Urteilskopf
92 II 215
32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juli 1966 i.S. A. gegen C., Mutter und Kind.
Regeste
Wahrung der Berufungsfrist (
Art. 54 OG
) bei Aufgabe der Rechtsschrift an einer ausländischen Poststelle (
Art. 32 Abs. 3 OG
).
Die Frist ist eingehalten, wenn die Rechtsschrift vor deren Ablauf beim Adressaten in der Schweiz eintrifft; ebenso, wenn die Rechtsschrift nachweislich während der Frist von der schweizerischen Post zur Weiterbeförderung in Empfang genommen wurde. Die Beweislast hiefür trifft den Absender.
Aus dem Tatbestand:
Das die Vaterschaftsklage gutheissende Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen wurde dem Beklagten an seinem Wohnort in Schweden am 2. Juni 1966 zugestellt. Er legte Berufung an das Bundesgericht ein mit einer an das Kantonsgericht adressierten Eingabe vom 20. Juni, die am Donnerstag, den 23. Juni, beim Kantonsgericht eintraf.
Das Bundesgericht weist die Berufung als verspätet von der Hand, im wesentlichen aus folgenden
Erwägungen:
Die gesetzliche Berufungsfrist lief bis zum 22. Juni 1966 (
Art. 54 OG
). Sie lässt sich nicht erstrecken (
Art. 33 Abs. 1 OG
). Die Eingabe musste "spätestens am letzten Tage der Frist an die Stelle, bei der sie einzureichen war, gelangt oder zu deren Handen der schweizerischen Post übergeben sein" (
Art. 32 Abs. 3 OG
). Da der Beklagte die Berufungsschrift nicht in der Schweiz, sondern im Auslande zur Post gab, hätte sie somit
BGE 92 II 215 S. 216
binnen jener Frist beim Adressaten, also beim Kantonsgericht St. Gallen, eintreffen müssen. Indessen erscheint es als recht und billig, der Aufgabe bei einer schweizerischen Poststelle die Empfangnahme einer aus dem Ausland eintreffenden Sendung durch die schweizerische Post gleichzuachten. Sollte sich nachweisen lassen, dass die an das Kantonsgericht St. Gallen adressierte Sendung des Berufungsklägers noch am 22. Juni von der schweizerischen Post zur Weiterbeförderung in Empfang genommen wurde, so wäre dieses Tätigwerden der schweizerischen Post ebenso wie die Annahme eines bei ihr selbst aufgegebenen Briefes geeignet, jene gesetzliche Frist zu wahren.
Die bei der Postverwaltung angestellten Nachforschungen haben jedoch den Tag des Eintreffens der vorliegenden Sendung aus Schweden nicht abzuklären vermocht. Der Brief wurde in St. Gallen "am 23. Juni 1966 vormittags an den Empfänger ausgeliefert." Er dürfte nach den Angaben der Poststelle St. Gallen am 7.27 oder um 10.37 mit der Bahnpost eingetroffen sein. Die von St. Gallen aus angefragte Zürcher Poststelle teilte mit, über den Briefverkehr Schweden- Schweiz werde nur eine summarische Kartei geführt; der Zeitpunkt des Eintreffens in der Schweiz sei nicht nachweisbar. Die Beweislast für die Wahrung der Frist trifft den Absender, weshalb auch derjenige, der behauptet, einen Brief schon am Vortag seiner Abstempelung in einen Post-Briefkasten gelegt zu haben, dafür die Beweislast trägt (
BGE 82 III 101
). Da im vorliegenden Falle nicht bewiesen ist, dass die erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Kantonsgericht eingetroffene Sendung bereits am Vortag von der schweizerischen Post in Empfang genommen worden war, erscheint die Berufung als verspätet.