Urteilskopf
94 I 417
57. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung als staatsrechtlicher Kammer vom 9. Juli 1968 i.S. Hottinger gegen Husy und Basel, Appellationsgericht.
Regeste
Art. 4 BV
, Kantonales Prozessrecht.
Beteiligung an der Sache gemäss § 151 der ZPO des Kantons Basel-Stadt begründet nicht nur die Ablehnbarkeit eines Experten, sondern ist ein Unfähigkeitsgrund. Einem Zeugen, der aus diesem Grunde nicht Experte sein könnte, dürfen auch keine Expertenfragen gestellt werden.
A.-
Das am 4. September 1952 geborene Kind Monika Husy erkrankte am 13. März 1953. Die von den Eltern zugezogene Spezialärztin für Kinderkrankheiten Frl. Dr. Esser stellte eine Entzündung des Rachens und der Gaumenmandeln (Tonsillitis), eine Entzündung im Bereich der ableitenden Harnwege (Pyurie), sowie Nackensteifigkeit (Meningismus) fest. Auf Wunsch der Eltern des Kindes wurde am 17. März 1953 Dr. A. Hottinger, Spezialarzt für Kinderkrankheiten und damals a.o. Professor mit Lehrauftrag für dieses Gebiet, als Konsiliar beigezogen. Er diagnostizierte eine Nierenbeckenentzündung (Pyelitis), sowie Nackensteifigkeit, und nahm eine
BGE 94 I 417 S. 418
septische Gehirnhautentzündung (Meningitis) auf Grund einer septischen Allgemeininfektion an. Er schlug eine Behandlung mit dem Antibiotikum Chloromycetin vor. Einem behaarten Muttermal (Naevus) über dem Kreuzbein schenkte er keine Beachtung, da ein Dermoid (Missbildung der Haut) äusserlich nicht sichtbar war. Am 19. März war das Kind nach der Auffassung der behandelnden Ärztin schwerer krank als am 17. März. Wegen der immer noch vorhandenen Nackensteifigkeit wollte sie eine Lumbalpunktion vornehmen. Prof. Hottinger, der erneut als Konsiliar beigezogen wurde, riet jedoch davon ab, weil wegen der bereits am 18. März begonnenen Behandlung mit Chloromycetin eine Untersuchung des Liquors nach seiner Ansicht mit Sicherheit bakteriologisch negativ verlaufen wäre. Der Zustand des Kindes besserte sich in der Folge rasch. Die Anzeichen für Meningitis verschwanden. Am 21. März lag jedenfalls keine Nackensteifigkeit mehr vor.
Im April und Mai 1953 litt das Kind erneut unter Pyurie und Rachenentzündung. Am 1. Mai trat ein Rückfall der Pyelitis ein. Prof. Hottinger wurde deshalb am 4. Mai erneut zugezogen und bestätigte die Diagnose Pyelitis. Er veranlasste die Einweisung der Patientin in das Kinderspital zur Abklärung der Ursache der Pyurie. Die Krankengeschichte über diesen Spitalaufenthalt, der 4 Tage dauerte, erwähnt keine Auffälligkeiten bezüglich des zentralen Nervensystems; auch von der angeborenen Fehlbildung über dem Kreuzbein (Dermoid) ist darin nichts gesagt.
Nach einem erneuten Rückfall der Pyelitis anfangs Juni 1953 wurde Prof. Hottinger am 3. Juni wiederum beigezogen. Da sich der Zustand des Kindes in der Folge nicht besserte, wünschten die Eltern anfangs Juli, dass Prof. Hottinger an Stelle von Frl. Dr. Esser die Behandlung voll übernehme. Das Kind hatte seit dem 30. Juni mehrmals erbrochen. Prof. Hottinger stellte gemäss seinen Eintragungen vom 4. Juli 1953 fest: "Nackensteifigkeit (?), Opisthotonus (?) [d.h. Zwangshaltung des Kopfes nach hinten], Haltung (?)". In der Folge trat eine Besserung des Allgemeinzustandes des Kindes ein.
Vom 15. Juli bis 7. August 1953 war Prof. Hottinger ferienhalber abwesend. Während dieser Zeit vertrat ihn der Kinderarzt Dr. Hatz. Dieser erhob, abgesehen von einem grippalen Infekt, keine pathologischen Befunde; dagegen stellte er wegen der Behaarung des Kindes in der Sakralgegend die Verdachtsdiagnose
BGE 94 I 417 S. 419
"Sakraldermoid?", erachtete aber mangels akuter Zeichen eine sofortige Abklärung nicht für nötig.
Nach seiner Rückkehr aus den Ferien wurde Prof. Hottinger am 17. August wieder zugezogen, da sich der Zustand des Kindes verschlechtert hatte. Nach Angaben der Eltern schrie es schrill auf, wurde apathisch, erbrach sich, litt an Verstopfung und wechselnder Bauchverhärtung. In der Folge trat hohes Fieber auf. Am 22. August wurde eine linksseitige Ptosis (Herabsinken des oberen Augenlides infolge Lähmung) festgestellt; Nackensteifigkeit bestand dagegen nicht. Wegen akuter Verschlechterung des Zustandes des Kindes ordnete Prof. Hottinger am 23. August 1953 die sofortige Einweisung in das Kinderspital an mit der Diagnose "Tumor in abdomine (Volvulus? Invagination? Peritonitis adhaesiva?), d.h. "Geschwulst im Unterbauch, Darmverschlingung, Einstülpung eines Darmteils in das Gebiet eines benachbarten Darmabschnittes, zu Verwachsungen mit benachbarten Organen führende Bauchfellentzündung".
Die Aufnahmeuntersuchung in der chirurgischen Abteilung ergab einen Tumor im Unterbauch, eine geringe Nackensteifigkeit und eine verengte Lidspalte links. Nach Katheterisierung der Blase verschwand die Geschwulst im Unterbauch, womit feststand, dass es sich um eine Urinretention gehandelt hatte. Am nächsten Tage, dem 24. August 1953, wurden eine Lähmung des linken Armes, eine Hypotonie und Areflexie der Beine, sowie ein starker Meningismus und eine Ptosis links festgestellt. Das Kind wurde deshalb auf die medizinische Abteilung überwiesen, wo es von Prof. Freudenberg unter Mitwirkung des Oberarztes Dr. Hauser behandelt wurde. Lumbalpunktionen, die in dieser Zeit vorgenommen wurden, führten zu keinen schlüssigen Ergebnissen. Am 29. August wurde zunehmende, auf eine linksseitige Lähmung der Rückenmuskulatur zurückzuführende Verkrümmung der Wirbelsäule festgestellt. Am 1. September 1953 wurde das Krankheitsbild gemäss der Krankengeschichte als verschleppte, in verschiedenen Herden abgekapselte Meningitis mit chronischer Pyurie gedeutet. Das Muttermal über dem Kreuzbein war an diesem Tage verhärtet und vorgewölbt. Am 6. November 1953 bildete sich an dieser Stelle ein Abszess. Dessen am 7. November durchgeführte Öffnung ergab dicken Eiter. Ein weiteres Konsilium mit dem bereits früher wiederholt zugezogenen Neurologen Prof. Georgi
BGE 94 I 417 S. 420
führte zu keinen neuen Gesichtspunkten hinsichtlich der Ursache der Lähmungen; der für die Meningitis verantwortliche Herd blieb unbekannt. Erst bei einer erneuten Lumbalpunktion am 16. November fiel auf, dass die eingeführte Flüssigkeit aus der Abszesswunde über dem Kreuzbein herausfloss. Damit entstand, nach fast drei Monaten ständiger Pflege und Untersuchung im Kinderspital, die Vermutung, dass zwischen dem sakralen Dermoid und der Meningitis ein Zusammenhang bestehen könnte.
Im Mai 1954 wurde das Dermoid durch Prof. Krayenbühl, Zürich, operativ entfernt. Gestützt auf die Anamnese, den Verlauf der Erkrankung und die bei der Operation in Zürich gemachten Feststellungen ergab sich schliesslich die folgende Deutung:
"Wahrscheinlich hat sich im Rahmen einer Sepsis mit Pyurie im März 1953 bei dem Mädchen ein sakrales Dermoid metastatisch infiziert. Dieser Herd kam nicht zur Ausheilung, sondern hat zu einem Epiduralabszess geführt. Dadurch kam es zu einer Begleitmeningitis, die wahrscheinlich bis zur akuten Verschlimmerung im August 1953 steril blieb. Bei der Lumbalpunktion in Basel wurde wahrscheinlich jeweils nur der Epiduralabszess punktiert."
Heute leidet das Kind an zahlreichen körperlichen Gebrechen, insbesondere an einer Wirbelsäulenverkrümmung und einer Verkürzung des linken Beines; es muss ein Stützkorsett des Körpers mit Kinn- und Nackenstützen, sowie einen Beinapparat links tragen; es ist auch psychisch geschädigt.
B.-
Am 19. Januar 1959 reichte Pius Husy als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Tochter beim Zivilgericht von Basel-Stadt gegen Prof. Hottinger eine Schadenersatz- und Genugtuungsklage für den Betrag von Fr. 300'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Oktober 1958 ein, unter Vorbehalt weiterer Forderungen. Er machte den Beklagten für die Gebrechen der Klägerin verantwortlich und warf ihm vor, er habe durch Stellung einer falschen Diagnose und unrichtige Behandlung seine Sorgfaltspflichten verletzt und dadurch die bestehenden Krankheitsfolgen verschuldet.
Der Beklagte bestritt die Begründetheit dieser Vorwürfe und beantragte, die Klage abzuweisen.
C.-
Das Zivilgericht von Basel-Stadt zog Prof. Bamberger, Heidelberg, als Sachverständigen bei und vernahm zahlreiche
BGE 94 I 417 S. 421
Zeugen ein, darunter auch Dr. Hauser, der die Klägerin als Oberarzt im Kinderspital und später, nach ihrer Entlassung, in seiner Privatpraxis behandelt hatte. Gestützt auf das Haupt- und zwei Ergänzungsgutachten Prof. Bambergers, sowie auf Grund der übrigen Ergebnisse des Beweisverfahrens kam das Zivilgericht zum Schluss, der Beklagte habe weder als Konsiliar noch als behandelnder Arzt einen haftungsbegründenden Kunstfehler begangen. Es wies daher die Klage mit Urteil vom 24. Juli 1964 ab.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ergänzte das Beweisverfahren durch nochmalige Einvernahme verschiedener Zeugen, insbesondere auch der Ärzte Dr. Hauser und Dr. Hatz, und schützte hernach mit Urteil vom 6. September 1967 die Klage für den Betrag von Fr. 113'000.-- nebst 5% Zins seit 19. Januar 1959; die weitergehenden Forderungen wies es ab.
D.-
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
eingereicht. Er macht u.a. geltend, das Appellationsgericht habe grundlegende prozessuale Regeln verletzt und damit ihm gegenüber eine formelle Rechtsverweigerung begangen.
Die Beschwerdebeklagte und das Appellationsgericht Basel-Stadt beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer begründet die Rüge der Verletzung grundlegender prozessualer Vorschriften und der formellen Rechtsverweigerung damit, dass das Appellationsgericht sich bei der Befragung des Zeugen Dr. med. Hauser nicht auf blosse Zeugenfragen beschränkt, sondern ihm auch Expertenfragen vorgelegt und auf seine Antworten in entscheidender Weise abgestellt habe, um sich über Ansichten des Experten Prof. Bamberger hinwegzusetzen und auch die Unterlassung einer Lumbalpunktion im März 1953 als Fehler zu bezeichnen, sowie das Vorliegen meningealer Anzeichen am 4. Juli 1953 zu bejahen. Mit diesem Vorgehen habe das Appellationsgericht die Vorschriften der §§ 150 und 151 der ZPO des Kantons Basel-Stadt über die Bestellung von Sachverständigen verletzt.
2.
Gegenstand von Zeugenaussagen können nach § 113 der Basler ZPO nur eigene Sinneswahrnehmungen des Zeugen sein. Ist dieser auf dem in Frage stehenden Gebiet zugleich
BGE 94 I 417 S. 422
sachkundig, so fallen unter den Begriff der Zeugenaussage auch diejenigen Wahrnehmungen, die der Zeuge nur kraft seiner Sachkunde zu machen vermochte; er ist dann ein sachverständiger Zeuge. Aber auch solche Aussagen können sich nur auf die eigenen Wahrnehmungen des Zeugen und die daraus zu ziehenden tatsächlichen Schlussfolgerungen beziehen. Im vorliegenden Falle wurden jedoch Dr. Hauser auch Fragen vorgelegt, die über den Rahmen der Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen auch eines sachverständigen Zeugen hinausgingen und den Charakter eigentlicher Expertenfragen hatten. So erklärte Dr. Hauser in Beantwortung einer ihm vom Vorsitzenden gestellten Frage:
"Ich hätte am 17./19. März Lumbalpunktion gemacht. Das ist eine Überzeugungsfrage. Man klärt heute allerdings schneller ab als früher" (Protokoll des Appellationsgerichts S. 2).
Über die Bedeutung der Symptome vom 4. Juli 1953 befragt, erklärte der Zeuge:
"Die Anzeichen vom 4. Juli waren entschieden meningeale Anzeichen. Das gibt in der Regel Anlass für eine Lumbalpunktion..."
Auf die weitere Frage, ob aus den vom Beschwerdeführer am 4. Juli festgestellten Symptomen auf einen Restzustand einer im März vorhanden gewesenen Meningitis oder auf einen neuen Schub zu schliessen gewesen sei, antwortete der Zeuge, er würde eher eine Restmeningitis annehmen, die Frage sei jedoch schwierig zu beantworten, da er das Kind damals nicht behandelt habe. Ein gänzliches Verschwinden der Meningitis zwischen dem ersten und dem zweiten Mal bezeichnete er als sehr unwahrscheinlich; es könne sich um ein Wiederaufflackern der früheren Meningitis gehandelt haben. Ein solches Aufflackern sei ein ernster Zustand. Wörtlich führte er sodann aus:
"Es wäre einfacher gewesen durch Abklärung mit Lumbalpunktion, weil dann eine differenziertere Diagnose möglich gewesen wäre... Hätte man am 17./19. März Lumbalpunktion gemacht, ohne Resultat, so hätte man das Kind Krayenbühl schicken müssen, zur Abklärung. In der zweiten Phase hätte ich Lumbalpunktion gemacht. Es geht immer darum, ob man Indikation dafür sieht. Aber Lumbalpunktion hätte zur Klärung der Diagnose beigetragen. Struma ist irrelevant, ist keine Erklärung für Nackensteifigkeit, Opisthotonus und Haltung, meiner Meinung nach."
BGE 94 I 417 S. 423
Auf die Frage, ob eine Lumbalpunktion im März aussichtsreicher gewesen wäre als im August, antwortete der Zeuge:
"Ich kann nicht sagen, ob im März kein Liquor gekommen wäre; wenn keiner gekommen wäre, hätte man es abklären müssen."
Alle diese Antworten betrafen nicht eigene Sinneswahrnehmungen des Zeugen im oben umschriebenen Sinne, sondern sie waren Äusserungen darüber, welche Schlussfolgerungen aus den seinerzeit vorhandenen Symptomen zu ziehen waren und was bei der Behandlung der Beschwerdebeklagten richtigerweise hätte vorgekehrt werden müssen. Solche Erörterungen gehörten unzweifelhaft zum Aufgabenbereich eines Sachverständigen. Das Appellationsgericht hat somit dem Zeugen Dr. Hauser die Funktionen eines Oberexperten übertragen und bei der Fällung seines Urteils wesentlich auf seine Aussagen abgestellt. Es bezeichnete die Unterlassung einer Lumbalpunktion am 17./19. März 1953, die der Experte Bamberger als "noch vertretbar" bewertet hatte, unter mehrfacher Bezugnahme auf die Aussagen von Dr. Hauser als fehlerhaft, wenn es auch einen Kausalzusammenhang zwischen dieser Unterlassung und der Schädigung der Beschwerdebeklagten nicht als erwiesen erachtete. Hinsichtlich der am 4. Juli 1953 vorhandenen Symptome nahm es sodann, gestützt auf die Aussagen von Dr. Hauser im Gegensatz zum Gutachten Bamberger an, es sei "doch sicher, dass sie insgesamt meningeale Anzeichen sind, die auf eine Meningitis hinweisen". Aus diesem Grunde hätte der Beschwerdeführer jedenfalls damals eine Lumbalpunktion vornehmen müssen wie dies auch Dr. Hauser nach seinen Aussagen getan hätte. Zwar wäre mit aller Wahrscheinlichkeit in diesem Zeitpunkt kein Liquor mehr zu gewinnen gewesen; aber gerade dies hätte die Beschäftigung mit der Dermatoidzyste unausweichlich gemacht.
Angesichts dieser Ausführungen des angefochtenen Urteils steht ausser Zweifel, dass das Appellationsgericht den Äusserungen von Dr. Hauser entscheidende Bedeutung beimass. In seiner Vernehmlassung auf die Beschwerde erklärt es freilich, es habe "im übrigen massgebend auf die Lehrbücher Bamberger und Fanconi abgestellt". Die in Lehrbüchern dargelegten allgemeinen theoretischen Ansichten genügten ihm aber offensichtlich nicht, um dem Experten Bamberger nicht zu folgen; es bedurfte hiefür der Stütze durch die Aussagen von Dr. Hauser;
BGE 94 I 417 S. 424
denn hätte das Appellationsgericht schon allein das aus den Lehrbüchern geschöpfte Wissen als ausreichend betrachtet, um sich seine Meinung zu bilden, so hätte es keinen Anlass gehabt, auch noch Dr. Hauser in der oben umschriebenen Weise zu befragen.
3.
Der Beschwerdeführer erblickt darin, dass das Appellationsgericht Dr. Hauser als Sachverständigen befragte, eine formelle Rechtsverweigerung, weil er keine Gelegenheit gehabt habe, sich die Frage der Ablehnung von Dr. Hauser als Sachverständigen zu überlegen und sich auf die Stellung von Expertenfragen vorzubereiten.
§ 150 der Basler ZPO bestimmt, der bezeichnete Experte sei den Parteien mitzuteilen, damit diese innert einer Frist von 1 - 3 Tagen gegen ihn Einwendungen erheben können; des weiteren sind sie befugt, vor der Instruktion des Sachverständigen dem Präsidenten bestimmte Fragen vorzuschlagen. Über diese zur Sicherung der Parteirechte aufgestellten Vorschriften hat sich das Appellationsgericht bei der Stellung seiner Expertenfragen an Dr. Hauser hinweggesetzt. Der Beschwerdeführer hat jedoch gegen die Fragestellung an den Zeugen nicht unverzüglich Einspruch erhoben, sondern gegenteils selber an ihn Ergänzungsfragen stellen lassen, die ebenfalls Expertenfragen waren, wie er dies schon im erstinstanzlichen Verfahren bei der Befragung des Zeugen Prof. Freudenberg getan hatte. Ob unter diesen Umständen gleichwohl von einer formellen Gehörsverweigerung gesprochen werden könne, ist zweifelhaft. Die Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da das angefochtene Urteil auf jeden Fall wegen willkürlicher Anwendung von § 151 Basler ZPO aufgehoben werden muss.
4.
Gemäss
§ 151 ZPO
ist bei der Ernennung von Sachverständigen "darauf zu sehen, dass diese bei der betreffenden Sache nicht irgendwie beteiligt seien".
Im vorliegenden Fall war Dr. Hauser zweifellos im Sinne dieser Vorschrift "an der Sache beteiligt". Er hatte in seiner Eigenschaft als Oberarzt am Kinderspital zeitweise an der Behandlung der Beschwerdebeklagten mitgewirkt, wenn auch Prof. Freudenberg eigentlicher behandelnder Arzt war; überdies behandelte er sie nach ihrer Entlassung aus dem Spital, ab 1954, in seiner Privatpraxis; im Zeitpunkt seiner Einvernahme durch
BGE 94 I 417 S. 425
das Appellationsgericht befasste er sich noch konsiliarisch mit ihr.
Diese Beteiligung an der Sache hatte nicht nur seine Ablehnbarkeit zur Folge, sondern sie bedeutete nach der Systematik des Gesetzes wie auch nach dem Wortlaut des § 151 einen Unfähigkeitsgrund, der es ausschloss, ihn als Sachverständigen beizuziehen. Würde es sich um eine blosse Ablehnbarkeit handeln, so hätte es der Aufnahme des ersten Satzes von § 151 in das Gesetz nicht bedurft, da ja das Recht der Parteien, Einwendungen gegen den vom Präsidenten bezeichneten Sachverständigen geltend zu machen, bereits in
§ 150 ZPO
geregelt ist. Zum mindesten enthält § 151 die Verpflichtung des Richters, von der Bezeichnung eines Sachverständigen abzusehen, von dem er weiss, dass er an der Sache beteiligt ist. Um eine blosse Ordnungsvorschrift kann es sich dabei nicht handeln, und zwar auch nicht etwa in dem Sinn, dass der Richter über eine Beteiligung des Sachverständigen hinwegsehen und es den Parteien überlassen dürfte, Einwendungen vorzubringen, worauf er dann erst verpflichtet wäre, einen andern Sachverständigen zu bezeichnen. Das zur Richterpflicht hinzutretende Recht der Parteien, Einwendungen gegen den Experten zu erheben, dient lediglich der Aufklärung des Richters, der im Zeitpunkt der Ernennung keine Kenntnis vom Ausstands- bezw. Ablehnungsgrund hatte.
Dass die Beteiligung an der Sache einen von Amtes wegen zu beachtenden Ausstandsgrund bildet, nimmt offenbar auch HABERTHÜR in der "Praxis zur Basler ZPO, mit Erläuterungen" an, wenn er (S. 641) ausführt, der Experte werde vom Richter unter Beachtung von
§ 151 ZPO
bestimmt. Ebenso vertritt GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 366, die Auffassung, zum Sachverständigen dürfe nur eine Person ernannt werden, die als Richter nicht abgelehnt werden könnte, und er missbilligt (FN 6) die Ansicht, geschäftliche Beziehungen zu der einen Partei stünden der Ernennung zum Sachverständigen nicht entgegen. Auch er stellt somit nicht auf eine allfällige Ablehnung ab, sondern betrachtet die Bezeichnung eines Sachverständigen, der als Richter abgelehnt werden könnte, als schlechthin unzulässig. Im gleichen Sinne erklären auch verschiedene andere kantonale Prozessordnungen der deutschen Schweiz die Ernennung eines Sachverständigen, der als Richter abgelehnt werden könnte, als unstatthaft (so Baselland,
§ 150
BGE 94 I 417 S. 426
ZPO
; Bern,
Art. 267 ZPO
; Zürich,
§ 214 ZPO
, dem die Kommentatoren STRÄULI/HAUSER das Marginale "Untaugliche Personen" beigefügt haben).
Eine andere Regelung haben verschiedene französischsprachige Kantone getroffen: Sie sehen lediglich die Ablehnbarkeit eines vom Richter ernannten Sachverständigen vor, ohne den Richter zu verpflichten, einen Ausstands- oder Ablehnungsgrund vom Amtes wegen zu berücksichtigen (so Waadt, Art. 215 CPC; Neuenburg, Art. 248 ff. CPC; Genf, Art. 261 f. CPC). Das ändert indessen nichts daran, dass nach dem hier in Frage stehenden Prozessrecht von Basel-Stadt die Beteiligung eines Sachverständigen an der Sache einen von Amtes wegen zu beachtenden Unfähigkeitsgrund darstellt.
Dr. Hauser hätte somit nicht als Sachverständiger bezeichnet werden dürfen, und es hatten daher auch alle Fragen zu unterbleiben, die inhaltlich Expertenfragen waren. Da die Beteiligung an der Sache einen Unfähigkeitsgrund bildet, ist auch unerheblich, dass der Beschwerdeführer nicht sofort Einspruch erhob und sogar selber Expertenfragen stellen liess. Indem das Appellationsgericht anstelle einer Oberexpertise die Aussagen des als Sachverständigen unzulässigen Dr. Hauser einholte und wesentlich auf sie abstellte, hat es § 151 der Basler ZPO durch willkürliche Auslegung und Anwendung verletzt.
Das Gerichtsorganisationsgesetz von Basel-Stadt (GOG) bestimmt allerdings in § 42, vorletzter Absatz: "Die Parteien sind indessen befugt, im gegenseitigen Einvernehmen auf den Austritt eines Gerichtspräsidenten, Richters oder Beamten des Zivilgerichts zu verzichten." Ob diese Vorschrift auch auf Sachverständige analog anwendbar sei, kann offen bleiben; denn auf jeden Fall fehlt es hier am gegenseitigen Einvernehmen; ein solches muss nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ausdrücklich erklärt werden, weshalb blosses Unterbleiben eines Einspruchs gegen die Befragung eines unzulässigen Experten seitens beider Parteien für die Annahme eines gegenseitigen Einvernehmens nicht ausreicht.
Die Beschwerdebeklagte wendet ein, die staatsrechtliche Beschwerde sei in diesem Punkte verspätet, da die Frist für ihre Erhebung mit der Einvernahme des Dr. Hauser zu laufen begonnen habe. Diese Auffassung geht fehl. Im Zeitpunkt der Einvernahme war dem Beschwerdeführer noch nicht bekannt, ob und wie das Appellationsgericht die Aussagen dieses Zeugen
BGE 94 I 417 S. 427
verwerten würde. Dies stand erst mit der Zustellung des Urteils fest, und erst sie setzte daher die Frist für die staatsrechtliche Beschwerde in Lauf.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. September 1967 wird aufgehoben.