Urteilskopf
96 V 124
33. Auszug aus dem Urteil vom 4. September 1970 i.S. AHV Ausgleichskasse des Kantons Zürich gegen Konkursmasse Eschmann und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste
Art. 52 AHVG
und
Art. 81 AHVV
.
Zur Beurteilung der Schadenersatzklage im Sinne von
Art. 52 AHVG
ist der AHV-Richter auch dann zuständig, wenn diese direkt gegen die für eine juristische Person handelnden Rechtssubjekte gerichtet ist.
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 52 AHVG
hat ein Arbeitgeber, welcher durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften einen Schaden verschuldet, diesen der Ausgleichskasse zu ersetzen. Das dabei einzuschlagende Verfahren regelt
Art. 81 AHVV
...
3.
In der AHV kommt den Arbeitgebern nebst ihrer Eigenschaft als Beitragspflichtige (
Art. 12 AHVG
) auch Organfunktion hinsichtlich Beitragsbezug
und Rentenauszahlung zu (
Art. 51 AHVG
). Korrelat dieser Organstellung im öffentlichen Recht des Bundes ist die Bestimmung von
Art. 52 AHVG
, welche die interne Haftung des Organs Arbeitgeber gegenüber dem Versicherungswerk,
BGE 96 V 124 S. 125
regelt. Fragen könnte sich, ob dieser Bestimmung mit dem Inkrafttreten des Verantwortlichkeitgesetzes von 1958 derogiert worden sei. Die Frage ist zu verneinen, bildet
Art. 52 AHVG
doch innerhalb des Systems des Verantwortlichkeitsgesetzes eindeutig eine Spezialbestimmung. Hingegen sind die
dem Verantwortlichkeitsgesetz zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsnormen auch bei der Auslegung dieser Bestimmung heranzuziehen. Hier fällt insbesondere auf,
dass im Bereich der internen Haftung, auch wenn die öffentliche Aufgabe einer Organisation übertragen ist, primär der Schadensverursacher persönlich und die Organisation erst subsidiär haftet (Art. 19 Verantwortlichkeitsgesetz). Dafür, dass
Art. 52 AHVG
diese Verantwortlichkeit der für die Organisation handelnden Personen hatte wegbedingen wollen, fehlt es an Anhaltspunkten. Es handelt sich vielmehr um die Umkehrung des allgemeinen Grundsatzes, indem nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung primär der Arbeitgeber, also gegebenenfalls die Organisation, haftet. Daneben muss im Hinblick auf den erwähnten allgemeinen Grundsatz aber auch die - wenigstens subsidiäre - Haftung der handelnden Personen angenommen werden.
Dass eine solche Haftung allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht, ergibt sich ferner aus der im Privatrecht getroffenen Regelung hinsichtlich der Haftung der Organe einer juristischen Person (vgl.
Art. 55 Abs. 3 ZGB
und
Art. 754 OR
). Dass
Art. 52 AHVG
auch die Erfassung der Organe einer juristischen Person und gegebenenfalls weiterer Hilfspersonen erlaubt, wird übrigens auch im
Schrifttum dargelegt (vgl. Winzeler, Die Haftung der Organe und der Kassenträger in der AHV, Diss. Zürich 1952, S. 64 ff., Sommerhalder, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers in der AHV, Diss. Zürich 1958, S. 78 f.).
Für eine direkt auf
Art. 754 OR
oder 55 Abs. 3 ZGB gestützte Zivilklage bleibt somit entgegen der Ansicht der Vorinstanz kein Raum. Offenbleiben kann die Frage, wie vorzugehen wäre, wenn nicht ein Schaden im Sinne von
Art. 52 AHVG
, sondern ein solcher gemäss
Art. 41 ff. OR
geltend gemacht würde...