Urteilskopf
96 I 71
12. Urteil vom 21. April 1970 i.S. Kiefer gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Solothurn.
Regeste
Art. 84 Abs. 2 OG
.
Wegen Nichtanordnung einer psychiatrischen Oberexpertise im Strafverfahren kann der Angeklagte die eidgen. Nichtigkeitsbeschwerde erheben; die staatsrechtliche Beschwerde steht daher dafür nicht offen.
Mit der gegen das Urteil des Obergerichtes des Kantons Solothurn vom 29. Oktober 1969 gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde vom 28. November 1969 /9. März 1970 wird geltend gemacht, das Obergericht hätte dem Begehren des Beschwerdeführers auf Durchführung einer psychiatrischen Oberexpertise entsprechen müssen, weil das eingeholte Gutachten ungenügend sei.
Im Strafverfahren ergibt sich der Anspruch auf Anordnung einer Expertise bei Zweifeln über die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten aus
Art. 13 StGB
. Doch schreibt das Strafgesetz nicht bloss einfach eine Begutachtung, sondern eine ausreichende Begutachtung vor; auf Grund von
Art. 13 StGB
ist daher auch zu entscheiden, ob im Einzelfall, auf Grund der konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse des Beschuldigten, ein Obergutachten einzuholen ist.
Der Anspruch auf Einholung eines Gutachtens, der sich für den Beschuldigten aus
Art. 4 BV
ergibt, geht nicht weiter als der aus
Art. 13 StGB
folgende. Wie es sich verhält, wenn das kantonale
BGE 96 I 71 S. 72
Prozessrecht Vorschriften aufweist, die über den aus
Art. 13 StGB
sich ergebenden Schutz hinausgehen, kann auf sich beruhen. Denn der Beschwerdeführer macht nichts geltend, woraus sich ein weitergehender Anspruch ergeben würde.
Die Verletzung von
Art. 13 StGB
durch Ablehnung einer Oberexpertise im Strafverfahren kann daher gegenüber einem letztinstanzlichen Urteil mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zur Geltung gebracht werden (
Art. 268, 269 BStP
).
Dieses Rechtsmittel schliesst die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aus (
Art. 84 Abs. 2 OG
).
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wegen Nichteinholung einer psychiatrischen Oberexpertise ist deshalb nicht einzutreten.