BGE 93 IV 93 vom 24. November 1967

Datum: 24. November 1967

Artikelreferenzen:  Art. 1 StGB, Art. 173 StGB, Art. 174 StGB, Art. 178 StGB , Art. 178 Abs. 1 StGB, Art. 174 Ziff. 2 StGB, Art. 173 ff. StGB

BGE referenzen:  84 IV 17, 131 IV 83, 142 IV 18, 143 IV 228 , 84 IV 17, 91 IV 66

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

93 IV 93


23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. November 1967 i.S. Geiger und Konsorten gegen Maissen und Konsorten.

Regeste

1. Art. 174 Ziff. 2, 71 Abs. 2 und 3 StGB. Planmässigkeit der Verleumdung begründet weder ein Dauerdelikt noch ein fortgesetztes Delikt (Erw. 1).
2. Art. 173 f., 71 Abs. 3 StGB. Dauerdelikt. Ehrverletzung durch eine Strafanzeige ist kein Dauerdelikt (Erw. 2).
3. Art. 173 f., 71 Abs. 2, 1 StGB. Fortgesetztes Delikt. Blosse Prozessvorkehren in Prosequierung einer ehrenrührigen Strafanzeige sind nicht Fortsetzung der Ehrverletzung (Erw. 3).

Sachverhalt ab Seite 94

BGE 93 IV 93 S. 94
Aus dem Sachverhalt:

A.- Am 27. Mai/11. Juni 1964 reichte Rechtsanwalt Dr. Benno Schmid für Alex Maissen beim Untersuchungsrichteramt Basel-Stadt Strafanzeige ein gegen Werner Cermak und Friedrich Schertenleib wegen Betruges, Wuchers, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung. In der Anzeige wurde den Beschuldigten u.a. vorgeworfen, betrügerische Handlungen gegen Josef Dörig begangen zu haben, Cermak gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Paul Geiger.
Dr. Geiger, Cermak und Schertenleib erhoben wegen der Strafanzeige beim Friedensrichteramt Zürich 1 gegen Maissen und Dr. Schmid Ehrverletzungsklagen und reichten am 8. August 1966 beim Bezirksgericht Zürich die Anklageschriften ein.

B.- Mit Beschlüssen vom 10. und 24. Februar 1967 wies das Bezirksgericht Zürich die Ehrverletzungsklagen wegen Verjährung von der Hand.
Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Ankläger rekurrierten, wies am 4. September 1967 die Rekurse ab.

C.- Gegen diesen Entscheid führen die Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zur Zulassung der Klagen anzuhalten.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Nach Art. 178 Abs. 1 StGB verjährt die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre in zwei Jahren.
Die vom 27. Mai 1964 datierte Strafanzeige an das Untersuchungsrichteramt Basel wurde am 11. Juni 1964 zur Post gegeben. Die Verfolgung der Ehrverletzungen war daher am 8. August 1966, als die Beschwerdeführer in Zürich die Klagen einreichten, verjährt, sofern man es nicht mit einem fortgesetzten Delikt nach Art. 71 Abs. 2 oder einem Dauerdelikt nach Abs. 3 zu tun hat, wie die Beschwerdeführer geltend machen.
Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht darauf an, ob die behaupteten Verleumdungen im Sinne von Art. 174 Ziff. 2 StGB planmässig begangen wurden
BGE 93 IV 93 S. 95
oder nicht. Die Planmässigkeit begründet kein Dauerdelikt, und für eine fortgesetzte Handlung beginnt die Verjährung nach Art. 71 Abs. 2 erst mit der letzten Teilhandlung zu laufen, auch wenn nicht Planmässigkeit vorliegt.

2. Keinesfalls kann von einem Dauerdelikt die Rede sein. Wird eine Ehrverletzung durch eine Strafanzeige begangen, so dauert zwar der damit herbeigeführte rechtswidrige Erfolg an, nicht aber das strafbare Verhalten; dass die Strafanzeige schriftlich eingereicht wurde, ändert nichts (vgl. BGE 84 IV 17 ).

3. Die Fortsetzung der mit der Strafanzeige verübten Ehrverletzungen erblicken die Beschwerdeführer darin, dass die Angeklagten immer wieder versucht hätten, der Anzeige zuerst beim Untersuchungsrichter und dann bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Monierungen, wie die Beschwerdeführer die Versuche bezeichnen, seien darauf gerichtet gewesen, den ehrverletzenden Erfolg der Strafanzeige zu gewährleisten oder zu fördern.
Die betreffenden Eingaben scheinen im vorliegenden Verfahren nicht beigezogen worden zu sein und befinden sich jedenfalls nicht unter den Akten. Ihr Beizug war für die Entscheidung auch nicht notwendig.
Dass die Eingaben keinerlei Äusserungen enthielten, die schon an und für sich irgendwie an die Ehre der Beschwerdeführer gerührt hätten, anerkennen diese ausdrücklich. Sie erklären bloss, die Eingaben der Angeklagten an die Basler Behörden seien darauf gerichtet gewesen, den ehrverletzenden Erfolg der Strafanzeige zu gewährleisten oder zu fördern. Danach haben also die Angeklagten die als ehrverletzend eingeklagten Ausführungen der Strafanzeige in den Eingaben nicht wiederholt. Damit haben sie indessen gemäss Art. 1 StGB schon objektiv den Tatbestand von Art. 174 bzw. 173 StGB nicht erfüllen können, denn diese Bestimmungen setzen voraus, dass jemand bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt wird. Fortsetzungszusammenhang aber ist nur möglich zwischen Handlungen, die strafbar sind ( BGE 91 IV 66 ).
Wer eine ehrverletzende Straf- oder Zivilklage einreicht, macht sich, wenn die Voraussetzungen der Art. 173 ff. StGB erfüllt sind, durch diese Handlung der (vollendeten) Ehrverletzung
BGE 93 IV 93 S. 96
strafbar und kann nicht auch noch für die nachfolgenden Prozessvorkehren bestraft werden, die bloss der Prosequierung der Klage dienen. Sonst würde sich der Kläger durch jedes Fristverlängerungsgesuch und jeden Beweisantrag einer neuen Ehrverletzung schuldig machen. Die Hartnäckigkeit, mit der ein Kläger eine ehrenrührige Klage durchficht, kann von Bedeutung für das Strafmass sein; strafbare Fortsetzungstatbestände werden mit blossen Prozesshandlungen, die nicht in sich selber ehrenrührig sind, nicht geschaffen.

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