchen Begutachtung habe, wenn keine (bestimmten) Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Mutter in der kritischen Zeit bestehen. Dieses Urteil praejudiziert die im vorliegenden Fall zu treffende Entscheidung nicht, geht es hier doch im Gegensatz zu dort um den Beweisabnahmeanspruch der Kläger und nicht um den des Beklagten.
Der Staatsgerichtshof hat seinerseits in den Urteilen vom 31. Januar 1962 i.S. G und vom 28. März 1962 i.S. D erkannt, ob eine Partei Anspruch auf Anordnung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung habe, erscheine angesichts der bisherigen Zurückhaltung der II. Zivilabteilung auf diesem Gebiete als eine diskutable und so heikle Frage, dass ihre Entscheidung dem Sachrichter vorbehalten werden müsse und nicht vom Richter vorweggenommen werden dürfe, der auf Grund einer bloss summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten über das Armenrecht zu befinden hat. Das gilt auch im vorliegenden Fall. Den Beschwerdeführern muss durch Gewährung des Armenrechts ermöglicht werden, den Antrag auf Einholung eines solchen Gutachtens dem Obergericht als Sachrichter zu unterbreiten. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.