Urteilskopf
94 III 35
8. Entscheid vom 22. Mai 1968 i.S. Elitaliana S.p.A.
Regeste
Die Zustellung von Betreibungsurkunden nach Italien durch die Post ist unzulässig (Änderung der Rechtsprechung).
Eine solche Zustellung ist nichtig.
Die Zustellung hat durch Vermittlung des kantonalen Obergerichts und des zuständigen italienischen Appellhofes zu erfolgen. (
Art. 66 Abs. 3 SchKG
; Art. 6 der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 1. März 1954; Art. 9 Abs. 1 des Niederlassungs- und Konsularvertrags zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868; Art. III des Protokolls vom 1. Mai 1869 betreffend die Vollziehung der schweizerischitalienischen Abkommen vom 22. Juli 1868).
A.-
Die Heliswiss, Schweizerische Helikopter AG, stellte am 27. Dezember 1967 gegen die "Elitaliana S.p.A., Signor Enzo Flammini, Via Marcello Pucci 6, Milano" zur Aufrechterhaltung eines gegen diese Gesellschaft erwirkten Arrestes das Betreibungsbegehren für die Arrestforderung von Fr. 4'710.80 nebst Zins und Kosten. Das Betreibungsamt Seftigen sandte den auf Grund dieses Begehrens am 28. Dezember 1967 ausgefertigten Zahlungsbefehl durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein an die genannte Adresse. Der Brief wurde laut Rückschein am 4. Januar 1968 zuhanden der Empfängerin einer als "custode" bezeichneten Person ausgehändigt.
B.-
Am 18. Januar 1968 führte die Elitaliana S.p.A., deren Sitz sich in Ferno (Provinz Varese, Italien) befindet, durch einen Berner Anwalt Beschwerde mit dem Antrag, die Zustellung des Zahlungsbefehls sei als nichtig zu erklären und das Betreibungsamt sei anzuweisen, die Zustellung auf gesetzliche Weise vorzunehmen. Sie machte geltend, die Postzustellung von Betreibungsurkunden nach Italien sei nicht zulässig.
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am 3. Februar 1968 ab mit der Begründung, die Richtigkeit der eine solche Zustellung erlaubenden Rechtsprechung (
BGE 44 III 75
ff.,
BGE 60 III 15
ff.) lasse sich bezweifeln, doch sei es nicht Sache der kantonalen Aufsichtsbehörde, sondern des Bundesgerichts, diese Rechtsprechung nötigenfalls zu ändern.
C.-
Den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat die Betriebene an das Bundesgericht weitergezogen.
Beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement wurde ein Bericht darüber eingeholt, ob und allenfalls in welchem Sinne die Regierungen der Schweiz und Italiens seit der Vereinbarung, die im Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1911 erwähnt wurde (BBl 1912 I S. 527 f., Feuille Fédérale = FF 1912 II 767, je Nr. 19), zur Frage der Zustellung von Gerichts- (und Betreibungs-) urkunden im andern Land Stellung genommen haben.
Die Schuldbetreibungs- und konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Wohnt der Schuldner im Ausland, so erfolgt die Zustellung der Betreibungsurkunden nach
Art. 66 Abs. 3 SchKG
BGE 94 III 35 S. 37
durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder durch die Post. Diese Regelung gilt jedoch nur unter Vorbehalt abweichender staatsvertraglicher Abmachungen, die dem internen schweizerischen Rechte vorgehen. Auch kann jeder Staat, soweit dem nicht ein Staatsvertrag entgegensteht, die Postzustellung aus dem Ausland verbieten und die Mitwirkung seiner Behörden bei der Zustellung ausländischer Gerichts- und Betreibungsurkunden vorschreiben (
BGE 76 III 76
f.; vGl. auch
BGE 82 III 75
Abs. 1).
2.
Die Schweiz und Italien sind der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 1. März 1954 (AS 1957 S. 467 ff.) beigetreten. Sie waren auch schon Vertragsstaaten der Übereinkunft gleichen Namens vom 17. Juli 1905 (BS 12 S. 277 ff.). Die am 15. November 1965 im Haag abgeschlossene Convention relative à la signification et la notification à l'étranger des actes judiciaires et extrajudiciaires en matière civile ou commerciale (Recueil des Conventions de La Haye, 1966) ist noch nicht in Kraft getreten, auf jeden Fall nicht im Verhältnis zwischen der Schweiz und Italien.
Die Übereinkünfte betreffend Zivilprozessrecht von 1905 und 1954 regeln in Art. 1-7 die Mitteilung gerichtlicher und aussergerichtlicher Urkunden in Zivil- und Handelssachen. Unter diesen Begriff fällt nach ständiger Praxis auch die ZusteLlung von Betreibungsurkunden (Kreisschreiben des Bundesgerichts, Nr. 4 vom 12. Juni 1913 betr. Zustellungen nach Deutschland und Nr. 20 vom 13. Juli 1926 betr. Pfändungsanzeigen nach Deutschland,
BGE 54 III 86
bzw.
BGE 52 III 102
;
BGE 43 III 221
,
BGE 79 III 134
,
BGE 82 III 75
Abs. 2). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Betreibung eine privatrechtliche Forderung betrifft (vgl. GULDENER, Das internat. und interkant. Zivilprozessrecht der Schweiz, Zürich 1951, S. 24 Anm. 32; betr. Zustellungen in Sozialversicherungsprozessen vgl. EVGE 1966 S. 67 ff.).
Art. 6, der in beiden Übereinkünften gleich lautet, bestimmt u.a., durch die vorangehenden Artikel werde nicht ausgeschlossen, dass Urkunden den im Ausland befindlichen Beteiligten unmittelbar durch die Post zugestellt werden (Abs. 1 Ziff. 1); diese Zustellungsart sei jedoch nur statthaft, wenn Abkommen zwischen den beteiligten Staaten sie zulassen (l'admettent) oder wenn in Ermangelung von Abkommen der Staat, auf dessen Gebiet die Zustellung erfolgen soll, nicht widerspricht (ne s'y oppose pas; Abs. 2).
Ein Abkommen, das die Postzustellung von Betreibungsurkunden zuliesse, besteht zwischen der Schweiz und Italien nicht. Italien hat dieser Zustellungsart auch nicht ausdrücklich widersprochen. Das Ausbleiben eines Widerspruchs lässt jedoch nach Art. 6 der Haager Übereinkünfte von 1905 und 1954 die Postzustellung nur "in Ermangelung von Abkommen" ("à défaut de conventions"), d.h. nur dann als zulässig erscheinen, wenn zwischen den beteiligten Staaten ein Abkommen über die Zustellung von Urkunden der in Frage stehenden Art nicht besteht. Ist dagegen ein solches Abkommen vorhanden, so soll es nach der erwähnten Bestimmung allein Regel machen (
BGE 82 III 75
/76; vgl.
BGE 76 III 78
/79, wo sich das Bundesgericht, wie in
BGE 82 III 76
dargelegt, bereits auf diese Auslegung von Art. 6 der Übereinkunft von 1905 stützte). Die Übereinkünfte von 1905 und 1954 verbieten solche Sonderabkommen nicht. In Art. 1 Abs. 4 bestimmen sie vielmehr ausdrücklich, die vorangehenden Bestimmungen, die von der Zustellung durch Vermittlung der Konsuln oder auf diplomatischem Weg handeln, hinderten nicht, dass sich zwei Vertragsstaaten über die Zulassung des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen ihren beiderseitigen Behörden verständigen.
3.
Der Niederlassungs- und Konsularvertrag zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 (französischer Urtext in Recueil Systématique = RS 11 S. 649 ff., amtliche deutsche Übersetzung in BS 11 S. 671 ff.) bestimmt in Art. 9 Abs. 1 gemäss wörtlicher Übersetzung des Urtextes u.a., die Vorladungen oder Mitteilungen der Urkunden und allgemein jeder Akt, der in Zivil- oder Strafsachen auf Ersuchungsschreiben des Gerichts des einen Landes auf dem Gebiet des andern zu vollziehen sei, müssen auf ungestempeltem Papier und ohne Zahlung von Kosten vollzogen werden. Für die Vollziehung dieser Bestimmung wurde in Art. III des am 1. Mai 1869 unterzeichneten Protokolls betreffend die Vollziehung der schweizerischitalienischen Abkommen vom 22. Juli 1868 (RS 11 S. 658 f., BS 11 S. 680 f.) vereinbart, dass die italienischen Appellhöfe, das Bundesgericht und das Obergericht jedes eidgenössischen Standes fortan unmittelbar miteinander verkehren in bezug auf alles, was die Zusendung und die Erledigung (amtliche Übersetzung von: "l'envoi et l'expédition") der Ersuchungsschreiben in Zivil- und Strafsachen betrifft.
In
BGE 44 III 78
und
BGE 60 III 16
nahm das Bundesgericht ohne
BGE 94 III 35 S. 39
nähere Begründung an, die Haager Übereinkunft von 1905 habe die Bestimmungen des Staatsvertrags mit Italien über die Zustellung von Gerichtsakten (einschliesslich Betreibungsakten) ausser Kraft gesetzt. Für diese Annahme bietet jedoch die Haager Übereinkunft keinen Anhaltspunkt. Wie schon erwähnt, behält sie in Art. 1 Abs. 4 den Vertragsstaaten die Befugnis vor, sich für die Zustellungen auf den unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen den beidseitigen Behörden zu einigen. (Das gleiche gilt nach Art. 9 Abs. 4 der Übereinkunft für die Ersuchungsschreiben). Unter diesen Vorbehalt fallen, wie ERNST JEKER (Die Zustellung der Betreibungsurkunden nach schweiz. SchKG, Berner Diss. 1943, S. 99/100) unter Hinweis auf MEILI und MAMELOK (Das internationale Privat- und Zivilprozessrecht auf Grund der Haager Konventionen, Zürich 1911, S. 303) zutreffend ausführt, nicht bloss Abkommen, die nach dem Inkrafttreten der Haager Übereinkunft geschlossen werden, sondern auch solche, die beim Inkrafttreten dieser Übereinkunft schon bestanden. Sonderabkommen über die Zulassung des unmittelbaren Geschäftsverkehrs, die vor Inkrafttreten oder während der Geltungsdauer der Übereinkunft von 1905 geschlossen wurden, gelten ohne weiteres auch unter der Herrschaft der Übereinkunft von 1954, die sich in Art. 1 Abs. 4 und 9 Abs. 4 mit der frühern Übereinkunft deckt. Nach dem Bericht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 29. April 1968 teilen das genannte Departement und das Eidg. Politische Departement diese Ansicht.
Obwohl die Fassung von Art. 9 Abs. 1 des Staatsvertrags vom 22. Juli 1868 ("Les citations ou notifications des actes... et, en général, tout acte qui doit avoir exécution... d'après commission rogatoire...") die Auffassung nahelegt, die Mitteilung von Gerichtsurkunden gehöre im Sinne des Staatsvertrags zu den auf Ersuchungsschreiben hin zu vollziehenden Prozesshandlungen und habe daher auf dem in Art. III des Protokolls vom 1. Mai 1869 für die Behandlung von Ersuchungsschreiben vorgesehenen Wege zu erfolgen, bestand hierüber Unsicherheit, nachdem die Haager Übereinkunft von 1905 am 27. April 1909 (BS 12 S. 287) für die Schweiz und für Italien in Kraft getreten war. Während ein Bericht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 28. Mai 1904 die Postzustellung von Gerichtsakten nach Italien als nicht möglich bezeichnet und erklärt hatte, die schweizerischen
BGE 94 III 35 S. 40
Obergerichte könnten solche Akten unmittelbar an die zuständigen italienischen Appellhöfe übermitteln, worauf in Italien die Zustellung an die Prozesspartei erfolge (SALIS/BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht IV, Nr. 1620 IV S. 80), führte der Bundesrat im Jahre 1909 in einem Kreisschreiben an die Kantonsregierungen aus, in Italien dürften nunmehr (d.h. seit dem Inkrafttreten der Haager Übereinkunft) die gerichtlichen und aussergerichtlichen Schriftstücke, welche zur Zustellung an dort wohnende Personen bestimmt seien, durch die fremden Konsuln dem Prokurator des Bezirksgerichts, wo die Zustellung stattzufinden hat, übermittelt werden; bezüglich der Requisitoriale bleibe es bei dem in Art. III des Protokolls zu den Verträgen vom 22. Juli 1868 festgesetzten Verfahren (SALIS/BURKHARDT a.a.O. Nr. 1616 III S. 69 f.; BBl 1910 I S. 324, FF 1910 II 115, je Nr. 15). Der Bundesrat nahm also damals an, für die Zustellung von gerichtlichen und aussergerichtlichen Urkunden nach Italien sei anders als für die Ersuchungsschreiben an italienische Gerichte nicht Art. III des Protokolls von 1869 massgebend, sondern Art. 1 Abs. 1 der Haager Übereinkunft, der die Zustellung der Urkunden durch Vermittlung der Konsuln vorsieht.
In einem Notenwechsel zwischen der Italienischen Gesandtschaft in Bern und dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement vom 27. Januar/7. Februar/30. Dezember 1911, von dem das Departement der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer mit seinem Bericht vom 29. April 1968 Photokopien übermittelt hat, einigten sich dann aber die Behörden der beiden Länder ausdrücklich dahin, Art. III des Protokolls von 1869 sei in dem Sinne auszulegen, dass das dort vorgesehene Verfahren auch für die Zustellung von Gerichtsakten (actes judiciaires) gelte. In einem Kreisschreiben an die Kantonsregierungen vom 10. Januar 1912 und im Bericht des Bundesrats über seine Geschäftsführung im Jahre 1911 (BBl 1912 I 527 f., FF 1912 II 767, je Nr. 19) wurde dementsprechend erklärt, mit der Italienischen Regierung sei auf Deren Antrag vereinbart worden, "dass vom 1. Januar 1912 hinweg die Gerichtsakten, welche im andern Lande zur Zustellung gelangen sollen, in gleicher Weise wie die Requisitorien in Zivil- und Strafsachen, entsprechend der Bestimmung im Art. III des Protokolls zu den schweizerischitalienischen Verträgen vom 22. Juli 1868, direkt von den Obergerichten der Kantone, beziehungsweise dem Bundesgerichte
BGE 94 III 35 S. 41
an die italienischen Appellhöfe und umgekehrt übermittelt werden können". Die gleiche Auffassung kommt auch in der Bereinigten Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848-1947 zum Ausdruck, wo eine Fussnote zu Art. 1 Abs. 4 der Haager Übereinkunft von 1905 (BS 12 S. 278 Anm. 2) feststellt, die Schweiz habe sich im Sinne dieser Bestimmung u.a. mit Italien verständigt, und wo eine Fussnote zum Titel der Übereinkunft zwischen der Schweiz und Italien betreffend die gegenseitige Bewilligung des Armenrechtes im Prozessverfahren vom 8. November 1 882 (BS 12 S. 314 Anm. 2) bemerkt: "Siehe ferner Art. 9 des Niederlassungs- und Konsularvertrages vom 22. Juli 1868... und Art. III des Protokolls vom 1. Mai 1869...". (Eine verbindliche Äusserung des Bundesgesetzgebers ist in diesen Fussnoten allerdings nicht zu erblicken; vgl. BS 1 S. X, bes. Ziff. 2). Die Anwendbarkeit des Protokolls von 1869 auf Zustellungen von der Schweiz nach Italien bejahen auch JEKER (a.a.O. S. 115, mit Hinweis auf ein Kreisschreiben des EJPD vom 24. Mai 1911, dessen Fundstelle nicht angegeben wird), RIEZLER (Internat. Zivilprozessrecht, Berlin u. Tübingen 1949, S. 691) und (mit einem hier nicht interessierenden Vorbehalt) der Kassationshof des Bundesgerichts (
BGE 90 IV 54
).
Zwischen der Schweiz und Italien besteht also ein Sonderabkommen, das die Zustellung von Gerichtsakten auf dem Wege des unmittelbaren Verkehrs zwischen den schweizerischen Obergerichten (oder gegebenenfalls dem Bundesgericht) und den italienischen Appellhöfen vorsieht, so dass die - nach Art. 6 Abs. 2 der Haager Übereinkunft nur beim Fehlen eines Sonderabkommens zulässige - Postzustellung solcher Urkunden nach Italien ausgeschlossen ist (im gleichen Sinne ein Urteil des bernischen Appellationshofes, I. Zivilkammer, vom 5. Dezember 1950, ZBJV 88/1952 S. 304 ff., zustimmend erwähnt von SCHNITZER, Internat. Privatrecht, 4. Aufl., Band II, Basel 1959, S. 862 Anm. 61; vgl. auch LEUCH, 3. Aufl. 1956, N. 1 zu Art. 17 der bern. ZPO, S. 37 unten).
Zu den Gerichtsakten im Sinne dieses Abkommens sind jedenfalls dann, wenn die Betreibung eine privatrechtliche Forderung betrifft, auch die Betreibungsurkunden zu rechnen; denn die Schuldbetreibung für solche Forderungen gehört zur Zivilrechtspflege (vgl. FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs I, Zürich 1967, S. 2).
BGE 94 III 35 S. 42
In Abweichung von den Entscheiden
BGE 44 III 75
ff. und
BGE 60 III 15
ff., bei deren Erlass der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer der Notenwechsel vom Jahre 1911 entgangen war, ist daher festzustellen, dass die Postzustellung von Betreibungsurkunden nach Italien unzulässig ist.
Die Postzustellung von Gerichts- und Betreibungsurkunden von der Schweiz nach Italien kann um so weniger zugelassen werden, als die Schweiz ihrerseits den übrigen Vertragsstaaten der Haager Übereinkunft von 1905 im April 1909 auf Grund von Art. 1 Abs. 3 und 9 Abs. 3 dieser Übereinkunft mitgeteilt hat, sie wünsche, dass ihr - unter Vorbehalt des mit einigen Staaten bestehenden direkten Verkehrs der Gerichtsbehörden - alle Begehren um Zustellung und alle Ersuchungsschreiben auf diplomatischem Weg zugestellt werden (BBl 1910 I 295= FF 1910 II 87; vgl. BS 12 S. 279 Anm. l'VEBB 1956 Nr. 5 S. 26 ff., bes. S. 29/30,
BGE 76 III 79
Erw. 3,
BGE 82 III 76
), welche Erklärung auch für die Haager Übereinkunft von 1954 gilt (EVGE 1966 S. 70 mit Hinweis auf einen dem Eidg. Versicherungsgericht erstatteten Bericht des EJPD vom 7. April 1966).
4.
Eine postalische Zustellung einer Betreibungsurkunde nach dem Ausland, die in Verletzung staatsvertraglicher Bestimmungen vorgenommen wurde, ist schlechthin nichtig (
BGE 57 III 30
Erw. 4,
BGE 82 III 77
Erw. 5). Die Zustellung des Zahlungsbefehls an die Rekurrentin ist daher von Amtes wegen aufzuheben, ohne dass zu prüfen wäre, ob die Beschwerde innert zehn Tagen seit dem Zeitpunkt, da eine nach
Art. 65 SchKG
empfangsberechtigte Person den Zahlungsbefehl erhielt (
BGE 88 III 15
), eingereicht wurde oder nicht.
5.
Die neue Zustellung hat auf dem in Art. III des Protokolls von 1869 vorgesehenen Wege, d.h. durch Vermittlung des bernischen Obergerichts und des zuständigen italienischen Appellhofs, zu erfolgen.
Soweit das Sonderabkommen mit Italien die Modalitäten der Zustellung nicht regelt, sind die Art. 1-5 und 7 der Haager Übereinkunft von 1954 anwendbar.
Sollte die Rekurrentin inzwischen einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz bezeichnet haben (
Art. 66 Abs. 1 SchKG
, vgl.
BGE 69 III 36
/37), so könnte der Zahlungsbefehl unmittelbar diesem zugestellt werden. Einen solchen Bevollmächtigten zu bezeichnen, ist die Rekurrentin jedoch nicht
BGE 94 III 35 S. 43
verpflichtet (vgl.
BGE 68 III 152
/53). Der von ihr für das vorliegende Beschwerdeverfahren beigezogene Anwalt darf nicht ohne weiteres als solcher Bevollmächtigter betrachtet werden (
BGE 69 III 82
ff.).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben, die Zustellung des Zahlungsbefehls in der Betreibung Nr. 3800 des Betreibungsamtes Seftigen ungültig erklärt und das Betreibungsamt Seftigen angewiesen, der Rekurrentin den Zahlungsbefehl auf dem Wege zuzustellen, der in Art. III des Protokolls vom 1. Mai 1869 betreffend die Vollziehung der am 22. Juli 1868 in Bern und Florenz zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen und unterzeichneten Verträge und Übereinkünfte (BS 11 S. 680 f.) vorgesehen ist.