Urteilskopf
97 III 49
12. Entscheid vom 14. April 1971 i.S. M.
Regeste
Recht auf Vorausliquidation (
Art. 41 SchKG
).
Leitet der Gläubiger einer grundpfändlich gesicherten Forderung gleichzeitig für den Kapitalbetrag und die darauf verfallenen Zinsen ordentliche Betreibung ein und beruft sich der Schuldner auf sein Recht auf Vorausliquidation (
Art. 41 Abs. 1 SchKG
), so kann die Betreibung für die Zinsen gleichwohl auf dem ordentlichen Wege fortgesetzt werden (
Art. 41 Abs. 2 SchKG
).
Dispositive Natur von
Art. 41 SchKG
(Erw. 1).
A.-
Am 1. Dezember 1970 liess M. für eine durch gekündigten Schuldbrief gesicherte Forderung von Fr. 30'000.-- und einen darauf verfallenen Zinsbetrag von Fr. 1'350.-- (beides
BGE 97 III 49 S. 50
zuzüglich 5% Verzugszins seit 11. November 1970) gegen O. ordentliche Betreibung einleiten. Dieser erhob gegen den ihm am 7. Dezember 1970 vom Betreibungsamt zugestellten Zahlungsbefehl Beschwerde, indem er sich auf
Art. 41 Abs. 1 SchKG
berief und geltend machte, er könne für die insgesamt Fr. 31'350.-- nur auf Grundpfandverwertung betrieben werden.
B.-
Der Präsident des Bezirksgerichts als untere kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut und hob die angefochtene Betreibung als Ganzes auf. Hiegegen rekurrierte die Gläubigerin M. an das Obergericht (obere kantonale Aufsichtsbehörde) und verlangte die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids, soweit dieser auch die Betreibung für den aufgelaufenen Zins von Fr. 1'350.-- aufhob.
C.-
Das Obergericht wies den Rekurs am 12. März 1971 ab und bestätigte den Entscheid der untern Aufsichtsbehörde. Mehrheitlich war es der Meinung, die Wahl der Betreibungsart für grundpfändlich gesicherte Zinsen gemäss
Art. 41 Abs. 2 SchKG
stehe einem Gläubiger dann nicht zu, wenn er gleichzeitig die Kapitalforderung in Betreibung setze (was laut
Art. 41 Abs. 1 SchKG
grundsätzlich auf dem Wege der Pfandbetreibung zu geschehen habe); dies ergebe sich aus
Art. 818 ZGB
, der auch die Zinsen in die Pfandsicherung einbeziehe. Da im vorliegenden Falle die Gläubigerin für Kapital und Zinsen den ordentlichen Betreibungsweg beschritten habe, könne sie nun nicht nachträglich (nach dem Einspruch des Schuldners) im gleichen Vollstreckungsverfahren ihren Forderungsbetrag auf die Zinsen reduzieren, denn dadurch würde der Betriebene in seinen Verteidigungsrechten verkürzt.
D.-
Mit rechtzeitig eingelegtem Rekurs ans Bundesgericht hält die Gläubigerin an ihrem vor Obergericht gestellten Antrag fest.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Wer eine durch ein Pfand gesicherte Forderung in Betreibung setzen will, muss grundsätzlich eine auf Pfandverwertung gerichtete Betreibung einleiten (
Art. 41 Abs. 1 SchKG
), es sei denn, er habe mit dem Schuldner eine abweichende Vereinbarung getroffen oder er verzichte ausdrücklich und rechtzeitig auf das Pfandrecht (
BGE 93 III 15
Erw. 1 mit Hinweisen). Beschreitet er trotzdem - auch beim Fehlen solcher
BGE 97 III 49 S. 51
besonderer Voraussetzungen - den ordentlichen Betreibungsweg, so ist die Betreibung nicht etwa von Amtes wegen als unzulässig aufzuheben. Da
Art. 41 Abs. 1 SchKG
dispositiver Natur ist, bleibt es dem Schuldner anheimgestellt, ob er seinen Anspruch auf Vorausliquidation des Pfandes (sog. beneficium excussionis realis) mit Beschwerde geltend machen will (vgl. auch
Art. 85 Abs. 2 VZG
); verzichtet er darauf, wird die gewöhnliche Betreibung rechtskräftig (
BGE 58 III 59
,
BGE 63 III 129
,
BGE 73 III 15
; JAEGER, Kommentar,
Art. 41 N 2
und 151 N 2, JAEGER/DAENIKER, Praxis,
Art. 41 N 5
).
Hingegen hat der Gläubiger bezüglich grundpfandgesicherter Zinsen oder Annuitäten gemäss
Art. 41 Abs. 2 SchKG
freie Wahl, ob er Betreibung auf Pfandverwertung oder eine ordentliche Betreibung einleiten will; nur ist er an die einmal getroffene Wahl dann gebunden (
BGE 61 III 70
/71). Die unterschiedliche Behandlung pfandgesicherter Kapital- und grundpfandgesicherter Zinsforderungen ist rein vollstreckungsrechtlicher Natur. Aus dem materiellen Zivilrecht lässt sich daher zur Lösung des vorliegenden Rechtsstreits entgegen der Annahme der Vorinstanzen nichts herleiten (
BGE 63 III 127
/28).
2.
Betreibungsrechtlich stand dem Vorgehen des Gläubigers, Kapital- und Zinsforderungen gleichzeitig in Betreibung zu setzen, nichts entgegen. Auch wurde durch die Geltendmachung der beiden Forderungen in einer einzigen Betreibung nicht eine Schicksalsgemeinschaft in dem Sinne geschaffen, dass die Unzulässigkeit der gewählten Betreibungsart für die eine Forderung auch die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Betreibung für die andere bewirkte. Gleich wie der Schuldner nur hinsichtlich der einen Forderung hätte Recht vorschlagen können, hätte der Gläubiger die Möglichkeit gehabt, die Betreibung jederzeit auf eine der beiden Forderungen zu beschränken.
Es ist daher nicht einzusehen, warum die in Frage stehende Betreibung auch insoweit aufgehoben werden müsste, als sie sich auf die Zinsforderung von Fr. 1'350.-- (nebst 5% Zins seit 11. November 1970) bezieht. Von einer Einschränkung der Verteidigungsrechte des Betreibungsschuldners, der immerhin den nicht gerade auf der Hand liegenden Weg der Beschwerde erkannt und zu Recht eingeschlagen hat, kann keine Rede sein. Der Rekurs ist daher in Übereinstimmung mit der Minderheit der Vorinstanz gutzuheissen und die Fortsetzung der Betreibung
BGE 97 III 49 S. 52
- vorbehältlich eines allfällig erhobenen Rechtsvorschlags - für den Betrag von Fr. 1'350.-- nebst 5% Verzugszins zuzu lassen.
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs und Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses und entsprechender Aufhebung des angefochtenen Entscheides wird die verfügte Aufhebung der Betreibung auf den Forderungsbetrag von Fr. 30'000.-- beschränkt.