BGE 97 I 417 vom 30. März 1971

Datum: 30. März 1971

Artikelreferenzen:  Art. 934 OR, Art. 58 HRegV , Art. 53 lit. C HRegV, Art. 58 Abs. 1 HRegV, Art. 53 HRegV, Art. 54 HRegV, Art. 52 Abs. 1 HRegV

BGE referenzen:  135 III 304 , 81 I 80

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

97 I 417


56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1971 i.S. Näf gegen Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen.

Regeste

Handelsregister, Eintragungspflicht.
Der Inhaber einer Gemüsegärtnerei ist zur Eintragung nicht verpflichtet, wenn sein Betrieb der Landwirtschaft, also nicht einem andern, nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe im Sinne von Art. 53 lit. C HRegV zuzurechnen ist.

Sachverhalt ab Seite 417

BGE 97 I 417 S. 417

A.- Karl Näf betreibt in Goldach SG eine Gemüsegärtnerei und erzielt damit einen Jahresumsatz von rund Fr. 250'000.--. Der Betriebsgewinn auf 30. September 1968 belief sich auf Fr. 77'000.--, die Personalkosten machten Fr. 66'500.-- aus. Nach Angaben Näfs betrug die bewirtschaftete Fläche im Jahre 1969 rund 4 ha (wovon rund 2,8 ha Eigenbesitz). Der Betrieb umfasst zwei Wohnhäuser, eine Scheune mit Anbau und Kesselhaus, einen offenen Schopf und Lagerraum, zwölf Gewächshäuser und ein Kühlhaus. Nach Angaben des Betreibungsamtes Goldach beschäftigte Näf im Jahre 1968 16 Angestellte (ob alle gleichzeitig, ist unklar); Näf selber behauptet, im Sommer 1969 seien es neun, im Winter 1969/70 sechs gewesen. Er führt kein Verkaufsgeschäft, keinen Laden, sondern liefert seine Erzeugnisse in der Regel mit einem Motorfahrzeug an rund 25 Grossabnehmer, d.h. Inhaber von Marktständen in St. Gallen und
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Ladengeschäfte. Einer seiner Hauptabnehmer ist die Migros. Im Geschäftsjahr 1967/68 stellte Näf seinen Kunden monatliche Rechnungen für bis zu 30 Lieferungen zu. Die entsprechenden Rechnungskopien umfassen 245 Blätter. Die Buchhaltung Näfs wird von der Ostschweizerischen Bürgschafts- und Treuhand-Genossenschaft (OBTG) geführt, der Näf monatlich seine Aufzeichnungen über Einnahmen, Ausgaben und dergleichen zustellt.

B.- Näf weigerte sich im Jahre 1969, sich entsprechend der Aufforderung des Handelsregisteramtes des Kantons St. Gallen ins Handelsregister eintragen zu lassen. Die Aufsichtsbehörde des Kantons St. Gallen über das Handelsregister ordnete hierauf gestützt auf Art. 58 Abs. 1 HRegV mit Entscheid vom 18. November 1970 die Eintragung an.

C.- Näf beantragt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde diesen Entscheid aufzuheben, die Eintragungspflicht zu verneinen, und die Kosten des kantonalen und des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Kanton St. Gallen zu überbinden und ihm, dem Beschwerdeführer, eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen.

D.- Die Aufsichtsbehörde hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Nach Art. 934 OR und 52 HRegV ist zur Eintragung im Handelsregister verpflichtet, "wer ein Handels-, ein Fabrikations- oder ein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt". Diese Begriffe werden in Art. 53 HRegV näher umschrieben. Daraus ergibt sich, dass der Betrieb des Beschwerdeführers weder ein Handels- noch ein Fabrikationsgewerbe ist, sondern allenfalls zu den anderen, nach kaufmännischer Art geführten Gewerben im Sinne des Art. 53 lit. C HRegV gehört. Die jährliche Roheinnahme von mindestens Fr. 50'000.-- ist als weitere Voraussetzung der Eintragungspflicht nach Art. 54 HRegV erfüllt.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind Betriebe der Urproduktion, insbesondere solche der Landwirtschaft, eintragungspflichtig, wenn sie mit einem Grosshandel der gewonnenen Erzeugnisse verbunden sind oder sonstwie nach kaufmännischer Art geführt werden
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und daher unter Art. 53 lit. C HRegV fallen ( BGE 78 I 68 ). Unter diesem Gesichtspunkt hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner Rechtsprechung zur alten Handelsregisterverordnung vom 6. Mai 1890 Baumschulen und Handelsgärtnereien zur Eintragung verpflichtet (SALIS/BURCKHARDT, Bundesrecht III Nr. 1505; Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1928 Nr. 34), davon aber landwirtschaftliche Betriebe ausgenommen, was der erwähnte Entscheid in Salis/Burckhardt als selbstverständlich unterstellt, wenn er auch unter Landwirtschaft "die eigentliche nichteintragungspflichtige Bauernschaft" versteht, die "vorwiegend auf Selbstversorgung gerichtet ist". Später hat das Bundesgericht - im Hinblick auf die Unterstellung unter die Kriegsgewinnsteuer - Baumschulen und Handelsgärtnereien zusammen mit der Landwirtschaft zur Urproduktion gezählt, jene Betriebe jedoch wegen der im Vordergrund stehenden kaufmännischen Tätigkeit wirtschaftlich dem eintragungspflichtigen Gewerbe gleichgestellt (vgl. nicht veröffentlichten Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichts vom 24. Oktober 1947 i.S. Hauenstein und Söhne). Die gleiche Frage (Unterstellung unter die Kriegsgewinnsteuer) hatte das Bundesgericht ferner in einem nicht veröffentlichten Entscheid vom 22. Oktober 1948 i.S. Schweizerische Genossenschaft für Gemüsebau zu beurteilen. Es handelte sich um einen ausgesprochenen Grossbetrieb, der damals nicht nur Gemüse, sondern auch grosse Mengen von Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln in elf Betrieben von insgesamt 130 ha erzeugte und verkaufte. Daneben besass die Genossenschaft etwa 40 Pferde, 350 Rinder, 100 Schweine und 300 Hühner. Dass ein solcher Betrieb nach kaufmännischen Grundsätzen geführt und buchhalterisch erfasst werden muss, steht ausser Frage. Trotzdem rechnete ihn das Bundesgericht - mit Ausnahme einzelner besonderer Zweige: Blumenzucht, Verkaufsfilialen - zur Landwirtschaft und stellte ihn den Betrieben des Handels und Gewerbes gegenüber. Dieses Urteil erwähnte das Bundesgericht im EntscheidBGE 78 I 69/70 in zustimmendem Sinne und hielt damit an der Auffassung fest, dass landwirtschaftliche Betriebe von der Eintragungspflicht ausgenommen seien. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es an anderer Stelle (a.a.O. S. 68) solche Betriebe als eintragungspflichtig erklärte, die mit einem Grosshandel der gewonnenen Erzeugnisse verbunden
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sind oder sonstwie nach kaufmännischer Art geführt werden; denn dieser Satz bezieht sich nach seiner Stellung im Text nicht auf landwirtschaftliche Betriebe, sondern auf Baumschulen und Handelsgärtnereien. Das Bundesgericht führte damals auch aus, dass landwirtschaftliche Betriebe - obwohl die Definition des Gewerbes auch auf sie zutreffen würde - im Gegensatz zu den in Art. 934 OR (und gleichlautend in Art. 52 Abs. 1 HRegV ) angeführten Gewerbearten stehen und dass die Anwendbarkeit des Handelsrechts für sie keinen Sinn habe (a.a.O. S. 68). Diese Rechtsprechung wurde in BGE 81 I 80 und in einem neuen, nicht veröffentlichten Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichtes vom 12. September 1967 i.S. Erben Karl Hug gegen Kantonale Steuerrekurskommission Basel-Land ausdrücklich bestätigt. Entgegen der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement in der Vernehmlassung geäusserten Ansicht ist somit die Eintragungsbedürftigkeit eines landwirtschaftlichen Grossbetriebs zu verneinen, gleichgültig, ob sein Inhaber sich in erster Linie mit der technischen und kaufmännischen Leitung befasst und daher seine persönliche Arbeitsleistung auf dem Felde in den Hintergrund tritt.

3. Die Eintragungspflicht des Beschwerdeführers hängt also davon ab, ob sein Gemüsebaubetrieb (Gemüsegärtnerei) der Landwirtschaft oder wie Baumschulen und Handelsgärtnereien - im Sinne des Art. 53 lit. C HRegV - einem andern, nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe zuzurechnen sei.
a) Gegen die letztgenannte Annahme spricht in erster Linie der Umstand, dass es sich um ein Gewerbe der Bodenkultur, der landwirtschaftlichen Urproduktion handelt. Es unterscheidet sich in dieser Beziehung vom Ackerbau und andern landwirtschaftlichen Kulturarten nur insofern, als es zu den flächenmässig eher kleinen Betrieben mit hohen Roherträgen gehört (vgl. HOWALD/LAUR, Landwirtschaftliche Betriebslehre, 17. Auflage 1967, S. 267). Freilich werden im Betriebe des Beschwerdeführers besondere technische Einrichtungen verwendet, so z.B. die zwölf Gewächshäuser, das Kesselhaus und das Kühlhaus. Deswegen liegt aber noch kein Gewerbe vor (in diesem Sinne unveröffentlichter Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer von 23. Oktober 1948 i.S. Schweiz. Genossenschaft für Gemüsebau gegen Eidg. Steuerverwaltung); denn auch gewöhnliche Landwirtschaftsbetriebe setzen zunehmend technische
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Anlagen ein, deren Art und Grösse vom Betrieb abhängt, z.B. Futtersilos, Heugebläse, Motor-Jauchepumpen, Aufzüge, Melkmaschinen. Auch kann nicht massgebend sein, dass es sich bei den Kulturen in den Gewächshäusern zum Teil nicht um Freilandpflanzen, mithin nicht um Bestandteile des Bodens handelt. Bei einer bewirtschafteten Fläche von rund 4 ha (wovon rund 2,8 ha Eigenbesitz) bleibt genügend Freiland zur herkömmlichen Bepflanzung mit Gemüsen. Nach der eidg. Betriebszählung 1965 (Bd. 3, Gartenbau-, Fischerei- und private Forstbetriebe, statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 417, Reihe De 3, Bern 1968, S. 61, abgekürzt BZ 1965) nehmen die Gewächshäuser und Treibbeetkästen in Gemüsegärtnereien durchschnittlich 0,14 ha in Anspruch, so dass das Schwergewicht bei einem Betrieb mit einer Gesamtfläche von 4 ha oder 2,8 ha auf die Freilandkultur entfällt. Das gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass die genannte Durchschnittszahl für alle 640 erfassten Gemüsegärtnereien errechnet wurde, von denen nur rund ein Drittel eine Kulturfläche von mehr als 2 ha bewirtschafteten (BZ 1965 S. 41), und wenn demzufolge anzunehmen ist, grössere Betriebe brauchten etwas mehr Boden für Gewächshäuser und Treibbeetkästen.
Auch in der Literatur und in der täglichen Praxis werden reine Gemüsegärtnereien eher zur Landwirtschaft als zum Gewerbe gezählt. So erklären HOWALD/LAUR (a.a.O. S. 34), von der Gärtnerei gehöre grundsätzlich der produktive Gartenbau zur Landwirtschaft. Gleicher Meinung ist J. BRÜHLMANN (Der schweizerische Erwerbsgartenbau, Freiburger Diss. 1951, S. 12), der zwischen produzierenden (u.a. Gemüsebaubetrieben) und nicht produzierenden (z.B. Blumenbindereien usw.) unterscheidet. Die BZ 1965 (S. 34 ff.) teilt die Gartenbaubetriebe ein in solche ohne Anbau für Verkauf, in Baumschulen, Gemüsegärtnereien, Blumengärtnereien, Spezialbetriebe, gemischte und Dienstleistungsbetriebe. Zu den Gemüsegärtnereien zählt sie Unternehmen, in denen die Art der Bodenbenützung und der gartenbaulichen Einrichtungen auf das Überwiegen der Gemüseproduktion hinweisen. Nach diesem Merkmal wurden 1965 noch 604 reine Gemüsegärtnereien registriert, die etwa einen Siebentel aller Gartenbaubetriebe in der Schweiz ausmachen.
b) Zuzugeben ist, dass sich Verkaufsorganisation und Absatz bei Gemüsegärtnereien etwas anders gestalten als in landwirtschaftlichen Betrieben im engern Sinn, welche die Mehrzahl
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der Erzeugnisse nach der Ernte gesamthaft an wenige Grossabnehmer verkaufen (z.B. Obst, Getreide, Kartoffeln), soweit sie nicht der Selbstversorgung dienen. Wegen dieses Unterschiedes darf indessen den reinen Gemüsegärtnereien der Charakter eines Landwirtschaftsbetriebes nicht abgesprochen werden. Das rechtfertigt sich umso weniger, als das Bundesgericht, wie erwähnt, sogar einen Grossbetrieb wie die Schweiz. Genossenschaft für Gemüsebau zur Landwirtschaft rechnete. Dabei führte es insbesondere aus, dass die Selbstversorgung für die Landwirtschaft nicht die Bedeutung habe, die ihr früher beigemessen wurde; dass die Selbstversorgung der vom Schweiz. Bauernsekretariat in den Jahren 1939-1943 kontrollierten Klein-, Mittel- und Grossbetrieben nur 16,8% des Gesamtrohertrages ausmachte; dass jeder Landwirt, der für den Markt produziere, seine Erzeugnisse auch verkaufen müsse; dass der Vertrieb das letzte Stadium seiner Tätigkeit sei und deren Charakter nicht ändere. Auch komme nichts darauf an, dass die Genossenschaft weitgehend Gemüse und Saatgut erzeuge; denn in der schweizerischen Landwirtschaft seien vom Betrieb mit ausschliesslicher Milchwirtschaft bis zum Betrieb mit ausschliesslichem oder überwiegendem Acker- und Gemüse- oder Rebbau alle Zwischenstufen vertreten. An dieser Betrachtungsweise ist festzuhalten. Im vorliegenden Fall spricht der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Erzeugnisse nicht im Detailhandel, sondern Grossabnehmern verkauft, für die Gleichstellung seiner Gärtnerei mit einem Landwirtschaftsbetrieb, obwohl es sich um durchschnittlich 25 Abnehmer handelt, die in kurzen Abständen beliefert werden. Anderseits lässt sich die Zahl der Angestellten, die im Verhältnis zur Betriebsgrösse und im Vergleich mit anderen Landwirtschaftsbetrieben sehr hoch scheint, mit der intensiven Bewirtschaftung des Bodens - eines der Kennzeichen des Gemüsebaues - erklären. Endlich steht auch die kaufmännische Führung des Betriebes nicht im Vordergrund. Die Geschäftsvorfälle können auf Grund der Lieferscheine, der Rechnungen, des Zahlungsverkehrs usw. mühelos erfasst und in einer einfachen Buchhaltung dargestellt werden. Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 12. Dezember 1969 an das Handelsregisteramt des Kantons St. Gallen dargetan, er lasse sein Büro durch einen Rentner besorgen, und zwar jede Woche einen halben Tag. Dieser schreibe die Einnahmen und Ausgaben ein, mache die Zahlungen, ordne die Belege usw. Den
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Durchschlag dieser Eintragungen schicke er monatlich an die OBTG, die seine Buchhaltung führt. Er bekomme sie nur einmal jährlich zu Gesicht, wenn der Abschluss erstellt ist. Sie diene zur Abgabe der Steuererklärung, jedoch nicht für die Geschäftsführung als solche.
c) Wie unter lit. a erwähnt wurde, bestanden nach der BZ 1965 in der Schweiz 640 reine Gemüsegärtnereien. Im Branchenregister des Schweiz. Regionenbuches, Ausgabe 1970, sind unter "Gemüsekulturen" rund zwanzig Einzelfirmen aus zehn Kantonen eingetragen. Zieht man in Betracht, dass aus diesen Einträgen nicht hervorgeht, ob es sich zum Teil um eintragspflichtige Betriebe, z.B. Handelsgärtnereien, handelt oder ob die Firmainhaber sich freiwillig eintragen liessen, weil sie dazu bestimmte Gründe hatten, dann spricht die an sich geringe Zahl von Eintragungen entschieden gegen die Annahme, von der Praxis würden die reinen Gemüsegärtnereien als eintragspflichtig angesehen.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid der Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen vom 18. November 1970 aufgehoben.

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