Urteilskopf
98 Ib 6
2. Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Februar 1972 i.S. André Hofer-Lebensmittel-Gesellschaft m.b.H. gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum
Regeste
Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware.
Madrider Abkommen (Fassung von Nizza 1957), Art. 5 Abs. 1; Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958), Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 3 (Erw. 1).
Unzulässigkeit einer ersonnenen Marke, wenn sie nicht täuschend ist? Frage offen gelassen.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
(Erw. 3).
Täuschungsgefahr der Marke "Santi deutsches Erzeugnis"? Frage bejaht (Erw. 4 und 5).
A.-
Die André Hofer-Lebensmittel-Gesellschaft m.b.H. in München ist Inhaberin der in der Zeichenrolle der Bundesrepublik Deutschland unter Nr. 806729 eingetragenen Wortmarke "Santi deutsches Erzeugnis". Am 15. Mai/9. Juni 1970 liess sie dieses Zeichen unter Nr. 368152 für Waren der Klassen 5 und 29 bis 33 in das internationale Register eintragen. Am 11. Mai 1971 teilte das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum dem internationalen Büro mit, dieser Marke werde in der Schweiz vorläufig der Schutz verweigert, denn der sehr verbreitete Familienname Santi, der mit dem Namen der Markeninhaberin nicht übereinstimme, lasse an eine ersonnene Firma denken und vermuten, es bestehe eine Beziehung zwischen diesem Namen und den gekennzeichneten Erzeugnissen; der Gebrauch einer solchen Firma widerspreche
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
; die Markeninhaberin werde eingeladen, dem eidgenössischen Amt zu beweisen, dass sie berechtigt sei, diesen Namen als Marke zu gebrauchen, und in welcher Beziehung der Träger dieses Namens mit den gekennzeichneten Waren stehe, ansonst der Schutz endgültig verweigert würde; die Marke könnte übrigens nur für deutsche Erzeugnisse zugelassen werden.
Die Markeninhaberin liess dem eidgenössischen Amt am 11. August 1971 beantragen, den Schutz nur teilweise zu verweigern. Sie brachte im wesentlichen vor, die blosse Übereinstimmung eines Markenteils mit einem in der Schweiz vorkommenden Familiennamen erwecke nicht den Eindruck einer ersonnenen Firma. Der Name Santi sei sehr wenig bekannt. Es liege näher, Santi als Mehrzahl von Santo zu deuten. Der in der Marke enthaltene Hinweis auf ein Erzeugnis mache dem Publikum vollends klar, dass eine Marke, nicht eine Firma vorliege. Der Schutz dürfe deshalb schon auf Grund des schweizerischen Rechts nicht verweigert werden. Zudem erlaube
Art. 5 MMA
in Verbindung mit
Art. 6quinquies PVUe
die Ablehnung des Schutzes nur bei Täuschungsgefahr. Die Verwendung eines nicht zum Markeninhaber gehörenden Familiennamens möge gegen die Markenwahrheit verstossen, bewirke aber eine Täuschungsgefahr nur dort, wo dieser Name in bezug auf die betreffende Ware einen bestimmten Ruf geniesse, was im vorliegenden Falle weder behauptet sei noch zutreffe. Unbestritten sei, dass die Marke "Santi deutsches
BGE 98 Ib 6 S. 8
Erzeugnis" nur für Waren deutscher Herkunft geschützt werden könne.
Am 2. September 1971 bestätigte das eidgenössische Amt die vorläufige Schutzverweigerung, da die Einwendungen der Markeninhaberin nicht stichhaltig seien. Dieser Entscheid wurde der Markeninhaberin am 13. Oktober 1971 durch das internationale Büro eröffnet.
Mit Schreiben vom 2. September 1971 gab das eidgenössische Amt dem Vertreter der Markeninhaberin bekannt, warum es seinen Ausführungen vom 11. August nicht beipflichte. Es führte im wesentlichen aus, der Name Santi sei in der Schweiz noch ziemlich verbreitet. Gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
habe es die Eintragung von Marken, die einen ersonnenen Firmanamen enthielten, zu verweigern. Nach seiner heutigen strengen Praxis treffe dies auch zu, wenn das Zeichen nebst dem Familiennamen noch andere Bedeutung habe, die nicht gerade einen symbolischen Charakter oder eine direkte Beziehung mit den Erzeugnissen aufweise. Ein solches Zeichen könne nur dann eingetragen werden, wenn durch Beifügung eines wesentlichen graphischen Elementes die Interpretation als Familienname in den Hintergrund gestellt werde.
B.-
Die André Hofer-Lebensmittel-Gesellschaft m.b.H. führt mit Eingabe vom 12./15. November 1971 gegen den Entscheid vom 2. September Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt, ihn aufzuheben und die genannte internationale Eintragung in der Schweiz in bezug auf Waren deutscher Herkunft zu schützen.
Das eidgenössische Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 5 Abs. 1 des Madrider Abkommens über die internationale Registrierung von Marken (MMA), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz vor dem 19. September 1970 in der Fassung von Nizza galt und seither in der Fassung von Stockholm in Kraft steht, darf ein Verbandsland der international registrierten Marke den Schutz nur unter den Bedingungen verweigern, die nach der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVUe) auf eine zur nationalen Eintragung hinterlegte Marke anwendbar wären. Diese Bedingungen sind
BGE 98 Ib 6 S. 9
in
Art. 6quinquies lit. B PVUe
genannt und lauten in der in Lissabon revidierten Fassung der Übereinkunft gleich wie in der zwischen den beiden Staaten seit 19. September 1970 massgebenden Fassung von Stockholm. Unter anderem darf der Schutz verweigert werden, "wenn die Marken gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstossen, insbesondere wenn sie geeignet sind, das Publikum zu täuschen". Anschliessend an diesen in Ziff. 3 enthaltenen Satz sagt die Übereinkunft, es bestehe Einverständnis darüber, dass eine Marke nicht schon deshalb als gegen die öffentliche Ordnung verstossend angesehen werden könne, weil sie einer Vorschrift des Markenrechts nicht entspricht, es sei denn, dass diese Bestimmung selbst die öffentliche Ordnung betreffe.
2.
Das schweizerische Gesetz verbietet die Eintragung einer Marke unter anderem, wenn sie gegen die guten Sitten verstösst (
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2,
Art. 3 Abs. 4 MSchG
). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes namentlich dann erfüllt, wenn sich die Marke eignet, den Käufer der Ware in irgendeiner Weise irrezuführen (
BGE 66 I 192
, 194,
BGE 69 II 203
,
BGE 77 I 79
,
BGE 78 I 281
,
BGE 89 I 51
Erw. 4, 293 Erw. 2, 301 Erw. 2,
BGE 92 II 309
,
BGE 93 I 575
, 579,
BGE 95 I 473
,
BGE 97 I 80
). Insoweit ist das Landesrecht nicht strenger als
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 3 PVUe
, denn auch diese Bestimmung versteht unter den Marken, die gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstossen, insbesondere solche, die das Publikum täuschen könnten.
3.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
sodann verbietet die Eintragung einer Marke unter anderem dann, wenn sie "eine ersonnene, nachgeahmte oder nachgemachte Firma trägt".
TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Auflage, S. 371 Anm. 268 und S. 375 f., ist der Auffassung, diese Bestimmung setze keine Täuschungsgefahr voraus; sie und mit ihr die Praxis ständen der Eintragung in der Schweiz bekannter Familiennamen als Marken oder Markenbestandteile beim Fehlen einer firmenmässigen oder qualitätsbestimmenden Beziehung zur Ware auch dann im Wege, wenn das Publikum aus ihnen nicht auf die Beschaffenheit der Erzeugnisse schliesse. Er verweist auf einen in BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht unter Nr. 2163 III erwähnten Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes aus dem Jahr 1909 betreffend die Marke "Felix".
Das Bundesgericht hat nie erörtert, ob die genannte Bestimmung die "ersonnene, nachgeahmte oder nachgemachte" Firma als Markenbestandteil schlechthin verbiete oder sie nur dann nicht zulasse, wenn sie das Publikum irreführen kann. Es erachtete die Bestandteile "Rosskopf Fils" und "Rosskopf Frères" in Marken für Uhren und "C. Pedroni" in Marken für Zigarren als ersonnen und daher gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
unzulässig (
BGE 46 II 418
f.,
BGE 50 I 323
ff.). Die Täuschungsgefahr lag jedoch in beiden Fällen auf der Hand. Die Eintragung der Marke "Kübler-Rad" des Paul Kübler wurde dagegen gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
abgelehnt, weil das kaufende Publikum sie mit dem bekannten Rennfahrer Ferdinand Kübler in Beziehung bringen würde (
BGE 77 I 77
ff.). Auch bei der Prüfung der Frage, ob die aus dem Namen "Sheila" bestehende Marke für Parfumerien zulässig sei, setzte sich das Bundesgericht nur mit
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 und
Art. 3 Abs. 4 MSchG
auseinander (
BGE 92 II 309
).
Man kann sich fragen, ob es sich rechtfertigt, ersonnene Firmen als Markenbestandteile selbst dann nicht zuzulassen, wenn das Publikum ihren Phantasiecharakter ohne weiteres erkennen kann. Da die Rechtsprechung unrichtige geographische Angaben gestattet, wenn die Möglichkeit der Täuschung ausgeschlossen ist (
BGE 55 I 271
,
BGE 56 I 475
,
BGE 68 I 205
,
BGE 72 I 240
,
BGE 89 I 51
, 293, 301,
BGE 91 I 54
,
BGE 93 I 571
,
BGE 95 I 474
,
BGE 96 I 254
,
BGE 97 I 80
), lässt sich kaum ein Grund finden, ersonnene Firmen selbst dann aus Marken fernzuhalten, wenn sie nicht irreführend wirken können.
Die Frage kann aber offen gelassen werden, und es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob
Art. 6quinquies lit. B PVUe
erlaubt, einer im Ursprungslande eingetragenen oder international registrierten Marke den Schutz zu verweigern, wenn eine in ihr enthaltene ersonnene Firma nicht irreführen kann.
4.
a) Es ist nachgewiesen und unbestritten, dass "Santi" in der Schweiz als Familienname bekannt ist. Er wird von Einwohnern der Schweiz und von Schweizerbürgern geführt. Das schweizerische Publikum weiss aber auch, dass er in Italien als Familienname vorkommt.
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, ein Familienname werde nicht ohne weiteres auch als Firma empfunden, denn aus einem blossen Familiennamen bestehende Firmen seien
BGE 98 Ib 6 S. 11
äusserst selten. Das Publikum denke nur an eine Firma, wenn die Marke ausser dem Familiennamen auch einen Vornamen, eine Ortsbezeichnung oder einen auf eine Gesellschaftsform hindeutenden Zusatz enthalte.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Einzelfirmen können aus dem Familiennamen ohne Vornamen bestehen (
Art. 945 Abs. 1 OR
). Im mündlichen oder schriftlichen Verkehr wird ferner die Firma häufig durch blossen Gebrauch des in ihr enthaltenen Familiennamens abgekürzt. Das Wort "Santi" eignet sich daher durchaus, den Gedanken an eine Firma wachzurufen.
Das ist aber nicht entscheidend, denn eine Marke kann auch dann irreführen, wenn der in ihr enthaltene Familienname nicht den Gedanken an einen Geschäftsinhaber hervorruft, sondern nur auf eine Beziehung zwischen der Ware und einer nicht geschäftlich tätigen Person, z.B. einem Erfinder oder einem das Erzeugnis empfehlenden Fachmann schliessen lässt.
c) Im vorliegenden Falle lässt sich die Möglichkeit einer Irreführung des Publikums nicht schon deshalb verneinen, weil der Familienname "Santi" in der Schweiz nur wenig verbreitet sei. Er kommt häufig genug vor, um als Familienname, Firma oder Firmenbestandteil empfunden zu werden. Das genügt, um die Gedanken des Publikums von der Ware auf eine Person oder Firma zu lenken und es damit zu täuschen.
Die Möglichkeit der Täuschung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass "santi" an sich auch als Mehrzahl des italienischen Wortes "santo" verstanden werden kann. Diese Deutung liegt zu sehr abseits, als dass der Durchschnitt des schweizerischen Publikums, das Lebens- und Genussmittel oder Getränke kauft, auf sie verfallen würde. Insbesondere wer nicht italienisch versteht, übersetzt "Santi" nicht als "Heilige", sondern denkt an eine Person oder einen Geschäftsmann des erwähnten Namens.
Unbehelflich ist sodann der Einwand, die Kombination "Santi deutsches Erzeugnis" sage klar, dass eine Marke, nicht eine Firma vorliege. Die Frage ist nicht die, ob die drei Wörter zusammen den Eindruck einer Marke oder vielmehr den einer Firma erwecken, sondern ob das Wort "Santi" für sich allein oder im Zusammenhang mit den beiden andern Bestandteilen der Marke als Hinweis auf eine Firma oder eine Person empfunden werde. Das trifft zu. Die Wörter "deutsches Erzeugnis"
BGE 98 Ib 6 S. 12
heben die Bedeutung des Wortes "Santi" nicht auf. Sie eignen sich im Gegenteil, sie zu unterstreichen. Der Durchschnittsleser kann sich vorstellen, die Ware sei nach den Rezepten einer Person oder Firma mit Namen Santi, aber in Deutschland hergestellt worden, oder sie gleiche einem italienischen oder schweizerischen Erzeugnis, sei aber deutscher Herkunft. Er kann auch meinen, der das Erzeugnis herstellende Unternehmer heisse Santi. Solche oder ähnliche Gedankengänge liegen umso näher, als "deutsches Erzeugnis" eine Gemeingut bildende reine Herkunftsbezeichnung ist, so dass "Santi" als das einzige an sich markenfähige Zeichen gelten muss.
d) Dass "Santi", wenn als Familienname, Firmenbestandteil oder Firma verstanden, ersonnen ist, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht. Sie hat von der Möglichkeit, einen tatsächlichen Zusammenhang ihrer Erzeugnisse mit einer Person oder Firma dieses Namens nachzuweisen, weder auf die provisorische Schutzverweigerung hin noch in der Beschwerde Gebrauch gemacht.
Sie bringt dagegen vor, ein Familienname sei an sich wertfrei und könne daher nur täuschen, wenn das Publikum ihn einer bestimmten in der Politik, in der Wirtschaft, im Sport usw. bekannt gewordenen Person zuschreibe. Diese Auffassung hält indessen nicht stand. Ein Name oder eine Firma kann in einer Marke nicht nur dann irreführen, wenn sie auf eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen anspielen, wie das im Beispiel der Marke "Kübler-Rad" zutraf, sondern auch dann, wenn der Träger des Namens oder der Firma nur vorgespiegelt, fingiert, ersonnen ist.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG
führt denn auch ausdrücklich die ersonnene Firma neben der nachgeahmten oder nachgemachten an.
5.
Das Amt für geistiges Eigentum hat somit der Marke der Beschwerdeführerin den Schutz zu Recht verweigert. Sein Entscheid lässt sich sowohl auf Ziff. 4 als auch auf Ziff. 2 des
Art. 14 Abs. 1 MSchG
stützen und widerspricht auch
Art. 6quinquies lit. A und B PVUe
nicht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.