Urteilskopf
89 IV 26
8. Urteil des Kassationshofes vom 30. Januar 1963 i.S. Gautschi gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste
1.
Art. 9 SVG
, Art. 2 BRB über Masse und Gewichte der Motorwagen usw. vom 21. Oktober 1960. Das im Fahrzeugausweis angegebene Gesamtgewicht darf über die im erwähnten BRB zugelassene Toleranz hinaus nur mit Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde überschritten werden.
2. Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3, 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG. Die im Fahrzeugausweis auferlegte Gewichtsbeschränkung bindet den Strafrichter. Wer als Vorgesetzter einen Fahrzeugführer zum Überladen veranlasst, ist als Täter strafbar.
A.-
Am 10. August 1961 stellte die Polizei bei der Kontrolle des mit Aushubmaterial beladenen Lastwagens ZH 23037 fest, dass das Gesamtgewicht des Fahrzeuges 17'340 kg betrug, während im Fahrzeugausweis das zulässige Gesamtgewicht auf 13'000 kg beschränkt worden war. Der Führer des Lastwagens handelte im Auftrage seines Vorgesetzten Max Gautschi, der ihm die Weisung erteilt hatte, den Lastwagen voll, d.h. bis zum Gesamtgewicht von 16 Tonnen, zuzüglich 10% Toleranz, zu beladen.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte am 27. August 1962 Gautschi der Anstiftung zur Übertretung von
Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3 SVG
schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 300. -.
C.-
Gegen dieses Urteil führt der Gebüsste Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer erhebt in der binnen der zwanzigtägigen Frist des
Art. 272 Abs. 2 BStP
eingereichten Beschwerdebegründung neben der Nichtigkeitsbeschwerde gleichzeitig staatsrechtliche Beschwerde, ohne dass er die beiden Rechtsmittel auseinanderhalten und getrennt voneinander behandeln würde. Eine solche Vereinigung von Nichtigkeits- und staatsrechtlicher Beschwerde in einer einzigen Eingabe ist unzulässig (
BGE 68 IV 10
Erw. 1,
BGE 82 IV 54
,
BGE 82 II 398
,
BGE 85 I 195
/6). Auf die staatsrechtliche Beschwerde, die im Verhältnis zur Nichtigkeitsbeschwerde subsidiäres Rechtsmittel ist und in zweiter Linie erhoben wurde, ist daher nicht einzutreten.
2.
Art. 9 SVG
, in Kraft seit 1. November 1960, setzt das Höchstgesamtgewicht der Motorwagen auf 16 Tonnen (Abs. 5) und die höchstzulässige Belastung einer Achse auf 10 Tonnen (Abs. 6) fest. In den dazu gehörigen Ausführungsvorschriften, die durch BRB vom 21. Oktober 1960 über Masse und Gewichte der Motorwagen und Anhänger sowie über Sattelmotorfahrzeuge erlassen wurden, bestimmt
BGE 89 IV 26 S. 28
Art. 2 Abs. 6, dass Toleranzen auf den gesetzlichen Höchstgesamtgewichten unzulässig sind; dagegen wird innerhalb des gesetzlichen Rahmens die Überschreitung des im Fahrzeugausweis eingetragenen Gesamtgewichts um 10 Prozent, höchstens 1,5 t, (lit. a) und die Überschreitung der gesetzlich höchstzulässigen Achsbelastung um höchstens 1,5 t (lit. c) gestattet.
Das erwähnte gesetzliche Höchstgesamtgewicht bedeutet, dass Motorwagen mit einem Gesamtgewicht von mehr als 16 t, ausser in den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen, überhaupt nicht zum Verkehr zugelassen werden dürfen. Entgegen der vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vertretenen Auffassung wird auf diesem Höchstgewicht auch keine Toleranz gewährt; der eindeutige Wortlaut des Art. 2 Abs. 6 des BRB vom 21. Oktober 1960 schliesst jede solche Gewichtsüberschreitung aus..Anderseits folgt daraus, dass die Gewichtsüberschreitung von 10 Prozent und höchstens 1,5 t, die auf dem im Fahrzeugausweis eingetragenen Gesamtgewicht geduldet wird, nur soweit zulässig ist, als dadurch die gesetzliche Höchstgrenze von 16 t nicht überschritten wird.
Die Erhöhung des gesetzlichen Höchstgesamtgewichts von bisher 13 auf 16 t hat insbesondere nicht den Sinn, dass es den bereits im Verkehr stehenden Motorwagen, die nach der Garantieerklärung des Erstellers für ein Gesamtgewicht von 16 t gebaut worden sind, erlaubt sei, ohne weiteres mit dem neuen Höchstgewicht zu verkehren. Hiezu bedarf es vielmehr für jedes einzelne Fahrzeug einer besondern Bewilligung der zuständigen Behörde, und solange diese nicht erteilt ist, bleibt das im Fahrzeugausweis eingetragene Gesamtgewicht massgebend. Diese Ordnung ergibt sich aus den Vorschriften über die Zulassung der Motorfahrzeuge zum Verkehr und den Bestimmungen über den Fahrzeugausweis, für umgebaute Fahrzeuge ausserdem aus Art. 27 des BRB vom 21. Oktober
BGE 89 IV 26 S. 29
1960. Das Inverkehrbringen eines Motorfahrzeuges erfordert eine behördliche Erlaubnis, und diese wird mit dem Fahrzeugausweis unter den darin genannten Voraussetzungen erteilt (Art. 5 und 7 MFG,
Art. 7 MFV
). Eine nachträgliche Erhöhung der Nutzlast und des Gesamtgewichts bedingt nicht nur die in
Art. 21 MFV
vorgeschriebene amtliche Änderung der entsprechenden Angaben im Fahrzeugausweis, sondern sie begründet, da die Änderung für die Betriebssicherheit von Bedeutung ist, auch die Pflicht, das Fahrzeug der Behörde zur technischen Nachprüfung und zur neuen Zulassung vorzuführen, ehe es mit einem höheren Gewicht als dem gemäss Fahrzeugausweis bewilligten verkehrt (STREBEL, N 53 zu Art. 7 MFG). Die gleiche Auffassung vertrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement schon in seinem Kreisschreiben vom 28. Mai 1940 anlässlich der damals durch BRB vorgenommenen Erhöhung der gesetzlichen Gesamtgewichte, und neuerdings wird sie bestätigt in der von der Eidg. Polizeiabteilung herausgegebenen Orientierung vom 2. November 1960.
Über die Höhe des im Einzelfall zulässigen Gesamtgewichts entscheidet die zuständige kantonale Behörde, allenfalls die Beschwerdeinstanz, und zwar gemäss Art. 15 MFG endgültig. Der Eintrag im Fahrzeugausweis ist daher auch für den Strafrichter verbindlich. Dementsprechend hat der Kassationshof bereits am 5. Juni 1962 entschieden, dass die Anwendbarkeit der am 1. Januar 1960 in Kraft getretenen Strafbestimmung des
Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3 SVG
nicht von den baulichen Eigenschaften des Fahrzeuges, die möglicherweise ein höheres Gesamtgewicht zuliessen, sondern einzig davon abhange, ob der Beschuldigte die im Fahrzeugausweis verbindlich auferlegten Beschränkungen oder Auflagen missachtet habe oder nicht (nicht veröffentlichte Urteile i.S. Bonnaz und Da Rin).
3.
Das am 10. August 1961 festgestellte Gesamtgewicht von 17'340 kg überstieg sowohl das gesetzlich
BGE 89 IV 26 S. 30
zulässige Höchstgewicht von 16 t als auch das gemäss Fahrzeugausweis zugelassene Gesamtgewicht von 13 t, und dieses auch dann, wenn unter Berücksichtigung der nach Art. 2 Abs. 6 lit. a des BRB vom 21. Oktober 1960 gewährten Toleranz von 10 Prozent vom Gesamtgewicht von 14'300 kg ausgegangen wird. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts war zudem die Hinterachse mit 12'200 kg belastet, sodass auch die gesetzlich höchstzulässige Achsbelastung (10 t zuzüglich 1,5 t Toleranz) überschritten wurde. Der Beschwerdeführer hat somit den Straftatbestand des
Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3 SVG
erfüllt, wonach mit Haft oder Busse bestraft wird, wer die mit dem Fahrzeugausweis oder der Bewilligung von Gesetzes wegen oder im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen, namentlich über das zulässige Gesamtgewicht, missachtet.
Nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts hat der Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt. Er war sich bewusst, dass die im Fahrzeugausweis auf 13 t festgesetzte Belastungsgrenze nicht überschritten werden durfte, und trotzdem gab er, um die Ladekapazität des Lastwagens voll auszunützen, die Anordnung, mindestens bis zu 16 t zu laden. Er hat daher das zulässige Höchstgewicht mit Wissen und Willen überschritten.
Ferner ist festgestellt, dass der Fahrzeugführer den Lastwagen nicht aus eigenem Antrieb, sondern unter dem Drucke wiederholter allgemeiner Anweisungen des Beschwerdeführers überlud, und dass er den Beschwerdeführer, der zur fraglichen Zeit in der Firma Paul Gautschi AG. leitende Funktionen ausgeübt hat, als Chef und Vorgesetzten betrachtete. Nach
Art. 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
kann somit der Beschwerdeführer neben dem Fahrzeugführer, den er zur Widerhandlung veranlasst hat, als Täter bestraft werden. Seine Verurteilung hält daher, ohne dass Anstiftung angenommen wird, vor dem Gesetze stand. Käme es darauf an, so wäre übrigens die Bestrafung des Beschwerdeführers als Anstifter nicht, wie er geltend
BGE 89 IV 26 S. 31
macht, unzulässig, da
Art. 24 Abs. 1 StGB
auch auf Übertretungen anwendbar ist (
Art. 102 ff. StGB
;
BGE 75 IV 189
Erw. 3).
Demnach erkennt der Kassationshof:
1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.