Urteilskopf
91 I 212
36. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Juni 1965 i.S. Steiger und Gass gegen Eidg. Amt für das Handelsregister.
Regeste
Firma; Bewilligung einer nationalen oder territorialen Bezeichnung (
Art. 944 OR
, Art. 45/46 HRegV).
1. Nationale oder territoriale Bezeichnung oder blosse Sachbezeichnung? Massgebend ist der Eindruck, den die Firma, als Ganzes betrachtet, einem durchschnittlich aufmerksamen Publikum macht (Erw. 2 a). Verwendung von Wörtern, die Bestandteil eines Staatsnamens sind und zugleich territoriale Bedeutung haben ("American"; Erw. 2 b).
2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts hinsichtlich der Frage, ob besondere Umstände die Bewilligung einer nationalen oder territorialen Bezeichnung rechtfertigen (Erw. 3). Die werbende Wirkung einer Bezeichnung ist kein Rechtfertigungsgrund (Erw. 3 a). Nichtbewilligung einer Bezeichung, die zu Täuschungen Anlass geben könnte (Erw. 3 b). Verletzung der Rechtsgleichheit? (Erw. 3 c). Anspruch auf Bewilligung einer bisher verwendeten Bezeichnung? (Erw. 3 d).
3. Verletzung der Firmenwahrheit (
Art. 944 Abs. 1 OR
) durch Nennung nur eines von mehreren Geschäftszweigen in der Firma? (Erw. 3 e).
A.-
Der Schweizerbürger Hans Steiger in Zürich führt seit mehreren Jahren aus den Vereinigten Staaten von Amerika Motorwagen verschiedener Marken in die Schweiz ein und verkauft sie hier im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Er weist sich darüber aus, dass er vom November 1963 bis im Dezember 1964 143 solche Fahrzeuge verzollt hat. Er stellt sich den Käufern auch zur Verfügung, um die Wagen instand zustellen und betriebsbereit zu halten. Er bezeichnet sein Geschäft im Verkehr und in der Reklame als American Automobile Service.
Nachdem die General Motors Suisse SA im Januar 1965 beim Eidgenössischen Amt für das Handelsregister wegen dieser Geschäftsbezeichnung vorstellig geworden war, forderte das Handelsregisteramt des Kantons Zürich Steiger auf, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen. Steiger entschloss sich daher, zusammen mit seiner Ehefrau und mit Rechtsanwalt Dr. Gass eine Aktiengesellschaft zu gründen. Der Statutenentwurf vom 11. Februar 1965 sieht für sie die Firma American Automobile Service und ein Grundkapital von Fr. 50'000.-- vor. Art. 2 des Entwurfes lautet:
"Zweck der Gesellschaft ist zur Hauptsache der Handel mit neuen und gebrauchten Automobilen, sowie die Durchführung von Servicearbeiten an Automobilen, insbesondere amerikanischer Herkunft. Die Gesellschaft kann ferner Autobestandteile und -Zubehör vertreiben, Autoreparaturarbeiten aller Art durchführen sowie Liegenschaften erwerben, verwalten und veräussern und Zweigbetriebe eröffnen."
B.-
Dr. Gass ersuchte das Eidgenössische Amt für das Handelsregister am 11. Februar 1965 im eigenen Namen und
BGE 91 I 212 S. 214
im Namen der zwei Mitgründer, die Eintragung der Firma American Automobile Service (Aktiengesellschaft) in das Handelsregister zu bewilligen.
Nachdem die Zürcher Handelskammer und der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins die Meinung geäussert hatten, es liege kein besonderer Umstand vor, der die Bewilligung zur Führung dieser Firma rechtfertige, wies das Amt das Gesuch am 26. Februar 1965 ab. Am 8. März 1965 schrieb es Dr. Gass, es könne seinem Begehren vom 4. März um Wiedererwägung nicht entsprechen, da er keine neuen Tatsachen geltend mache. Es führte zusätzliche Gründe für die Nichtbewilligung der vorgesehenen Firma an.
C.-
Am 25. März 1965 haben Steiger und Dr. Gass beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Verfügung vom 26. Februar 1965 aufzuheben und ihnen zu bewilligen, "in einer neuzugründenden Aktiengesellschaft die Firma AMERICAN AUTOMOBILE SERVICE (Aktiengesellschaft) zu führen."
Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Bundesrat kann bestimmen, in welchem Umfange nationale und territoriale Bezeichnungen bei der Bildung von Firmen verwendet werden dürfen (
Art. 944 Abs. 2 OR
). Auf Grund dieser Ermächtigung hat er angeordnet, dass Einzelfirmen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften in ihrer Firma grundsätzlich keine nationalen Bezeichnungen verwenden dürfen, das eidgenössische Amt für das Handelsregister jedoch nach Anhörung der nach den Umständen zuständigen Behörde, Amtsstelle oder Vertretung von Handel, Industrie oder Gewerbe Ausnahmen gestatten kann, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (
Art. 45 HRegV
). Diese Bestimmung ist auch auf territoriale und regionale Zusätze anwendbar (
Art. 46 HRegV
).
2.
Die Beschwerdeführer machen geltend, der Ausdruck "American Automobile" enthalte keine nationale Bezeichnung, "obwohl im gewöhnlichen Sprachgebrauch oft, aber keineswegs immer, die USA als Amerika bezeichnet werden." Genau besehen handle es sich nicht einmal um eine territoriale Bezeichnung, sondern wie bei den Ausdrücken "Jaffa-Orangen" oder "Perser-Teppiche" um eine Sachbezeichnung.
a) Um ihre Auffassung, es liege eine blosse Sachbezeichnung vor, zu stützen, verstümmeln die Beschwerdeführer die Firma, auf die sie Anspruch erheben. Das geht nicht an. Die Firma muss schon deshalb, weil sie wahr sein soll und nicht zu Täuschungen Anlass geben darf (
Art. 944 Abs. 1 OR
;
Art. 38 HRegV
), als Ganzes betrachtet werden, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Eindruckes, den sie einem durchschnittlich aufmerksamen Publikum macht. So betrachtet besteht keine Gewähr, dass der Leser oder Hörer das Wort "American" in der Verbindung American Automobile Service ausschliesslich auf "Automobile" beziehe, also das Geschäft der Gesellschaft als einen Dienstleistungsbetrieb für amerikanische Motorwagen betrachte. Wesentlich näher liegt der Gedanke an einen amerikanischen Dienstleistungsbetrieb für Motorwagen. Dass auch bei diesem Sinne das Wort "American" bloss Bestandteil einer Sachbezeichnung sei, machen die Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend. Ob "American Automobile", für sich allein genommen, Sachbezeichnung wäre, kann dahingestellt bleiben, und es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob Sachbezeichnungen mit nationalen oder territorialen Bestandteilen in Firmen aufgenommen werden dürfen.
b) Soll
Art. 45 HRegV
seinen Zweck erfüllen, so ist nicht nur der voll ausgeschriebene Namen eines Staates, sondern auch jeder andere Hinweis auf einen bestimmten Staat unter den Begriff der nationalen Bezeichnung zu ziehen. Als solche Bezeichnungen haben besonders auch Wörter zu gelten, die bloss Bestandteil eines Staatsnamens sind, vorausgesetzt, dass sie die Gedanken des Lesers oder Hörers auf den betreffenden Staat lenken. So verhält es sich z.B. mit den Wörtern "schweizerisch" und "Schweiz", obschon der verfassungsmässige Name "Schweizerische Eidgenossenschaft" lautet. Daher ist auch "American" eine nationale Bezeichnung. Das Hauptwort America, von dem dieses Eigenschaftswort sich ableitet, ist Bestandteil des Namens der Vereinigten Staaten von Amerika und dient häufig als abgekürzte Bezeichnung dieses Staates.
Dass "America" auch Name eines Erdteils, also eine territoriale Bezeichnung ist (vgl.
BGE 86 I 247
f.), steht der Anwendung von
Art. 45 HRegV
nicht im Wege. Diese Bestimmung setzt nicht voraus, dass das in Frage stehendeWort ausschliesslich eine nationale Bezeichnung ist. Ein Firmenbestandteil ist immer bewilligungspflichtig, wenn er als Anspielung auf einen bestimmten Staat verstanden werden kann,
BGE 91 I 212 S. 216
mag er daneben auch noch eine andere Bedeutung haben. Wenn sein zweiter Sinn ein territorialer Begriff ist, muss erst recht eine Bewilligung eingeholt werden, weil auch territoriale Bezeichnungen einer solchen bedürfen (
Art. 46 HRegV
).
Beim Entscheid darüber, ob die Bewilligung zu erteilen sei, ist sowohl der nationalen als auch der territorialen Bedeutung des doppelsinnigen Wortes Rechnung zu tragen.
3.
Für den Fall, dass die Art. 45/46 HRegV als anwendbar erachtet werden, machen die Beschwerdeführer geltend, die nachgesuchte Bewilligung werde durch besondere Umstände im Sinne dieser Bestimmungen gerechtfertigt. Ob das zutreffe, ist Ermessenssache. Der angefochtene Entscheid, der diese Frage verneint, kann daher vom Bundesgericht nur aufgehoben werden, wenn das Amt für das Handelsregister das Ermessen überschritten hat; denn nur dann verstösst er im Sinne des
Art. 104 Abs. 1 OG
gegen Bundesrecht (
BGE 81 I 384
,
BGE 86 I 248
).
a) Das Gewerbe Steigers, das auf die zu gründende Aktiengesellschaft übergehen soll, hängt mit den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Erdteil Amerika nur insofern zusammen, als Steiger mit Motorwagen amerikanischer Herkunft Handel treibt und vorwiegend solche instandstellt und betriebsbereit hält. Das ist keine Besonderheit seines Gewerbes. Auch viele andere Händler und Gewerbetreibende in der Schweiz befassen sich ausschliesslich oder vorwiegend mit Amerikanerwagen. Das Wort "American" weist zudem nicht eindeutig auf die Herkunft der Fahrzeuge hin, und der statutarische Zweck der Gesellschaft schliesst den Verkauf und die Bedienung von Motorwagen andern Ursprungs nicht aus. Unter diesen Umständen haben die Beschwerdeführer kein schützenswertes Interesse daran, in der Firma ihres Unternehmens das erwähnte Wort zu verwenden. Es wirkt in diesem Zusammenhang lediglich reklamehaft, ohne Klarheit zu schaffen. Reklamehaftes Auftreten soll durch das Verbot der Verwendung nationaler und territorialer Bezeichnungen gerade verhütet werden (
BGE 86 I 248
; vgl. auchBGE 79 I 176,
BGE 87 I 309
), so dass die werbende Wirkung einer solchen Bezeichnung nicht Rechtfertigungsgrund für eine Ausnahmebewilligung sein kann. Bei dieser Sachlage kann dem Amt für das Handelsregister nicht vorgeworfen werden, die Verweigerung der nachgesuchten Bewilligung falle aus dem Rahmen des ihm zustehenden Ermessens.
BGE 91 I 212 S. 217
Dass die Beschwerdeführer sich auf hohe Umsätze berufen, die es ihnen angeblich ohne weiteres ermöglichen würden, die Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von einer halben Million Franken auszustatten, ändert nichts. Amerikanisch ist nicht gleichbedeutend mit gross, und ein grosses Unternehmen hat nicht eher als ein kleines Anspruch darauf, sich als amerikanisch auszugeben.
b) Geradezu gegen die Zulässigkeit einer Ausnahmebewilligung spricht der Umstand, dass das Wort "American" im Zusammenhang, in dem es verwendet werden soll, zu Täuschungen Anlass geben könnte (
Art. 944 Abs. 1 OR
). Da es nicht notwendigerweise auf "Automobile" zu beziehen ist, sondern eher als Eigenschaftswort zu "Service" wirkt, kann beim Leser oder Hörer der unrichtige Eindruck entstehen, die Gesellschaft sei von der amerikanischen Automobilindustrie beherrscht oder betreibe einen von dieser Industrie organisierten Unterhalts- und Reparaturdienst für Motorwagen. Ob die Beschwerdeführer, wie sie behaupten, amerikanische Automobilexporteure in die Gründergruppe einbeziehen könnten, ist unerheblich. Das Amt für das Handelsregister hat seinen Entscheid mit Recht auf Grund der vorliegenden Tatsachen, nicht auf Grund blosser Möglichkeiten gefällt.
c) Die Beschwerdeführer glauben, die Nichterteilung der nachgesuchten Bewilligung verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit, weil das Amt für das Handelsregister der Agence Américaine Zürich AG und der "The American Express Company, Incorporated Hartford & New York, Filiale Luzern" die Verwendung des Wortes "américaine" bezw. "American" gestattet hat.
Das Bundesgericht hat indes nicht zu entscheiden, ob den genannten Gesellschaften die Bewilligung zu Recht erteilt wurde. Sollte das zugetroffen haben, so vermöchten die Beschwerdeführer daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten (
BGE 86 I 249
). Jeder Fall ist nach den ihm eigenen Umständen zu würdigen;
Art. 45 HRegV
bestimmt ja, dass die Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt ist. Sollten dagegen die erwähnten Gesellschaften die Bewilligung zu Unrecht erhalten haben, so gäbe das den Beschwerdeführern nicht Anspruch darauf, dass auch in ihrem Falle ein gesetzwidriger Entscheid gefällt werde (
BGE 79 I 177
,
BGE 91 I 212 S. 218
BGE 80 I 426
,
BGE 81 IV 118
,
BGE 87 I 309
,
BGE 89 I 296
und 303,
BGE 89 IV 135
,
BGE 90 I 167
). Es kann einer Behörde nicht verwehrt sein, eine Bewilligungspraxis aufzugeben, deren Unrichtigkeit sie erkannt hat oder deren Verschärfung sie wegen veränderter Verhältnisse oder zunehmender Missbräuche für zweckmässig hält (
BGE 86 I 250
).
d) Dem Umstande, dass Steiger sein Geschäft während längerer Zeit unangefochten unter der Bezeichnung American Automobile Service führte, legen die Beschwerdeführer mit Recht kein Gewicht mehr bei. Steiger verwendete diese Bezeichnung ohne die vorgeschriebene Bewilligung und somit rechtswidrig. Ein solcher Missbrauch verschafft nicht Anspruch auf nachträgliche Genehmigung.
e) Das Amt für das Handelsregister hält die von den Beschwerdeführern beanspruchte Firma auch deshalb für irreführend, weil sie nur vom "Service" spreche, das Unternehmen aber mit Motorwagen vorwiegend Handel treibe. Hierauf verweist es besonders in seiner Vernehmlassung.
Diese Überlegung hält nicht ohne weiteres stand. Aktiengesellschaften können ihre Firma unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze frei wählen (
Art. 950 Abs. 1 OR
). Sie sind nicht verpflichtet, die Natur ihrer geschäftlichen Tätigkeit in der Firma anzugeben. Widmen sie sich mehreren Geschäftszweigen, so sind sie auch nicht grundsätzlich gehalten, alle in der Firma zu erwähnen. Die Nennung nur eines Zweiges begründet nicht notwendigerweise eine Täuschungsgefahr. Es kommt z.B. häufig vor, dass Inhaber einer Werkstatt zur Instandstellung von Motorwagen auch mit solchen Handel treiben. Es ginge zu weit, von ihnen zu verlangen, dass sie in der Firma entweder beide oder dann keinen ihrer Geschäftszweige bekanntgeben. Das Gebot der Firmenwahrheit kann erst verletzt sein, wenn eine ganz nebensächliche Tätigkeit unter Verschweigung des Hauptzweckes hervorgehoben wird. Um den Beschwerdeführern in dieser Hinsicht einen Vorwurf machen zu können, müsste das Bundesgericht wissen, in welchem ungefähren Verhältnis der Geschäftsumsatz Steigers aus dem Unterhalts- und Reparaturdienst zum Geschäftsumsatz aus dem Handel steht. Aus den Akten ist das nicht zu ersehen.
Die Frage, ob der Hinweis auf den "Service" unter Verschweigung des Handels täuschend wirke, kann aber offen
BGE 91 I 212 S. 219
bleiben, da der angefochtene Entscheid selbst dann nicht wegen Ermessensüberschreitung zu beanstanden ist, wenn in diesem Punkte keine Täuschungsgefahr bestehen sollte. Der gesuchte Einwand der Beschwerdeführer, das Wort "Service" deute auch eine zuvorkommende Bedienung beim Verkaufe an, wird damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.