Urteilskopf
92 IV 147
37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Oktober 1966 i.S. Neuner gegen Polizeiinspektorat des Kantons Basel-Stadt
Regeste
1. Art. 1 Abs. 2 A O.
Öffentliche Ankündigung ist nicht nur die Bekanntmachung an einen unbestimmt grossen Personenkreis, sondern auch an eine grössere Zahl bestimmter Personen, z.B. ausgewählte Kundenschichten oder bereits bekannte Kunden (Erw. a).
2. Art. 3 Abs. 1 lit. b A O.
Verkaufsveranstaltungen von Genossenschaften oder ähnlichen Organisationen sind nur dann der AO nicht unterstellt, wenn sämtliche Voraussetzungen dieser Bestimmung kumulativ erfüllt sind (Erw. b).
A.-
Der Allgemeine Consumverein beider Basel (ACV) liess im Februar 1965 in seinem Publikationsorgan, der Wochenzeitung "Genossenschaft", eine Ankündigung erscheinen, wonach den Mitgliedern der Genossenschaft für ihre Einkäufe vom 26. und 27. Februar als Jubiläumsgeschenk doppelte Rückvergütungsmarken in Aussicht gestellt wurden. Die Veranstaltung erfolgte, ohne dass hiefür eine Bewilligung nachgesucht worden war.
B.-
Auf Verzeigung durch das Polizeiinspektorat Basel-Stadt erklärte das Polizeigericht Basel-Stadt Ernst Neuner, den verantwortlichen Direktor beim ACV, der Widerhandlung gegen die Verordnung über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (AO) schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 20 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 der Verordnung zu einer Busse von Fr. 400.--.
Der Ausschuss des Appellationsgerichts von Basel-Stadt bestätigte mit Urteil vom 2. Februar 1966 den erstinstanzlichen Entscheid.
C.-
Neuner führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts wie auch des Urteils des Polizeigerichtes und Freispruch von der Anklage der Widerhandlung gegen die Ausverkaufsordnung, eventuell Herabsetzung der Busse auf Fr. 200.--.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach
Art. 20 Abs. 1 lit. a AO
wird mit Haft oder Busse bestraft, wer vorsätzlich eine unter die Verordnung fallende, nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt. Mit Busse wird bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht (Abs. 2). Bewilligungspflichtige Verkaufsveranstaltungen (Art. 4 in Verbindung mit
Art. 2 AO
) sind nebst den Ausverkäufen (Art. 2 Abs. 1) auch Ausnahmeverkäufe wie die Verkäufe unter Gewährung ausserordentlicher Rabatte (Art. 2 Abs. 2), sofern es sich im Sinne von Art. 1 Abs. 1 um Veranstaltungen des Detailverkaufes handelt, bei denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden. Hievon geht auch die Beschwerde aus. Bestritten wird lediglich, dass es sich bei der Bekanntmachung im Genossenschaftsblatt um eine öffentliche Ankündigung handle und demgemäss die Verkaufsveranstaltung unter die Verordnung falle.
a) Als öffentliche Ankündigung gelten nach der Aufzählung in
Art. 1 Abs. 2 AO
"Bekanntmachungen durch die Presse, durch Flugblätter, Zirkulare, Massenbriefe oder -karten, Kundenzeitungen, Kataloge, Prospekte, Plakate, Schaufensterauslagen, Anschriften, Aushängeschilder, Kinoreklamen,Werbefilme, Lautsprecher oder durch andere zweckdienliche Mittel". Die Aufzählung zeigt, dass unter dem Begriff der öffentlichen Ankündigung, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, nicht bloss Bekanntmachungen zu verstehen sind, die sich an das Publikum in seiner Allgemeinheit richten. Als öffentliche Ankündigung hat nicht nur die Bekanntmachung zu gelten, die an einen unbestimmt grossen Personenkreis gerichtet ist, sondern auch diejenige, die an eine grössere Zahl bestimmter Personen ergeht, z.B. an ausgewählte Kundenschichten oder an bereits bekannte Kunden (Urteile des Kassationshofes i.S. Krause vom 14. Juni 1957, i.S. Egolf vom 2. Dezember 1963;
BGE 85 II 447
,
BGE 91 IV 104
).
Nicht anders verhält es sich bei der in Frage stehenden Ankündigung des ACV. Nach dem vom Polizeigericht festgestellten Sachverhalt, auf den die Vorinstanz hinweist, beträgt die Auflage der Wochenzeitung "Genossenschaft" 80-100'000 Exemplare pro Nummer. Nach gleicher Feststellung ist das
BGE 92 IV 147 S. 150
Blatt vorab in der Stadt Basel stark verbreitet, wo praktisch jede Haushaltung es erhält. Letztere Feststellung wird zwar vom Beschwerdeführer unter Berufung auf eine Bescheinigung der Direktion des ACV bestritten, aus der hervorgehe, dass in Basel ca. 80%, in Riehen ca. 78% und in Bettingen ca. 91% der Bevölkerung Mitglieder des ACV seien, ca. 1/5 der Bevölkerung sei also nicht Mitglied des ACV und erhalte deshalb die Zeitung "Genossenschaft" nicht. Die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Gerichte binden jedoch den Kassationshof(
Art. 277 bis Abs. 1 BStP
), können daher mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt werden (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Selbst dann übrigens, wenn von der Feststellung, dass in Basel praktisch jede Haushaltung das Blatt erhalte, abgesehen würde, bliebe bestehen, dass die Bekanntmachung auf Massenverbreitung ausgerichtet ist und irgendeiner andern, die durch das Mittel der Presse, der Tages- und der Wochenzeitungen erfolgt, im Wesen durchaus gleichkommt.
Dass die Vergünstigung nur den Mitgliedern in Aussicht gestellt wurde, ändert daher nichts. Entscheidend ist allein, dass die Ankündigung nicht bloss einzelne Kunden, sondern einen grossen Personenkreis erreichte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bestand übrigens für den ACV angesichts des Umstandes, dass in Miethäusern die Zeitung hie und da bloss bündelweise in den Eingang gelegt wird, keine Gewähr, dass sie nur seine Mitglieder erreiche, wie auch nicht zu erwarten war, dass durch die einige Tage zuvor den Zeitungsverträgern erteilte Weisung, das Blatt nur an Mitglieder zu verteilen, die jahrelang unkontrollierte Verteilung des Blattes plötzlich verbessert werden könne. Dann aber hat der Beschwerdeführer auch dafür einzustehen, dass die Ankündigung neben den Mitgliedern eine unbestimmt grössere Zahl weiterer Personen erreichte.
b) Die Verordnung ist nach
Art. 3 Abs. 1 lit. b AO
nicht anwendbar auf "Verkaufsveranstaltungen von Genossenschaften oder ähnlichen Organisationen während den Ausverkaufszeiten gemäss Art. 9 Abs. 2 oder an einzelnen Jubiläumstagen, sofern die Ankündigung durch Mitteilungen erfolgt, die ausschliesslich für die Mitglieder bestimmt sind, und sofern die vorübergehend in Aussicht gestellte Vergünstigung in einer erhöhten Rückvergütung an die Mitglieder besteht, die erst nach Schluss des Geschäftsjahres ausbezahlt wird".
Die damit statuierte (zeitlich beschränkte) Ausnahme ist demgemäss an Voraussetzungen gebunden, die kumulativ erfüllt sein müssen: die Ankündigung darf nur an die Mitglieder, nicht auch an Nichtmitglieder gerichtet sein und überdies wird gefordert, dass die den Mitgliedern in Aussicht gestellte besondere Vergünstigung in der Form einer erhöhten Rückvergütung bestehen muss, die im Gegensatz zum Rabatt erst nach Schluss des Geschäftsjahres ausbezahlt wird. Fehlt auch nur eine der von der Ausnahmebestimmung geforderten Voraussetzungen, sind auch die von Genossenschaften oder ähnlichen Organisationen durchgeführten Verkaufsveranstaltungen der Verordnung ohne weiteres unterstellt (s. ebenso die Erläuterungen des EVD zur Ausverkaufsverordnung in BBl 1947 II S. 83/84).
Aus den Feststellungen des Polizeigerichtes, (auf die das Appellationsgericht wiederum hinweist), ergibt sich indessen nicht nur, dass jedermann in der Lage war, die doppelte Rückvergütung durch Käufe an den Stichtagen in Geschäften des ACV zu erlangen, ohne sich als Genossenschafter ausgeben zu müssen, und dass die Rabattmarken zwischen Nichtmitgliedern und Genossenschaftern gehandelt werden, sondern auch, dass seit bald drei Jahren die Rückvergütungen auch während des Geschäftsjahres durch Einlösung von Rabattsparbüchlein bezogen werden können. Damit fehlt es selbst dann an einer wesentlichen Voraussetzung der Ausnahmebestimmung, wenn ausser Betracht gelassen würde, dass die Ankündigung nicht nur die Mitglieder, sondern auch Nichtmitglieder erreichte. Die Verkaufsveranstaltung war daher in jedem Fall bewilligungspflichtig. Dass beim ACV und andern Rabattverbänden, wie der Beschwerdeführer geltend macht, die Rückvergütungen seit einigen Jahren schon während des Jahres ausbezahlt werden, ändert hieran nichts und gibt die Befugnis nicht, sich über die in der Ausnahmebestimmung selbst getroffene Einschränkung auf Rückvergütungen, die erst nach Schluss des Geschäftsjahres ausbezahlt werden, hinwegzusetzen.
Art. 3 AO
spricht übrigens von solchen, ohne hierin "a conto-Zahlungen" einzubeziehen, wie sie der Beschwerdeführer in den während des Jahres ausbezahlten Rückvergütungen erblicken will.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.