Urteilskopf
97 V 134
35. Urteil vom 14. September 1971 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Thurgau gegen Neumeyer und Neumeyer gegen Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV
Regeste
Art. 105 Abs. 2 OG
.
Trotz der beschränkten Überprüfungsbefugnis gilt im Rahmen dieser Bestimmung die Untersuchungsmaxime.
Art. 5 Abs. 2 AHVG
.
Grundsätzliches zur Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Erwerbstätigkeit. Der Handelsagent übt in derRegel eine unselbständige Erwerbstätigkeit aus. Bestätigung der Praxis.
A.-
Fritz Neumeyer beschäftigte in seiner Generalvertriebsstelle für Metzgereiartikel verschiedene Mitarbeiter. Eine Arbeitgeberkontrolle ergab, dass er über die Entgelte mehrerer Mitarbeiter mit der Ausgleichskasse nicht abgerechnet hatte. Mit Nachzahlungsverfügung vom 24. November 1969 verhielt ihn daher die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau zur Entrichtung der entsprechenden paritätischen Beiträge für die Jahre 1964 bis 1968. Fritz Neumeyer anerkannte diese Verfügung teilweise; bezüglich Ernst Käch, Walter Lenz und August Senn vertrat er jedoch die Auffassung, bei diesen handle es sich um selbständigerwerbende Agenten, für die er keine Beiträge zu bezahlen habe.
B.-
Daher liess Fritz Neumeyer gegen die Nachzahlungsverfügung Beschwerde erheben.
Die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung qualifizierte Ernst Käch und Walter Lenz als Unselbständigerwerbende und wies die Beschwerde bezüglich dieser beiden Versicherten ab. August Senn wurde von der Rekurskommission für die Zeit vom 1. Januar 1965 bis 30. September 1967 bezüglich seiner Agententätigkeit und für den Zeitraum 1. Oktober 1967 bis 31. Dezember 1968 hinsichtlich seines Service- und Reparaturdienstes für die Generalvertriebsstelle als Unselbständigerwerbender bezeichnet. Dagegen anerkannte ihn die Vorinstanz mit Bezug auf seine Tätigkeit aus der Vereinbarung vom 3. September 1967 über die
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Durchführung einer Betriebsstudie für die Zeit vom 1. Oktober 1967 bis 1. Oktober 1968 als Selbständigerwerbenden. In diesem Sinn entschied die Rekurskommission am 30. September 1970, wobei sie gleichzeitig die Ausgleichskasse aufforderte, eine neue Beitragsabrechnung zu erstellen.
C.-
Mit ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse die vollumfängliche Wiederherstellung ihrer Verfügung, weil August Senn auch hinsichtlich seiner Funktionen aus der Betriebsstudien-Vereinbarung unselbständigerwerbend sei.
Auch Fritz Neumeyer lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Antrag, Ernst Käch, Walter Lenz und August Senn seien bezüglich ihrer Tätigkeit für seinen Generalvertrieb als Selbständigerwerbende anzuerkennen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen zurückzukommen sein. Ferner wird die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Ausgleichskasse beantragt.
Von den zur Vernehmlassung aufgeforderten drei Betroffenen äusserte sich Lenz überhaupt nicht, Käch enthielt sich einer materiellen Stellungnahme und August Senn, der die Neumeyer AG am 1. Januar 1970 aufgekauft hatte, vertrat mit Bestimmtheit die Auffassung, dass er als Selbständigerwerbender zu behandeln sei.
Das Bundesamt für Sozialversicherung beschränkt sich auf den Hinweis, dass es den Ausführungen der Ausgleichskasse beipflichte, und stellt den Antrag, deren Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Es sind keine Versicherungsleistungen streitig, weshalb das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen hat, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG
).
Obschon der Sachverhalt im Sinn des
Art. 105 Abs. 2 OG
nur beschränkt überprüfbar ist, gilt in diesem Rahmen doch die Untersuchungsmaxime. Demnach darf sich das Gericht nicht auf die von den Parteien vorgebrachten tatbeständlichen Einwände
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beschränken, sondern es hat von Amtes wegen den gesamten rechtserheblichen Sachverhalt gemäss
Art. 105 Abs. 2 OG
zu überprüfen. Immerhin darf der Richter in der Regel voraussetzen, dass die Parteien auf wirkliche oder vermeintliche Fehler in der vorinstanzlichen Feststellung des Sachverhalts ausdrücklich hinweisen (nicht publiziertes Urteil vom 10. März 1971 i.S. Kolb).
2.
Nach
Art. 5 Abs. 2 AHVG
und der entsprechenden Praxis ist im allgemeinen als unselbständigerwerbend zu betrachten, wer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit für einen Arbeitgeber tätig wird und von diesem in wirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist. Das Fehlen des Unternehmerrisikos ist dabei in der Regel von wesentlicher Bedeutung. Die unselbständige Erwerbstätigkeit ist nicht an einen Dienstvertrag gebunden. Gemäss
Art. 9 Abs. 1 AHVG
gilt dagegen als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit "jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt". Praxisgemäss ist insbesondere als selbständigerwerbend zu betrachten, wer - ohne massgebend fremden Direktiven unterworfen zu sein - nach Art des freien Unternehmers ein eigenes Geschäft führt oder als gleichberechtigter Partner an einem solchen beteiligt ist (vgl. EVGE 1966 S. 205). Im übrigen beurteilt sich nicht nach zivilrechtlichen Kriterien, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die ahv-rechtliche Qualifikation eines Arbeitsverhältnisses zu bieten, ohne jedoch hierfür entscheidend zu sein (ZAK 1967 S. 473).
In ständiger Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht festgestellt, dass es für die Beurteilung, ob ein Handelsvertreter selbständig- oder unselbständigerwerbend sei, nicht darauf ankommt, ob er dem Bundesgesetz über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden unterstellt oder ob sein Arbeitsverhältnis durch einen Agenturvertrag im obligationenrechtlichen Sinn geregelt sei. Es hat erkannt, dass die Vertreter im allgemeinen weitgehend frei sind, wie sie ihre Zeit einteilen und ihre Arbeit gestalten wollen, aber selten wirtschaftliche Risiken wie ein Unternehmer zu tragen haben. Das Gericht ist zum Schluss gelangt, dass Handelsvertreter mit Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeit und die Arbeitsbedingungen nur in
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seltenen Ausnahmefällen ahv-rechtlich als selbständigerwerbend betrachtet werden können. Es hat insbesondere hinsichtlich der Handelsagenten erklärt, dass diese ahv-rechtlich in der Regel zu den Unselbständigerwerbenden gehören, vor allem deshalb, weil sich ihre ökonomischen Risiken meistens in der Abhängigkeit ihres Entgeltes vom persönlichen Arbeitserfolg erschöpfen; diese sind nur dann als Risiken eines Selbständigerwerbenden zu bewerten, wenn beträchtliche Investitionen oder Angestelltenlöhne zu tragen sind. Das Gericht hat sich stets gegen die Auffassung gewandt, bei Vorliegen eines Agenturverhältnisses sei immer auf selbständige Erwerbstätigkeit zu erkennen.
Ob das Arbeitsentgelt eines Agenten (oder eines gewöhnlichen Handelsreisenden) Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit im Sinn des AHVG darstellt, ist in jedem einzelnen Fall nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen. Obschon auf Grund der Erfahrungen bei einem Handelsvertreter vermutet wird, er sei unselbständigerwerbend, so gibt es doch Umstände, die in Sonderfällen auf selbständige Erwerbstätigkeit schliessen lassen (ZAK 1967 S. 473 und dort zitierte Urteile).
3.
Fritz Neumeyer macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe "das Problem der Beweislastverteilung ... falsch resp. umgekehrt gehandhabt". Der materielle Inhalt der von ihm mit Ernst Käch, Walter Lenz und August Senn abgeschlossenen Agenturverträge weise eindeutig auf selbständige Tätigkeit dieser Versicherten hin, "weshalb die Beweislast, dass trotz dieses Vertragsverhältnisses aus dem Geschäftsablauf eine unselbständige Tätigkeit angenommen werden müsse, einzig und allein bei der Rekursbehörde liegt. Grundsätzlich gilt der Vertrag, und die Scheinnatur eines Vertragsverhältnisses muss anhand konkreter Tatsachen durch die Steuerbehörde bewiesen werden."
Dieser Stellungnahme ist entgegenzuhalten, dass - wie bereits erwähnt - im Sozialversicherungsprozess das Untersuchungsprinzip gilt und demzufolge den Parteien keine Beweisführungslast obliegt, sondern der Sachverhalt vom letztinstanzlichen Richter im Rahmen des
Art. 105 Abs. 2 OG
von Amtes wegen festzustellen bzw. zu überprüfen ist. Sodann ist zu beachten, dass ein Agenturvertrag kein wesentliches Kriterium für die ahv-rechtliche Beurteilung der auf einem solchen Vertrag beruhenden Erwerbstätigkeit bildet, weshalb es heute primär
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gar nicht darum geht, abzuklären, ob wirklich ein Agenturvertrag im obligationenrechtlichen Sinn vorliegt. Vielmehr ist nach den gesamten tatsächlichen Umständen zu prüfen, ob beitragsrechtlich selbständige oder unselbständige Tätigkeit gegeben ist... 4. - Die Zusammenarbeit zwischen Neumeyer einerseits sowie Käch, Lenz und Senn anderseits beruhte von 1964 bis 1968 unbestrittenermassen auf einer in allen drei Fällen gleichlautenden, als "Agenturvertrag" bezeichneten Vereinbarung. Ob es sich dabei wirklich vollumfänglich um einen Agenturvertrag im Sinn des OR handelt, braucht nicht näher geprüft zu werden, weil seine zivilrechtliche Natur für die beitragsrechtliche Beurteilung der Erwerbstätigkeit jener drei Personen nicht wesentlich ist. Erheblich ist vielmehr, ob der Vertragsinhalt nach den unter Erwägung 2 dargelegten Kriterien überwiegend wahrscheinlich auf unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit hinweist. Die Ausführungen der Vorinstanz entsprechen Gesetz und Praxis. Ergänzend ist - unter spezieller Berücksichtigung der Einwände des Beschwerdeführers Neumeyer - zu einzelnen Vertragsbestimmungen folgendes zu bemerken:
Nach Ziffer 3 des Vertrages hat der Agent, der für den Maschinenservice angefordert wird, "zur entsprechenden technischen Ausbildung, gegen entsprechende Entlöhnung Hand zu bieten". Hier ist unklar, ob diese "Entlöhnung" von Neumeyer oder vom Kunden ausgerichtet wird. Im ersten Fall würde es sich auf diesem Teilgebiet eindeutig um unselbständige, durch die angefochtene Nachzahlungsverfügung erfasste Erwerbstätigkeit, im zweiten Fall wohl um selbständige Erwerbstätigkeit handeln. Sofern solche "Entlöhnungen" von Kunden ausgerichtet worden sind, hätte die Verwaltung von Amtes wegen für deren Erfassung zu sorgen, soweit dies noch nicht geschehen ist.
Ziffer 4 erlaubt dem Agenten, frei über seine Zeit zu verfügen und "anderweitige Vertretungen und Arbeiten" zu übernehmen. Dies sagt für sich allein wenig aus zur Frage, ob selbständige oder unselbständige Tätigkeit im ahv-rechtlichen Sinn gegeben ist. Auch ein dienstvertraglich angestellter Handelsreisender könnte sich ähnliche Klauseln ausbedingen.
Ziffer 5 ermächtigt den Agenten u.a., Mängelrügen zuhanden Neumeyers, nicht aber Zahlungen entgegenzunehmen und Zahlungsfristen zu gewähren, es sei denn, der Beschwerdeführer erteile hierzu eine besondere Erlaubnis. Ferner wird die Verrechnung
BGE 97 V 134 S. 140
von Kundenzahlungen mit Ansprüchen des Agenten aus dem Vertrag verboten. Schliesslich regelt die Bestimmung die Versorgung der Agenten mit Mustern und Prospekten durch Fritz Neumeyer. Gesamthaft spricht Ziffer 5 des Vertrages eher für unselbständige Tätigkeit. Er beinhaltet ein gewisses Weisungsrecht Neumeyers; vor allem will er diesem ein beträchtliches wirtschaftliches Übergewicht dadurch gewährleisten, dass er dem Agenten die Verrechnung seiner Ansprüche aus dem Agenturvertrag mit den von ihm einkassierten Kundengeldern verbietet.
Fritz Neumeyer beruft sich vor allem auf die in den Ziffern 7, 8 und 11 des Agenturvertrages enthaltene Klausel, wonach der Agent eine Delcredereprovision von 5% auf dem Nettoverkaufspreis erhält und dafür bei Zahlungsverzug des Kunden "ohne wesentliche Säumnis die erforderlichen Rechtsschritte einzuleiten und nötigenfalls den Eigentumsvorbehalt an den verkauften Gegenständen geltend zu machen" und, insoweit dies erfolglos ist, den "Ausfall" selber zu übernehmen hat. Daraus darf jedoch nicht abgeleitet werden, "dass das gesamte finanzielle Risiko ausschliesslich bei den Agenten lag", weil diese "den vollen Ausfall zu tragen" hätten. Wie schon die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, ist das vom Agenten zu übernehmende "Risiko" zum vornherein gedeckt durch die Delcredereprovision. Nach
Art. 418c Abs. 3 OR
hat der Agent, der für die Verbindlichkeiten des Kunden einstehen muss, sogar einen gesetzlichen, unabdingbaren Anspruch auf ein angemessenes besonderes Entgelt für diese Haftung. Dies ist mit der eigentlichen Risikotragung eines Selbständigerwerbenden, der bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden einen nicht gedeckten Verlust erleidet, nicht vergleichbar. Solche Delcrederebestimmungen haben denn auch vornehmlich den Zweck, den Vermittler an einer seriösen und vorsichtigen Vermittlertätigkeit zu interessieren, wobei das eigentliche Geschäftsrisiko beim Geschäftsherrn verbleibt, der das Risiko hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit der Kunden - allerdings pauschal und zum voraus - über die Delcredereprovision finanziert. Für den Agenten dagegen wirkt sich das Delcredere in Wirklichkeit nur in Form eines - vorwiegend von seiner eigenen Tüchtigkeit und Sorgfalt abhängenden - grössern oder kleineren Arbeitserfolges aus in der Richtung, dass er die Delcredereprovision als zusätzliche Einnahme behalten kann oder sie zur Schadensdeckung verwenden muss.
Ebenfalls mit dem Hinweis auf Ziffer 8 des Agenturvertrages macht Fritz Neumeyer geltend, "dass die zurückgenommenen resp. in Anrechnung an eine neue Maschine übernommenen Occasionsmaschinen in das alleinige Eigentum der Agenten übergehen", womit "doch klar zum Ausdruck gebracht" werde, "dass das ganze Eintauschgeschäft, welches bei Metzgereimaschinen, wie bei Autos, nicht zu umgehen ist, alleinig zulasten der Agenten zu gehen hatte". Der Occasionshandel sei aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer Neumeyer und den Agenten vollständig ausgeschaltet gewesen. - Insoweit diese letzte Behauptung zutrifft, läge auf dem Teilgebiet solchen Occasionshandels offensichtlich selbständige Erwerbstätigkeit vor, wobei es wiederum Sache der Verwaltung wäre, von Amtes wegen zu prüfen, ob das entsprechende Einkommen beitragsrechtlich erfasst worden ist. Aus dem Agenturvertrag selber ergibt sich diese Möglichkeit des Occasionshandels aber nicht allgemein, sondern lediglich im Rahmen der Delcrederebestimmung von Ziffer 8 Abs. 3, die nur so ausgelegt werden kann, dass Maschinen, die bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden zurückgenommen werden, ins Eigentum jenes Agenten übergehen, der im Sinn der Delcrederebestimmung den "Ausfall" vergüten muss.
Gemäss Ziffer 10 hat der Agent die durch seine Tätigkeit verursachten Spesen selber zu tragen. Dies besagt wenig über allfällig selbständige Erwerbstätigkeit im beitragsrechtlichen Sinn. Vor Erlass des Bundesgesetzes über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden war wohl der grösste Teil der Reisevertreter zur Hauptsache oder gar ausschliesslich auf reiner Provisionsbasis angestellt. Lediglich aus Gründen des sozialen Schutzes der dienstvertraglich beschäftigten Handelsreisenden hat dann das erwähnte Bundesgesetz die prinzipiell gesonderte Vergütung der Reisespesen vorgeschrieben. Ein wesentliches Indiz für ahv-rechtlich selbständige Tätigkeit wäre nach den unter Erwägung 2 dargelegten Kriterien lediglich dann gegeben, wenn der Agent selber eine eigentliche Verkaufsorganisation aufgebaut hätte. Der Agenturvertrag bietet keine ausreichende Grundlage für eine solche Annahme.
Ziffer 12 gewährt jenem Agenten, der "an eine einzige Firma gebunden" ist, Entschädigungen analog der Lohnzahlung des Dienstherrn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung gemäss
Art. 335 OR
. Darin liegt ein Indiz für beitragsrechtlich unselbständige Erwerbstätigkeit.
Zusammenfassend ist demnach in Übereinstimmung mit der Vorinstanz festzustellen, dass der "Agenturvertrag" gesamthaft betrachtet überwiegend auf ahv-rechtlich unselbständige Erwerbstätigkeit der Agenten Käch, Lenz und Senn hinweist.
5.
Indessen ist nicht allein der Wortlaut dieses Vertrages massgebend, sondern es sind auch allfällige weitere, vom schriftlichen Vertrag nicht erfasste Fakten zu berücksichtigen, wie sie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Neumeyers unter dem Titel "Praktische Geschäftsabwicklung" vorgetragen werden.
a) Zum Fall Käch: Es ist unbestritten, dass mit dem Abschluss des Agenturvertrages anstelle des vorangegangenen Dienstvertrages die Stellung Ernst Kächs gegenüber Fritz Neumeyer in mancher Beziehung freier wurde, was aber noch nicht bedeutet, Käch habe durch diesen Vertrag ahv-rechtlich die Stellung eines Selbständigerwerbenden erlangt. Wenn der neue Vertrag gemäss der Behauptung Neumeyers dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass Ernst Käch nebenbei noch einen Fleischhandel betrieb, so fragt es sich ahv-rechtlich lediglich, ob der Erwerb aus dem Fleischhandel bisher beitragsmässig überhaupt und in der richtigen Form - Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit - erfasst worden ist. Dies lässt sich anhand der Akten nicht entscheiden und wird allenfalls von der Verwaltung von Amtes wegen noch zu prüfen sein.
Erneut wird in diesem Zusammenhang auf den angeblich selbständigen, von Neumeyer unabhängigen Occasionshandel Kächs mit Metzgereimaschinen hingewiesen. Hier drängt sich die gleiche Überprüfung durch die Verwaltung auf wie bezüglich des Fleischhandels. Unverständlich ist die Behauptung Neumeyers, der Agent habe diesen Handel "gemäss Vereinbarung vom 29.5.1965... aufsein eigenes Risiko tätigen müssen". Diese Vereinbarung sagt dazu überhaupt nichts aus, sondern bekräftigt gegenteils noch ausdrücklich die Konkurrenzklausel, was eher gegen die Zulässigkeit eines solchen Handels spricht.
Dass Ernst Käch Bürospesen und Kosten für eigenes Personal erwachsen wären, wird nur bezüglich des Fleischhandels, nicht aber hinsichtlich der für Fritz Neumeyer ausgeübten Agententätigkeit geltend gemacht.
b) Zum Fall Lenz: Dieser liegt völlig analog zum Fall Käch, wobei Walter Lenz statt eines Fleischhandels zeitweise anscheinend
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einen Restaurationsbetrieb geführt hat. Nur der Vollständigkeit halber sei auf die vorinstanzliche Feststellung verwiesen, dass Walter Lenz (und anfänglich auch Käch) sich steuerlich als Unselbständigerwerbenden deklariert und von Neumeyer ausgestellte Lohnausweise vorgelegt hat. Beide hatten sich also offensichtlich als Unselbständigerwerbende betrachtet.
c) Zum Fall Senn: Die Vorinstanz führt aus, es sei nicht erwiesen, dass der Agenturvertrag praktisch anders angewandt worden sei als bei Ernst Käch und Walter Lenz. An diese Feststellung ist das Eidg. Versicherungsgericht gebunden, weil kein Grund zur Überprüfung im Sinn von
Art. 105 Abs. 2 OG
besteht. Insbesondere ändert der Hinweis darauf, dass Senn über ein eigenes Konsignationslager verfügt habe, nichts, denn das diesbezügliche "Risiko" bestand lediglich im Rahmen der bereits erwähnten Delcrederehaftung.
Von diesem Agenturverhältnis ist - wie bei Ernst Käch und Walter Lenz - der Occasionshandel auszunehmen; dessen beitragsrechtliche Bedeutung ist von der Verwaltung gegebenenfalls noch zu prüfen. Dasselbe gilt auch insoweit, als Senn seine frühere selbständige Erwerbstätigkeit neben dem Agenturverhältnis mit Neumeyer anscheinend weitergeführt hat.
Hinsichtlich der Service- und Montagevereinbarung vom 1. Januar 1965, mit der sich Senn gegenüber Neumeyer zur Übernahme des Reparaturdienstes für Metzgereimaschinen verpflichtet hat, besteht ebenfalls kein Anlass, von der vorinstanzlichen Beurteilung abzuweichen. Dieses Vertragsverhältnis liegt im wesentlichen auf der gleichen Linie wie das Agenturverhältnis, mit dem es überdies in einem innern Zusammenhang steht. Dass August Senn, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Neumeyers geschildert wird, in einem Fall den durch fehlerhafte Montage verschuldeten Schaden selber zu tragen hatte, vermag hieran nichts zu ändern.
Am 3. September 1967 vereinbarten Fritz Neumeyer und August Senn, vom 1. Oktober 1967 bis 1. Oktober 1968 eine "Betriebsstudie" durchzuführen. Senn hatte nun - anders als bei der Delcrederehaftung gemäss Agenturvertrag - anteilsmässig ein wirkliches Geschäftsrisiko zu tragen und war grundsätzlich gleichberechtigter Partner Neumeyers. Wenn Fritz Neumeyer geltend macht, im Betriebsstudienjahr habe August Senn ein kleineres Risiko tragen müssen als unter der
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Herrschaft des Agenturvertrages, so übersieht er, dass das Delcredererisiko zum vorneherein - und im Gegensatz zum Unternehmerrisiko - durch die Delcredereprovision abgegolten worden ist. Der Einwand der Ausgleichskasse, laut Handelsregistereintrag habe Neumeyer sein Geschäft als Einzelfirma weitergeführt, ist unerheblich, weil ja bekanntlich die tatsächlichen Verhältnisse und nicht deren formelle Regelung massgebend sind. - Das Verhältnis aus dem Service- und Montagevertrag schliesslich erfuhr durch die Betriebsstudien-Vereinbarung keine Änderung.
6.
Es ergibt sich somit, dass beide Verwaltungsgerichtsbeschwerden als unbegründet abgewiesen werden müssen. Die Parteien haben die Kosten des heutigen Verfahrens zu tragen, welche - der Bedeutung jeder der beiden Beschwerden entsprechend - zu einem Drittel der Ausgleichskasse und zu zwei Dritteln Fritz Neumeyer auferlegt werden. Da beide Parteien unterlegen sind, besteht kein Anspruch auf Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden im Sinn der Erwägungen abgewiesen.
II. Die Kosten des heutigen Verfahrens werden zu einem Drittel der Ausgleichskasse und zu zwei Dritteln Fritz Neumeyer auferlegt.
III. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.