BGE 97 II 97 vom 3. Juni 1971

Datum: 3. Juni 1971

Artikelreferenzen:  Art. 27 ZGB, Art. 28 ZGB, Art. 53 ZGB, Art. 60 ZGB, Art. 41 OR , Art. 60 ff. ZGB

BGE referenzen:  96 IV 148, 122 III 449, 126 III 305, 130 III 28, 136 III 410, 138 III 337, 140 I 201, 143 III 297 , 95 II 500, 83 II 508, 95 II 252, 95 II 488, 96 IV 148, 95 II 491, 96 IV 148, 95 II 491

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

97 II 97


16. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juni 1971 i.S. Metzler gegen Philanthropische Gesellschaft Union und Mitbeteiligte.

Regeste

Verletzung in den persönlichen Verhältnissen ( Art. 28 ZGB ).
1. Legitimation einer juristischen Person zur Klage wegen Verletzung ihrer Privatsphäre (Erw. 2).
2. Die Zugehörigkeit zu einem Verein privaten Charakters, dessen Zweck sich auf die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen beschränkt und der deshalb in der Öffentlichkeit nicht hervortritt, gehört zur Privatsphäre der Mitglieder. Die Zusammensetzung der Mitgliedschaft eines solchen Vereins gehört aber auch zur Privatsphäre des Vereins selbst (Erw. 3).
3. Unbefugte Verletzung der Privatsphäre der Mitglieder und des Vereins durch Veröffentlichung des Mitgliederverzeichnisses (Erw. 4).
4. Beseitigungs- und Unterlassungsklage der Verletzten (Erw. 5).

Sachverhalt ab Seite 98

BGE 97 II 97 S. 98

A.- Die Philanthropische Gesellschaft Union ist ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB und verfolgt nach Art. 1 ihrer Statuten folgende Zwecke:
"a) Das Streben nach dem Wahren und Guten; b) Die moralische Förderung ihrer Mitglieder; c) Die Pflege der Freundschaft; d) Die gegenseitige Unterstützung durch Schaffung von Hilfs- und Wohltätigkeitswerken."
Heinrich Metzler betreibt in St. Gallen einen Adressenverlag. Er bietet eine Reihe von "Spezial-Adress-Verzeichnissen" zum Kauf an, so z.B. Adressverzeichnisse der Mitglieder der Freimaurer- und Odd-Fellows-Logen sowie des Ambassador- und des Lions-Clubs der Schweiz. Zu den von ihm vertriebenen Adressverzeichnissen gehört auch ein solches der Mitglieder der Philanthropischen Gesellschaft Union, das er unter der Bezeichnung "UNION-Logen der Schweiz, Adressverzeichnis ganze Schweiz /4000 Adressen (Photok.)" zum Preise von Fr. 304.20 verkauft; ein allein die Stadt Zürich betreffendes Adressverzeichnis bietet er zum Preise von Fr. 14.40 an.
Mit Schreiben vom 5. Juni 1961 machte die Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft Union H. Metzler darauf aufmerksam, dass das nur an Mitglieder abgegebene Adressbuch ausschliesslich Eigentum ihrer Gesellschaft und dessen Nachdruck strengstens verboten sei. Sie teilte ihm mit, dass sie sich mit einer Veröffentlichung der Adressen ihrer Mitglieder auf keinen Fall einverstanden erklären könnte. Am 4. Oktober 1962 gelangte sie nochmals in gleichem Sinne an H. Metzler und drohte ihm, die Angelegenheit im Falle der Nichtbeachtung ihres Schreibens ihrem Rechtsvertreter zu übergeben. Am 26. August 1963 schliesslich schrieb Fürsprecher Dr. H. Gutknecht in Bern H. Metzler folgenden Brief:
"Seit Jahren preisen Sie in Zirkularen die Mitgliederverzeichnisse verschiedener Logen, des Rotary- und anderer Clubs und der Philanthropischen Gesellschaft UNION zum Verkauf an.
Mit eingeschriebenen Briefen vom 5. Juni 1961 und 4. Oktober 1962 hat Ihnen die Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft UNION mitgeteilt, dass es sich bei dieser Gesellschaft um keine Loge handelt, und gleichzeitig sind Sie gebeten worden, diese Gesellschaft bei Ihren Werbeaktionen aus dem Spiel zu lassen. Es ist Ihnen auch bekannt, dass der Nachdruck - und damit auch das Photokopieren - des Mitgliederverzeichnisses untersagt ist, da es sich ausschliesslich um ein gesellschaftsinternes Dokument handelt.
Die beiden vorerwähnten Schreiben haben Sie nie beantwortet,
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und ebensowenig haben Sie dem Ansuchen der Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft UNION entsprochen. In einem neuen - allerdings undatierten - Zirkular, das aber offensichtlich in letzter Zeit versandt worden ist, werben Sie neuerdings für das Mitgliederverzeichnis dieser Gesellschaft.
Namens der Philanthropischen Gesellschaft UNION erlaube ich mir, Sie wiederholt darauf aufmerksam zu machen, dass die Verbreitung des Mitgliederverzeichnisses durch Ihre Presseagentur nicht gestattet wird. Ich bitte Sie aus diesem Grunde, die Philanthropische Gesellschaft UNION in Zukunft nicht mehr zu erwähnen, damit weitere Schritte unterbleiben können."

B.- Im Mai 1968 reichten die Philanthropische Gesellschaft Union und drei ihrer Mitglieder beim Bezirksgericht St. Gallen gegen H. Metzler eine Klage mit folgenden Begehren ein:
"1. Es sei festzustellen, dass der Vertrieb des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 durch den Beklagten die Persönlichkeitsrechte der Kläger verletzt.
2. Der Beklagte sei zu verpflichten, die bei ihm vorhandenen Original- und vervielfältigten Exemplare des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 sowie die Listen (Spezialadressverzeichnisse), mit welchen für den Vertrieb des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 geworben wird, an die Kläger herauszugeben.
3. Dem Beklagten sei zu verbieten, inskünftig das Adressbuch (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 auszugsweise oder durch vollständige Wiedergabe zu vertreiben."
Mit Urteil vom 2. Oktober 1969 schützte das Bezirksgericht St. Gallen die Klagebegehren Ziff. 2 und 3, wogegen es dem Feststellungsbegehren gemäss Ziff. 1 der Klage keine selbständige Bedeutung zuerkannte und sich im Dispositiv dazu nicht aussprach.
Am 7. September 1970 hat das Kantonsgericht St. Gallen die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil abgewiesen.

C.- Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtes hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Kläger beantragen die Abweisung der Berufung.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. ... (Prozessuale Fragen).

2. Die Vorinstanz hat die Aktivlegitimation der Philanthropischen Gesellschaft Union bejaht. Da es sich dabei um
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eine Rechtsfrage handelt, ist die Klagelegitimation dieser Gesellschaft vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen ( BGE 83 II 508 ; vgl. auch BGE 95 II 252 Erw. 3, 610 Erw. 2).
Das Bundesgericht hat in BGE 95 II 488 Erw. 4 eingehend dargelegt, dass der allgemeine Persönlichkeitsschutz grundsätzlich auch den juristischen Personen zusteht (vgl. auch BGE 96 IV 148 , wonach die juristischen Personen den strafrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen können). Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person findet gemäss Art. 53 ZGB allerdings dort seine Grenze, wo die darin enthaltenen Ansprüche Eigenschaften voraussetzen, die ihrem Wesen nach nur den natürlichen Personen zukommen. Das trifft für den Anspruch auf Schutz der Privatsphäre, um den es hier geht, aber nicht zu. Juristische Personen können nach der herrschenden Auffassung ähnlich wie die natürlichen Personen eine Geheim- oder Privatsphäre haben ( BGE 64 II 169 Erw. 6; EGGER, 2. Aufl. 1930, N. 12 zu Art. 53 ZGB ; H. MAURER, Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person bei Konzern und Kartell, Zürcher Diss. 1953, S. 58; Chr. RIESEN, Die Persönlichkeitsrechte der juristischen Personen, Basler Diss. 1955, S. 148 ff., mit Hinweisen; JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR 1960 II S. 133a ff., 217a; R. BÄR, Persönlichkeitsschutz der juristischen Person, ZBJV 1967 S. 100 ff., bes. S. 103 Anm. 4). Die Vorinstanzen haben daher die Klagelegitimation der Erstklägerin zu Recht bejaht und geprüft, ob der Beklagte deren Persönlichkeitsrecht verletzt habe.

3. Ob eine unbefugte Verletzung der Kläger in ihren persönlichen Verhältnissen vorliege, hängt zunächst davon ab, ob die Mitgliedschaft bei einem Verein wie der Philanthropischen Gesellschaft Union überhaupt zu dem durch Art. 28 ZGB geschützten Bereich der Privatsphäre gehört.
Im neueren Schrifttum werden im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsschutz drei verschiedene Teilgebiete des menschlichen Lebensbereichs unterschieden, nämlich der Geheim-, der Privat- und der Gemeinbereich, oder auf französisch: la vie intime, la vie privée und la vie publique (JÄGGI, a.a.O. S. 226a ff.; GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, in: Schweizerisches Privatrecht Bd. II, 1967, S. 285 ff., 369; H. HUBMANN, Das Persönlichkeitsrecht, 1953, S. 228 ff.; K. E. HOTZ, Zum Problem der Abgrenzung des Persönlichkeitsschutzes nach Art. 28 ZGB , Zürcher Diss. 1967, S. 69 ff.). Die Geheim- oder Intimsphäre
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umfasst darnach Tatsachen und Lebensvorgänge, die der Kenntnis aller andern Leute entzogen sein sollen, mit Ausnahme jener Personen, denen diese Tatsachen besonders anvertraut wurden. Zur Privatsphäre gehört der übrige Bereich des Privatlebens; es sind ihr also alle jene Lebensäusserungen zuzurechnen, die der einzelne mit einem begrenzten, ihm relativ nahe verbundenen Personenkreis teilen will, so mit Angehörigen, Freunden und Bekannten, jedoch nur mit diesen. Was sich in diesem Kreis abspielt, ist zwar nicht geheim, da es von einer grösseren Anzahl von Personen wahrgenommen werden kann. Im Unterschied zum Geheimbereich handelt es sich jedoch um Lebenserscheinungen, die nicht dazu bestimmt sind, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden, weil die betreffende Person für sich bleiben und in keiner Weise öffentlich bekannt werden will.
Diese Unterscheidung verschiedener Lebenskreise ist zweckmässig, da sie die Abgrenzung des rechtlich geschützten Bereiches der Persönlichkeit erlaubt: Die Privatsphäre gehört zusammen mit der Geheimsphäre zum rechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich. Währenddem die in den Gemein- oder Öffentlichkeitsbereich fallenden Tatsachen von jedermann nicht nur ohne weiteres wahrgenommen, sondern grundsätzlich auch weiterverbreitet werden dürfen, geniessen die zur Privatsphäre gehörenden Tatsachen mindestens den Schutz vor öffentlicher Bekanntmachung; sie dürfen nur im engeren Lebenskreise des Privatbereichs Drittpersonen zur Kenntnis gebracht werden, dies im Unterschied zu den in die Geheimsphäre fallenden Lebensäusserungen, die überhaupt nicht weiterverbreitet werden dürfen (JÄGGI, S. 227a; HOTZ, S. 71 und 77; HUBMANN, S. 236).
Die Mitgliedschaft bei einem Verein privaten Charakters, dessen Zweck sich auf die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen beschränkt und der demgemäss in der Öffentlichkeit nicht besonders hervortritt, gehört nach dieser Unterscheidung zur Privatsphäre der einzelnen Mitglieder. Nur ihnen selber und allenfalls noch den ihnen nahe stehenden Personen soll es grundsätzlich vorbehalten sein, zu wissen, dass und mit wem zusammen sie einer solchen Personenvereinigung angehören. Einer weiteren Öffentlichkeit bekannt und daher dem Gemeinbereich zugehörig ist höchstens die Tatsache, dass ein entsprechender Verein überhaupt existiert. Die Einzelheiten des Vereinslebens und insbesondere die Zusammensetzung der Mitgliedschaft
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hingegen haben privaten Charakter; sie sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Der Beklagte wendet allerdings ein, nach den heute vorherrschenden Anschauungen gehöre die Vereinszugehörigkeit einer Person nicht zum rechtlich geschützten Privatleben und dürfe deshalb öffentlich bekannt gemacht werden, wie dies denn auch in den verschiedensten Formen häufig geschehe. Aus der Häufigkeit von Übergriffen in die Privatsphäre darf jedoch nicht leichthin auf eine Wandlung in der Verkehrsauffassung geschlossen und der Bereich der Privatsphäre dementsprechend eingeschränkt werden. Aufgabe des Rechts ist es vielmehr, die Freiheit der Person in der Gestaltung und Bewahrung ihres Privatlebens vor allen unberechtigten Einmischungen zu schützen, und zwar besonders dann, wenn der Respekt vor dem Privatleben immer schwächer zu werden droht. Der Umstand, dass Verletzungen der Privatsphäre von den Betroffenen häufig hingenommen werden und eher selten gerichtlich dagegen vorgegangen wird, ist wohl in den meisten Fällen auf andere Ursachen zurückzuführen als auf das stillschweigende Einverständnis des Verletzten (so z.B. auf Unkenntnis der Abwehrmöglichkeiten oder auf Scheu vor den Kosten und Umtrieben eines Gerichtsverfahrens). Wenn der Beklagte schliesslich geltend macht, die blosse Verbreitung von Adressen sei keine Verletzungshandlung, weil damit keinerlei rechtswidrige Nebenabsichten verfolgt würden wie z.B. die Herabsetzung in den Augen der Mitbürger, übersieht er, dass die Privatsphäre schon allein durch die Bekanntgabe einer ihr angehörenden Tatsache verletzt wird, ohne dass es zusätzlich noch einer andern Voraussetzung bedürfte; sie stellt, was oft übersehen wird, ein Rechtsgut eigener Art dar, das nicht mit der persönlichen Ehre verwechselt werden darf (GROSSEN, La protection de la personnalité en droit privé suisse, ZSR 1960 II S. 1a ff., 84 a).
Die Philanthropische Gesellschaft Union ist nach der Zweckumschreibung in Art. 1 der Statuten eindeutig ein Verein privaten Charakters; nichts deutet darauf hin, dass sie sich entgegen ihrem statutarischen Zweck öffentlich betätigen würde. Die Vorinstanz hat daher zu Recht angenommen, die Mitgliedschaft bei dieser Gesellschaft falle in den durch Art. 28 ZGB geschützten Persönlichkeitsbereich der einzelnen Mitglieder. Fragen kann sich nur, ob die Zusammensetzung der Mitgliedschaft auch zur Privatsphäre des Vereins selber gehört, was der Beklagte ausdrücklich bestreitet.
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In der Regel werden sich die Privat- und die Geheimsphäre einer juristischen Person und jene ihrer Mitglieder nicht decken, da eine Tatsache entweder dem Tätigkeits- und Interessenbereich der Körperschaft oder dann dem Lebenskreis des einzelnen Mitglieds zuzurechnen sein wird, nicht aber gleichzeitig diesen beiden Bereichen (RIESEN, S. 151; BÄR, S. 102). Es wäre in der Tat wenig sinnvoll, die Geheim- und die Privatsphäre juristischer Personen so stark auszudehnen, dass sie sich auf weite Strecken mit jenen ihrer Mitglieder decken. Anders verhält es sich jedoch bezüglich der Frage, wie sich die Mitgliedschaft eines Vereins zusammensetzt, dessen Zweck sich in der Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen der Mitglieder erschöpft. Ein solcher Verein hat ein eigenes Interesse daran, dass die Zusammensetzung seiner Mitgliedschaft nicht beliebig öffentlich bekannt gemacht wird; denn zur Verfolgung des statutarischen Zweckes gehört auch die Wahrung des privaten Charakters des Vereinslebens und im Zusammenhang damit der Anonymität der Mitglieder. Die Philanthropische Gesellschaft Union hat somit grundsätzlich einen eigenen Anspruch darauf, dass ihre Mitgliederverzeichnisse nicht veröffentlicht werden.

4. Gehört die Mitgliedschaft bei der Philanthropischen Gesellschaft Union zu der durch Art. 28 ZGB grundsätzlich geschützten Privatsphäre der einzelnen Mitglieder und hat die Gesellschaft selbst ein eigenes Interesse an der Anonymität ihrer Mitglieder, das grundsätzlich ebenfalls den Schutz von Art. 28 ZGB geniesst, so können sich die Kläger nach Massgabe dieser Bestimmung gegen die Veröffentlichung der Mitgliederliste der Gesellschaft durch den Beklagten wehren, wenn ihre Privatsphäre durch diese Veröffentlichung "unbefugterweise" verletzt wird. Unbefugt bedeutet hier nach herrschender Rechtsprechung und Lehre nichts anderes als widerrechtlich im Sinne von Art. 41 OR ( BGE 95 II 491 Erw. 6 mit Hinweisen). Die Abgrenzung des widerrechtlichen Verhaltens von jenem, das die Rechtsordnung zulässt, ist besonders auf dem Gebiete des Persönlichkeitsschutzes nicht immer einfach und fordert häufig eine Abwägung widerstreitender Interessen (vgl. darüber allgemein: GROSSEN, Schweiz. Privatrecht II S. 359 und ZSR 1960 II S. 24 a ff. und 84 a ff.; JÄGGI, ZSR 1960 I.I S. 208 a ff. und 242 a ff.; HOTZ, S. 49 ff. und 80 ff.). Da die vom Beklagten veröffentlichten Angaben zu der gegen Veröffentlichungen grundsätzlich geschützten Privatsphäre der Kläger gehören, ist
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die Veröffentlichung widerrechtlich, wenn sich der Beklagte nicht auf ein dem Geheimhaltungsinteresse der Kläger entgegenstehendes, höher zu bewertendes Interesse an der Veröffentlichung oder auf einen andern Rechtfertigungsgrund zu berufen vermag.
a) Der Beklagte macht zur Rechtfertigung seines Verhaltens vor allem geltend, die Philanthropische Gesellschaft Union habe im Jahre 1934 durch Beschluss ihrer Delegiertenversammlung auf die Geheimhaltung ihrer Mitgliederlisten verzichtet, offenbar um damit der Verfassungsinitiative, die auf ein Verbot der Freimaurer- und Odd-Fellows-Organisationen, der Philanthropischen Gesellschaft Union und ähnlicher Gesellschaften gerichtet war (sogenannte Initiative Fonjallaz), den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er behauptet, ein gegenteiliger Beschluss sei von der Delegiertenversammlung seither nie gefasst worden, weshalb immer noch der Beschluss des Jahres 1934 als massgebend zu betrachten sei.
Es kann offen bleiben, ob sich der Beklagte damit auf die in den Schranken von Art. 27 ZGB allgemein als Rechtfertigungsgrund anerkannte Einwilligung des Verletzten berufen oder einwenden will, es fehle überhaupt am Tatbestand einer Verletzung der Privatsphäre, weil der Beschluss über die Offenbarung der Mitgliederlisten zu einer Verschiebung der Grenze zwischen Privat- und Gemeinbereich im Sinne einer Ausscheidung dieser Listen aus dem Privatbereich geführt habe. In beiden Fällen scheitert der Rechtfertigungsversuch des Beklagten nämlich schon daran, dass der Beklagte, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nicht aus einem vor 37 Jahren gefassten Beschluss der Delegiertenversammlung der Erstklägerin Rechte ableiten kann, nachdem diese ihm inzwischen durch das zu ihrer Vertretung zuständige Organ wiederholt deutlich davon Kenntnis gegeben hat, dass sie mit der Verbreitung ihres Mitgliederverzeichnisses jedenfalls heute nicht mehr einverstanden ist. Ob sie sich dabei auf das Eigentum des Vereins am Mitgliederverzeichnis oder auf das Persönlichkeitsrecht berief, ist völlig belanglos. Wesentlich ist einzig, dass dem Beklagten gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass. die Philanthropische Gesellschaft Union mit dem Vertrieb ihres Mitgliederverzeichnisses nicht einverstanden und daher nicht gewillt ist, ihn weiter zu dulden.
Beigefügt sei, dass der Verzicht auf die Geheimhaltung der
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Mitgliederlisten seinerzeit offenbar dem Staate gegenüber ausgesprochen wurde, um auf diese Weise einen Beitrag zur Bekämpfung der freiheitsfeindlichen Tendenzen zu leisten, die ein Verbot bestimmter Vereine anstrebten. Ob einem solchen Beschluss auch gewisse privatrechtliche Wirkungen zukommen könnten, kann dahingestellt bleiben; denn diese Wirkungen könnten auf jeden Fall nicht so weit gehen, dass der Verzicht auf die Geheimhaltung als zeitlich unbeschränkt und unwiderruflich aufzufassen wäre. Der Vorstand der Philanthropischen Gesellschaft Union konnte dem Beklagten daher in wirksamer Weise untersagen, das Mitgliederverzeichnis in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Mitgliederlisten dieser Gesellschaft früher veröffentlicht worden sind, ohne dass dagegen eingeschritten wurde; denn die frühere Duldung von Verletzungen der Privatsphäre schliesst das Recht nicht aus, neue Angriffe abzuwehren.
b) Der Beklagte macht weiter geltend, die Vorinstanz habe zu einseitig auf das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Privatsphäre abgestellt und zu wenig berücksichtigt, dass diesem Interesse dasjenige von Dritten gegenüberstehe, alle Tatsachen erfahren zu können, die sie kennen müssen, um sich ein abgerundetes Bild von der Persönlichkeit der Partner im Geschäfts- und Privatleben zu verschaffen. Er sucht also seinen Eingriff in die Privatsphäre der Kläger mit einem höherwertigen Informationsinteresse seiner Kunden zu rechtfertigen.
Wollte man ein allgemeines Interesse, von Einzelheiten aus dem Privatleben irgendeiner andern Person Kenntnis erhalten zu können, als berechtigt anerkennen, so gäbe es überhaupt keine geschützte Privatsphäre mehr. Ein Schutz der Privatsphäre ist nur möglich, wenn das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit grundsätzlich hinter dem Anspruch des einzelnen, für sich sein zu können, zurücktreten muss, m.a.W. wenn die Berufung auf ein allgemeines Interesse an der Kenntnis privater Tatsachen nicht ausreicht, um Eingriffe in die Privatsphäre zu rechtfertigen. Nur ein besonders gewichtiges Interesse an Informationen darf daher höher bewertet werden als der Anspruch auf ein ungestörtes Privatleben. Ein höherwertiges Informationsinteresse kann z.B. vorliegen, wenn es sich um berühmte Personen handelt oder um solche, die ein öffentliches Amt ausüben. Tatsachen aus dem Privatleben solcher Personen dürfen innerhalb gewisser Grenzen öffentlich bekannt gemacht werden, weil
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hier das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis privater Gegebenheiten dasjenige der betreffenden Person am Schutz ihrer Privatsphäre in gewissen Fällen überwiegt (GROSSEN, ZSR 1960 II S. 85 a ff. und Schweiz. Privatrecht II S. 371).
Ein besonders hoch zu bewertendes Interesse der Öffentlichkeit, erfahren zu können, wer alles Mitglied der Philanthropischen Gesellschaft Union ist, kann nun aber nicht anerkannt werden. Der Hinweis des Beklagten auf die von Auskunfteien vermittelten Informationen wie z.B. die sog. vertraulichen Bankauskünfte schlägt schon deshalb nicht durch, weil dem Wunsch nach solchen Informationen in der Regel wirtschaftliche Motive zugrunde liegen, denen - allerdings in engen Grenzen - eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Ähnliche Beweggründe sind im hier zu beurteilenden Fall nicht anzunehmen. Auch die Tatsache, dass sich sogar amtliche Stellen für einzelne der vom Beklagten vertriebenen Mitgliederverzeichnisse interessierten, spricht - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - noch keineswegs für das Vorhandensein eines berechtigten öffentlichen Interesses.
c) Der Beklagte kann sich aber auch nicht auf ein höherwertiges eigenes Interesse am Vertrieb des Mitgliederverzeichnisses berufen. Ist davon auszugehen, dass die öffentliche Bekanntmachung und Verbreitung des Mitgliederverzeichnisses einer rein privaten Vereinigung grundsätzlich eine unbefugte Verletzung der Privatsphäre der einzelnen Mitglieder wie auch des Vereins selber darstellt, kann unmöglich angenommen werden, die Verletzung sei dann nicht mehr rechtswidrig, wenn sie auf geschäftsmässiger Basis erfolgt. Allein schon deshalb kann dem Beklagten kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an Eingriffen in die Privatsphäre der Kläger zugebilligt werden, so dass nicht näher geprüft werden muss, wie sich das strittige Verbot auf seine wirtschaftliche Existenz auswirken wird.
d) Der Beklagte behauptet schliesslich, die Beeinträchtigung der Kläger in ihrer Privatsphäre sei derart geringfügig, dass sie bereits aus diesem Grunde einfach hinzunehmen sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Damit eine Tatsache wie die Zugehörigkeit zur Philanthropischen Gesellschaft Union des rechtlichen Schutzes der Privatsphäre teilhaftig werde, ist nicht erforderlich, dass ein besonderes Interesse an ihrer Geheimhaltung (bzw. Nichtverbreitung) nachgewiesen werden kann. Der Umstand allein, dass die Zugehörigkeit zu einem Verein
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Bestandteil des Privatlebens bildet, macht dieses Verhältnis schon schutzwürdig. Das Privatleben setzt sich aus einer Vielzahl von Einzeltatsachen zusammen, die - je für sich allein betrachtet - nicht als besonders bedeutungsvoll erscheinen. Wollte man die Schutzwürdigkeit dieser einzelnen Tatsachen gesondert nach ihrer Bedeutung beurteilen, würde die Privatsphäre grösstenteils ihres Inhalts beraubt und ihr Schutz damit gegenstandslos.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keine ausreichenden Gründe vorhanden sind, die das Verhalten des Beklagten zu rechtfertigen vermöchten; der Beklagte kann sich insbesondere nicht auf höherwertige Interessen berufen, vor denen der Anspruch der Kläger auf den Schutz ihrer Privatsphäre zurückzuweichen hätte. Die Verletzung der Kläger in ihren persönlichen Verhältnissen ist somit eine unbefugte im Sinne von Art. 28 ZGB ; den Klägern stehen daher die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Ansprüche auf Rechtsschutz zu.

5. a) Das Klagebegehren 2, mit dem die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der noch in seinem Besitze befindlichen Mitgliederverzeichnisse der Philanthropischen Gesellschaft Union sowie der Werbelisten an die Kläger verlangt wird, erweist sich rechtlich als eine Beseitigungsklage. Es soll zwar damit verhindert werden, dass der Beklagte die noch vorhandenen Unterlagen weiter verbreiten kann, weshalb sich dieses Begehren ähnlich wie die Unterlassungsklage auf das künftige Verhalten des Beklagten bezieht. Mit Recht bezeichnet jedoch KUMMER in seiner Arbeit "Der zivilprozessrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts" die Wegräumung bereits getroffener Vorbereitungen zu einer Verletzungshandlung - er erwähnt das im Druck befindliche beleidigende Flugblatt - als Gegenstand des Beseitigungsanspruchs (ZBJV 1967 S. 108). Etwas ungewöhnlich ist, dass die Herausgabe der betreffenden Unterlagen, die im Eigentum des Beklagten stehen, an die Kläger verlangt wird. Die Aushändigung dieses für den Beklagten nunmehr ohnehin wertlosen Materials an die Kläger kann jedoch unter den gegebenen Umständen ähnlich wie dessen Vernichtung als Bestandteil des Beseitigungsanspruchs betrachtet werden. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren 2 somit zu Recht geschützt.
b) Das Klagebegehren 3, mit dem ein Verbot der künftigen Verbreitung des Mitgliederverzeichnisses der Erstklägerin verlangt
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wird, stellt eine Unterlassungsklage dar. Die Klage auf Unterlassung drohender Störung ist ein Anwendungsfall der in Art. 28 ZGB vorgesehenen Beseitigungsklage ( BGE 95 II 500 Erw.11). Sie setzt nach der herrschenden Rechtsprechung und Lehre ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Verletzten voraus: Das Verhalten des Beklagten muss eine künftige Verletzung ernstlich befürchten lassen ( BGE 95 II 500 Erw. 11; JÄGGI, ZSR 1960 II S. 178 ff. Ziff. 28; GROSSEN, ebenda S. 40 a mit Hinweisen; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1958, S. 252 Ziff. 2). KUMMER weist jedoch zu Recht darauf hin, dass das Vorliegen einer Verletzungsgefahr notwendigerweise stets nur eine Vermutung darstellt und dass eine Unterlassungspflicht ohnehin nur indirekt vollstreckt werden kann, weshalb der Nachweis des Rechtsschutzinteresses leicht gemacht werden sollte (a.a.O. S. 110). Im vorliegenden Fall fällt in Betracht, dass der Beklagte auf die verschiedenen Aufforderungen der Philanthropischen Gesellschaft Union, den Vertrieb ihres Mitgliederverzeichnisses zu unterlassen, überhaupt nicht reagiert und auf diese Weise die Klage provoziert hat. Der Unterlassungsanspruch der Kläger ist unter diesen Umständen zu Recht bejaht worden.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen (I. Zivilkammer) vom 7. September 1970 bestätigt.

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