BGE 94 II 157 vom 11. Juni 1968

Datum: 11. Juni 1968

Artikelreferenzen:  Art. 5 ZGB, Art. 364 OR , Art. 364 Abs. 1 OR, Art. 5 Abs. 2 ZGB

BGE referenzen:  129 III 604 , 91 II 358, 90 II 101

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

94 II 157


28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Juni 1968 i.S. Hälg & Co. gegen Strässle Söhne & Co.

Regeste

Werkvertrag über die Erstellung einer Zentralheizungsanlage. Haftung des Unternehmers für Korrosionsschäden infolge der Verwendung ungeeigneten Wassers.
Der Unternehmer ist aufgrund der ihm nach Art. 364 Abs. 1 OR obliegenden Sorgfaltspflichten dafür verantwortlich, dass die Anlage mit geeignetem Wasser gefüllt wird (Erw. 5).
Bedeutung der Übung, wonach die Heizungsfirmen das Wasser nicht prüfen (Erw. 4).

Sachverhalt ab Seite 158

BGE 94 II 157 S. 158
Aus dem Tatbestand:
Die Firma Strässle Söhne & Co. übertrug die Erstellung der Zentralheizungsanlage für den Neubau ihres Hotel- und Geschäftsgebäudes "Derby" in Wil (SG) der Firma Hälg & Co., Spezialfabrik für Zentralheizungen. Die Anlage war Ende 1958 fertig erstellt. In der Folge traten an zahlreichen Heizkörpern Korrosionsschäden auf, weil die Heizkörper nicht mit gewöhnlichem Leitungswasser, sondern mit enthärtetem Wasser gefüllt worden waren. Dieses enthält erhebliche Mengen an freier aggressiver Kohlensäure sowie an Sauerstoff, die durch den Zusatz korrosionshemmender Stoffe hätten neutralisiert werden müssen; diese Massnahme war jedoch nicht getroffen worden. Die Firma Hälg ersetzte die schadhaften Heizkörper und klagte sodann gegen die Bestellerin auf Bezahlung der Kosten dieser Reparaturarbeiten im Betrage von Fr. 33 914.95 nebst Zins.
Das Bezirksgericht Wil kam zum Schlusse, die Klägerin habe für die Einfüllung enthärteten Wassers in die Heizanlage und die dadurch verursachten Schäden nicht einzustehen. Es schützte daher die Klage.
Das Kantonsgericht St. Gallen bejahte nach Einholung mehrerer Gutachten von Sachverständigen die Verantwortlichkeit der Klägerin, weshalb diese keinen Anspruch auf Bezahlung der Reparaturarbeiten habe.
Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. a) Die Klägerin hat geltend gemacht, es bestehe in der Schweiz die Usanz, dass die Heizungsfirmen das für die von ihnen erstellten Heizungen zu verwendende Wasser nicht prüfen.
Das Kantonsgericht hat gestützt auf die eingeholten Gutachten zwar das Bestehen einer Übung dieses Inhalts festgestellt, sie aber, weil sie auch von den Sachverständigen missbilligt werde, als sachlich nicht begründet und innerlich nicht gerechtfertigt
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erachtet. Es hat deshalb nicht auf sie abgestellt, sondern entschieden, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, das Heizwasser entweder selber zu prüfen oder doch dem Besteller der Anlage genaue und klare Anweisungen darüber zu geben, was für Wasser zur Füllung geeignet sei.
Mit der Berufung wendet die Klägerin ein, sie habe sich auf die bestehende Übung verlassen dürfen; diese sei richtig und sinnvoll und müsse daher auch vom Richter beachtet werden.
b) Die in Art. 364 Abs. 1 OR getroffene gesetzliche Haftungsordnung, wonach beim Werkvertrag der Unternehmer für die gleiche Sorgfalt haftet wie der Dienstpflichtige beim Dienstvertrag, ist nicht zwingend. Sie wird indessen nicht schon durch das blosse Bestehen der von der Klägerin behaupteten Übung ganz oder teilweise ausser Kraft gesetzt. Denn gemäss ständiger Rechtsprechung ist die Übung nur dann objektives Recht, wenn das Gesetz auf sie verweist ( Art. 5 Abs. 2 ZGB ). Die Verkehrssitte gilt aber auch nicht ohne weiteres als Vertragsinhalt; sie verpflichtet die Parteien bloss dann, wenn diese sich ihr durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung - sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, durch schlüssiges Verhalten - unterwerfen. Die Übung kann sodann auch als Hilfsmittel für die Auslegung der Parteierklärungen nach der Vertrauenstheorie in Betracht kommen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die durch die Verkehrssitte belastete Partei diese kannte oder doch wenigstens mit ihrem Bestehen rechnen musste ( BGE 91 II 358 Erw. 2, BGE 90 II 101 Erw. 4 und dort erwähnte Rechtsprechung).
c) Im vorliegenden Falle hat das Kantonsgericht keine Willensäusserung der Parteien festgestellt, wonach die Frage, wer die Eignung des Wassers für die Heizanlage zu prüfen und die hiefür erforderlichen Vorkehren zu treffen habe, den in der Heizungsbranche geltenden Übungen unterstehen solle. Auch den Akten kann keine derartige Willensäusserung entnommen werden. Ebensowenig finden sich im angefochtenen Entscheid Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die in Frage stehende Übung gekannt habe oder nach den gegebenen Umständen mit ihr habe rechnen müssen. Letzteres behauptet selbst die Klägerin nicht. Sie bringt nur vor, sie habe sich auf die bestehende Übung der Heizungsfirmen verlassen dürfen. Nicht darauf kommt es jedoch an, sondern nur auf das Wissen oder Wissenmüssen des Bestellers, also der Beklagten.
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Die in Frage stehende Übung vermag daher eine allfällige Haftung der Klägerin nicht einzuschränken oder gar ganz aufzuheben, wenn die Prüfung des verwendeten Wassers zu den ihr nach Art. 364 Abs. 1 OR obliegenden Sorgfaltspflichten gehörte.

5. Das Wasser als Wärmeübertragungsmittel bildet einen wesentlichen Bestandteil einer Heizanlage, worauf schon der erstinstanzliche Sachverständige mit Recht hingewiesen hat. Erfordert die normale Brauchbarkeit einer Heizanlage, dass das verwendete Wasser eine bestimmte Beschaffenheit aufweise, so ist deshalb die Erstellerin der Anlage dafür verantwortlich, dass diese mit geeignetem Wasser gefüllt wird. Daraus ergab sich für die Klägerin die Pflicht, das Wasser auf seine Eignung hin zu prüfen oder prüfen zu lassen, sowie die Beklagte über diesen Punkt aufzuklären und ihr genaue Weisungen zu geben, was für Wasser einzufüllen sei. Eine solche Pflicht der Erstellerin anzunehmen, drängt sich um so mehr auf, als nach den Ausführungen der Sachverständigen der Vorinstanz Schädigungen der Heizanlagen wegen der Verwendung ungeeigneten Wassers nicht selten sind und über diese Fragen eine umfangreiche Fachliteratur vorhanden ist. Die hier eingetretene Schädigung hat also nichts Aussergewöhnliches an sich, sondern sie betrifft ein in der Heizungsbranche bekanntes Problem, das nach den eigenen Vorbringen der Klägerin "wegen der Komplexität der Wasserchemie und der Behandlungsmethoden" grosse Schwierigkeiten bereitet. Die Klägerin hatte deshalb auf Grund der ihr durch Art. 364 OR überbundenen Sorgfaltspflichten die Massnahmen vorzukehren, die erforderlich waren, um eine Schädigung der hier eingetretenen Art zu verhüten.
Die Klägerin hat jedoch überhaupt nichts unternommen, um ein einwandfreies Funktionieren der von ihr erstellten Heizanlage durch die Verwendung geeigneten Wassers zu erreichen und sicherzustellen. Sie hat sich nicht einmal die Mühe genommen, bei der Beklagten oder der von dieser beigezogenen Sanitärinstallationsfirma Erkundigungen darüber einzuziehen, ob für die Füllung der Heizanlage gewöhnliches oder enthärtetes Wasser in Aussicht genommen sei. Ein solches Verhalten eines grossen Unternehmens, das sich als "Spezialfabrik für Zentralheizungen" bezeichnet und damit den Eindruck erweckt, über besonders umfassende Fachkenntnisse auf seinem Tätigkeitsgebiet zu verfügen, kann nicht als gehörige Erfüllung des Werkvertrags
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anerkannt werden. Die Vorinstanz hat daher mit Recht die Klägerin für die Korrosionsschäden und die der Beklagten aus diesen erwachsenen weiteren Schadensfolgen verantwortlich erklärt.

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