Urteilskopf
98 Ib 188
27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Juli 1972 i.S. Productions Claude Carrère (SA) gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum.
Regeste
Schutz einer internationalen Marke französischen Ursprungs; Ablehnungsgründe gemäss Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 3 der Pariser Verbandsübereinkunft und gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 und Ziff. 4 MSchG
(Erw. 1).
Kein Schutz für die Marke SHEILA DIFFUSION in der Schweiz, weil sie auf eine ersonnene Firma anspielt, die Firma eines Dritten unerlaubterweise nachahmt und irreführend ist (Erw. 2-4).
A.-
Die Firma Productions Claude Carrère (SA) in Paris ist Inhaberin der in Frankreich eingetragenen Wortmarke SHEILA DIFFUSION. Am 25. September 1970 wurde dieses Zeichen unter Nr. 371 595 auch vom Internationalen Büro zum Schutze des gewerblichen Eigentums registriert. Es ist zum Gebrauch für Damenkleider bestimmt.
Am 22. September 1971 verweigerte das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum dieser Marke in der Schweiz vorläufig den Schutz. Es begründete die Weigerung damit, der in der Marke enthaltene Name der Sängerin "Sheila" stimme mit der Firma der Markeninhaberin nicht überein; er lasse an eine ersonnene Firma denken und vermuten, es bestehe eine Beziehung zwischen diesem Namen und den bezeichneten Waren. Der Gebrauch einer solchen Firma widerspreche
Art. 6 PVUe
und
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
. Das Amt setzte der Inhaberin der Marke drei Monate Frist zum Beweise, dass sie diesen Namen als Marke gebrauchen dürfe und worin die Beziehungen
BGE 98 Ib 188 S. 189
zwischen dem Träger des Namens und den bezeichneten Erzeugnissen beständen.
Am 17. Januar 1972 verweigerte das Amt für geistiges Eigentum der Marke den Schutz endgültig, weil die Inhaberin innerhalb der angesetzten Frist die verlangten Beweise nicht erbracht habe. Diese Verfügung wurde den Vertretern der Markeninhaberin durch das Internationale Büro am 16. März 1972 eröffnet.
B.-
Die Firma Productions Claude Carrère (SA) führt mit Eingabe vom 14. April 1972 gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt, ihn aufzuheben und die international hinterlegte Marke in der Schweiz zu schützen.
Das Amt für geistiges Eigentum beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Frankreich und die Schweiz sind dem Madrider Abkommen betreffend die internationale Registrierung der Fabrik- oder Handelsmarken in der am 15. Juni 1957 in Nizza revidierten Fassung beigetreten (AS 1970 S. 1687/8). Dessen Art. 5 Abs. 1 erlaubt den Verbandsländern nur dann, einer international registrierten Marke den Schutz zu verweigern, wenn nach den in der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVUe) genannten Bedingungen ihre Eintragung in das nationale Register abgelehnt werden dürfte, also besonders wenn die Marke gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstösst, sich namentlich eignet, das Publikum zu täuschen (
Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 3 PVUe
; AS 1970 S. 630).
Die in
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 und Ziff. 4 MSchG
vorgesehenen Ablehnungsgründe, die im vorliegenden Falle in Frage kommen, widersprechen dieser zwischenstaatlichen Regelung nicht.
2.
Gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
darf eine Marke unter anderem dann nicht eingetragen werden, wenn sie eine ersonnene Firma enthält.
Das trifft nicht schlechthin schon dann zu, wenn die Marke einen Bestandteil aufweist, der an sich auch in einer Firma vorkommen könnte. Sonst wären Wortmarken nie schutzfähig, denn jedes Wort ist auch als Bestandteil einer Firma denkbar, da ja Aktiengesellschaften und Genossenschaften ihre Firma
BGE 98 Ib 188 S. 190
frei wählen können (
Art. 950 OR
). Insbesondere sind Vornamen als Marken oder Markenbestandteile nicht deshalb unzulässig, weil auch Firmen einen solchen Namen enthalten können. Es gibt denn auch im schweizerischen Markenregister zahlreiche Marken, die ausschliesslich aus einem Vornamen bestehen, wobei zu beachten ist, dass er nicht etwa aus der Firma des Markeninhabers übernommen, sondern anscheinend willkürlich gewählt wurde, z.B. JANINE, BEATRICE, ANGELIKA, BIANCA, BRIGITTE, CAROLA, CLAUDIA und PETRA (Marken-Jahressammlung des eidg. Amtes für geistiges Eigentum 1967 S. 73 und 80; Schweizerisches Patent-, Muster- und Marken-Blatt (PMMBI) 1971 IV S. 184 und 185; s. ferner PMMBI 1971 IV 259, 271, 314, 315, 323, 347, 419, 519, 691, 890 und 892). In anderen Fällen ist der als Marke eingetragene Vorname auch Bestandteil der Firma des Markeninhabers. Das trifft z.B. zu bei den Marken STELLA, ANDRE und NELLY (Marken-Jahressammlung 1965 S. 1210, 1967 S. 2108; PMMBl 1971 IV 282 und 901).
Das heisst nicht, ein Vorname in einer Marke könne nie die Stellung einer ersonnenen Firma einnehmen. Diese Stellung kann ihm durch den Zusammenhang mit anderen Bestandteilen der Marke verschafft werden. Die Marke muss immer als Ganzes gewürdigt werden, so auch im vorliegenden Falle, wo sie nicht bloss aus dem Vornamen Sheila besteht, sondern SHEILA DIFFUSION lautet. Das Wort diffusion, das hier den Sinn von "distribution" hat (s. ROBERT, Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française unter "Diffusion" und "Distribution" und LITTRÉ, Dictionnaire de la langue française unter "diffusion") erweckt den Eindruck, der Hersteller oder Händler, der die mit dieser Marke gekennzeichnete Ware auf den Markt bringe, heisse Sheila oder trage diesen Vornamen in seiner Firma. Denn jeder Vertrieb setzt ein Subjekt voraus, das ihn vornimmt. Der Gedanke an eine Firma drängt sich umso mehr auf, als Marke und Geschäftsfirma identisch sein können (
Art. 1 Abs. 1 MSchG
) und tatsächlich oft identisch sind oder der Geschäftsinhaber häufig einen charakteristischen Bestandteil seiner Firma, besonders einen Vornamen (Stella, André, Nelly usw.) als Wortmarke gebraucht.
Daraus folgt, dass die Marke der Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht geschützt werden kann, gleichgültig ob tatsächlich jemand das Wort Sheila in seiner Firma verwendet oder
BGE 98 Ib 188 S. 191
nicht. Im einen wie im anderen Falle wirkt sie täuschend. Wenn niemand das Wort Sheila als Handelsname oder Bestandteil eines solchen gebraucht, spielt sie auf eine ersonnene Firma an.
BGE 92 II 305
ff. steht dieser Würdigung nicht im Wege, denn dieses Urteil betrifft eine Marke, die ausschliesslich aus dem Wort Sheila besteht, also keine Anspielung auf ein Unternehmen enthält. Wenn man diese Marke für sich allein betrachtet, erweckt sie sowenig den Eindruck einer ersonnenen Firma im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
wie die im schweizerischen Markenregister stehenden Zeichen JANINE, BEATRICE, ANGELIKA usw.
3.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
verbietet auch, mit der Marke die Firma eines andern nachzuahmen oder nachzumachen. Auszunehmen sind die Fälle, in denen der Markeninhaber wegen seiner Beziehungen zum andern hiezu berechtigt ist, z.B. wenn er die mit der Marke versehenen Waren ausschliesslich vom Inhaber der nachgeahmten oder nachgemachten Firma bezieht.
Aus
BGE 92 II 307
f. ergibt sich, dass am 2. Januar 1964 in Paris mit Unterstützung der Sängerin Annie Chancel und ihrer Eltern die Gesellschaft "La Boutique de Sheila SA" gegründet wurde, die mit Damenkleidern Grosshandel treibt. Charakteristischer Bestandteil des Namens dieser Gesellschaft ist der angelsächsische Vorname Sheila, der als Pseudonym der erwähnten Sängerin bekannt geworden ist. Das Wort Sheila in der Marke SHEILA DIFFUSION ist eine Nachahmung oder Nachmachung dieser Firma. Die Marke der Beschwerdeführerin lenkt die Gedanken des Lesers umso mehr auf die Firma "La Boutique de Sheila SA", als sie zur Verwendung auf Waren gleicher Art, wie diese Gesellschaft sie vertreibt, bestimmt ist.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
setzt weder voraus, dass die nachgeahmte oder nachgemachte Firma im schweizerischen Handelregister stehe, also in der Schweiz gemäss
BGE 79 II 307
ff.,
BGE 90 II 197
, 318,
BGE 98 II 59
f. als Handelsname geschützt sei, noch dass ihr Träger hier mit dem Markeninhaber im Sinne von
BGE 76 II 96
,
BGE 79 II 314
,
BGE 88 II 32
Erw. 2,
BGE 90 II 323
f.,
BGE 91 II 123
,
BGE 98 II 60
ff. im Wettbewerb stehe. Denn die erwähnte markenrechtliche Bestimmung ist nicht ein Ausfluss der Ansprüche auf Firmenschutz und Lauterkeit des Wettbewerbes, sondern will wie Ziff. 2 des Art. 14 Abs. 1 unabhängig von den Interessen des Inhabers der nachgeahmten oder nachgemachten
BGE 98 Ib 188 S. 192
Firma den guten Sitten dienen, namentlich einer Täuschung des Publikums über die Herkunft der Ware vorbeugen. Daher ist unerheblich, dass die Gesellschaft "La Boutique de Sheila SA" ihren Sitz in Frankreich hat und nicht feststeht, ob sie heute auch in der Schweiz geschäftlich tätig ist, insbesondere ob sie etwa die in den Akten erwähnte Boutique Sheila am Grand-Passage in Genf beliefert. Es genügt, dass sie in der Schweiz nicht völlig unbekannt ist. Jene Kreise der schweizerischen Interessenten für Damenkleider, die sie aus irgend einem Grunde kennen, z.B. aus
BGE 92 II 305
ff. oder aus ihrem Verkehr mit Paris, könnten sich vorstellen, sie bringe die mit der Marke SHEILA DIFFUSION versehenen Kleider auf den Markt. Diese Gefahr ist umso erheblicher, als die Belieferung der Schweiz mit Damenkleidern aus Paris gerichtsnotorisch ist. Schweizerische Einkäufer, die sich in Paris mit solcher Ware eindecken, können umso eher irregeführt werden, als auch die Beschwerdeführerin ihren Sitz in Paris hat.
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass die Gesellschaft "La Boutique de Sheila SA" heute nicht mehr bestehe. Sie bringt auch nicht vor, sie werde von dieser beliefert oder beherrscht oder dürfe aus anderen Gründen die Marke SHEILA DIFFUSION gebrauchen. Es bleibt deshalb dabei, dass sie mit dem Bestandteil Sheila die Firma eines Dritten unerlaubterweise nachahmt oder nachmacht.
Auch unter diesem Gesichtspunkt darf somit die erwähnte Marke in der Schweiz nicht geschützt werden.
BGE 92 II 305
ff. steht der Verweigerung des Schutzes wiederum nicht im Wege. In diesem Urteil wurde auf die Möglichkeit von Verwechslungen zwischen der Marke SHEILA und der Firma "La Boutique de Sheila SA" nicht Rücksicht genommen, weil diese Gesellschaft nicht Prozesspartei war und übrigens mit dem Inhaber der für Parfümerien bestimmten Marke SHEILA nicht im Wettbewerb stand.
4.
Das Amt für geistiges Eigentum macht geltend, die Marke SHEILA DIFFUSION könne auch deshalb zu Täuschungen führen, weil ein Teil der schweizerischen Käuferschaft den Namen Sheila als Pseudonym von Annie Chancel empfinde und die Ware mit dieser Sängerin in Beziehung bringen könnte.
In
BGE 92 II 305
ff. wurde ein Anspruch der Annie Chancel auf Löschung der von der SA des produits Clermont et Fouet am 13. März 1963 hinterlegten Parfümeriemarke SHEILA
BGE 98 Ib 188 S. 193
verneint. Das Bundesgericht führte aus, drei oder vier Monate eines raschen, durch Fernsehen, Rundfunk und geschickte Propaganda aufgebauschten Erfolges hätten der Sängerin nicht genügt, um ihr Pseudonym schon im Zeitpunkt der Hinterlegung der streitigen Marke so durchzusetzen, dass ihm eine Bekanntheit gesichert war. Annie Chancel habe daher kein subjektives und ausschliessliches Recht auf den bekannten und verbreiteten Vornamen Sheila; dieser sei Gemeingut.
Aus Schreiben von Sendeleitern der Rundfunkstudios von Lausanne und Genf von Mai 1972 und anderen Urkunden ergibt sich indessen, dass Annie Chancel unter dem Pseudonym Sheila wegen ihrer Schallplatten und ihres Auftretens im Fernsehen seit März 1963 im französischen Sprachgebiet der Schweiz sehr bekannt geworden ist und sich zusammen mit wenigen anderen jungen französischen Sängerinnen (Mireille Mathieu, Françoise Hardy, Sylvie Vartan) der grössten Gunst des Publikums erfreut. Der jährliche Umsatz an Schallplatten und Musik-Kassetten mit Chansons von ihr ist ständig gestiegen. Ihr Pseudonym hat sich in den Ländern französischer Zunge durchgesetzt und kennzeichnet sie dort als Sängerin. Der Beschwerdeführerin ist deshalb nicht beizupflichten, wenn sie geltend macht, der Ruf dieser Sängerin unter dem Pseudonym Sheila sei heute ziemlich verblasst. Gegenteils individualisiert dieser Deckname Annie Chancel in der Vorstellung gewisser Kreise jetzt genügend.
Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass das Zeichen SHEILA DIFFUSION in diesen Kreisen den Eindruck erwecken könnte, die mit ihm versehenen Damenkleider würden von Annie Chancel auf den Markt gebracht. Denn durch
BGE 92 II 305
ff. ist bekannt geworden, dass sie und ihre Eltern ein Unternehmen der Damenkleiderbranche unterstützen. Jedenfalls könnte aus der Marke geschlossen werden, Annie Chancel unterhalte Beziehungen zur Beschwerdeführerin oder die von dieser vertriebenen Kleider würden von der Sängerin empfohlen oder getragen. Die Möglichkeit von Irreführungen dieser Art genügt, um eine Marke unzulässig zu machen; es ist nicht nötig, dass das Publikum sich vorstelle, die in der Marke genannte Person sei Inhaberin des Geschäftes, das die Ware anbietet (Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Februar 1972 i.S. André Hofer-Lebensmittel-Gesellschaft m.b.H., Erw. 4 b, veröffentlicht in PMMBl 1972 I 33). Die Marke SHEILA
BGE 98 Ib 188 S. 194
DIFFUSION geht auf irreführende Reklame aus und verstösst daher gegen die guten Sitten. Sie lässt sich in dieser Hinsicht mit der Marke KUEBLER-RAD oder KUEBLER vergleichen, die auf den Rennfahrer Ferdinand Kübler anspielte (
BGE 77 I 77
ff.). Dass ausser Annie Chancel auch andere Personen berechtigt sind, sich Sheila zu nennen, ändert nichts. Die Beschwerdeführerin heisst nicht Sheila und bezieht ihre Ware auch nicht von einer Person dieses Namens. Sie hat daher kein berechtigtes Interesse, ihn als Markenbestandteil zu gebrauchen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die vorliegende Sache vom Falle der Kübler-Marke, deren Inhaber selber auch Kübler hiess, aber dennoch unterlag.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.