BGE 93 II 345 vom 14. November 1967

Datum: 14. November 1967

Artikelreferenzen:  Art. 4 ZGB, Art. 8 ZGB, Art. 50 OR, Art. 447 OR , Art. 447 Abs. 1 OR, Art. 50 Abs. 2 OR, Art. 4471 OR, Art. 72 VVG

BGE referenzen:  88 II 435, 92 II 253, 80 II 254

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

93 II 345


46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. November 1967 i.S. Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft gegen Basler Transport-Versicherungs-Gesellschaft (AG)

Regeste

Art. 25 des Warschauer Abkommens vom 12. Oktober 1929.
Auslegung dieser Vorschrift nach schweizerischem Recht. Absicht und grobe Fahrlässigkeit als Voraussetzungen für die unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers (Erw. 1).
Beweislast. Der Geschädigte hat die Voraussetzungen für die unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers zu beweisen. Art. 447 Abs. 1 OR ist nicht anwendbar (Erw. 3).
Unterlassungen des Luftfrachtführers als grobe Fahrlässigkeit (Erw. 4 und 5).
Rückgriffsrecht des Versicherers gegen den aus Vertragsverletzung für den Schaden Haftbaren (Erw. 6).

Sachverhalt ab Seite 345

BGE 93 II 345 S. 345

A.- Der Schweizerische Bankverein Basel beauftragte am 22. Januar 1964 durch die Mat Transport AG, Basel, die Zweigniederlassung Zürich der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft Köln, fünf versiegelte Briefumschläge mit je US $ 20'000 in Banknoten und einem Gesamtgewicht von 1'146 kg
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an die Casa Piano SA in Buenos Aires zu befördern. Die Absenderin bezeichnete im Frachtbrief das Frachtgut als ausländische kursfähige Banknoten und gab den Wert der Sendung für ZOIlzwecke mit Fr. 435'000.-- und für die Beförderung mit SFR 72.50 für jedes Kilogramm an. Die Frachtführerin erhob den für Wertsendungen üblichen Zuschlag von 100%. Sie liess das Frachtgut zusammen mit anderen nach Buenos Aires zu befördernden Wertsendungen in einen Jutesack aus netzartigem Gewebe legen, dessen Faserbündel mehrere Millimeter weit auseinander lagen, den Blick auf den Inhalt des Sackes frei liessen und leicht zerrissen werden konnten. Den Sack lud sie in das Kursflugzeug 500 (Typ Boeing 720 B) ein, und zwar in dessen Frachtabteil 4, in dem sich Gepäck für Montevideo und Postsendungen für Buenos Aires befanden und das vom Innern der Maschine aus nicht betreten werden konnte. Die Frachtführerin teilte den Flugplätzen Dakar, Rio de Janeiro, Sao Paulo und Montevideo, auf denen das Flugzeug Zwischenlandungen vorzunehmen hatte, fernschriftlich mit, es führe Wertsendungen mit sich. Dass diese kontrolliert werden müssten und das Ergebnis zurückzumelden sei, verlangte sie nicht.
Das Flugzeug verliess Zürich-Kloten am 22. Januar 1964 und traf nach ordnungsgemässer Vornahme der vier Zwischenlandungen am folgenden Tage in Buenos Aires ein. Beim Ausladen des Frachtabteils 4 wurde festgestellt, dass der Jutesack einen etwa 10 cm langen Riss aufwies. Die etwas später auf dem Zollbüro vorgenommene Kontrolle ergab, dass vier der fünf Briefumschläge fehlten. Die Nachforschungen der Lufthansa und der Polizei in Buenos Aires, Montevideo und Zürich blieben erfolglos.

B.- Die Basler Transport-Versicherungs-Gesellschaft deckte auf Grund des mit dem Schweizerischen Bankverein abgeschlossenen Versicherungsvertrages den ganzen Schaden im Betrage von Fr. 347'055.85 und klagte darauf beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Lufthansa auf Zahlung dieses Betrages nebst 5% Zins seit 5. März 1964.
Das Handelsgericht verpflichtete am 2. März 1966 die Beklagte, der Klägerin - ausser dem anerkannten Betrag von Fr. 66.41 nebst Zins - weitere Fr. 346'989.44 nebst 5% Zins seit 5. März 1964 zu bezahlen.

C.- Die Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage
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abzuweisen, soweit sie Fr. 66.41 nebst Zins übersteigt, eventuell die Akten zur Feststellung der im Luftverkehr üblich gewesenen Art der Beförderung von Wertsachen an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Rechtsbeziehungen des Schweizerischen Bankvereins als Verfrachter und der Beklagten als Luftfrachtführerin richten sich vorab nach den Bestimmungen des Warschauer Abkommens vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln für die Beförderung im internationalen Luftverkehr und nach den Vorschriften des in Ausführung von Art. 75 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt erlassenen Lufttransportreglementes vom 3. Oktober 1952 (Art. 3 LTR).
Nach Art. 25 WA haftet die Beklagte für den während der Luftbeförderung eingetretenen Schaden nur dann über den von ihr anerkannten und auf Grund des Art. 22 Abs. 2 WA und Art. 9 lit. b LTR unbestrittenermassen zutreffend errechneten Betrag von Fr. 66.41 hinaus, wenn sie oder eine ihrer Hilfspersonen in Ausführung ihrer Verrichtungen "den Schaden vorsätzlich oder durch eine Fahrlässigkeit, die nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht", herbeigeführt hat. In dieser Haftungsfrage kam somit eine internationale Rechtsvereinheitlichung nicht zustande, und zwar wegen der Besonderheit des angelsächsischen Rechts, das den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht kennt, sondern ihn mit dem Vorsatz unter den Begriff des "wilful misconduct" zusammenfasst (vgl. RIESE, Luftrecht, 1949, S. 466 mit Literaturhinweisen; RIESE/LACOUR, Précis de droit aérien, 1951, N. 332, S. 276; GULDIMANN, Zur Auslegung von Art. 25 WA, Zeitschrift für Luftrecht 4/1955, S. 166 f.; derselbe, SJZ 1960, S. 20 f.).
Die für die Auslegung von Art. 25 WA nach schweizerischem Recht massgebende Sachnorm ist in Art. 10 LTR niedergelegt. Diese Bestimmung setzt die grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz gleich. Wie das Zürcher Obergericht in einem Entscheid vom 4. März 1966 (veröffentlicht in Bulletin No. 42 der Schweiz. Vereinigung für Luft- und Raumrecht (SVLR), S. 8 f.) unter Hinweis auf die herrschende Literatur mit Recht bemerkt, geht
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es nicht an, aus dem Bedürfnis, die Rechtseinheit doch herzustellen, diesen Fahrlässigkeitsbegriff, wie etwa SCHWEICKHARDT (Schweizerisches Lufttransportrecht, 1954, S. 53 f.) befürwortet, nach dem strengeren Begriff des "wilful misconduct" auszurichten.
Der neue Wortlaut des Art. 25 WA, der am 28. September 1955 in den Haag vereinbart wurde, und Art. 10 LTR in der neuen Fassung vom 1. Juni 1962 sind nicht anwendbar, weil Argentinien nur dem Abkommen in der ursprünglichen Fassung beigetreten ist (Art. 23 Abs. 1 rev. LTR).

2. Nach Art. 18 Abs. 1 WA untersteht die Schadenersatzpflicht des Luftfrachtführers nur insoweit dem Warschauer Abkommen, als der Schaden während der Luftbeförderung eintritt.
Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem der Beklagten vorgeworfenen Verhalten und dem Eintritt des Schadens nicht erbracht; denn sie habe nicht dargetan, dass der argentinische Zollbeamte Ibanez unmöglich der Dieb sein könne. Sie wirft dem Handelsgericht vor, es habe Art. 25 WA verletzt, weil es der Meinung sei, die Klägerin brauche nur zu beweisen, dass das Frachtgut nach der Lebenserfahrung während der Luftbeförderung abhanden kam, nicht auch, in welcher Weise das geschah.
Das Handelsgericht gelangt auf Grund der beigezogenen Strafuntersuchungsakten zum Schluss, dass die Wertbriefe abhanden gekommen sind, bevor der Jutesack im Zollgebäude eingelagert wurde, und dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Ibanez den Diebstahl begangen habe oder daran in irgendeiner Weise beteiligt gewesen sei. Ob auf diese Feststellung abzustellen sei, ist eine Verfahrensfrage. Art. 25 WA schweigt sich darüber aus. Dagegen bestimmt Art. 28 Abs. 2 WA, dass das Verfahren sich nach den Gesetzen des angerufenen Gerichtes richte. Die Feststellung der Vorinstanz beruht zum Teil auf einem Indizienbeweis, d.h. auf der aus der Lebenserfahrung geschöpften Überzeugung des Richters, dass die Sendungen vom gleichen Unbekannten gestohlen wurden, der den Sack aufriss. Es besteht aber keine bundesrechtliche Regel, wonach Indizienbeweise nicht zulässig seien (vgl. BGE 75 II 102 , BGE 76 II 193 , BGE 77 II 293 /4). Die Feststellung der Vorinstanz ist daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 43 Abs. 3, 55 Abs. 1
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lit. c, 63 Abs. 2 OG). Was die Beklagte vorbringt, um darzutun, Ibanez sei nicht entlastet, ist unzulässige Beanstandung der Beweiswürdigung. Es bleibt daher dabei, dass das Frachtgut vor dem Ausladen des Sackes gestohlen wurde. Solange sich das Frachtgut im Flugzeug befand, war die Luftbeförderung auf alle Fälle noch nicht beendet. Die Frage stellt sich daher nicht, welche Partei die Last des Beweises der Täterschaft oder Nichttäterschaft des Ibanez trage.

3. Die Klägerin hält in der Berufung an der Auffassung fest, dass sich die Beklagte der unbeschränkten Haftung nur dann entziehen könne, wenn ihr nach Art. 447 OR der Entlastungsbeweis gelinge. Diese Bestimmung sei deshalb anwendbar, weil - im Gegensatz zu Art. 20 und 21 WA - weder Art. 25 WA noch Art. 10 LTR eine Beweisregel enthalten. Diese Lücke müsse daher durch Anwendung von Vorschriften des Obligationenrechts über den Frachtvertrag geschlossen werden, die eine von Art. 8 ZGB abweichende Beweisregel aufgestellt hätten.
Nach Art. 4471 OR , letzter Satz, hat der Frachtführer den vollen Wert zu ersetzen, wenn er nicht beweist, dass der Verlust oder Untergang des Frachtgutes auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnte. Art. 11 Abs. 3 LTR sieht aber die ergänzende Anwendung der Bestimmungen des Obligationenrechts über den Frachtvertrag nur "bei der Bemessung des Ersatzes für Sachschaden" vor. Vorschriften über die Schadenersatzbemessung haben jedoch mit Regeln über die Beweislastverteilung nichts gemeinsam. Art. 447 Abs. 1 OR ist daher nicht anzuwenden. Der durch die Möglichkeit des Entlastungsbeweises gemilderten Kausalhaftung für den vollen Schaden in Art. 447 OR entspricht im Lufttransportrecht die beschränkte Haftung mit Fr. 72.50 für jedes Kilogramm (Art. 22 Abs. 2 WA und Art. 9 lit. b LTR). Der Luftfrachtführer entgeht ihr, wenn er beweist, dass er und seine Leute alle erforderlichen Massnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese Massnahmen nicht treffen konnten. Die beschränkte Haftung gilt aber nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt wurde. Diese besondern, die unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers begründenden Voraussetzungen hat der Geschädigte zu beweisen. Das ergibt sich aus Art. 8 ZGB . Wollten das Warschauer Abkommen und
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das Lufttransportreglement die Beweislast in diesem Punkte dem Luftfrachtführer auferlegen, so müssten sie die Haftung für den vollen Schaden als ordentliche Haftung vorsehen und die beschränkte Haftung zur ausserordentlichen machen, die eintrete, wenn der Luftfrachtführer das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit beweise. Die beiden Erlasse gehen anders vor. Sie sehen in der beschränkten Haftung die ordentliche und in der Haftung für den vollen Schaden die ausserordentliche Haftung. Diese tritt nicht schon bei blosser Möglichkeit absichtlichen oder grobfahrlässigen Verhaltens des Luftfrachtführers oder seiner Hilfspersonen ein, sondern nur dann, wenn die Absicht oder grobe Fahrlässigkeit feststeht.
Dass dem Geschädigten der Beweis oft schwer fällt, ändert nichts. Er kann sich der Beweispflicht entziehen, indem er bei der Aufgabe des Frachtgutes zum Versand das Interesse an der Lieferung besonders erklärt und den Zuschlag entrichtet, von dem der Luftfrachtführer die Vereinbarung der höhern Haftungssumme abhängig macht (Art. 22 Abs. 2 WA).
Im vorliegenden Fall konnten die genauen Umstände, unter denen die vier Wertsendungen gestohlen wurden, nicht ermittelt werden. Das Handelsgericht hält die Täterschaft von Hilfspersonen der Beklagten nicht für bewiesen. Das Scheitern dieses Beweises hat zur Folge, dass die Haftung der Beklagten nur noch wegen grobfahrlässiger Schädigung in Betracht kommen kann.

4. Die Beklagte beruft sich, um dem Vorwurf ungenügender Sicherung der Wertsendungen zu entgehen, auf Empfehlungen des Internationalen Luftverkehrsverbandes, auf ihr eigenes angeblich auf diese Empfehlungen ausgerichtetes Frachthandbuch aus dem Jahre 1959 und auf angebliche Transportgewohnheiten im Luftverkehr. Diese Weisungen, Empfehlungen und Gewohnheiten sind insofern von Bedeutung, als sie in der Regel bekunden, welche Vorsichtsmassnahmen erfahrungsgemäss als unerlässlich gelten. Aber schlechthin entscheidend sind sie nicht. Denn das Gesetz fordert nicht die Aufwendung der üblichen, sondern aller erforder11chen Sorgfalt (vgl. BGE 17/640, 23/1746, 32 II 302, 34 II 294, 39 II 539 Erw. 3, 79 II 70). Die Beklagte hatte daher dasjenige Mass an Sorgfalt anzuwenden, das nach den konkreten Verhältnissen die sichere Beförderung des Frachtgutes und dessen Übergabe an den Empfänger gewährleistete.
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Erfahrungsgemäss werden Wertsachen auf einem Transport umso eher gestohlen, je leichter sie als solche erkannt werden. Dieser Einsicht verschloss sich auch die Beklagte nicht, erteilte sie doch in ihrem Frachthandbuch selber die Weisung, Wertsendungen müssten so unauffällig wie möglich behandelt werden und Personen, die nicht unmittelbar mit ihrer Abfertigung zu tun hätten, dürften vom Wert, dem Inhalt, der Streckenführung und der Lagerung keine Kenntnis erhalten. Diesem Gedanken entspricht auch die Empfehlung 04 (2) lit. b des Internationalen Luftverkehrsverbandes vom 8. August 1960, die aus der englischen Originalfassung übertragen wie folgt lautet: "Wertfracht soll zusammen mit normaler Fracht geladen werden. Das gleiche gilt für kleine in Kollektivnetzsäcke verladene Pakete mit Wertsachen". Damit wird dem Luftfrachtführer nicht die Verwendung von Netzsäcken empfohlen, sondern die unauffällige Vermischung von Wertsendungen mit gewöhnlicher Fracht nahe gelegt.
Im vorliegenden Fall war die Verwendung eines weitmaschigen und durchsichtigen Netzsackes unverständlich. Der Sack enthielt keine gewöhnliche Fracht, sondern ausschliesslich Wertsendungen, darunter 19 Umschläge mit Banknoten. Die Verpackung war auffällig, der Inhalt des Sackes daher leicht erkennbar. Die Beklagte wusste, dass das Frachtabteil 4 auch Gepäck für Montevideo enthielt und auf diesem Zwischenlandeplatz geöffnet werden musste. Damit wurde der Sack notwendigerweise einem gewissen Personenkreis, insbesondere Flughafenarbeitern, die im Gepäckraum den Güterumschlag zu bewerkstelligen hatten, zugänglich gemacht. Unter diesen Umständen erwies sich die Verladung und Kontrolle des Sackes unmittelbar vor dem Abflug in Zürich als ungenügende Sicherheitsmassnahme. Der Gefahr eines Diebstahles auf einem Zwischenlandeplatz wurde nicht vorgebeugt. Insbesondere genügte es zur Sicherung des Transportes nicht, dass die Beklagte dem Personal der Zwischenlandeplätze mitteilte, das Flugzeug führe Wertsachen mit sich, sondern sie hatte dafür zu sorgen, dass es die hochwertige Fracht kontrolliere und vor Diebstahl schütze. Dazu hätte die Beklagte allenfalls auch eigenes Personal einsetzen müssen. In Montevideo wurde festgestelltermassen keine Kontrolle durchgeführt. Das war unverantwortlich. Wenn schon die Beklagte in einer allgemeinen Weisung ihres Frachthandbuches die Überwachung von Wertsendungen
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ausserhalb des Flugzeuges als notwendig erklärte, so lag es nahe, die hochwertige Fracht auch auf den Zwischenlandestationen durch eine vertrauenswürdige und verantwortliche Hilfsperson solange im Auge zu behalten, als der Frachtraum für das Ein- und Ausladen von Gütern geöffnet war.
Wollte indessen die Beklagte der Mühe der Überwachung enthoben sein, so war ihr zuzumuten, zum Transport von Wertsachen einen zusätzlichen Sicherheitsschrank in das Flugzeug einbauen zu lassen. Nach der verbindlichen Feststellung des Handelsgerichtes wäre das in einem Flugzeug 720 B durchaus möglich gewesen. Die Fluggesellschaft EL-Al hat ihre Maschinen dieser Art schon im Jahre 1960 oder 1961 mit einem der Form des Rumpfes angepassten zusätzlichen Schliessfach von rund einem Kubikmeter Fassungsvermögen versehen lassen, in dem Diplomatengepäck oder Wertsendungen untergebracht werden können. Die gleiche Massnahme wurde auch von der Swissair noch vor Ende 1963 getroffen. Die Auffassung der Beklagten, dieses Vorgehen hätte von ihr nur erwartet werden dürfen, wenn es bei mehreren Fluggesellschaften üblich gewesen wäre, hält nicht stand. Was sich den Organen der EL-Al und der Swissair aus eigener Erkenntnis aufdrängte, hätte auch die Beklagte ohne weiteres als zweckmässig erkennen können. Zudem stellt das Handelsgericht fest, die Konferenz der "International Union of Marine Insurance" habe schon im Jahre 1963 erheblich verschärfte Sicherheitsmassnahmen, insbesondere den Einbau von Stahlfächern in die Flugzeuge, gefordert.

5. Es stellt sich die Frage, ob die Fahrlässigkeit, die der Beklagten zur Last fällt, als grob zu würdigen sei, d.h. ob die verletzten Sorgfaltspflichten elementarer Natur waren, sich jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage aufdrängen mussten ( BGE 64 II 241 , BGE 88 II 435 , BGE 92 II 253 ).
Im Jahre 1964 war es angesichts der Häufung von Diebstählen aus Flugzeugen allgemein bekannt, dass die Beförderung von Wertsachen auf dem Luftweg, namentlich von Banknoten, mit besonderen Gefahren verbunden war. Diese Erfahrungstatsache drängte den Luftverkehrsgesellschaften die Verbesserung der bestehenden Sicherheitsvorkehren gebieterisch auf. Im vorliegenden Fall waren die Massnahmen, welche die Beklagte zur Sicherung des Wertsachentransportes hätte treffen sollen (unauffällige Verpackung, Überwachung
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des Transportes, Einbau eines Stahlfaches) einfacher Natur, weder kostspielig noch durch einen seit 1964 eingetretenen technischen Fortschritt bedingt. Die Unterlassungen der Beklagten waren daher unentschuldbar. Sie beruhten nicht etwa auf einem einmaligen Versagen, das einer Hilfsperson im Drange der Geschäfte unterlaufen wäre, sondern auf mangelnder Vorsorge für die Sicherheit des Transportes von Wertsachen im allgemeinen, d.h. auf ungenügenden Weisungen an das Personal und ungenügender Organisation. Das Verschulden der Beklagten wird nicht dadurch gemildert, dass die Absenderin und deren Vertreterin, die Mat Transport AG, weder die Unterbringung des Frachtgutes in einem Sicherheitsfach, noch die Erhöhung der Haftungssumme über den gesetzlichen Ansatz von Fr. 72.50 je Kilogramm verlangten. Denn die Beklagte wusste ja, dass die versiegelten Briefumschläge kursfähige ausländische Banknoten im Werte von rund Fr. 435'000.-- enthielten und dass sie weitere Mengen von Banknoten im gleichen Sack beförderte. Dieser Umstand erheischte ganz besondere Vorsicht.
Die Fahrlässigkeit der Beklagten war daher grob.

6. Das Handelsgericht ist der Auffassung, der Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegen die Beklagte aus der Verletzung des Luftfrachtvertrages sei zwar nicht gemäss Art. 72 VVG auf die Klägerin übergegangen, doch könne diese gemäss Art. 51 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 OR auf die Beklagte zurückgreifen. Dieser Rechtsstandpunkt stimmt mit BGE 80 II 254 f. überein.
Die Beklagte ficht diese Rechtsprechung nicht an, macht namentlich nicht geltend, die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigten den Rückgriff nicht oder nur teilweise. Da grobe Fahrlässigkeit der Beklagten zu bejahen ist, besteht kein Grund, die Klage auch nur teilweise abzuweisen. Das richterliche Ermessen aus Art. 50 Abs. 2 OR gebietet, nach Recht und Billigkeit zu entscheiden ( Art. 4 ZGB ). Es ist aber gerecht und billig, dass letzten Endes nicht der Versicherer den Schaden trage, sondern derjenige, der ihn durch grobe Verletzung vertraglicher Pflichten verursacht hat.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.

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