BGE 92 II 39 vom 1. März 1966

Datum: 1. März 1966

Artikelreferenzen:  Art. 8 ZGB, Art. 58 SVG, Art. 61 SVG , Art. 59 Abs. 2 SVG, Art. 58 ff. SVG, Art. 61 Abs. 1 SVG, Art. 58 Abs. 4 SVG

BGE referenzen:  129 III 102 , 90 IV 90, 91 II 223

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

92 II 39


6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. März 1966 i.S. Grädel gegen Krapf und Mitbeteiligte

Regeste

Motorfahrzeughaftpflicht.
Intertemporales Recht MFG/SVG (Erw. 3).
Schadenersatzpflicht zwischen Haltern, Art. 61 SVG .
Begriff des Halters (Erw. 4 a).
Erfordernis der Verletzung eines Halters (Erw. 4 b).
Ermässigung der Ersatzpflicht des Halters wegen Mitverschuldens des Geschädigten, Art. 59 Abs. 2 SVG .
Allgemeine Grundsätze (Erw. 5).
Einfluss unrichtiger Strassensignalisierung auf das Verschulden des Halters (Erw. 6).
Sorgfaltspflichten des Vortrittsberechtigten (Erw. 7).
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften? Art. 8 ZGB (Erw. 2).

Sachverhalt ab Seite 40

BGE 92 II 39 S. 40

A.- Frau Pia Krapf, die Ehefrau und Mutter der Kläger, fiel am 6. Juli 1962 einem Verkehrsunfall zum Opfer, der sich unter den folgenden Umständen ereignete:
Frau Krapf fuhr am Steuer des ihrem Ehemann gehörenden PW "Morris" von Arbon über Stachen gegen Baumannshaus. Ihr Ehemann Johann Krapf sass neben ihr im Wagen. Als sie in Riedern zu der Kreuzung mit der Strasse Roggwil-Ebnet gelangte, kam von links, von Roggwil her, Ernst Grädel in seinem PW "Peugeot 404" mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 80 km. Grädel bremste, als er den andern Wagen in die unübersichtliche Kreuzung einfahren sah, vermochte aber auf der regennassen Strasse nicht mehr rechtzeitig anzuhalten, so dass es zum Zusammenstoss kam. Der Wagen Grädels traf den andern Wagen auf der linken Seite hinten und stiess ihn in die Wiese hinaus. Johann Krapf und seine Ehefrau wurden aus dem Wagen geschleudert. Während ersterer nur unerheblich verletzt wurde, starb seine Ehefrau einige Tage später an den erlittenen Verletzungen. Grädel blieb unverletzt.
Frau Krapf hinterliess neben dem Ehemann sieben Kinder im Alter von 2-17 Jahren. Der Ehemann Krapf ist infolge eines im Jahre 1961 erlittenen Schlaganfalles halbseitig gelähmt und daher voll invalid. Das landwirtschaftliche Gewerbe der Familie wurde seither von der Ehefrau mit Hilfe eines Knechtes betrieben.
Die Anklagekammer des Kantons Thurgau stellte das gegen Grädel eröffnete Strafverfahren ein, da sie der Auffassung war, Grädel sei auf einer Hauptstrasse gefahren und daher vortrittsberechtigt gewesen, weshalb ihn kein strafrechtliches Verschulden am Unfall treffe.

B.- Johann Krapf und seine sieben Kinder belangten Grädel auf Bezahlung von Schadenersatz- und Genugtuungsleistungen von insgesamt Fr. 66'059.-- nebst Zins.
Der Beklagte bestritt, haftpflichtig zu sein, und beantragte, die Klage abzuweisen.

C.- Das Bezirksgericht Arbon und das Obergericht des Kantons Thurgau schützten die Klage im Betrage von Fr. 63'065.20 nebst 5% Zins seit 6. Juli 1962.
Beide kantonalen Instanzen nahmen an, der Beklagte sei entgegen der Auffassung der Anklagekammer nicht vortrittsberechtigt gewesen, da die von ihm befahrene Strasse Roggwil-Ebnet gleich wie die Strasse Stachen-Baumannshaus eine
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Nebenstrasse sei; die Geschwindigkeit des Beklagten von 80 km sei zu hoch gewesen und zudem habe er es an der gebotenen Aufmerksamkeit fehlen lassen; es treffe ihn daher ein schweres Verschulden am Unfall. Das Mitverschulden der vortrittsberechtigten Frau Krapf sei gering und rechtfertige nicht, die Ansprüche der Kläger um mehr als die von ihnen zugestandenen 25% zu kürzen.

D.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 28. September 1965 hat der Beklagte die Berufung erklärt. Er stellt den Hauptantrag, die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell beantragt er, die Klage abzuweisen, soweit sie den Betrag von Fr. 48'000.-- nebst Zins übersteigt. Die Kläger beantragen, die Berufung abzuweisen und den angefochtenen Entscheid zu bestätigen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

2. Der Beklagte bringt zur Begründung der behaupteten Verletzung des Art. 8 ZGB vor, die Vorinstanz habe sein Begehren betreffend Abklärung der Lebenserwartung der Erstklägers durch medizinische Expertise ohne st i chhaltige Begründung abgelehnt, obschon es fraglich sei, ob beim vollinvaliden Kläger von einer nach den statistischen Tabellen errechneten Lebenserwartung ausgegangen werden dürfe. Mit der Annahme, die körperliche Lähmung allein lasse nicht auf einen vorzeitigen Tod schliessen, und ein Experte werde die voraussichtliche Lebensdauer kaum näher bestimmen können, habe die Vorinstanz den Rahmen der ihr zustehenden Beweiswürdigung überschritten.
Der Beklagte stützt seinen Antrag im Berufungsverfahren wie schon vor den kantonalen Instanzen einzig auf die unbestrittene Tatsache, dass Johann Krapf im Jahre 1961 einen Gehirnschlag erlitten hat und seither halbseitig gelähmt ist. Einen Anhaltspunkt dafür, dass diese körperliche Behinderung oder ihre Ursache sich lebensverkürzend auswirken könnte und wahrscheinlich auch auswirken werde, hat er nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage war die Vorinstanz zur Anordnung einer medizinischen Expertise nur verpflichtet, wenn sie bezüglich der normalen Lebenserwartung des Johann Krapf Zweifel hegte. Da sie dies mit der Begründung verneinte, Krapf sei nicht von einem innern Leiden befallen, und - auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung - die Auffassung vertrat, die
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körperliche Lähmung allein lasse nicht auf einen vorzeitigen Tod schliessen, verstiess die Abweisung des Antrages auf Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht gegen Art. 8 ZGB . Die Vorinstanz hätte die Schadenersatzberechnung selbst dann nicht anders vornehmen dürfen, wenn ein medizinischer Gutachter bloss die Möglichkeit einer verkürzten Lebenserwartung bejaht hätte. Mehr war von einem solchen Gutachten aber bei der gegebenen Sachlage nicht zu erwarten. Eine Rückweisung der Sache zur Durchführung der verlangten Begutachtung rechtfertigt sich daher nicht.

3. Da der Verkehrsunfall, aus dem die Kläger ihre Ansprüche ableiten, sich am 6. Juli 1962 ereignet hat, beurteilt sich die Haftung des Beklagten nach den Vorschriften der Art. 58 ff. SVG betreffend Haftpflicht und Versicherung, die am 1. Januar 1960 in Kraft getreten sind (VVV vom 20. November 1959 Art. 61 Abs. 1). Für die Beurteilung des Verhaltens der beteiligten Fahrzeuglenker dagegen ist auf die im Zeitpunkt des Unfalls noch massgebenden Verkehrsregeln des MFG abzustellen.

4. Der Beklagte verlangt, seine Ersatzpflicht sei nicht nur um 25%, sondern um 50% herabzusetzen. Diese hälftige Schadensteilung leitet er in erster Linie aus Art. 61 SVG ab, den die Vorinstanz durch Nichtanwendung verletzt haben soll.
a) Art. 61 SVG regelt die Schadenersatzpflicht zwischen Motorfahrzeughaltern. Der Beklagte hält diese Bestimmung für anwendbar, weil nach den tatsächlichen Verhältnissen Frau Krapf als Halter des von ihr gelenkten Fahrzeugs zu betrachten sei.
Diese Ansicht ist unrichtig. Halter des Motorfahrzeugs war im massgebenden Zeitpunkt des Unfalls der Ehemann Krapf. Dass der Fahrzeugausweis auf ihn lautete, ist zwar nicht von entscheidender Bedeutung, da dem Gesetz nicht der formelle, sondern der materielle Halterbegriff zugrunde liegt, wonach "als Halter derjenige aufzufassen ist, auf dessen eigene Rechnung und Gefahr der Betrieb des Fahrzeuges erfolgt und der zugleich über dieses und allenfalls über die zum Betrieb erforderlichen Personen die tatsächliche, unmittelbare Verfügung besitzt" (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. II/1 S. 481). Diese Voraussetzungen treffen auf den Ehemann Krapf zu: Er ist Inhaber des Landwirtschaftsbetriebes, aus dessen Erträgnissen die Unterhalts- und Betriebskosten des Fahrzeuges
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bestritten werden. Er ist daher in erster Linie an dessen Halten interessiert. Ebenso steht ihm als Betriebsinhaber das Verfügungsrecht über das Fahrzeug zu. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, der den Schluss zuliesse, Krapf habe sich in keiner Weise um den Besitz eines Fahrzeuges interessiert, und dieses sei einzig von seiner Ehefrau gewünscht und betrieben worden. Dass Krapf im Zeitpunkt des Unfalles seit ungefähr 9 Monaten voll invalid war und seine Ehefrau den Betrieb in der im vorinstanzlichen Urteil umschriebenen Weise leitete, ändert nichts. Gerade wegen seiner Invalidität hatte Krapf vielmehr am Halten des Fahrzeugs das überwiegende Interesse, obwohl er es nicht selber führen konnte.
b) Der Beklagte macht geltend, selbst wenn Krapf Halter sei, finde Art. 61 Abs. 1 SVG gleichwohl Anwendung, weil die Kausalhaftung des Halters auch die Haftung seiner Ehefrau als Lenkerin des Fahrzeugs umfasse.
Nach Art. 58 Abs. 4 SVG ist wohl der Halter für das Verschulden des Fahrzeugführers und mitwirkender Hilfspersonen wie für eigenes Verschulden verantwortlich. Daraus allein kann jedoch nicht gefolgert werden, wenn den Lenker, der nicht Halter ist, ein Verschulden treffe, finde die Vorschrift von Art. 61 SVG über die Haftung zwischen Haltern Anwendung. Voraussetzung hiefür ist, wie Art. 61 Abs. 1 SVG ausdrücklich sagt, dass ein Halter körperlich geschädigt ist, was im vorliegenden Fall eben nicht zutrifft. Daher kann die Auferlegung des Schadens zu gleichen Teilen nicht schon aus dieser Bestimmung abgeleitet werden, ganz abgesehen davon, dass eine andere Verteilung zulässig ist, wenn sich dies nach den Umständen, namentlich nach dem Verschulden, rechtfertigt.
Die Rüge der Verletzung von Art. 61 SVG ist somit nicht begründet.

5. Fällt Art. 61 SVG ausser Betracht, so beurteilt sich die Haftung des Beklagten ausschliesslich nach Art. 58/59 SVG.
a) Der Beklagte behauptet im Berufungsverfahren nicht mehr, von seiner durch Art. 58 SVG begründeten Kausalhaft gemäss Art. 59 Abs. 1 gänzlich befreit zu sein. Er macht lediglich unter Berufung auf Art. 59 Abs. 2 SVG geltend, seine Ersatzpflicht sei auf die Hälfte herabzusetzen, weil Frau Krapf als Lenkerin des am Unfall mitbeteiligten Fahrzeugs ein erhebliches Selbstverschulden treffe, das sich die Kläger im Streit um den Versorgerschaden entgegenhalten lassen müssten.
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Die Kläger anerkennen, dass die Ersatzpflicht des Beklagten gestützt auf Art. 59 Abs. 2 SVG zu kürzen ist. Die Herabsetzung kann jedoch nach ihrer Auffassung nicht mehr als 25% ausmachen, da das Verschulden der Getöteten nur ganz geringfügig sei.
b) Für das Ausmass der Herabsetzung der Ersatzpflicht des Beklagten ist in erster Linie die Schwere des Verschuldens der getöteten Fahrzeuglenkerin massgebend, das der Beklagte zu beweisen hat. Je schwerer dieses Verschulden ist, umsomehr vermindert sich die Ersatzpflicht des Beklagten, der kraft seiner Kausalhaftung grundsätzlich für den vollen Schaden einzustehen hat. Trifft ihn zusätzlich ein Verschulden, so wiegt dieses das mitwirkende Verschulden der Frau Krapf zum Teil auf, mit der Folge, dass sich die Ersatzpflicht des Beklagten in geringerem Masse vermindert, als es das Mitverschulden der Getöteten, für sich allein betrachtet, rechtfertigen würde ( BGE 91 II 223 ). Es ist somit das Verschulden der beiden Fahrzeugführer abzuklären.

6. a) Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, es habe sein Verschulden unrichtig beurteilt, indem es annehme, für die Würdigung seiner Fahrweise sei bedeutungslos, dass in Roggwil ein blauer Wegweiser zur Verbindungsstrasse Roggwil-Ebnet hinleitet.
Mit diesem Einwand hat es folgende Bewandtnis: Die Strasse Roggwil-Ebnet verbindet die Hauptstrasse Nr. 153 St. Gallen-Arbon mit der Hauptstrasse Nr. 33 Amriswil-Arbon. Sie ist eine gut ausgebaute Staatsstrasse, jedoch nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht als Hauptstrasse im Sinne von Art. 27 Abs. 2 MFG gekennzeichnet und in der Liste der Hauptstrassen mit Vortrittsrecht nicht aufgeführt. Dementsprechend war sie auch nicht mit einer Nummer (Art. 1 Abs. 2 BRB vom 26. Januar 1937 über die Numerierung der Hauptstrassen usw.) versehen, welche nach den einschlägigen Vorschriften unter dem Ortsbezeichnungssignal am Ausgang der Ortschaften und auf den Wegweisern anzubringen gewesen wäre. Bei der in Roggwil (innerorts) gelegenen Verzweigung der Strassen nach Arbon und Ebnet wies ein blauer Wegweiser ohne Nummer zur Verbindungsstrecke Roggwil-Ebnet, wo die Einmündung in die Hauptstrasse Nr. 33 erfolgt.
Die Vorinstanz ist der Ansicht, ein solcher blauer Wegweiser ohne Nummer bedeute nur, dass die Strasse zu einer Hauptstrasse
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führe, ohne selbst eine solche zu sein; wo die Hauptstrasse beginne, sage der Wegweiser nicht. Der Beklagte habe daher auf Grund dieser Signalisierung nicht annehmen dürfen, er befinde sich auf einer Hauptstrasse.
Der Beklagte wendet hiegegen ein, die Strassensignalisierung in Roggwil sei unrichtig; die Strassen nach Ebnet hätte richtigerweise mit einem weissen Wegweiser bezeichnet sein müssen. Auf Grund der unzutreffenden Strassensignalisation habe er in guten Treuen annehmen dürfen, er befinde sich auf einer vortrittsberechtigten Hauptstrasse, so dass er auf allfällige Einmündungen und Kreuzungen nicht oder doch weniger zu achten habe und mit entsprechender Geschwindigkeit fahren dürfe.
b) Das Obergericht irrt, indem es annimmt, ein blauer Wegweiser ohne Nummer zeige lediglich an, dass man in der angegebenen Richtung zu einer Hauptstrasse komme, gebe aber keinen Aufschluss darüber, wo die Hauptstrasse beginne, so dass deren Beginn der Nummernangabe auf der nächsten Ortstafel oder auf dem nächsten blauen Wegweiser entnommen werden müsse. Art. 4 des massgebenden BRB vom 26. März 1934 bestimmt:
"Die Hauptstrasse mit Vortrittsrecht wird auf dieser selbst durch den blauen Wegweiser gekennzeichnet. Ausserorts darf dieser Wegweiser nur an Hauptstrassen zur Bezeichnung der Richtung dieser Strassen verwendet werden; innerorts nur, wenn er auf eine Ortschaft hinweist, zu der auf der Überlandstrecke eine Hauptstrasse führt.
Für die Richtungsbezeichnung nach und auf Nebenstrassen darf nur der weisse Wegweiser verwendet werden."
Abs. 1 dieser Vorschrift kann nur so verstanden werden, dass die ganze zur angegebenen Ortschaft hinführende Ausserortsstrecke Hauptstrasse sein muss. Ist die Ausserortsstrecke, die sich unmittelbar an die Ortschaft anschliesst, in der der Wegweiser steht, eine Nebenstrasse, so muss ein weisser Wegweiser angebracht werden. Da im vorliegenden Fall die unmittelbar anschliessende Überlandstrecke (d.h. die Verbindungsstrecke Roggwil-Ebnet) keine Hauptstrasse ist, hätte somit in Roggwil eine weisse Tafel nach Ebnet weisen sollen. Angesichts der tatsächlichen Signalisierung durfte daher der Beklagte, trotz dem Fehlen einer Nummer auf dem Wegweiser, der Meinung sein, er befahre eine Hauptstrasse; dies um so mehr, als auch der (richtigerweise) blaue Wegweiser für die
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Hauptstrasse nach Arbon, der ebenfalls an der Strassenverzweigung in Roggwil steht, nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Nummer aufwies.
Der erwähnten irrtümlichen Meinung konnte der Beklagte aber nur sein, bis er zum Gefahrsignal Nr. 3 (heute Nr. 114) "Kreuzung" gelangte, das gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz gut sichtbar ungefähr 150 m vor der Unfallstelle angebracht ist. Hätte der Beklagte dieses Signal beachtet, dann hätte ihm nicht nur klar werden müssen, dass er sich einer gefährlichen Kreuzung nähere (ansonst kein Gefahrsignal angebracht worden wäre), sondern er hätte überdies erkennen müssen, dass er sich doch nicht auf einer Hauptstrasse befinde; denn sonst hätte nicht das Kreuzungssignal Nr. 3, sondern das Signal "Kreuzung mit Strasse ohne Vortrittsrecht" (Nr. 10, jetzt Nr. 115) angebracht sein müssen, das durch BRB vom 8. März 1953 (in Kraft seit 15. März 1953) geschaffen wordenwar. Bei der gegebenen Sachlage, wie auch in Anbetracht der beidseits der Strasse liegenden Gebäude, der Erkennbarkeit der Strassenkreuzung und der schlechten Sicht nach rechts, bestand daher für den Beklagten die Pflicht, seine Geschwindigkeit zu mässigen und sich darauf einzurichten, einem von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt gewähren zu können. Statt dessen fuhr er mit der von ihm selber zugegebenen unverminderten Geschwindigkeit von 80 km weiter und bremste erst, als er sah, dass der andere Wagen, der noch etwa 6 m von der Kreuzung entfernt war, nicht anhielt, sondern in die Kreuzung einfuhr. Dass der Beklagte das Kreuzungssignal übersehen hatte und darum weiter wähnte, auf der Hauptstrasse zu fahren, hat er allein zu verantworten. Nur wenn kein Kreuzungssignal angebracht gewesen wäre, könnte er sich mit Grund auf den durch die unrichtige Signalisierung in Roggwil hervorgerufenen Irrtum berufen. Selbst dann wäre übrigens seine Geschwindigkeit wegen der örtlichen Verhältnisse und der regennassen Strasse übersetzt gewesen.
Die Vorinstanz hat daher die Art. 25 und 27 MFG entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verletzt, wenn sie ihm ein schweres Verschulden am Unfall zur Last legt. Ihre irrtümliche Auffassung über die Bedeutung des blauen Wegweisers in Roggwil ist für die Bemessung der Schwere dieses Verschuldens unerheblich; es bleibt ein schweres Verschulden.
Auch der Vorwurf der Vorinstanz, der Beklagte hätte ein
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Hornsignal geben sollen, als er den andern Wagen erblickte, was möglicherweise Frau Krapf noch rechtzeitig zum Anhalten veranlasst hätte, ist angesichts der örtlichen Verhältnisse keineswegs unbegründet. Übrigens handelt es sich dabei um ein zusätzliches Argument, das bei der Bewertung des Verschuldens des Beklagten nicht ins Gewicht fiel.

7. Der Beklagte rügt, die Vorinstanz habe Art. 25 MFG und Art. 59 Abs. 2 SVG dadurch verletzt, dass sie das Verschulden der Frau Krapf zu gering bewertet habe. Diese Rüge ist unbegründet.
Frau Krapf war gegenüber dem von links kommenden Beklagten vortrittsberechtigt. Da ihre Sicht nach links durch ein Gebäude, sowie durch abgelagerte Baumaterialien und durch Bäume beeinträchtigt war, hatte sie allerdings trotz ihres Vortrittsrechts auch ihrerseits erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Einen Sicherheitshalt brauchte sie jedoch nicht einzuschalten. Eine solche Zumutung würde eine völlige Entwertung des Vortrittsrechts bedeuten. Sie durfte vielmehr davon ausgehen, ein von links kommender Vortrittsbelasteter werde seinerseits dem beschränkten Überblick Rechnung tragen und seine Geschwindigkeit entsprechend vermindern ( BGE 90 IV 90 f. und dort erwähnte Entscheide). War Frau Krapf aber zu einem Sicherheitshalt nicht verpflichtet, so ist es für die Beurteilung ihres Verschuldens belanglos, ob sie tatsächlich einen solchen gemacht hat oder nicht, und infolgedessen ist es auch für die Haftung des Beklagten ohne Bedeutung, dass diese Frage nicht hat abgeklärt werden können; denn nur die Unbeweisbarkeit eines Umstandes, der dem Geschädigten zum Verschulden gereichen würde, kann sich zum Nachteil des beweispflichtigen Halters auswirken.
Die erhöhte Vorsicht, die Frau Krapf wegen der schlechten Sichtverhältnisse oblag, konnte nur darin bestehen, dass sie ihre Geschwindigkeit verminderte und sich auch nach links vergewisserte, ob sie freie Fahrt habe. Sah sie oder konnte sie sehen, dass von dort ein Fahrzeug herannahe, dessen Lenker ihr den Vortritt nicht lassen wolle oder nicht mehr lassen könne, so hatte sie alles Zumutbare vorzukehren, um einen Zusammenstoss zu verhüten. Sie brauchte aber nicht von vorneherein mit der Missachtung ihres Vortrittsrechts zu rechnen und sich entsprechend zu verhalten ( BGE 90 IV 90 und dortige Hinweise).
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Wie nicht streitig ist, näherte sich Frau Krapf der Kreuzung mit geringer Geschwindigkeit, die vom Beklagten selber mit 18 km angegeben wird. Wie an dieser Stelle üblich, hielt ihr Ehemann nach rechts Ausschau, während sie ihre Aufmerksamkeit vorab der linken Seite zuwendete. Insoweit kann ihr deshalb nicht ein Mangel an Sorgfalt vorgeworfen werden. Da sie gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz ungefähr 6 m vor der Kreuzung die von links kommende Strasse auf ca. 150 m zu überblicken vermochte, hätte sie das herannahende Fahrzeug Grädels sehen und erkennen müssen, dass ihr dieser den Vortritt nicht mehr gewähren könne. Ob sie das Fahrzeug nicht oder zu spät wahrnahm oder ob sie dessen Geschwindigkeit falsch einschätzte und daher glaubte, sie gelange noch vor diesem über die Kreuzung, ist nicht abgeklärt. Das Verschulden, das ihr im einen wie im andern Falle zur Last gelegt werden muss, ist jedoch im Vergleich zum Verschulden des Beklagten gering und rechtfertigt nicht, die Ersatzpflicht des letzteren um mehr als 25% zu kürzen.

8. Die Höhe des Schadens der Kläger und ihre Genugtuungsansprüche sind vor Bundesgericht nicht mehr streitig.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. September 1965 bestätigt.

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