Urteilskopf
97 I 694
101. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. November 1971 i.S. Wunderli gegen Grundbuchamt Küsnacht und Obergericht des Kantons Zürich.
Regeste
Öffentlichkeit des Grundbuches (
Art. 970 ZGB
).
1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Grundbuchsachen. Beschwerdelegitimation eines einzelnen Erben einer ungeteilten Erbschaft (
Art. 97 ff. und 103 OG
; Erw. 1).
2. Bestimmtheit des Rechtsbegehrens (
Art. 55 OG
; Erw. 6 a).
3.
Art. 970 Abs. 1 u. 2 ZGB
ist auch auf kantonale Grundbucheinrichtungen im Sinne von Art. 48 SchlT/ZGB anwendbar (Erw. 6 b, aa).
4. Anforderungen an die Spezifizierungspflicht gemäss
Art. 970 Abs. 2 ZGB
, wenn nach einem zwar im Grundprotokoll verzeichneten, örtlich aber nicht auffindbaren Grundstück geforscht wird (Erw. 6 b, bb).
5. Recht eines jeden einzelnen Erben einer ungeteilten Erbschaft, persönlich ins Grundbuch Einsicht zu nehmen (Erw. 6 b, cc). Grenzen dieses Rechts sowie des Anspruchs auf Erstellung schriftlicher Auszüge durch den Grundbuchbeamten (Erw. 6 b, dd).
Aus dem Tatbestand:
A.-
Der am 30. Juli 1965 verstorbene Ernst Wunderli Huber war im Grundprotokoll der Gemeinde Zumikon als Eigentümer von "ca. vierzehn Aren Wiesen im Vogelacker" eingetragen, die er im Jahre 1941 von Louise Hardmeier durch (testamentarische) Universal-Erbfolge erworben hatte. Die genaue Lage des Grundstücks ist nicht bekannt; weder die provisorische Vermessung im Jahre 1950 noch die noch nicht rechtskräftig gewordene Grundbuchvermessung ergaben hiefür konkrete Anhaltspunkte. Auch die vom Grundbuchamt Küsnacht auf Begehren der Erben angestellten Nachforschungen blieben erfolglos. Das Amt war deshalb der Auffassung, der Eintrag im Grundprotokoll sei bedeutungslos und später im Zuge der Einführung des Grundbuches zu löschen; eine Übertragung der noch auf den Namen des Erblassers eingetragenen 14 Aren Land auf die Erben komme nicht mehr in Frage.
Gegen diese und einige andere Anordnungen des Grundbuchamtes führte Ernst Wunderli-Osterwalder, einer der Erben des Ernst Wunderli-Huber, beim Bezirksgericht Meilen als unterer
BGE 97 I 694 S. 696
Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter am 29. November 1968 Beschwerde. Diese wurde am 3. Juli 1969 teilweise gutgeheissen und das Grundbuchamt Küsnacht angewiesen, die Übertragung des Grundstücks auf die Erben Wunderli im Grundprotokoll vorzunehmen und das Löschungsverfahren gemäss den §§ 74 und 75 der kantonalen Grundbuchverordnung vorzeitig einzuleiten.
B.-
Das Grundbuchamt brachte den Erbfolgevermerk an und schritt zum Löschungsverfahren. Nach erfolgloser, am 12. August 1970 durchgeführter Sühneverhandlung zwischen den Erben Wunderli und dem Eigentümer des Grundstücks Zumikon Nr. 2221 (in welcher Parzelle nach den Vermutungen einiger Erben die 14 Aren Wiesland enthalten sein sollen), stellte das Grundbuchamt am 7. September 1970 die Weisung an den Einzelrichter des Bezirksgerichts Meilen aus mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass der Grundprotokolleintrag zu Recht bestehe, dass die 14 Aren Wiesland eine Teilfläche des Grundstücks Nr. 2221 bildeten und dass sie demnach in den beiden Vermessungen zu Unrecht nicht ausgeschieden worden seien. Mit einer von Amtes wegen erhobenen Widerklage wurde beantragt, der entsprechende Grundprotokolleintrag sei als bedeutungslos zu erklären und das Grundbuchamt anzuweisen, ihn zu streichen. Ernst Wunderli-Osterwalder und eine Miterbin teilten hierauf dem Einzelrichter mit, dass sie sich an diesem Prozess nicht beteiligen wollten. - Das Verfahren ist noch hängig.
C.-
Am 30. Juni 1970, d.h. noch vor der erwähnten Sühneverhandlung, hatte sich Ernst Wunderli-Osterwalder erneut beim Bezirksgericht Meilen über das Grundbuchamt Küsnacht beschwert. Er warf diesem u.a. vor, es habe nicht alle notwendigen und ihm zumutbaren Nachforschungen nach der vermissten Parzelle angestellt, sondern vielmehr vorgetäuscht, es sei aus dem Grundprotokoll nichts ersichtlich, und versucht, die Berechtigten zum Verzicht auf das Grundstück zu bewegen...
Das Bezirksgericht wies die Beschwerde am 10. Dezember 1970 ab.
D.-
Mit Rekurs an das Obergericht des Kantons Zürich verlangte der Beschwerdeführer Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheides. Er beschwerte sich hauptsächlich darüber, dass ihm - im Gegensatz zu einer Miterbin, Frau Meier-Wunderli, beziehungsweise deren Beauftragten - für nähere
BGE 97 I 694 S. 697
Abklärungen im Grundprotokoll Bedingungen gestellt würden, die mit
Art. 970 ZGB
nicht vereinbar seien. Er bezog sich damit sinngemäss auf mehrere Schreiben des Grundbuchamtes sowie auf dessen Vernehmlassung an das Bezirksgericht Meilen, in denen das Grundbuchamt ausgeführt hatte, es müsse es ablehnen, die umfangreichen und zeitraubenden Nachschlagungen, die es mit der Vertreterin der Frau Meier vorgenommen habe, auf Verlangen jedes der sechs Erben Wunderli erneut durchzuführen, nur weil sich diese unter sich nicht einigen könnten. Die Erben sollten zuerst die in Händen von Frau Meier befindliche Dokumentation studieren, worauf das Grundbuchamt dann bereit sei, mit einem gemeinsam bestellten, bevollmächtigten Vertreter sämtlicher Erben Wunderli alle beim Amte befindlichen Unterlagen nochmals zu durchgehen.
Das Obergericht wies den Rekurs am 14. Juli 1971 ab.
E.-
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat der Beschwerdeführer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Grundbuchsachen sind auch nach der neuen Fassung der
Art. 97 ff. OG
grundsätzlich mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar (
BGE 97 I 270
Erw. 1). Im vorliegenden Falle stellt sich zunächst die Frage der Beschwerdelegitimation nach
Art. 103 OG
:
a) Ob ein einzelner Erbe einer ungeteilten Erbschaft legitimiert sei, allein Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen, obschon die Erben als Gesamteigentümer im Prozess in der Regel nur gemeinsam aktiv- oder passivlegitimiert sind (vgl.
BGE 93 II 14
Erw. 2 b), hat das Bundesgericht unter der früheren Fassung des
Art. 103 OG
in einem Enteignungsfalle offengelassen (
BGE 93 I 203
Erw. 1). Der heutige Wortlaut dieser Bestimmung zieht den Kreis der Legitimierten jedoch weiter, als es der alte
Art. 103 OG
getan hat (vgl. dazu GRISEL, Droit administratif suisse, S. 504), und verlangt in lit. a nur noch, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung "berührt" sei und an deren Aufhebung oder Änderung ein "schutzwürdiges Interesse" habe.
Der Beschwerdeführer macht nun im Hauptpunkt geltend, es sei ihm das Recht auf persönliche Einsichtnahme ins Grundbuch
BGE 97 I 694 S. 698
verweigert bzw. an unzulässige Bedingungen geknüpft worden. - Gemäss
Art. 970 Abs. 2 ZGB
kann jedermann Einsicht ins Grundbuch nehmen, der "ein Interesse glaubhaft macht". Ob dieses Recht bei einer ungeteilten Erbschaft jedem einzelnen Erben zustehe oder bloss der Erbengemeinschaft als solcher, ist eine Frage der materiellen Begründetheit der Beschwerde und nicht im Eintretensverfahren zu entscheiden (KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, S. 58 f.; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 269; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 104 und 106). Damit es aber überhaupt zu einer Überprüfung dieser Frage kommen kann, muss der Beschwerdeführer, der sich auf ein solches individuelles Einsichtsrecht beruft und dessen Verletzung behauptet, grundsätzlich befugt sein, allein und in eigenem Namen Beschwerde zu führen. Dass er im vorliegenden Falle durch den angefochtenen Entscheid "berührt", d.h. beschwert ist (vgl. GYGI, a.a.O., S. 111 f.), nachdem die kantonale Aufsichtsbehörde seine Rüge abgewiesen hat, und dass er - vorbehältlich eines gleich noch zu prüfenden Punktes - ein zureichendes ("schutzwürdiges") Interesse an der materiellen Entscheidung dieser von ihm aufgeworfenen Frage besitzt (vgl. GYGI, S. 106), kann nicht zweifelhaft sein. Damit ist jedoch die Beschwerdelegitimation nach
Art. 103 lit. a OG
grundsätzlich gegeben.
b) Dagegen stellt sich die Frage, ob dem Beschwerdeführer das schutzwürdige Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Entscheides nicht deshalb fehle, weil vor Bezirksgericht Meilen ein ordentlicher Zivilprozess hängig ist, der das gesuchte Grundstück zum Gegenstand hat. Dies ist jedoch zu verneinen.
Im genannten Zivilprozess geht es lediglich darum, ob die vermisste Parzelle, wie behauptet, ein Teil des Grundstücks Nr. 2221 bilde. Allfällige Grundbuchexpertisen werden sich daher ebenfalls auf diese Frage zu beschränken haben. Abgesehen nun davon, dass ein neutrales Gutachten eine persönliche Einsichtnahme nie ganz zu ersetzen vermag, vermutet der Beschwerdeführer, dass die 14 Aren Wiesland noch in andern Grundstücken als dem mit Nr. 2221 bezeichneten enthalten sein könnten, so dass sich die Klage möglicherweise gegen andere Grundeigentümer hätte richten müssen. Dies war denn auch einer der Gründe, warum sich der Beschwerdeführer am eingeleiteten
BGE 97 I 694 S. 699
Prozess nicht beteiligen wollte, und dies ist zugleich der Grund, warum er mit den Hauptbegehren seiner Beschwerde verlangt, im Grundprotokoll Nachforschungen anstellen und Beweise sammeln zu können. Ein Interesse daran verlöre er nur dann, wenn im gegenwärtigen Prozess vor Bezirksgericht positiv festgestellt würde, dass die fragliche Parzelle tatsächlich im Grundstück Nr. 2221 enthalten ist. Solange aber ein solcher Entscheid aussteht (oder falls er negativ ausfällt), behält der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Beschwerde. Es ist somit grundsätzlich auf sie einzutreten.
2./5. - ... (Verschiedene Nebenpunkte).
6.
Schliesslich stellt der Beschwerdeführer die Anträge,
"dass das Grundbuchamt angewiesen werde, niemandem Bedingungen zu stellen für Einsichtnahmen ins Grundprotokoll, ausser der Betreffende könne kein Interesse nachweisen",
und
"dass untersucht werde, was das Grundbuchamt veranlasst hat, sich gegen einen für ein Grundbuchamt so elementaren Artikel des ZGB zu vergehen (
Art. 970 ZGB
)."
a) Wörtlich genommen, könnte auf diese höchst allgemein und abstrakt formulierten Rechtsbegehren nicht eingetreten werden. Aus dem Zusammenhang der Beschwerdebegründung ergibt sich indessen, dass der Beschwerdeführer damit hauptsächlich beantragen will, das Grundbuchamt Küsnacht habe ihm persönlich und bedingungslos Gelegenheit zu geben, in das Grundprotokoll und in alle für ein Auffinden der 14 Aren Wiesland nützlichen Belege und Unterlagen Einsicht zu nehmen und Abschriften zu erstellen, wie das die Beauftragte einer Miterbin habe tun dürfen. So präzisiert ergibt sich ein Antrag, der der Vorschrift von
Art. 55 OG
genügt...
b) Materiell macht der Beschwerdeführer geltend, das Grundbuchamt verletze das von
Art. 970 ZGB
garantierte Recht auf Einsichtnahme, wenn es erkläre, es sei nur mit einem gemeinsamen Vertreter aller Erben bereit, nochmals sämtliche einschlägigen Grundprotokollunterlagen durchzusehen. Auch verlange es zu Unrecht vom Beschwerdeführer, dass er vorgängig die von der Miterbin angelegte Dokumentation studiere, denn er könne sich ja doch nicht darauf verlassen, dass diese privaten Notizen richtig seien.
aa)
Art. 970 ZGB
spricht von der Öffentlichkeit des Grundbuches. Im vorliegenden Falle handelt es sich aber nicht um das
BGE 97 I 694 S. 700
sog. eidgenössische Grundbuch nach den Vorschriften des ZGB und auch nicht um eine diesem gemäss Art. 46 Schlusstitel zum ZGB gleichgestellte kantonale Publizitätseinrichtung mit voller Grundbuchwirkung, sondern um ein "Grundprotokoll" nach kantonalem Recht, dem gemäss Art. 48 SchlT/ZGB lediglich beschränkte Wirkungen zukommen (vgl. § 274 des zürcherischen EG zum ZGB und § 36 der kantonalen Grundbuchverordnung vom 26. März 1958). Es fragt sich deshalb, ob
Art. 970 ZGB
trotzdem anwendbar sei. Das ist zu bejahen.
Gemäss Art. 47 SchlT/ZGB trat das Sachenrecht "im allgemeinen" auch dort in Kraft, wo das eidg. Grundbuch (noch) nicht angelegt war. Die Vorschriften des ZGB bezüglich des Grundbuches finden deshalb auf eine kantonale Grundbucheinrichtung im Sinne von Art. 48 SchlT/ZGB nur insoweit keine Anwendung, als es "die Besonderheit der Form und die Beschränkung ihrer Rechtswirkung mit sich bringt" (so
BGE 46 I 60
oben). Mit andern Worten: Anwendbar sind alle Bestimmungen des ZGB und der Grundbuchverordnung, die weder die Anlage des Grundbuches nach dem System des ZGB noch eine nach Art. 46 SchlT/ZGB dem eidg. Grundbuch gleichgestellte Einrichtung zur Voraussetzung haben (MUTZNER, Kommentar, N 1/2 zu
Art. 47 und N 10
/11 zu Art. 48 SchlT/ZGB; HOMBERGER, Kommentar, N 43 ff., insbes. N 47, der Vorbemerkungen vor
Art. 942 ZGB
; vgl. auch, die Praxis untersuchend, GUISAN, JdT 1937 I 174ff.). So gilt z.B.
Art. 973 ZGB
(die sog. "materielle Öffentlichkeit" oder "der öffentliche Glaube" des Grundbuches) in den Fällen von Art. 48 SchlT/ZGB nicht, weil seine Anwendbarkeit gemäss Art. 48 Abs. 3 SchlT/ZGB zumindest eine dem eidg. Grundbuch gleichgestellte Ordnung bedingt (
BGE 52 II 20
und im besondern für das zürcherische Grundprotokoll
BGE 52 II 351
oben, ferner der nicht publizierte Entscheid i.S. Philippin c. Birchmeier und Konsorten vom 8. Oktober 1970; MUTZNER, N 1, 4 und 8 zu Art. 48 SchlT/ZGB, HOMBERGER, N 30 zu
Art. 973 ZGB
). Dagegen setzt
Art. 970 ZGB
zweifellos nicht voraus, dass das Grundbuch nach den Vorschriften des ZGB oder nach einem gemäss Art. 46 SchlT/ZGB als gleichwertig anerkannten System angelegt sei. All diesen Publizitätseinrichtungen (dem eidg. Grundbuch und den Grundregistern gemäss Art. 46 und 48 SchlT/ZGB) ist gemeinsam, dass sie der Offenlegung des gesamten Grundstückverkehrs und der Bekanntmachung dinglicher
BGE 97 I 694 S. 701
Rechte an Grundstücken dienen. Folglich muss der in
Art. 970 ZGB
niedergelegte Grundsatz der sog. "formellen Öffentlichkeit" für jede dieser Formen gelten.
In diesem Sinne hat das Bundesgericht bereits in
BGE 53 II 372
entschieden, dass zur Führung kantonaler, Art. 48 SchlT/ZGB unterstellter Register und Grundprotokolle auch die von
Art. 105 GBV
vorgesehene Ausstellung von Auszügen gehöre. Genauso muss aber der Grundprotokollführer verpflichtet sein, einem Interessenten unter den Voraussetzungen von
Art. 970 ZGB
Einblick in die Bücher und Belege zu gewähren, die gemäss Art. 48 SchlT/ZGB das Grundbuch ersetzen (so schon ein Entscheid des Bundesrates von 1918, veröffentlicht in ZBGR 1924, S. 89, sowie ein Entscheid des Zürcher Obergerichts in ZBGR 1923, S. 214; gleicher Ansicht GONVERS-SALLAZ, Le Registre Foncier, Kommentar, N 4 zu
Art. 105 GBV
, und HOMBERGER, N 6 zu
Art. 970 ZGB
; ebenso wohl MUTZNER, N 10 zu Art. 48 i.V.m. N 13/14 zu Art. 46 SchlT/ZGB; entgegen der Meinung Hombergers vertritt JENNY, Der öffentliche Glaube des Grundbuchs, Diss. Freiburg 1926, S. 242, keine andere Auffassung). Ob dagegen Abs. 3 von
Art. 970 ZGB
von einer Anwendung auf die kantonalen Publizitätseinrichtungen gemäss Art. 48 SchlT/ZGB auszunehmen ist, wie GUISAN (a.a.O., S. 178 und 180) annimmt, mag dahingestellt bleiben, da diese Frage für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung ist.
bb) Nach
Art. 970 Abs. 2 ZGB
kann jeder Interessierte verlangen, dass ihm "näher zu bezeichnende Blätter samt den zugehörigen Belegen" in Gegenwart eines Grundbuchbeamten vorgelegt werden. Das Obergericht führte aus, in der Rekursschrift werde in keiner Weise dargetan, dass dem Beschwerdeführer je die Einsicht in von ihm konkret umschriebene Unterlagen verweigert worden sei. Sofern und soweit es damit sagen wollte, der Beschwerdeführer habe die Unterlagen, in die er Einsicht zu nehmen wünschte, nicht genügend bezeichnet, kann der kantonalen Instanz nicht beigepflichtet werden.
In einem Fall wie dem vorliegenden, wo es um das Auffinden eines vom Grundprotokoll selber erwähnten, örtlich jedoch nicht genau bestimmten Grundstücks geht, dürfen an die Spezifizierungspflicht gemäss
Art. 970 Abs. 2 ZGB
nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Denn ausser der Tatsache, dass die Parzelle einstmals in Zumikon im Gebiete des "Vogelackers"
BGE 97 I 694 S. 702
gelegen haben muss und zuletzt dem Erblasser Ernst Wunderli-Huber gehört haben soll, ist nichts Näheres bekannt. Es muss daher genügen, wenn der Beschwerdeführer erklärt, dass er in diesem verhältnismässig eng begrenzten Gebiet des "Vogelackers" Nachforschungen anstellen wolle, und verlangt, dass ihm in die in Betracht fallenden Grundprotokolleinträge und Belege Einsicht zu geben sei. Auf welche Liegenschaften sich diese Sucharbeiten im einzelnen beziehen werden, hängt naturgemäss vom Erfolg der Ermittlungen ab und kann vom Beschwerdeführer nicht zum vornherein angegeben werden. Das will freilich nicht heissen, dass einem wahllosen Durchwühlen sämtlicher Schriften stattzugeben wäre. Die Nachforschungen haben zielgerichtet zu erfolgen und sich stets auf den gesuchten Gegenstand zu beschränken, denn der Umfang des Rechts auf Einsicht wird auch in diesem Falle durch den Umfang des glaubhaft gemachten Interesses bestimmt (HOMBERGER, N 10 zu
Art. 970 ZGB
). Dagegen kann vom Einsichtsberechtigten erst mit dem Fortschreiten der Sucharbeiten verlangt werden, dass er von Fall zu Fall genau sage, welche Einträge und Belege er nun einsehen möchte.
Das Grundbuchamt selber hat sich übrigens nie darauf berufen, die zur Einsicht gewünschten Blätter und Belege seien ungenügend spezifiziert. Im Gegenteil: es hat sich bereit erklärt, mit einem bevollmächtigten Vertreter der Erben Wunderli "sämtliche bei uns befindlichen Unterlagen nochmals zu durchgehen und alle von diesem Vertreter gewünschten Nachschlagungen in seiner Anwesenheit vorzunehmen" (Schreiben des Amtes an den Beschwerdeführer vom 23. Dezember 1969). In diesem Punkt hat also das Grundbuchamt - anscheinend entgegen dem Obergericht - zu Recht kein Hindernis gesehen.
cc) Gemäss
Art. 970 Abs. 2 ZGB
steht das Recht auf Einsichtnahme ins Grundbuch jedermann zu, der ein Interesse glaubhaft macht. Dass im vorliegenden Falle die Erben Wunderli ein solches Interesse besitzen, liegt auf der Hand und wird von keiner Seite in Zweifel gezogen. Dagegen lehnte es das Grundbuchamt Küsnacht ab, "auf Verlangen jedes der 6 Erben Wunderli umfangreiche Arbeiten wiederholt durchführen zu müssen", nur weil die Erben uneinig seien. Es teilte dem Beschwerdeführer mit, ein nochmaliges Durchgehen sämtlicher bereits mit der Vertreterin der Frau Meier-Wunderli "mit einem Zeitaufwand von mehreren Halbtagen" durchgesehenen
BGE 97 I 694 S. 703
Unterlagen (Grundprotokolleinträge, Verträge, Pläne usw.) komme nur in Frage, wenn dies von einem gemeinsam bevollmächtigten Erbenvertreter verlangt werde; die Erben Wunderli hätten sich deshalb vorgängig über ihren Standpunkt zu einigen (Schreiben des Grundbuchamtes vom 23. und 29.12.69 sowie 7.1.70 sowie Vernehmlassung vom 14.8.70). - Das Obergericht führte dazu aus, in dieser Stellungnahme des Grundbuchamtes liege keine Vorenthaltung des dem Beschwerdeführer zustehenden Einsichtsrechts; es sei dem Amte nicht zuzumuten, mit jedem der sechs Miterben getrennt zeitraubende Nachschlagungen wiederholt durchzuführen.
Der Ansicht des Obergerichts kann nur teilweise zugestimmt werden. In den zitierten Schreiben lehnte es das Grundbuchamt unmissverständlich ab, dem Beschwerdeführer das gleiche Einsichtsrecht zu gewähren wie zuvor seiner Miterbin bzw. ihrer Beauftragten. Es verweigerte ihm das persönliche Nachforschen im Grundprotokoll und den zugehörigen Belegen und erklärte, höchstens noch mit einem gemeinsamen Vertreter aller Erben verkehren zu wollen. Darin liegt eine Verletzung von
Art. 970 ZGB
. Denn diese Bestimmung verlangt für die Einsichtnahme ins Grundbuch nicht ein rechtliches Interesse; ein bloss tatsächliches (z.B. wirtschaftliches) Interesse genügt (HOMBERGER, N 7/8 zu
Art. 970 ZGB
). Ein solches besitzt jedoch nicht nur die Erbengemeinschaft als ganzes, sondern jeder einzelne Erbe, wenn es, wie hier, um das Auffinden eines möglicherweise zur Erbmasse gehörenden Grundstücks, also um die Wahrung ungewisser Rechte geht, auch wenn diese Rechte im Falle ihres Bestehens der Gemeinschaft als solcher und nicht dem einzelnen Erben zustehen. Hat aber jeder einzelne Erbe ein persönliches Recht auf Einsichtnahme ins Grundbuch oder Grundprotokoll, so darf der Grundbuchführer nicht verlangen, dass die Erben einen gemeinsamen Vertreter bestellen, der mit dem Grundbuchamt zu verkehren und die weiteren Nachforschungen durchzuführen hätte. Eine solche Bedingung durfte der Grundbuchführer umso weniger stellen, als er mit einer der Erbinnen bzw. mit deren Beauftragten bereits ausgedehnte Nachschlagungen vorgenommen hatte; denn was einer Miterbin zugestanden wurde, darf einem andern Erben, der das gleiche Interesse besitzt, nicht verweigert werden. - Was sodann die im Besitze der Frau Meier befindlichen Unterlagen betrifft, so ist es durchaus verständlich, dass
BGE 97 I 694 S. 704
sich der Beschwerdeführer nicht auf Nachschlagungen und Aufzeichnungen verlassen wollte, die eine Dritte, die nicht seine Beauftragte war, vorgenommen hatte, konnten ihm solche Notizen ja doch nicht das gleiche Bild und die gleiche Gewissheit vermitteln wie eine persönliche Einsichtnahme ins Grundprotokoll. Indessen ist nicht anzunehmen, dass das Grundbuchamt dem Beschwerdeführer mit der Aufforderung, zuerst die Unterlagen bei der Miterbin einzusehen, eine eigentliche Bedingung stellen wollte; diese Aufforderung war eher als Empfehlung zu verstehen.
dd) Der Grund für die Forderung des Grundbuchamtes nach einem gemeinsamen Erbenvertreter lag offenbar in der Befürchtung, unverhältnismässig viel Zeit für Nachschlagungen und Ausfertigungen von Auszügen aufwenden zu müssen, falls nun jeder der zerstrittenen Erben Wunderli einzeln entsprechende Begehren anmeldete. Diese Gefahr ist in der Tat nicht zu verkennen, doch kann ihr mindestens teilweise dadurch begegnet werden, dass der Grundbuchführer sämtliche Erben zu einer gemeinsamen Sitzung auf dem Grundbuchamt einlädt, an der jeder persönlich teilnehmen oder sich (durch irgendeine handlungsfähige Person) vertreten lassen kann und an der den Erben Gelegenheit geboten wird, alle in Frage kommenden Grundprotokolleinträge, Pläne und Belege einzusehen und Abschriften zu erstellen. Zwar wird der Grundbuchbeamte dabei im Rahmen des Gesetzes auch Einzelwünsche der Erben berücksichtigen müssen, selbst wenn dies zeitraubende Nachschlagungen, ja mehrere Sitzungen notwendig machen sollte und die Mehrheit der Erben mit weniger weit gehenden Abklärungen einverstanden wäre. Aber auch dann noch hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass der Grundbuchführer alle Nachschlagungen nur einmal vorzunehmen hat.
Die Erben, die sich nicht interessieren, sind nicht verpflichtet, einer solchen Einladung zu einer gemeinsamen Arbeitssitzung Folge zu leisten; wer jedoch fernbleibt und sich auch nicht vertreten lässt, verzichtet damit auf sein Einsichtsrecht. Der Beschwerdeführer hat entgegen seiner in der Beschwerde geäusserten Ansicht keinen Anspruch darauf, allein und ohne Beisein anderer Erben die gewünschten Nachforschungen im Grundprotokoll und den dazugehörigen Belegen vornehmen zu können. Diese bloss äussere Beschränkung des Einsichtsrechts ist für den Beschwerdeführer und seine Miterben durchaus
BGE 97 I 694 S. 705
tragbar und rechtfertigt sich im Interesse eines ungestörten Betriebes im Grundbuchamt. Aus dem gleichen Grunde kann der Beschwerdeführer nicht verlangen, dass ihm das Grundbuchamt den ganzen, offensichtlich schwierigen und komplizierten Gang der Nachforschungen auf dem Korrespondenzweg beschreibe und erkläre. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, sich selber zu mündlichen Verhandlungen nach Küsnacht zu begeben oder einen Vertreter zu entsenden. Schriftliche Auszüge kann das Grundbuchamt nur über ganz bestimmte, klar bezeichnete Grundprotokolleinträge anfertigen, und es muss dafür in jedem Falle ein rechtlich schutzwürdiges Interesse vorhanden sein (HOMBERGER, N 8 zu
Art. 970 ZGB
).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Soweit auf die Beschwerde eingetreten werden kann, wird sie teilweise gutgeheissen.
2.- Der angefochtene Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 14. Juli 1971, wird aufgehoben.
3.- Das Grundbuchamt Küsnacht wird angewiesen, dem Beschwerdeführer persönlich oder - falls dieser einen Vertreter bezeichnet - dessen Vertreter zu gestatten, in der in den Erwägungen dieses Entscheides näher umschriebenen Weise in das Grundprotokoll und die dazugehörigen Belege Einsicht zu nehmen.
4.- Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.